Titel: Moderne Gießwagen und Gießkrane für Stahlwerke.
Autor: C. Michenfelder
Fundstelle: Band 322, Jahrgang 1907, S. 792
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Moderne Gießwagen und Gießkrane für Stahlwerke. Von Dipl.-Ing. C. Michenfelder. (Schluß von S. 778 d. Bd.) Moderne Gießwagen und Gießkrane für Stahlwerke. Mit Bezug auf die für eine günstige Bedienbarkeit zweckmäßige Ausgestaltung zeigt der nach Fig. 20 ausgeführte moderne Gießkran zwei nicht unerhebliche Fortschritte, auf deren Anwendung gleichfalls patentamtlicher Schutz ruht (D. R. P. No. 179630 u. D. R. G. M. 279924). Zunächst ist der Führerkorb in der ersichtlichen Weise als ein neben der Katzenbahn vollkommen selbständig fahrbarer Teil ausgebildet, wodurch es dem Kranführer ermöglicht ist, das Ein- und Ausgießen des flüssigen Materials von der für ihn jeweilig günstigsten Stellung aus zu beobachten und zu regeln und sich außerdem der Einwirkung der ausstrahlenden Hitze nach Erfordern leicht zu entziehen. Ferner ist bei ihm die Lage des Kipphakens auch in Richtung quer zu den Hauptträgern mit Hilfe eines Spindeltriebwerkes verstellbar, damit die Schnauze der Gießpfanne für jede Stellung des Führers sicher in dessen Gesichtsfeld gebracht werden kann (u.a. beim Beschicken des Ofens mit flüssigem Eisen). Textabbildung Bd. 322, S. 793 Fig. 20. Zeichnet sich schon dieser Gießkran außerdem durch seine nicht unbeträchtliche Größe aus: 50 t Tragkraft bei fast 24 m Spannweite, so wird er hierin noch bedeutend übertroffen durch die nach Fig. 21 mehrfach geschaffene Gießkranausführung für 80 t und 24 m Spannweite. Textabbildung Bd. 322, S. 793 Fig. 21. Vorteilhaft abweichend von den bisherigen Konstruktionen ist bei letzteren u.a. die breite, über die Kranträger hinausragende Form des dadurch gegen ein eventl. Kippen oder Abgehobenwerden gut gesicherten Führungsgerüstes, die sich wegen der zweckmäßigen Forderung einer auf den Hauptträger-Untergurten unabhängig laufenden Nebenwinde ergab, deren Lasthaken außer zum Pfannenkippen nach beiden Seiten hin somit auch zu ganz beliebigen Versatzarbeiten verwendbar ist. Es sei gerade auf diesen Umstand nochmals als auf eine in der Laufkrantype auch für Spezialkrane begründete vorteilhafte Eigenschaft hingewiesen, welche die Nützlichkeit und die Rentabilität einer Gießkrananlage natürlich wesentlich zu erhöhen vermag. Wenn auch bei den zuletzt besprochenen Kranen die Steuerung sowohl der Haupt- als auch der unter ihr fahrenden Hilfswinde in übersichtlicher Weise von der an diese angehängten Bühne aus erfolgt, so ist trotzdem einem etwaigen Zerdrücktwerden der letzteren durch die angehobene Pfannentraverse mit einer selbsttätigen Ausschaltung vorgebeugt. Die Wahl von Hilfswinden, die nicht nur hinsichtlich des Hebens, sondern auch des Verfahrens von der Hauptwinde unabhängig sind, bringt weiterhin noch die Annehmlichkeit mit sich, daß durch die räumliche Trennung beider Winden auch deren Anfahrmasse in oft schätzbarer Weise verkleinert werden, wie dies auch aus Fig. 22 anschaulich geschlossen werden kann. In Vervollständigung dieser hauptsächlichsten, die Konstruktionen moderner Hüttenwerks-Gießkrane betreffenden Angaben mögen zum Schluß noch einige Leistungs- bezw. Geschwindigkeitsdaten der besprochenen Krane Platz finden. Der zuletzt erwähnte Gießkran (Fig. 22) ist für eine Charge von 30 t und für eine Gesamttragkraft von 45 t gebaut. Er kann mittels eines 30 PS-Elektromotors vollbelastet mit 55 m i. d. Min. verfahren werden. Ein gleichstarker Motor vermag die gefüllte Pfanne mit einer minutlichen Geschwindigkeit von 1,8 m anzuheben, während das Kranfahren von einem 8,5 pferdigen Motor mit 15,5 m i. d. Min. bewerkstelligt wird. Die Hub- und die Fahrgeschwindigkeiten der kleinen 7,5 t-Nebenwinde mit dem anhängenden Führerstand sind 9 bezw. 21,5 m i. d. Min. (18 bezw. 3 PS-Motor). Die in Fig. 21 gezeigten schweren Gießkrane vermögen den vollen Pfanneninhalt von 50000 kg, entsprechend einer gesamten NutzlastMit Nutzlast ist hierbei die Summe der am Haken hängenden maximalen Lasten bezeichnet; die Gesamtwindenlast, also Traversen- und Seilgewicht eingeschlossen, beträgt im vorliegenden Falle über 100000 kg. von 80000 kg, mit Hilfe eines 90 PS-Motors mit 2,75 m minutlicher Geschwindigkeit zu heben. Das Katzenfahren bewirkt ein 30 PS-Motor mit 27 in, während das Kranfahren durch 90 PS mit 70 m i. d. Minute erfolgt. Da diese bei der Größe der Anlage schon bedeutende Geschwindigkeit später sogar noch auf etwa 100 m erhöht werden soll, so mußte nach dem früher Gesagten hierin ein besonders zwingender Grund für die Anordnung der starren Pfannenführung erblickt werden. Die 20 t-Nebenwinde hebt mit 9 m und verfährt mit 40 m minutlich unter Verwendung eines 40 PS- bezw. eines 16 PS-Motors. Textabbildung Bd. 322, S. 794 Fig. 22. Am auffallendsten jedoch treten die heutzutage für die Geschwindigkeiten auch bei Gießkranen gestellten hohen Anforderungen zutage bei der in Fig. 17 veranschaulichten neuen Mischer- und Konverter-Doppelkrananlage: die mit 60 bezw. 35 t belasteten Krane haben mit nicht weniger als 120–130 m minutlicher Geschwindigkeit zu verfahren, also mit etwa dem Doppelten des Wertes, der noch vor Kurzem bei Gießkranen als normal angesehen werden konnte. Da die Gesamtlänge der Fahrstrecke etwa 100 m beträgt, auf den Anfahrweg aber etwa 20 m und auf den Bremsweg etwa 10 m zu rechnen sind, so wird die volle Geschwindigkeit auf etwa 70 m Wegstrecke während nur etwa 30 Sekunden ausgenutzt. Die Notwendigkeit des die bedeutenden Beschleunigungs- und Verzögerungskräfte der Pfannenmassen hierbei aufnehmenden, starren Gerüstes dürfte in diesem Falle ganz besonders einleuchtend sein. Das Katzenfahren soll mit 40 m, das Pfannenheben mit 7 m erfolgen können. Auch angesichts dieses letztgenannten Wertes wird man die durch die gewählte automatische Kippvorrichtung gewährleistete Sicherheit, Ruhe und Gleichmäßigkeit des Ausgießens als wesentliche Betriebserleichterung empfinden. Ebenso wie zugestanden werden muß, daß mit der durch die geschilderten Konstruktionsverbesserungen vervollkommneten Arbeitsweise die Leistungsfähigkeit der Gießkrane selbst außerordentlich erhöht werden kann, ebenso wird als deren weitere Folge auch eine gesteigerte Leistungsfähigkeit des ganzen Stahlwerkes dann eintreten müssen, wenn ein Zusammen- bezw. Nebeneinanderarbeiten des Gießkranes mit den übrigen Transportvorrichtungen des Stahlwerkes in zweckmäßiger Weise stattfindet. Textabbildung Bd. 322, S. 794 Fig. 23. Bei älteren Martinanlagen sieht man die Gießhalle noch in der bis dahin meist üblichen Weise bedient von einem oberhalb der Gießkranbahn fahrenden normalen Laufkran, der vor allem für den Transport der Kokillen und für das Weiterschaffen der gegossenen Stahlblöcke zum Walzwerk benutzt wird, welches sich also in der Längsrichtung der Gießhalle an diese anschließt. Ganz abgesehen von der hierbei erforderlich werdenden, kostspieligen Erhöhung des Gebäudes wird bei einer solchen Anordnung die Notwendigkeit als Uebelstand empfunden, daß ein unabhängiges Verfahren beider Krane immer nur bei ganz hochgezogener Laufkranlast möglich ist. Die sich hierdurch ergebenden Zeitverluste lassen – unter weiterer Berücksichtigung, daß auch die Möglichkeit einer beliebig großen Verlängerung der ineinander mündenden Hallen genommen ist – diese Disposition mithin als verbesserungsfähig erscheinen. Im Gegensatz hierzu ist bei dem neuen Martin-Stahlwerk nach Fig. 23 durchweg der moderne Grundgedanke vorteilhaft verkörpert, den Materialdurchgang durch das Werk in einer zur Längsausdehnung der Hallen senkrechten Richtung erfolgen zu lassen: vom Schrottlager durch Auslegerlaufkrane gegen die Ofenhalle, von der Gießhalle durch benachbarte Auslegerlaufdrehkrane zum Block- und Kokillenlager bezw. noch weiter nach rechts zu den Tieföfen und den Rollgängen. Durch die einheitliche Sonderbestimmung einer jeden Halle werden hierbei im allgemeinen kleinere Spannweiten und damit zugleich größere Beweglichkeiten der Krane an sich erreicht; durch das Nebeneinanderlaufen der Krane deren vollständige gegenseitige Unabhängigkeit, bei Vermeidung von Zeitverlust und Wartepausen; durch die Parallelität der Hallenrichtungen die jederzeitige Möglichkeit einer beliebigen Verlängerung derselben. Mit anderen Worten: nicht allein von der richtigen konstruktiven Durchbildung der einzelnen Hebe- und Transportmittel des Stahlwerkes ist dessen Leistungsfähigkeit abhängig, sondern auch von deren zweckmäßiger, wirtschaftlichster Anordnung zu einander.