Titel: Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik.
Autor: K. Drews
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 197
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Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. Von K. Drews, Oberlehrer an der Königl. höheren Maschinenbauschule in Posen. (Fortsetzung von S. 180 d. Bd.) Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. Beschickvorrichtungen für Martinöfen. Fig. 51Stahl und Eisen 1907, Taf. XIV. stellt den Querschnitt eines neuzeitlichen Martin-Werkes dar, an das sich rechts das Walzwerk anschließen würde. Wir folgen am besten dem Materialtransport von links nach rechts. In der Ofenhalle sehen wir rechts den Querschnitt eines von Generatorgasen geheizten Flammofens, in dem sich der Martin-Prozeß abspielt. Die Oeffnung in der Ofenwand links deutet die Tür zum Einbringen des festen aufzuschmelzenden Materials an. Vor dem Ofen befindet sich die Beschickbühne. Textabbildung Bd. 323, S. 197 Fig. 51.Querschnitt durch ein neuzeitliches Martinwerk. Das Beschicken der Oefen fand nun früher und in älteren Werken auch heute noch, z.B. im alten Martin-Werk der Königinhütte in Oberschlesien, von Hand statt. Diese Arbeit erfordert große Geschicklichkeit und erhebliche körperliche Kräfte von Seiten der Ofenarbeiter; Geschicklichkeit dahin, das Material gleichmäßig über die Herdsohle zu verteilen, was namentlich dann schwierig wird, wenn es sich im Ofen angehäuft hat. Es bedeutete daher schon einen Fortschritt, als man die Stücke nicht mehr einzeln hineinwarf, sondern mittels einer Mulde einführte. Die gefüllte Mulde wird von einem Schwengel erfaßt, der an der Katze eines über der Beschickbühne angeordneten Laufkranes hängt. Durch Drehen eines auf dem Schwengel sitzenden Speichenrades wird die Mulde im Ofen gekippt. Fig. 52 zeigt eine solche Beschickvorrichtung allerdings neueren Datums von der Benrather Maschinenfabrik; wie ich sie erst kürzlich in dem Martin-Werk der Friedenshütte, O.-S., gesehen habe. Zum Drehen des Schwengels, d.h. zum Muldenkippen sind öfter bis sechs Mann erforderlich. Diese Vorrichtung bildet schon den Uebergang zu den modernen Beschickmaschinen. Damit soll aber nicht gesagt sein, daß diese sich aus jener entwickelt haben, denn sie sind ziemlich zu gleicher Zeit unabhängig voneinander entstanden; ja die Beschickmaschine dürfte sogar älteren Datums sein. Die Beschickmaschinen sind amerikanischen Ursprungs; sie wurden bei uns in den 90er Jahren bekannt. Es muß dabei allerdings erwähnt werden, daß in Deutschland, und zwar im Martin-Werk, der Witkowitzer Eisenhüttengewerkschaft schon seit dem Jahre 1888 eine hydraulische Beschickmaschine in Betrieb war, was aber erst mehrere Jahre später bekannt wurde. Die ersten amerikanischen Beschickmaschinen waren, wie schon im ersten Teil dieser Arbeit, S. 34, erwähnt, von Wellman erbaut worden. Sie waren als Wagen, die auf der Beschickbühne liefen, ausgeführt und wurden anfänglich mit Dampf oder Druckwasser betrieben. Textabbildung Bd. 323, S. 198 Fig. 52.Elektrisch betriebener Muldenchargierkran der Benrather Maschinenfabrik. Tragkraft der Katze 5000 kg, Muldeninhalt 1200 kg, Spannweite 12,5 m. Bei uns nahm Mitte der neunziger Jahre die A.-G. Lauchhammer den Bau solcher Beschickwagen auf. Als Betriebskraft wurde hier aber von vornherein Elektrizität gewählt. Es würde hier zu weit führen, den Werdegang dieser Maschinen bis zu ihrer heutigen Gestalt zu verfolgen; ich muß mich darauf beschränken, einige neuere Ausführungen in Wort und Bild vorzuführen. Textabbildung Bd. 323, S. 198 Fig. 53.Beschickwagen der A.-G. Lauchhammer. Fig. 53 zeigt einen Beschickwagen der A.-G. Lauchhammer.Z. d. V. d. I. 1906, S. 1974. Ihm fallen folgende Aufgaben zu: er muß die gefüllte Mulde und zwar in verschiedener Höhenlage fassen, sie dann in den Ofen einführen, dort durch Umkippen entleeren, sie geleert wieder herausziehen und absetzen. Dem entsprechend hat die Maschine vier Bewegungen auszuführen: Fahren des Wagens, Heben und Senken des Muldenträgers, Vorschub und Drehen des letzteren. Für jede dieser Bewegungen ist ein besonderer Motor vorgesehen. Der Beschick wagen besteht aus zwei Hauptteilen, dem in Längsrichtung der Halle fahrbaren Unterwagen und dem um Zapfen C schwingenden Schwengelträger B. Der Längsfahrmotor M1 überträgt seine Bewegung mittels des Schneckentriebes S1 auf die Laufradachse A. Das Heben und Senken der Mulde geschieht durch eine Wippbewegung des Schwengelträgers, die mittels der sich drehenden herzförmigen Scheibe D bewirkt wird. M3 ist der Wippmotor, der mittels des Schneckentriebes S3 und der Stirnräder Z1 Z2 Z3 Z4 die Scheibe D antreibt; der Motor braucht also nicht umgesteuert zu werden. Der zum Erfassen der Mulde dienende Schwengel ist in einem Wagen gelagert, dessen vier Laufrollen F zwischen die inneren Flanschen des Trägers B eingepaßt sind. Der Vorschub des Schwengelwagens geschieht durch den Motor M2 mittels Schneckengetriebes S2, Triebe Z5 und Zahnstangen Z6; letztere sind auf den oberen Gurtungen des Schwengelträgers befestigt. Das Drehen des Schwengels bewirkt der Motor M4 mittels des schiefgestellten Schneckengetriebes S4 und der konischen Räder Z7 Z8. Der Führer steht auf einer seitlichen Plattform am Unterwagen; sein Stand ist in Fig. 53 mit einem Kreuz bezeichnet. Man sieht dort nur zwei Steuerapparate, von denen St1 ein Umschalter ist, durch den der Führerkontroller St2 mit je einem der vier Motoren verbunden wird. Da durch das fortwährende Aus- und Einschalten der Kontroller sehr leidet und außerdem immer nur eine Bewegung möglich ist, so wird jetzt für jeden Motor ein Kontroller vorgesehen; damit ist auch die Möglichkeit gegeben, zwei oder drei Bewegungen gleichzeitig auszuführen. Es kann vorkommen, daß die Mulde beim Einfahren in den Ofen gegen dort angehäuftes Material stößt; um nun den Vorschubmotor M2 hierbei vor zu großer Stromaufnahme zu schützen, ist in das Triebwerk eine feste Reibkupplung nach Art der Fig. 9 in D. p. J. 1907, S. 86 eingebaut. Die Teile der Kupplung gleiten gegeneinander, wenn das zu bewältigende Drehmoment ein bestimmtes Maß überschreitet. Solche Ueberlastungskupplungen haben indes nur bedingten Wert; die Reibungsverhältnisse der Reibflächen können sich mit der Zeit ändern; auch kann es sehr leicht vorkommen, daß der Führer die Schrauben der Kupplung zu scharf anzieht, wodurch die Reibkupplung nahezu zu einer starren wird. Maximalausschalter scheinen hier einen weit wirksameren Schutz gegen unzulässige Stromaufnahme zu bieten. Die Mulden werden gewöhnlich aus Blech mit Stahlgußkopf hergestellt. Letzterer hat eine geeignete Aussparung für den Angriff des Schwengels. Die Verriegelung des Muldenkopfes mit dem Schwengel wird meist durch den Führer selbst von seinem Stande aus bewirkt. Bei dem Beschickwagen der Duisburger Maschinenbau-Akt.-Gesellschaft vormals Bechem & KeetmanZ. d. V. d. I. 1906, S. 1979. befindet sich der Drehpunkt des Schwengelträgers nicht am Ende, sondern in der Mitte; durch diese Anordnung wird der Schwengel nebst Mulde zum Teil ausbalanziert. Die Wippbewegung wird durch Triebe und Zahnsegmente bewirkt. Bei Verwendung von Herzscheiben oder Kurbeldaumen für die Wippbewegung ist der Ausschlagwinkel des Schwengels verhältnismäßig klein. Um den Ausschlag zu vergrößern, so daß die Mulde gegebenenfalls über Teile, die sich auf der Beschickbühne befinden, weggeführt werden kann, wird das Wippen auch wohl mittels zweier Gallscher Ketten, an denen der Schwengelträger hängt und die über Rollen am Kopfe eines Bockgerüstes geführt sind, bewirkt.Z. d. V. d. I. 1906, S. 1978, Ausführung der Firma Gebr. Scholten in Duisburg. Bei Verwendung von Beschickwagen muß der von diesem bestrichene Teil der Beschickbühne frei bleiben und die Fahrgeschwindigkeit kann wegen der meist schlecht verlegten Gleise nur eine mäßige sein. Diese Umstände drängten denn auch wie in anderen Betrieben sehr bald zum laufkranartigen Aufbau der Beschickmaschine. Dadurch wurde die Bühne von Gleisen frei, die Beschickvorrichtung wurde infolge der größeren zulässigen Fahrgeschwindigkeit leistungsfähiger. Abgesehen davon, daß ein Kran auf hochliegender Fahrbahn ein viel beweglicheres Element bildet als ein auf Flur laufender Wagen, so bot die Krankonstruktion jedoch hier noch andere schwer ins Gewicht fallende Betriebsvorteile, z.B. die Schwenkbewegung des Schwengels in wagerechter Ebene, dann die Möglichkeit, den Beschickkran durch Anordnung einer Hilfskatze auch für allgemeine Hebezwecke bei Ofenreparaturen, Montagen und dergl. verwenden zu können. Die erste Ausführung eines Beschickkranes in Deutschland dürfte wohl von der A.-G. Lauchhammer herrühren. Die Umwandlung ging anfänglich so vor sich, daß man das fahrbare Untergestell des Beschickwagens als Laufkatze auf einen Laufkran setzte; der Schwengelträger hing an der Katze mittels eines steifen Gerüstes. Die oben beschriebenen Beschickvorrichtungen konnten die Mulden nur an der Ofenseite aufnehmen. Das führte zu manchen Unbequemlichkeiten im Transport der Mulden zu den Oefen. Es lag nun ja nahe, zu den bisherigen vier Bewegungen eine fünfte hinzuzufügen, nämlich das Drehen des Schwengels um eine senkrechte Achse. Dies läßt sich natürlich bei einem Kran viel leichter ausführen als bei einem auf Flur laufenden Wagen. Die Schwenkbewegung des Schwengels ist heute bei Beschickkranen die Regel; der durch diese Anordnung erzielte Vorteil, die Mulden an jeder Stelle der Beschickbühne aufnehmen zu können, ist so groß, daß die höheren Anschaffungskosten dabei gar nicht in Betracht kommen. Anfänglich hing der Schwengelkasten an einem Gerüst, das mittels eines Kugelkranzes auf der Katze drehbar gelagert war, ähnlich wie der Ausleger bei den früher beschriebenen Ausleger-Laufdrehkranen. Heute hängt der Schwengelkasten ausnahmslos an einer drehbaren Königssäule, die in einem kräftigen, fest mit der Katze verbundenen Gerüst geführt wird. Der Beschickkran bot ferner die Möglichkeit, das Heben und Senken des Schwengels nicht mehr durch eine Wipp-, sondern durch eine Hubbewegung zu bewirken, indem der ganze Schwengelkasten mit der Königssäule gehoben und gesenkt wurde. Es war hier also eine ähnliche konstruktive Aufgabe zu lösen wie bei der Spindel einer Bohrmaschine. Das ergab natürlich eine Komplikation des Triebwerkes, aber man erhält doch dadurch den großen, in manchen Werken sehr erwünschten Vorteil, die ganze Beschickbühne bis zu einer gewissen Höhe über Flur zum freien Gebrauch zu haben. (Fortsetzung folgt.)