Titel: Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik.
Autor: K. Drews
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 18
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Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. Von K. Drews, Oberlehrer an der Königl. höheren Maschinenbauschule in Posen. (Fortsetzung von S. 3 d. Bd.) Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. Die Zeit der zielbewußten Versuche, 1890 bis 1896. Die erste Hälfte der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts kann man die Sturm- und Drangperiode elektrisch betriebener Arbeitsmaschinen nennen. Das Thema der elektrischen Kraftübertragung und Kraftverteilung nahm während dieser Zeit das Interesse der technischen Welt gefangen. Es setzte, von den erstarkten deutschen Elektrizitätsfirmen geleitet, eine Propaganda großen Stiles in Wort und Schrift für die Elektrizität als Betriebskraft bei Arbeitsmaschinen ein. Eine jugendfrische, zukunftsfreudige Bewegung und als solche nicht selten über ihr Ziel hinausschießend und sich vor Uebertreibungen nicht bewahrend. Man kann wahrlich nicht sagen, daß die Elektrotechnik jener Jahre vom Pessimismus angekränkelt war. Kleine Tatarennachrichten schmuggelten sich auch gelegentlich in die Spalten der technischen Fachschriften ein. Da wird z.B. unter der Spitzmarke „Helfer in der Not“ erzählt, wie ein 5 PS-Elektromotor eine 17 PS-Dampfmaschine ersetzt habe und ähnliches. Wenngleich in den Jahren 1890 und 91 die Berichte über elektrische Hebezeuge noch spärlich flößen, so wurde doch ohne Zweifel auf diesem Gebiete emsig gearbeitet. Aus dem Jahre 1890 stammt ein elektrischer Aufzug von Freißler-Siemens an dem Mönchsberg bei Salzburg. Seine Hubhöhe betrug 75 m. Jede der beiden Fahrzellen faßte 12 Personen. Der Strom wurde einer Akkumulatorenbatterie entnommen, die bei Nacht aufgeladen wurde (E. T. Z. 1890, S. 453). Derselbe Jahrgang dieser Zeitschrift bringt ferner kürzere Berichte über Aufzugswinden der Electric Elevator Co., von Thomson-Huston, Otis und der A. E. G. – Der elektrische Aufzugsbetrieb scheint dem Kranbetrieb um ein gutes Stück vorangeeilt zu sein. Es ist dies ja auch nicht verwunderlich, da ein Aufzugsmotor unter wesentlich besseren Bedingungen als ein Kranmotor arbeitet. Seine Belastung schwankt bei geeigneter Gewichtsausgleichung nicht in so weiten Grenzen wie bei letzterem. Zudem war die erforderliche Energie, wenigstens in Großstädten, durch Anschluß an das Beleuchtungsnetz meist leicht erhältlich. Das Jahr 1891 war für die Entwicklung des elektrischen Kranbetriebes ein sehr wichtiges, denn 1891 wurden die ersten zwei elektrischen Portalkrane im Hamburger Hafen aufgestellt. Die Krane waren von Nagel & Kämp in Hamburg gebaut; die elektrische Ausrüstung lieferte die A. E. G. in Berlin. Es waren normale Hafenkrane von 2500 kg Tragkraft. Die Hubgeschwindigkeit bei dieser Belastung betrug 1 m/Sek., die Drehgeschwindigkeit am Haken gemessen 2 m/Sek. Der Hubmotor leistete 40 PS, der Drehmotor 8 PS. Beide Motoren waren Nebenschlußmotoren. Man hatte die Vorteile des Hauptstrommotors für den Kranbetrieb noch nicht erkannt, man brachte ihm bezüglich des Durchgehens großes Mißtrauen entgegen, ein Mißtrauen, dem man sogar jetzt noch, wenigstens in der Literatur gelegentlich begegnet. Man überschätzte auch ferner die Rückgewinnung von Energie beim Senken, die ja nur beim Nebenschlußmotor möglich ist. Daß diese Rückgewinnung von Energie nur unter besonders günstigen Umständen einen nennenswerten Betrag erreicht, läßt sich leicht voraussagen, wurde aber später durch Messungen an den Hamburger Kranen ausdrücklich festgestellt. Damals tat indes diese Eigenschaft des Nebenschlußmotors ihre guten Dienste zur Propagierung des elektrischen Betriebes. A la guerre comme à la guerre. Die Elektrizität konnte diese Waffe damals brauchen, stand sie doch bei ihrem Eindringen in den Hafenbetrieb einem mächtigen Gegner, dem Druckwasser, gegenüber. Die hydraulischen Hafenkrane hatten damals gerade den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreicht. Ihre konstruktive Ausgestaltung war von hoher Vollkommenheit; ihre Betriebssicherheit war unbestritten; ihre Leistungsfähigkeit konnte von elektrischen Kranen nicht übertroffen werden. Die Wirtschaftlichkeit des Druckwasserbetriebes war durch Zentralisierung der Krafterzeugung eine gute. Zum Betriebe der Preßpumpen dienten ökonomisch arbeitende Dampfmaschinen, für deren selbsttätige Regulierung, Anlassen und Abstellen je nach dem Wasserbedarf eine Reihe sehr sinnreicher, zuverlässiger Konstruktionen im Gebrauch waren. Und gerade in der Bemessung der Elektrizitätszentrale für Kranbetrieb lag eine weitere Schwierigkeit für die Elektrotecknik; dies war für sie damals völlig eine terra incognita, während für die richtige Bemessung der Druckwasserzentrale der Maschinentechnik langjährige Erfahrungen und sichere Grundlagen zu Gebote standen. Trotzdem nun beide Krane bei sehr ungünstiger Jahreszeit in Betrieb genommen wurden, haben sie von Anfang an zufriedenstellend gearbeitet; Betriebsstörungen kamen selten vor. Wenn sie 1893 zeitweilig außer Betrieb gesetzt wurden, so lag das an der Zentrale, die für den Kranbetrieb zu klein bemessen war. Auf Grund des günstigen Hamburger Resultates bestellte im Jahre 1892 die Stadt Rotterdam für ihren Hafen bei Haniel und Lueg einen elektrischen Portalkran von 1500 kg Tragkraft, dessen elektrischer Teil von Schuckert ausgeführt wurde. Die Steuerfähigkeit dieses Kranes ließ zu wünschen übrig, außerdem arbeitete das Triebwerk sehr geräuschvoll. Der Kran erfuhr daraufhin einen Umbau. Auch im Hafen von Southampton wurden im Jahre 1893 zwei Vollportalkrane von 3000 kg Tragkraft und 1 m sekundlicher Hubgeschwindigkeit in Betrieb gesetzt. Der Hubmotor leistete 56 PS, der Drehmotor 12,5 PS. Die Krane sollen nicht besonders zufriedenstellend gearbeitet haben. Trotz dieser teilweisen Mißerfolge, die man von verständiger Seite als Kinderkrankheiten und Unvollkommenheiten richtig einschätzte, waren die Vorteile des elektrischen Betriebes so offensichtlich, daß die elektrischen Hafenkrane in den nächsten Jahren eine rasche Vermehrung erfuhren. Im Jahre 1894 bestellte Rotterdam sechs elektrische Krane bei Nagel & Kämp, denen im Jahre 1895 noch sieben weitere folgten. Dem Beispiel Rotterdams folgten die Häfen von Düsseldorf, Mannheim, Dresden und Kopenhagen. Nach einem Vortrage von E. Grosse in der Elektrotechnischen Gesellschaft zu Köln (Z. d. V. d. I, 1895, S. 824) waren im Jahre 1895 im ganzen 46 elektrische Hafenkrane in Betrieb. Die ersten elektrischen Hafenkranewaren, wie schon erwähnt, von Nagel & Kämp in Hamburg gebaut worden. Sehr bald nahmen aber auch andere Firmen, die heute zu den ersten Hebezeugfirmen gehören, den Bau elektrischer Krane auf. So lieferten Mohr & Federhaff in Mannheim für den Mannheimer Hafen einen Portalkran, der schon mit der bekannten Bremskupplung dieser Firma versehen war. Auch Bechem & Keetman in Duisburg hatten damals für ihr eigenes Werk einen elektrischen Portalkran gebaut. Trotz der erzielten Erfolge des elektrischen Antriebes brachte man ihm doch noch viel Mißtrauen entgegen, so daß man sich bei Neuanlagen, z.B. in Stettin, Köln, La Plata für den Druckwasserbetrieb entschied, wie ja auch heute noch dieser Betrieb viele Anhänger hat. Bei ihrem Eindringen in den Werkstättenbetrieb fand die Elektrizität schon viel weniger Widerstand. Für den Laufkran, und dieser kommt hier doch hauptsächlich in Betracht, gab es damals kein seinen besonderen Betriebsbedingungen angepaßtes Kraftmittel. Dampf war für geschlossene Räume an sich schon untunlich, außerdem hätte der Dampfkessel, der doch auf dem Kran selbst hätte untergebracht werden müssen, die nutzbare Hubhöhe und das Arbeitsfeld des Hakens allzusehr beschränkt. Diese Betriebskraft konnte nur für Laufkrane im Freien verwandt werden, war aber auch hier nur sehr selten zu finden. Die Anwendung von Druckwasser bot so viel konstruktive und Betriebsschwierigkeiten, daß es hier bei einigen wenigen Versuchen geblieben ist. Am ehesten hätte noch Preßluft mit rotierenden Motoren für die Fahrbewegung Erfolg versprochen, trotzdem die Zuleitung der Energie ähnliche Schwierigkeiten wie Preßwasser bot. So war man denn einzig und allein auf den so überaus kraftverzehrenden Transmissionsbetrieb mit seinem verwickelten Triebwerk angewiesen. Die Transmissionslaufkrane waren schwerfällige, wenig leistungsfähige Hebezeuge. Wohl sind auch damals Laufkrane bis 150 t Tragkraft gebaut worden, aber die Arbeitsgeschwindigkeiten waren gegen heute doch außerordentlich gering. Die mögliche durch Transmission übertragbare Leistung fand sehr bald nach oben ihre Grenze. Nach Baurat Rieppel (Z. d. V. 1894, S. 713) betrug die Lebensdauer eines Baumwollenseiles zum Antrieb von Laufkranen vier Monate; das Seil kostete für die von ihm angezogenen Verhältnisse 500 M. Um damit am Haken 12 PS zu erhalten, mußte die Kraftmaschine 50 PS hergeben. Die Möglichkeit, zwei oder gar alle drei Bewegungen wie bei elektrischem Antriebe zu gleicher Zeit auszuführen, konnte nur bei großer Geschicklichkeit des Führers und dann auch nur bei geringeren Belastungen ausgenutzt werden. Bei der damals einsetzenden Produktionssteigerung taten aber gerade Werkstättenkrane von großer Leistungsfähigkeit, d.h. schnellarbeitende, bitter not. Die Elektrotechnik erschien hier in der Tat als Helferin in der Not. Hier wie überall mußten indes Erfahrungen gesammelt werden, Fehlschläge waren nicht zu vermeiden. In E. T. Z. 1890, S. 158 finden wir einen Bericht über zwei elektrische Laufkrane in den Werkstätten der A. E. G. zu Berlin. Es waren Einmotorenkrane von 10 t Tragkraft. Der Antrieb für Heben. Katze- und Kranfahren wurde durch Wendegetriebe, die von Flur aus durch Ketten betätigt wurden, von dem Motor, der auf einem der Radkasten stand, auf die betr. Triebwerke übertragen. Motor und Schalter sahen für Kranbetrieb sehr wenig vertrauenerweckend aus. Der Schalter war ein gewöhnlicher Anlasser mit bloßliegenden Kontakten und wurde von unten durch einen Kettenzug betätigt. Einen elektrischen Laufkran von E. Becker in Berlin bringt ferner Z. d. V. 1892. Auch dieser Laufkran besaß nur einen Motor für alle drei Bewegungen. In jener Zeit beschränkte man sich beim Uebergang zum elektrischen Antrieb meist darauf, an Stelle der Transmission, wie bei Laufkranen, oder an Stelle der Antriebsmaschine, wie bei fahrbaren Drehkranen, einen Elektromotor, in der Regel einen Nebenschlußmotor zu setzen: An dem Triebwerk der Krane selbst änderte man fast gar nichts. Alle die Wellen, konischen Räder, Wendegetriebe, Kipplager, die das Krantriebwerk so unübersichtlich und verwickelt machten, blieben vorderhand bestehen, die Krankonstrukteure konnten sich nicht dazu entschließen, den ganzen alten Apparat kurzerhand über Bord zu werfen. Und man kann es ihnen auch nicht verdenken, denn das, was ihnen die Elektrotechnik von damals als Ersatz bot, ließ die Rückendeckung durch die alten erprobten Konstruktionen geboten erscheinen. Der wundeste Punkt der damaligen elektrischen Kranausrüstung bildet der Steuerschalter. In seinem ausgezeichneten, fesselnd geschriebenen Bericht über die Hebemaschinen auf der Pariser Weltausstellung im Jahre 1900 (Z. d. V. d. I. 1901), sagt Prof. Kammerer: „Der Nebenschlußmotor für Transmissionsbetrieb mit zugehörigem als Schaltbrettapparat gebautem Leerlaufanlasser war alles, was die damalige Elektrotechnik zunächst bieten konnte.“ Textabbildung Bd. 323, S. 18 Fig. 4.Elektrische Laufkatze. Es ist klar, daß unter solchen Umständen die Vorteile, die der elektrische Antrieb für Hebezeuge bot, nur zum Teil ausgenutzt wurden. Man erwog wohl vielfach für Laufkrane den Dreimotorenbetrieb, ließ sich aber von entscheidenden Schritten durch allerlei theoretische Bedenken und Gutachten abhalten, die die Praxis später gründlich widerlegt hat. Textabbildung Bd. 323, S. 19 Fig. 5.Elektrisch betriebener Laufkran von 6 t Tragkraft von der Maschinenfabrik Oerlikon. Erst am Anfange unseres Jahrhunderts ist der Einmotorenlaufkran dem Dreimotorenlaufkran endgültig gewichen. Schon in D. p. J. 1894, Bd. 293, S. 131 wird in einem Bericht über neuere Laufkrane der Ausspruch getan, daß das Ideal für den Antrieb elektrischer Laufkrane, für jede Bewegung ein besonderer Motor sei. Aber dem Verfasser stoßen sofort wieder Bedenken auf, indem er fortfährt, daß die damit erreichbaren Vorteile nur scheinbare wären. Er fürchtet die großen Anlauf Verluste; kleinere Motoren hätten außerdem hohe Umlaufzahlen, zu deren Umsetzung man schlechterdings zu Schneckengetrieben greifen müßte, die wohl besser als ihr Ruf seien, immerhin doch als Mangel empfunden würden. Daß aber alle diese nicht wegzuleugnenden Schwierigkeiten auch damals schon zu besiegen waren, bewies die Maschinenfabrik Oerlikon in Zürich. Textabbildung Bd. 323, S. 19 Fig. 6.Elektrische Laufkatze von der Maschinenfabrik Oerlikon. Diese Firma hat meines Wissens zuerst den Dreimotorenbetrieb für Laufkrane ausgeführt und damit endgültig mit der Vergangenheit gebrochen. Sie hatte die Sache von vornherein beim richtigen Ende angepackt, indem sie das Triebwerk den neuen Verhältnissen der neuen Betriebskraft, und umgekehrt die Motoren und Steuerapparate den Eigentümlichkeiten des Hebezeugbetriebes anzupassen suchte. Die damals üblichen hohen Umlaufzahlen, namentlich der Drehstrommotoren zwangen sie, ihre besondere Aufmerksamkeit dem Schneckengetriebe zu zuwenden. Durch sorgfältige Herstellung auf Spezialmaschinen, geeignetes Material, Kugellagerung, zuverlässige Schmierung gelang es der Firma, dies Getriebe zu Ehren zu bringen d.h. seinen Wirkungsgrad im Beharrungszustande bis auf 0,90 zu erhöhen; siehe hierüber Z. d. V. d. I. 1902, S. 915. Fig. 4 zeigt eine Laufkatze der Firma aus dem Jahre 1896. Fig. 5 einen elektrischen Dreimotorenlaufkran vom Jahre 1895. Zum Vergleich mit späteren Konstruktionen der Firma möge Fig. 6 dienen, die eine schwere Laufkatze aus dem Jahre 1903 darstellt. Zum Halten der Last und zum Regulieren der Senkgeschwindigkeit diente eine gewichtbelastete Kniehebelbackenbremse, die vom Führerstand aus durch einen Seilzug, zuweilen auch durch einen Elektromagneten gelüftet wurde. Diese Bremsmethode hat die Firma bis heute beibehalten. Die Maschinenfabrik Oerlikon hatte mit ihren elektrischen Laufkranen vollen Erfolg, denn bis 1895 hatte sie 69 Stück mit einer Gesamttragkraft von 755 t geliefert. (Fortsetzung folgt.)