Titel: Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik.
Autor: K. Drews
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 33
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Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. Von K. Drews, Oberlehrer an der Königl. höheren Maschinenbauschule in Posen. (Fortsetzung von S. 20 d. Bd.) Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. Textabbildung Bd. 323, S. 33 Fig. 7.Fahrbarer elektrischer Drehkran der Maschinenfabrik Oerlikon. Im Jahre 1892 begann die Gutehoffnungshütte in ihrer Brückenbauanstalt zu Sterkrade den elektrischen Beirieb einzuführen; im Jahre 1896 waren dort elf elektrische Laufkrane und mehrere andere Krane im Betrieb. Auch die Brückenbauanstalt Gustavsburg bei Mainz hatte bis 1894 den elektrischen Antrieb sämtlicher Hebezeuge durchgeführt. In anderen Ländern sehen wir das gleiche Bestreben. So berichtet „Stahl und Eisen“ 1893 über zwei bezüglich ihrer Leistungen beachtenswerte Laufkrane. Der eine von 100 t Tragkraft und 22,5 m Spannweite lief in der Lokomotivwerkstätte der Baldwin Locomotive Works (Amerika) und diente zum Heben ganzer Lokomotiven. Der Laufkran besaß zwei Motoren von je 40 PS Leistung; er soll zur vollsten Zufriedenheit gearbeitet haben. Der andere befand sich in dem Stahlwerk von Schneider in Creuzot (Frankreich). Seine Tragkraft belief sich auf 150 t; er war ebenfalls mit zwei Motoren versehen. Seine Geschwindigkeiten betrugen: Heben 0,93 m i. d. Minute, Kranfahren 10,8 m i. d. Minute. Zur Stromerzeugung war eine Dynamo von 120 PS Leistung aufgestellt. Erwähnenswert ist auch ein in D. p. J. 1894, Bd. 293 beschriebener 50 t-Laufkran von Sellers in einem Krafthause an den Niagarafällen, dessen Hubgeschwindigkeit 1,5 m i. d. Minute betrug. Ein 45 PS-Motor übertrug seine Leistung mittels Riemens auf die Krantriebwerke. Die Hubwinde besaß zwei Bremsen, eine Lastdruckbremse und eine wahrscheinlich elektromagnetisch betätigte Bandbremse. Als besondere Seltenheit kann es angesehen werden, daß für die Fahrbewegung nach Art der Zahnradbahnen längs der Fahrbahn eine Zahnstange angeordnet war, angeblich, um die Lage der Katze mit Last auf dem Kran für seine sichere Fortbewegung einflußlos zu machen. Wahrscheinlich wurde nur die eine Endseite des Kranes angetrieben. Eine zweite derartige Anordnung ist mir nur an dem 25 t-Kran von Leblanc auf der Pariser Weltausstellung (Z. d. V. 1900, S. 1782) bekannt. Auch bei anderen Hebezeugen für Fabrikbetrieb wurde der elektrische Antrieb immer häufiger verwandt. In E. T. Z. 1890 wird ein fahrbarer Drehkran mit elektrischer Hub- und Fahrbewegung auf der Ausstellung für Unfallverhütung von der Firma E. Becker in Berlin beschrieben. Der Verfasser des betr. Artikels muß von einem schönen Optimismus beseelt gewesen sein, denn er meinte, Betriebsstörungen seien bei elektrischen Hebezeugen so gut wie ausgeschlossen, auch genügten ungeübte Leute zur Bedienung. Nun, die Folgezeit hat den Hebezeugkonstrukteuren und Elektrotechnikern in dieser Beziehung doch noch manche Nuß zum Knacken gegeben. Fig. 7 zeigt einen fahrbaren elektrischen 8 t-Drehkran aus dem Jahre 1893 von Oerlikon. Zum Vergleich mit späteren Konstruktionen dieser Firma möge Fig. 8 und 9 dienen, wovon die erstere einen Drehkran aus dem Jahre 1898, die letztere einen solchen aus dem Jahre 1902 darstellt. Die Hubgeschwindigkeit des in Fig. 7 dargestellten Drehkranesbetrug 1,4 m, die Drehgeschwindigkeit 5,5 m am Haken, die Fahrgeschwindigkeit 20 m, alles auf eine Minute bezogen. Der auf der Drehscheibe befindliche Motor bewirkte Heben und Drehen; der Fahrmotor war am Untergestell befestigt. Textabbildung Bd. 323, S. 34 Fig. 8.Fahrbarer elektrisch betriebener Drehkran mit kippbarem Ausleger der Maschinenfabrik Oerlikon. Auch beim Bau der Bogenbrücke bei Levensau am Nordostseekanal wurden schon elektrische Bockkrane benutzt. Der elektrische Antrieb wurde zu jener Zeit auch schon recht oft an Bord von Schiffen verwandt. Eine elektrische Schiffswinde mit Spillkopf von der Electric Elevator Co. beschreibt E. T. Z. 1891; ebenso D. p. J. 1894, Bd. 292 eine solche von Bolton. Auf der Versammlung der Inst. of Naval Architects im Jahre 1896 berichtete Marinebauinspektor Eickenrodt, daß die Herstellung elektrischer Schiffswinden schon ein Arbeitsgebiet der elektrotechnischen Firmen bilde. Man habe mit 3 bis 4 t-Winden vorzügliche Ergebnisse erzielt. Im Bau von elektrischen Aufzugswinden hatte man bis 1896 ebenfalls recht bemerkenswerte Fortschritte gemacht. Namentlich den Steuerschaltern schenkte man große Aufmerksamkeit. D. p. J. 1892, Bd. 284 beschreibt einen Otis-Aufzug, bei dem das Abschalten der Widerstände beim Anlauf selbsttätig durch einen Zentrifugalregulator geschah. Ferner bringt E. T. Z. 1895 einen Aufsatz über die bekannten Anlasser mit Kohlenkontakten von Siemens & Halske, der mit besonderer Rücksicht auf die Betriebsverhältnisse der Aufzüge durchgebildet war; dieser Anlasser wurde auch bei Kranbetrieb vielfach verwandt. Das Abschalten der Widerstände geschah hier ebenfalls selbsttätig. Der Aufsatz brachte auch eine gute Abbildung der elektrischen Aufzugswinde im Berliner Rathaus. Die Steuerapparate für Kranbetrieb waren bis 1896 hin auf Grund der mehrjährigen Erfahrungen wesentlich verbessert worden. Man hatte die Krananlasser den Straßenbahnkontrollern nachgebildet. In E. T. Z. 1895, S. 390 finden wir schon bei der Beschreibung eines elektrischen Drehkranes die bekannte Universalsteuerung der Union E.-G. in Berlin, bei der zwei Steuerapparate mittels nur eines Hebels betätigt werden. Die Kontakte lagen damals nach den Abbildungen bloß, während sie schon bei den in E. T. Z. 1896 veröffentlichten Schiffswinden und Kranen derselben Firma eingekapselt sind. Auch die maschinellen Einrichtungen von Stahl- und Walzwerken erfuhren in den Jahren 1890–1896 in Anlehnung an amerikanische Vorbilderwesentliche Verbesserungen. Stahl und Eisen 1891, S. 305 berichtet zum ersten Male über die amerikanischen Blockwagen und Beschickwagen für Martin-Oefen von Wellman. Die ersten Ausführungen wurden noch mit Dampf und Druckwasser betrieben, wobei letzteres durch eine Preßpumpe auf der Maschine selbst erzeugt wurde. Mittels eines solchen Beschick- oder Muldenwagens konnte ein Martin-Ofen von 15 t Fassung in 10–15 Minuten beschickt werden. Das einzusetzende Material – Schrott, Eisenabfälle – befand sich in Mulden von Blech, die von dem Schwengel des Beschickwagens gefaßt und von ihm in den Ofen geschoben wurden. Schon im Jahre 1894 hatte Wellman die Beschickvorrichtung kranartig ausgebildet, d.h. der Schwengel hing an einer Laufkatze, die auf einem Laufkran lief, der die ganze Beschickbühne vor den Oefen bestrich. Hier war der Antrieb vollständig elektrisch. Auch zum Transport der Koquillen, der Blöcke und zum Gießen wurden in Amerika schon viel früher als bei uns anstatt der üblichen hydraulischen Drehkrane elektrische Laufkrane benutzt. So beschreibt Stahl und Eisen 1894 die Bessemeranlage der National Tube Works in Amerika, wo zum Einsetzen der Blöcke zwei elektrische Laufkrane von 5 t Tragkraft und zum Transport der Pfannen ein 20 t-Laufkran diente. Die Geschwindigkeiten der ersteren betrugen: Heben 33 m/Min., Kranfahren 9,1 m/Min., waren also schon recht beträchtlich. In einem amerikanischen Reisebericht vom Jahre 1896 in Stahl und Eisen wird erzählt, daß die Arbeit vor den Martin-Oefen der Carnegie-Werke durchweg maschinell sei: daß ferner an der elektrischen Kraftverteilung unausgesetzt gearbeitet werde. Diese amerikanischen Beschickvorrichtungen wurden in Deutschland sehr bald nachgeahmt. Zuerst um das Jahr 1894 von dem Eisenwerk Lauchhammer bei Riesa. Der Antrieb der deutschen Beschickvorrichtungen war indes von vornherein elektrisch. Textabbildung Bd. 323, S. 35 Fig. 9.Fahrbarer elektrisch betriebener Drehkran der Maschinenfabrik Oerlikon. Auch die Elektrizitätsfirmen unterstützten diese Bestrebungen und bildeten für jene maschinelle Vorrichtungen, die besonders hohe Anforderungen an die Manövrierfähigkeit stellten, zweckentsprechende Motoren und Steuerapparate aus. E. T. Z. 1897 brachte schon einen Aufsatz über elektrische Ausrüstung von Beschickvorrichtungen für Martin-Oefen. Ueber Schrägaufzüge für Hochöfen in Amerika, die heutzutage auch bei uns vielfach Verwendung finden, gibt uns Stahl und Eisen 1891 Nachricht. Diese Aufzüge wurden damals aber noch mit Dampfmaschinen betrieben, während heute der elektrische Antrieb die Regel bildet. Ziehen wir endlich die Fördermaschinen in den Kreis unserer Betrachtungen, so ist hierfür ein Aufsatz in D. p. J. 1893, Bd. 287 über eine elektrische Fördermaschine von Thomson-Houston besonders bemerkenswert. Diese Maschine wurde von zwei Motoren von je 500 PS, die direkt mit der Trommel gekuppelt waren, angetrieben. Die Nutzlast betrug 4500 kg, die Fördergeschwindigkeit 12,5 m/Sek., die Teufe 760 m. Wenn in diesem Aufsatz angegeben wird, daß die genannte Firma solche Fördermaschine für Motorleistungen bis 3000 PS baue, so klingt das, wenn wir die Schwierigkeiten bedenken, die uns dieses Problem noch heute bereitet, etwas märchenhaft; jedenfalls konnte es im Jahre 1893 nur ein interessantes Experiment, nur Zukunftsmusik sein. Die Erfolge, die die Elektrotechnik auf dem Gebiete des Hebezeugbaues in den ersten 90 er Jahren erzielt hatte, kommen in dem Geschäftsbericht für 1894 der Firma Siemens & Halske zum Ausdruck, wo es heißt, daß elektrische Aufzüge viel geliefert wurden, und daß dem Kranbetrieb für die verschiedensten Anforderungen Arbeit mit Erfolg zugewandt wurde. In der Praxis sei die Elektrizität hinsichtlich Betriebssicherheit und Oekonomie allen anderen Betriebsarten überlegen. Man kann das Jahr 1896 als dasjenige betrachten, bis zu dem der Sieg des elektrischen Antriebes von Hebezeugen über alle anderen bisher üblichen Betriebsarten endgültig entschieden war. Man würde jedoch fehlgehen, wollte man diesen Erfolg allein der größeren Wirtschaftlichkeit des elektrischen Betriebes zuschreiben. Wenigstens im Vergleich mit dem Druckwasserbetrieb ist diese Frage auch heute noch nicht völlig klargestellt. Die vielen Berechnungen, die damals die Vorzüge der elektrischen Kraftübertragung in wirtschaftlicher Beziehung erläutern sollten, hatten fast durchweg lediglich theoretischen Wert, da ihnen die sichere Grundlage langjähriger Erfahrungen und eingehender Versuche fehlten. Wo diese aber fehlen, ist man auf Annahmen angewiesen, und mit diesen kann man alles mögliche herausrechnen. So kam z.B. Oberingenieur Gerdau in einem Vortrage „Lösch- und Ladevorrichtungen“ (Z. d. V. 1892) nach seinen Berechnungen zu dem Ergebnis, daß der hydraulische Betrieb 4 kg, der elektrische 4,35 kg Kohle für die PS/std. erfordere, Demgegenüber rechnet Hartmann (E. T. Z. 1892), bezugnehmend auf die ersten Hamburger elektrischen Portalkrane für den elektrischen Betrieb 3 kg bei voller, 2 kg bei halber Belastung, für den hydraulischen Betrieb in beiden Fällen 4 kg Kohle für die PS/Std. aus. Es hat keinen Sinn, die Hartmannschen Annahmen auf ihre Richtigkeit nachzuprüfen. Wenn er aber in seinen Berechnungen die Rückgewinnung von Strom mit 20 v. H. einsetzt, so hat sich diese Annahme in der Folge als falsch erwiesen, abgesehen davon, daß dieser Betrag später durch Verwendung von Hauptstrommotoren ganz ausfiel. Auch nimmt der Verfasser ohne weiteres an, daß die hydraulischen Krane ohne Lastabstufung arbeiten, während bei Hafenkrane doch fast immer drei Abstufungen üblich sind. Dieses eine Beispiel möge den praktischen Wert der an sich ja sehr interessanten Kostenberechnungen jener Zeit veranschaulichen. Wäre der Erfolg allein oder doch zu einem großen Teil von der Richtigkeit jener Berechnungen abhängig gewesen, so hätte die Elektrizität niemals ihre heutige Bedeutung für den Hebezeugbau erlangt. Viel treffender kennzeichnet Professor Budde auf der Hauptversammlung der Eisenhüttenleute 1895 in Düsseldorf die Gründe für den Erfolg des elektrischen Antriebes, wenn er sagt, die Elektrizität könne ohne Verlust um die Ecke gehen. Allerdings möchte ich hierfür lieber setzen „mit Leichtigkeit ohne Verlust“, denn gerade in der Leichtigkeit, mit der die Elektrizität um Ecken und auch auf große Entfernungen geführt werden kann, liegt der größte Vorzug des elektrischen Antriebes, der hauptsächlich den Erfolg, bestimmte. Denn ohne diese Eigenschaft der Elektrizität wären manche modernen Hebevorrichtungen in ihrer heutigen Vollkommenheit fast unmöglich; ich erinnere hier nur an die Muldenchargierkrane mit ihren fünf Bewegungen. (Fortsetzung folgt.)