Titel: Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik.
Autor: K. Drews
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 2
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Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. Von K. Drews, Oberlehrer an der Königl. höheren Maschinenbauschule in Posen. Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. Es gibt wohl kaum einen anderen Zweig des allgemeinen Maschinenbaus, der in den letzten zwei Jahrzehnten so gewaltige Veränderungen erfahren hat, wie die Hebe- und Transportvorrichtungen. Wer die Hebezeugliteratur etwa bis 1895 durchblättert, stößt immer wieder auf dieselben wenigen Typen von Kranen und Winden. Der ganze Hebezeugbau, wenigstens derjenige der alten Welt, zeigt einen eminent traditionellen Zug; man hält an den überkommenen Typen fest. Das Interesse für diesen Teil des Maschinenbaus war im allgemeinen gering, die Literatur daher auch recht dürftig. In den Ausstellungsberichten werden Hebezeuge garnicht oder doch nur nebenher erwähnt; die amerikanischen Reiseberichte von Riedler und Gutermuth vom Jahre 1893 in der Z. d. V. d. I. beschränken sich nur auf Aufzüge. Auch in dem Bericht von Jhering (Stahl u. Eisen 1893) über die Ausstellung in Chikago werden die hydraulischen Krane nur gelegentlich bei Besprechung der Walzwerke erwähnt. Zum ersten Mal wird den Hebezeugen ein besonderer, wenn auch nur kleiner Abschnitt in dem Bericht von Lindner (Z. d. V. d. I. 1896) über die Arbeitsmaschinen auf der elektrotechnischen Ausstellung in Karlsruhe 1896 gewidmet. Ein wesentlich verändertes Bild zeigt der Hebezeug-, insbesondere der Kranbau zu Beginn des neuen Jahrhunderts. Schon in den letzten Jahren des vorigen beginnt eine stürmische Aufwärtsbewegung, die selbst durch die sinkende Konjunktur der ersten Jahre des neuen Jahrhunderts nicht aufgehalten werden konnte, und die erst in letzter Zeit in ruhigere Bahnen eingelenkt ist Unsere Maschinen- und Hütteningenieure, die in den neunziger Jahren Nordamerika besuchten, brachten von dort, wo man so wenig Sinn für das Traditionelle hat, eine Fülle von neuen Eindrücken mit, deren Rückwirkung auf die heimische Technik sich bald bemerkbar machte. Immer wieder wird in den damaligen Reiseberichten betont, daß es zu einem sehr großen Teil die weit vollkommeneren und leistungsfähigeren Hebe- und Transportvorrichtungen seien, die trotz höherer Arbeitslöhne die amerikanische Eisenindustrie so konkurrenzfähig machten. Namentlich die deutschen Eisenhüttenleute lernten damals in den amerikanischen Hütten- und Stahlwerken, auf den gewaltigen Erz- und Kohlenlagerplätzen an den großen Seen völlig neue Lade- und Transportvorrichtungen kennen und deren Wert für die Produktion schätzen. Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich behaupte, daß der deutsche Hebezeugbau seine heutige überragende Bedeutung zu einem sehr großen Teil den Anregungen und der Mitarbeit unserer Eisenhüttenleute verdankt. Nächst den Eisenhüttenwerken haben in den letzten Jahren auch die großen Schiffswerften befruchtend auf den Kranbau gewirkt. Hier handelt es sich aber weniger um Schaffung völlig neuer Formen, als um Fortentwicklung der überkommenen und um Bewältigung gewaltiger Massen mit hohen Arbeitsgeschwindigkeiten. Die deutsche Hebezeugtechnik hat die ihr gestellten Aufgaben in glänzender Weise zu lösen gewußt. Wohl hat der deutsche Hebezeugbau viele Anregungen von jenseits des Ozeans erhalten, aber er hat sehr bald eigene Bahnen eingeschlagen, Bahnen, die ihm seine heute herrschende Stellung auf dem Weltmarkt verschafften. Den besten Beweis für die Erfolge der deutschen Hebezeugtechnik, die gleichzeitig Erfolge unserer Elektrotechnik sind, geben die Zahlen über Deutschlands Ein- und Ausfuhr an Hebemaschinen. Jahr. Einfuhr. Ausfuhr. 1900 1666 t   3520 t 1901 1091 „   4188 „ 1902   874 „ 13267 „ 1903 1611 „ 14857 „ 1904 ungefähr 1000 „ ungefähr 10400 „ 1905 1000 „   9200 „ Für frühere und spätere Jahre lassen sich die Zahlen im einzelnen leider nicht nachweisen. Für die hohe Leistungsfähigkeit der deutschen Hebezeugfirmen spricht ja schon der Umstand, daß sie in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Kranen von den größten Abmessungen und von hohem Kapitalswert nach England geliefert haben; England, das früher unser Lehrmeister gerade in großen Kranbauten war. Fragt man sich nach den Ursachen dieser Erfolge, so wird man bald den Grund hierfür in der glücklichen Paarung von Theorie und Praxis bei uns finden. Unsere Hebezeugkonstrukteure haben bei den großen Kranbauten der letzten Zeit, z.B. bei den Riesen-Werftkranen, den großen, fahrbaren Verladebrücken vor ganz eigenartigen zum Teil sehr schwierigen Aufgaben der Statik und Festigkeitslehre gestanden, zu deren Lösung ein gutes theoretisches Wissen unbedingt erforderlich war. Hierzu kam dann eine solide Ausführung und eine vervollkommnete Werkstattpraxis. Ein gewisser Teil jener Erfolge auf dem Weltmarkt geht aber auf das Konto unserer Elektrizitätsfirmen, indem diese zwekentsprechende, den eigenartigen Betriebsverhältnissen der Hebezeuge angepaßte Motoren und Steuerapparate schufen. Da, wie ich oben bemerkt habe, die Entwicklung der Hebezeugtechnik in ruhigere Bahnen eingelenkt ist, ja in mancher Beziehung mit dem hohen Grad von Vollkommenheit schon einen gewissen Abschluß erreicht hat, mag es wohl berechtigt erscheinen, einmal auf den Weg zurückzublicken, den der moderne Hebezeugbau in seiner Entwicklung zurückgelegt hat, mit knappen Strichen seinen Werdegang zu skizzieren. Spricht man von moderner Hebezeugtechnik, so denkt man sofort an Elektrizität als Betriebskraft; zwischen beiden besteht vollkommene Ideenverbindung; beide sind untrennbar mit einander verbunden, Man kann mit gutem Recht behaupten, daß ohne diese neue Betriebskraft die Hebezeuge nie und nimmer den gegenwärtigen hohen Grad von Vollkommenheit erreicht, ihr Anwendungsgebiet niemals so erweitert hätten. Die Geschichte der elektrisch betriebenen Hebezeuge ist demnach zugleich die Geschichte des modernen Hebezeugbaus. Man kann 3 Zeitabschnitte in dem Entwicklungsgang der elektrischen Hebezeuge unterscheiden. 1. die Zeit der tastenden Versuche, etwa von 1880 bis 1890; 2. die Zeit der zielbewußten Versuche, etwa von 1890 bis 1896; 3. die Zeit der ungehemmten Entwicklung, von 1896 bis zur Jetztzeit. Die Zeit der tastenden Versuche, 1880 bis 1890. Der erste Versuch, eine Hebemaschine elektrisch zu betreiben, scheint, wenigstens in Deutschland, im Jahre 1880 gemacht worden zu sein, und zwar von der Firma Siemens & Halske auf der Gewerbeausstellung in Mannheim. Diese Firma hatte dort einen elektrischen Personenaufzug für den Aussichtsturm der Ausstellung aufgestellt. Dieser Aufzug war nach D. p. J. 1881 Bd. 239, S. 22 ein sogenannter automobiler oder Kletteraufzug; d.h. der Motor nebst Winde befand sich an der Fahrzelle selbst und machte deren Bewegung mit. Der Motor trieb mittels einer selbsthemmenden Schnecke zwei Triebe an, die in eine feste, durch die ganze Höhe des Fahrschachtes gelegte Zahnstange eingriffen. Der Fahrstuhl hing an zwei Drahtseilen, an deren anderen Enden das Gegengewicht angriff. Die Drahtseile und die Zahnstange sollen zugleich als Stromleiter gedient haben; hier scheint indes der Berichterstatter wohl nicht genau unterrichtet gewesen zu sein. Fig. 1 zeigt diesen ersten elektrischen Aufzug. M ist der Motor, S die Schnecke, R1 und R2 die Triebe, L die Zahnstange, F die Fahrzelle, D die Drahtseile, H ein das Triebwerk umgebender Schutzkasten. Wenn in neuerer Zeit solche automobilen Aufzüge wieder einmal als etwas Neues angepriesen werden, so kann man auch hier mit Ben Akiba sagen: „Alles schon dagewesen“. Nach einer Notiz der E. T. Z. 1881 scheint indes bereits früher im Jahre 1878 ein elektrischer Aufzug in San Franzisko in Betrieb gewesen zu sein. Daß man die Elektrizität als Betriebskraft für Krane schon sehr früh in Erwägung gezogen hat, geht aus einem Aufsatz von Hospitalier in Lumière Electrique hervor, worin der Verfasser die Anwendung von Elektrizität anstatt Druckwasser bei Dockkranen empfahl, weil man die Energie jener besser ausnutzen könne. Allerdings sei erst die Aufgabe zu lösen, Ströme von nötiger Stärke und beliebiger Teilung zu erzeugen. Es lag nahe, daß man der Elektrizität gerade dort, wo die Zuführung anderer Kraftmittel oft mit großen Schwierigkeiten verknüpft war, nämlich im Bergbau, besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich ihrer Verwendung zum Antrieb von Maschinen schenkte. So finden wir denn auch vom Jahre 1883 mehrere Berichte über den elektrischen Antrieb von Bergwerksmaschinen. Textabbildung Bd. 323, S. 2 Fig. 1.Elektrischer Personenaufzug von Siemens & Halske. Auf Schacht Thibaud bei St. Etienne (Frankreich) war unter Tag ein elektrischer Förderhaspel aufgestellt. Der Strom wurde über Tag in einer Dynamo erzeugt. Die übertragene Leistung war sehr gering, nämlich 1 PS. Ferner wurde in demselben Jahre eine elektrisch betriebene Streckenförderung in einer Kohlengrube bei Perronniere in Betrieb genommen, über die leider nichts näheres berichtet wird. Der Versuch von Siemens mit dem elektrischen Aufzug in Mannheim scheint ermutigend gewesen zu sein, denn wir finden auf der Wiener Ausstellung im Jahre 1883 wieder einen solchen und zwar von Freißler in Wien. Wenn man auch wohl annehmen kann, daß in den folgenden Jahren mancherlei Versuche mit dem elektrischen Antriebe von Hebezeugen gemacht wurden, so fließen die Berichte darüber in jener Zeit doch recht spärlich. Erst vom Jahre 1886 an wird das Tempo der Entwicklung etwas lebhafter. Dieses Jahr brachte die ersten Berichte über elektrisch betriebene Krane. Da ist zuerst ein Drehkran mit elektrischem Hubwerk von Dr. Hopkinson (E. T. Z. 1886) Fig. 2. Textabbildung Bd. 323, S. 2 Fig. 2.Elektrischer Drehkran von Dr. Hopkinson. Ein Elektromotor treibt mittels eines Stirnrädervorgeleges eine Kettennuß an. Der Motor war umsteuerbar; die Bürsten waren verstellbar; in der Mittellage bei Stillstand des Motors wurden sie vom Kollektor abgehoben. Der Rückgang der Last bei ausgeschaltetem Motor wurde durch eine selbsttätige Bremse, wahrscheinlich eine Lasstdruckbremse, verhindert. Dieser Kran scheint indes auch schon einen Vorgänger gehabt zu haben, denn in einer Fußnote bemerkt die Redaktion, daß ein ähnlicher Kran bereits 1885 in den Werkstätten von Siemens Brothers in London mit gutem Erfolg in Betrieb gewesen sei. D. p. J. 1886 berichtet ferner über einen elektrischen fahrbaren Drehkran mit Stromabnehmer in Roubaix. Der Motor, von dem die Kranbewegungen bewirkt wurden, leistete 4 PS. Er lief dauernd und wurde nur bei längeren Betriebspausen stillgesetzt. Die Bewegungsübertragung auf das Triebwerk geschah mittels Riemens. Es wurden 500 kg mit 20 m minutlicher Geschwindigkeit gehoben. Auch diese Quelle erwähnt einen elektrischen Kran noch früheren Datums in einer Gießerei bei Paris, dessen Tragkraft 20 t und dessen Hubgeschwindigkeit 21 m i. d. Min. betragen haben soll. Den nächsten Bericht finden wir in D. p. J. 1888, Bd. 271. Dort wird ein fahrbarer elektrischer Drehkran für 500 kg bei 24 m minutlicher Geschwindigkeit von Crompton & Co. in Chelmsford beschrieben, Fig. 3. Alle drei Bewegungen, Heben, Drehen, Fahren, wurden durch einen Nebenschlußmotor, der dauernd lief, bewirkt. Um ein kräftigeres Drehmoment beim Anlauf zu erzielen, besaßen die Feldmagnete einige Hauptstromwicklungen, die abgeschaltet wurden, wenn der Motor seine normale Umlaufzahl erreicht hatte. Der Motor überträgt seine Bewegung durch die zylindrischen Reibrollen A und B auf die Vorgelegewelle; das Anpressen geschieht mittels Hebels K. E ist die Trommel für das Zugorgan. Die Bremse wird durch den Fußtritt L betätigt. F, G, H sind die Hebel zum Einrücken der Kupplungen für die bezüglichen Triebwerke der drei Kranbewegungen. Die Stromzuführung hatte man sich sehr leicht gemacht; man hatte nämlich zwischen den Fahrschienen auf den Schwellen zwei Kupferbänder befestigt, von denen der Strom durch zwei Stromabnehmer dem Motor zugeführt wurde. Der Kran soll zur vollen Zufriedenheit des Besitzers gearbeitet haben. Das Jahr 1889 brachte dann den ersten elektrisch betriebenen Laufkran, der nach D. p. J. 1889 Bd. 272 für eine Gießerei in Erith (England) von Anderson gebaut worden war.Nach dem Kranalbum von Ludwig Stuckenholz in Wetter a. R. hat diese Firma allerdings schon 1887 einen elektrischen Laufkran für eine Hamburger Schiffswerft geliefert. Auch hier bewirkte ein stetig laufender Nebenschlußmotor vermittels Wendegetriebe die drei Kranbewegungen. Daß man Ende der achtziger Jahre in weiten Kreisen der Technik mit der Elektrizität als Betriebskraft für Hebezeuge noch nicht ernsthaft rechnete, geht z.B. aus einem Vortrage hervor, den Prof. A. Ernst im Jahre 1890 über die maschinelle Ausstattung des städtischen Lagerhauses in Stuttgart hielt, und worin Prof. Ernst nur Transmission und Druckwasser als Betriebskräfte für die zu beschaffenden Hebezeuge Erwähnung tat. Textabbildung Bd. 323, S. 3 Fig. 3.Fahrbarer elektrischer Drehkran von Crompton & Co. Auch in einem längeren Bericht über Lasthebezeuge in D. p. J. 1887 zählt Prof. Gollner als Kraftquellen für diese wohl Dampf, Preßwasser, Preßluft und Transmission auf, Elektrizität erwähnt er indes nicht. Trotzdem kann man wohl behaupten, daß man anfangs der neunziger Jahre den Standpunkt, elektrisch betriebene Hebezeuge als Kuriosität zu betrachten, endgültig überwunden hatte. Man hatte eingesehen, daß es ging. Die Nachwirkungen einer vollendeten Tatsache sind ja in der einschlägigen Literatur erst viel später zu spüren. (Fortsetzung folgt.)