Titel: | Versuche über Torsion rechteckig-prismatischer Stäbe. |
Autor: | August Hempelmann |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 790 |
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Versuche über Torsion rechteckig-prismatischer
Stäbe.
Von August Hempelmann,
Diplomingenieur.
(Fortsetzung von S. 774 d. Bd.)
Versuche über Torsion rechteckig-prismatischer Stäbe.
Die Versuche.A. Frühere Versuche.
Unter den bisher angestellten Versuchen über Torsion sind zunächst diejenigen von BauschingerBauschinger,„Experimentelle Prüfung der neueren Formel für die Torsion prismatischer
Körper“. Zivilingenieur 1881, S. 117 u. folg. zu
erwähnen. Derselbe hat die von de Saint-Venant
herrührende Formel
D=x\cdot \frac{M}{G}\cdot \frac{J_p}{F^4}
de Saint-Venant, Comptes rendus 1879 S. 142 und
folg.
welche mit der Formel S. 3 identisch ist, nachgeprüft und eine ziemlich gute
Uebereinstimmung erhalten. In der de Saint-Venantschen
Formel bezeichnet Jp
das polare Trägheitsmoment und F den Flächeninhalt des
Querschnittes; x ist ein Zahlenwert den de Saint-Venant für die verschiedenen Querschnitte
verschieden angibt. Alle Werte nähern sich mehr oder weniger der Zahl 40, weßhalb
Saint-Venant diesen Wert als Durchschnittswert
vorschlägt. Die Versuche Bauschingers haben den
Nachteil, daß Gußeisen als Versuchsmaterial verwandt wurde, denn dieses Material
ändert bekanntlich mit der Inanspruchnahme den Elastizitätsmodul sowie den
Gleitmodul.
Zur Ermittelung der Spannungsverteilung sind ferner eine große Anzahl von Versuchen
von v. BachBach, Zeitschr. d. Ver. Deutch.
Ing.1889,S. 140u. folg.do.1895,S. 854„do.1897,S. 80„do.1906,S. 481„sowie Bach,
„Elastizität und Festigkeit“, 5. Aufl.,S. 328„ durchgeführt worden. Bei den meisten dieser Versuche wurde auch Gußeisen als
Versuchsmaterial benutzt. Das Verdrehungsmoment wurde bei diesen Versuchen soweit
gesteigert, bis der Probestab zum Bruch kam. Ein Nachteil liegt bei dieser Methode
darin, daß sich bei Beanspruchungen über die Proportionalitätsgrenze die elastischen
Eigenschaften des Versuchsstabes – oft wesentlich – ändern. Erst in jüngster Zeit
ist dieses durch eine große Zahl von Versuchen des Amerikaners HancockHancock,„Einfluß des wechselweisen Verdrehens auf die elastischen Eigenschaften
von Metallen“. D. p. J. 1906, S. 646 u. folg. Siehe auch die mit
Einzel- und kombinierten Kraftwirkungen unternommenen Versuche von J. J. Guest (Philosophical Magazine and Journal
of Science [Fifth Series] 1900, S. 69 u. folg.) mit hohlen Rundstäben
(Röhren) und von W. A. Scoble (Phil. Mag.
[Fifth Series] 1906, S. 533 u. folg.) mit Stahlrundstäben, welche Versuche
lediglich den Zweck haben nachzuweisen, daß der Beginn von elastischen
Nachwirkungen ein zuverlässiges Erkennungszeichen für die Messung der
Proportionalitätsgrenze ist, daß also bei einem bestimmten Werte der
elastischen Schubkraft die elastische Nachwirkung eintritt.
erhärtet worden.
PrandtlPrandtl,„Zur Torsion von prismatischen Stäben“, Physikalische Zeitschrift
1902/03, S. 758, sowie Prandtl,„Eine neue Darstellung der Torsionsspannungen bei prismatischen Stäben
von beliebigem Querschnitt“. Jahresbericht d. deutschen mathem. Ver.
13. Band, 1904, S. 31 und folg. (Siehe auch Zitat S. 3, Anm. 5).
hat einen interessanten Zusammenhang der Verdrehungsspannungen mit einer gleichmäßig
gespannten Membran, die den Querschnittsumriß zur Randkurve hat und eine
gleichförmig verteilte, zur Randkurve senkrecht stehende Belastung erträgt,
gefunden. Auf Grund dieser Beziehung sind von AnthesAnthes,„Versuchsmethode zur Ermittlung der Spannungsverteilung bei Torsion
prismatischer Stäbe“. D. p. J. 1906, S. 342 und folg.
Versuche zur Ermittlung der Spannungsverteilung bei Torsion von Stäben gemacht
worden. Diese Versuchsmethode ermöglicht, bei genügender Annäherung die
Spannungsverteilung und die Formänderung bei Verdrehungsbelastung für verschiedene
Querschnitte zu ermitteln.
B. Arbeitsplan.
Nach der Formel S. 772 folgt, wenn zur Abkürzung
\frac{b^2+c^2}{b^3\cdot c^3}=Q
gesetzt wird, für den Zahlenfaktor C der Ausdruck
C=\frac{D}{M}\cdot \frac{G}{Q}.
Von den auf der rechten Seite dieser Gleichung stehenden
Größen liefert der Torsionsversuch den Quotienten \frac{D}{M}, d. i. die Drehung der
Längeneinheit des Stabes durch die Einheit des Torsionsmomentes gemessen im
Bogenmaß.
G findet sich aus der Poissonschen Gleichung
G=\frac{1}{2}\cdot \frac{m}{m+1}\,E,
wenn E und m bekannt sind. Während E
für jeden Stab besonders bestimmt wurde, war für m
zunächst die Benutzung der von Wertheim gefundenen
Durchschnittszahl, m=\frac{10}{3} angenommen. Die im Laufe der Arbeit aufgetauchten
Zweifel an der Richtigkeit dieser Zahl veranlaßten mich jedoch durch
Torsionsversuche mit Rundstäben diesen Wert zu kontrollieren und zu berichtigen.
Die Querschnittsfunktion Q wurde für jeden Stab als
Mittelwert durch möglichst genaue Messung der Rechteckseiten bestimmt.
C. Der Versuchsapparat.
Es galt zunächst einen Apparat zu konstruieren, der in möglichst vollkommener und
einwandfreier Weise die Aenderung des Drallwinkels mit dem
Verdrehungsmoment unmittelbar anzeigte. Bei Durchführung der Versuche wurde
großer Wert auf die Erzielung möglichst genauer Ergebnisse gelegt. In erster Linie
erschien es daher notwendig, von dem Versuchsstab jede andere als die
Torsionsbelastung fern zu halten. Da dieses schwer durchführbar ist, wenn der Stab
an den beiden Enden in festen Lagern liegt, so wurde nach folgender, von Professor E. Brauer gegebenen Grundidee, der in den
Fig. 2–7
dargestellte Versuchsapparat konstruiert.
Wird ein aus drei Stäben zusammengesetzter Körper (Fig.
2) in den Punkten A'A'' unterstützt und in
den Punkten B'B'' durch die gleichen Kräfte P' und P'' belastet, so
wirkt auf jeden der beiden Arme A'B' und A''B'' ein Kräftepaar. Diese Kräftepaare sind einander
gleich, aber entgegengesetzt gerichtet und stehen durch die Torsionsfestigkeit des
Verbindungsstabes im Gleichgewicht. Dieser wird also durch ein reines Torsionsmoment
von bekannter
Größe beansprucht und kann sonach als Versuchsstab dienen.
Textabbildung Bd. 322, S. 791
Fig. 2.
Fig. 3 zeigt schematisch die Anordnung des Apparates,
Fig. 4 gibt ein Gesamtbild, einige Einzelheiten
zeigen Fig. 5–7. Auf
dem Gestell G pendeln die beiden Doppelhebel HH; zwischen diesen Hebeln ist der Versuchsstab S befestigt. Die gehärtete Schraubenspitze B' (Fig. 5 u. 6) der einen Hebelseite ruht in einem ebenfalls
harten Körnerloch, während die entsprechende Schraube B'' des anderen Doppelhebels sich in einer Winkelrinne frei bewegen kann.
Die Gehänge D ruhen ebenfalls in gehärteten
Schraubenspitzen A', A'' und Körnern. An dem
Versuchsstabe selbst sind in einem bestimmten Abstand zwei Zeigerhebel (Fig. 4 und 7)
befestigt, welche an ihren Enden mit einer Skala versehen sind, um den gegenseitigen
Ausschlag messen zu können. Das Eigengewicht des Apparates hat nur Einfluß auf die
Nullstellung; eine tatsächliche Beeinflussung der Resultate findet also nicht statt.
Die kleine Initialspannung ist hier eher vorteilhaft als nachteilig wie bei den
meisten Festigkeitsversuchen; sie besteht teils in Torsion, teils in Biegung durch
das Stabgewicht. Die später hinzukommende Belastung durch Gewichte erzeugt sonach
reine Torsionsmomente. Die Einspannungsstellen des
Stabes sind bei der Messung ohne Einfluß, weil die Zeiger in einer gewissen
Entfernung davon befestigt sind.
Textabbildung Bd. 322, S. 791
Fig. 3.Schematische Skizze des Versuchsapparates.
Die Belastung geschieht in der Weise, daß auf der einen Seite eine Schale mit den
dazu passenden Gewichten als Meßkraft P' (Fig. 3) eingehängt wird, auf der anderen Seite stellt
die gleich große Spannkraft P'' einer geführten
Schraube mit Handradmutter (Fig. 4) das
Gleichgewicht her. Der Stab wird beansprucht durch das Kräftepaar P' . A'B', wobei vorausgesetzt ist, daß die infolge der
Elastizität des Versuchsstabes entstehende Neigung der beiden Hebel klein genug ist,
um vernachlässigt werden zu dürfen, eine Bedingung, die stets erfüllt wurde.
Die Befestigung der Zeiger an den Stab und die Schrauben zur genauen gegenseitigen
Einstellung zeigt Fig. 7. Die Hebelabmessungen
selbst sind so gewählt, daß sie die Berechnung des Dralls, d.h. der Verdrehung f. d.
Längeneinheit möglichst vereinfachen. Die Versuchswerte waren durch 250 zu
dividieren, um den Drallwinkel für die Länge s = 400 zu
erhalten (Fig. 3). Somit fand sich der Drall nach
folgendem Rechnungsschema:
D=\frac{\mbox{abgelesener Versuchswert}}{250\cdot 400}=\frac{\Delta}{100000}.
Der Versuchsstab wurde zunächst mit dem einen Ende in einem Doppelhebel (H, H) genau festgespannt, sodann setzte man die beiden
Zeiger auf und stellte dieselben roh ein. Jetzt konnte auch das andere Ende des
Probestabes in dem anderen Hebel befestigt und genau eingestellt werden.
Textabbildung Bd. 322, S. 791
Fig. 4.Versuchsapparat.
Die exakte Einstellung der Zeiger wurde vorgenommen, sobald
der Apparat auf dem Gestell pendelte. Nach Einhängung des Gehänges und der Haken war
zunächst der Anfangszustand auf der Zeigerskala abzulesen, dann konnte die
Gewichtsschale eingehängt werden.
Textabbildung Bd. 322, S. 791
Fig. 5.Ansicht von oben.
Die Schale selbst wog genau 2 kg entsprechend einem
Anfangsverdrehungsmoment von 1000 mmkg; die weitere Belastung geschah durch runde, 1
und 2 kg schwere, geeichte Gußstücke, welche in die Schale paßten (Fig. 4). Die jeweilige Mehrbelastung um 1 kg ergab eine
Erhöhung des Torsionsmomentes um 500 mm/kg. Um eventuelle, elastische Nachwirkungen in
Betracht ziehen zu können, wurde jeder Belastungszustand längere Zeit – bisweilen
mehrere Stunden – beibehalten.
Textabbildung Bd. 322, S. 792
Fig. 6.Doppelhebel.
Die Versuche selbst fanden zu verschiedenen Jahreszeiten aber nicht sehr
verschiedenen Temperaturen (10° bis 30°) statt. Elastische Nachwirkungen waren kaum
vorhanden.
Textabbildung Bd. 322, S. 792
Fig. 7.Zeiger.
D. Das Versuchsmaterial.
Textabbildung Bd. 322, S. 792
Fig. 8.Probestäbe.
Für die Versuchszwecke wurden acht bearbeitete und acht unbearbeitete Stäbe aus einem
guten, möglichst homogenen Flußeisenmaterial ausgewählt (Fig. 8). Tab. 1 gibt eine Aufstellung der Probestäbe,
ihrer Bezeichnung in den folgenden Ausführungen und Tabellen, sowie ihrer
Querschnittsgröße. An bearbeiteten Stäben waren 6 Stück von rechteckigem und 2 Stück
von quadratischem Querschnitt, an unbearbeiteten Stäben 4 Stück von rechteckigem und
je 2 Stück von quadratischem und kreisförmigem Querschnitt gewählt worden. Die Wahl
von zwei runden Stäben (G und H) wird aus den späteren Ausführungen
Tabelle 1.
Anzahl
Querschnittmm
Bezeichnung
BearbeiteteStäbe
2 Stück
30 × 13,5
Ia und Ib
2 Stück
30 × 10
IIa und IIb
2 Stück
20 × 10
IIIa und IIIb
2 Stück
10 × 10
IVa und IVb
UnbearbeiteteStäbe
1 Stück
30 × 10
A
1 Stück
24 × 11,8
B
1 Stück
21,5 × 10
C
1 Stück
17,8 × 12
D
1 Stück
15 × 15
E
1 Stück
12 × 12
F
1 Stück
Ø = 15
G
1 Stück
Ø = 11,2
H
ersichtlich werden. Um einen Fehler in den Hebelarmen zu
vermeiden, wurden sowohl die Probestäbe in dem Abstand von 500 mm als auch die
Mitten der Doppelhebel mit einer kleinen Bohrung versehen zum Einstecken eines
Paßstiftes. Ein genaues Einspannen wurde dadurch erzielt, daß die diagonalen
Entfernungen A'A'' = B'B'' des Apparates (s. Fig. 5) genau gemessen wurden.
(Fortsetzung folgt.)