Titel: | Wirkungsweise und Antrieb der Eisenbahn-Geschwindigkeitsmesser. |
Autor: | Hans A. Martens |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 315 |
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Wirkungsweise und Antrieb der
Eisenbahn-Geschwindigkeitsmesser.
Von Regierungsbaumeister Hans A.
Martens.
(Fortsetzung von S. 297 d. Bd.)
Wirkungsweise und Antrieb der
Eisenbahn-Geschwindigkeitsmesser.
B. Zwangläufige
Geschwindigkeitsmesser.
1. Bauart Petri, 1879.
Die Geschwindigkeitsanzeige erfolgt in Unterbrechung alle 20 Sekunden in folgender
Weise: Von zwei gleich großen nebeneinander liegenden Scheiben (Fig. 8 und 9)In Fig. 8 sind
die Scheiben der Deutlichkeit halber verschieden groß
gezeichnet., deren Umfange mit Sperrzähnen versehen sind, wird S1 mittels eines
Klinkwerks, das vom Lokomotivtriebwerk durch Schwinghebel angetrieben wird,
absatzweise gedreht, während die Scheibe S2 durch die Mitnehmerstifte 1–2 mitgenommen wird.
Nach einem bestimmten Zeitraum von 15 Sekunden vom Anhub der Scheibe S1 an wird das
Klinkwerk selbsttätig ausgelöst, so daß die Scheibe S1 durch Federkraft in ihre
Anfangsstellung zurückgezogen wird, während die zweite Scheibe S2 in ihrer erreichten
Stellung durch die Sperrklinke K2 festgehalten wird. Nach fünf weiteren Sekunden
wird das Klinkwerk wieder selbsttätig auf die Scheibe S1 geschaltet, die nun abermals durch 15
Sekunden vorwärts gedreht wird. Bevor jedoch die Zeit abgelaufen ist, wird die
Sperrklinke K2, welche
Scheibe S2 bisher
festgehalten hat, selbsttätig ausgelöst, so daß sich nun Scheibe S2, einer Rückziehfeder
unterworfen, an den Mitnehmer von S1 zurücklegt und bis zur nächsten Auslösung des
Klinkwerks dieselbe Bewegung wie S1 mitmacht. Bei beschleunigter Bewegung wird die
Scheibe S1 schon vor
Ablauf der 15 Sekunden die beim vorhergehenden Vorwärtsgang innegehabte Stellung
erreicht haben, wo sie dann die Scheibe S2 mitnimmt. Bei Aufhören der Bewegung sinkt die
Scheibe S2 ebenfalls in
die Anfangslage und mit ihr der Zeiger, der durch sie bewegt wird. Zu den
Auslösungen der Klinken ist ein genau gehendes Uhrwerk nötig, daß gleichzeitig zum
Antrieb des Diagrammpapiers verwendet wird. Für das Schreibwerk sind zwei
Ausführungen vorgesehen: die eine zeigt ein zeitliches Geschwindigkeitsdiagramm, das
andere ein Zeit-Wege-Diagramm, aus dem in der bekannten Weise durch Maßstab die
Geschwindigkeit mittelbar entnommen wird. Es wird also die während 15 Sekunden
bewirkte Drehung eines Schaltrades als Maß für die Geschwindigkeit des Zuges
angesehen, so daß das Prinzip ein Umdrehungszähler ist: Es werden innerhalb der 15
Sekunden die Umdrehungen des Fahrzeugrades gezählt und gemessen durch den innerhalb
dieses Zeitraumes zurückgelegten Drehwinkel einer Scheibe, der umgerechnet die
Geschwindigkeit in km/std. darstellt.
Textabbildung Bd. 323, S. 315
Fig. 8.
Textabbildung Bd. 323, S. 315
Fig. 9.
Beträgt die Anzahl der Umdrehungen der Scheibenwelle in 1 Minute:
n=\frac{V\,\cdot\,1000\,\cdot\,Z}{\pi_e\,\cdot\,D\,\cdot\,60},
wobei durch Z das
Uebersetzungsverhältnis vom Fahrzeugrad bis zur Welle berücksichtigt wird, so
beträgt die Winkelgeschwindigkeit
\omega=\frac{\pi\,\cdot\,n}{30}=\frac{V\,\cdot\,1000\,\cdot\,Z}{D\,\cdot\,60\,\cdot\,30},
mithin der Drehwinkel während der Einschaltzeit t Sek. des Klinkwerks
\varphi=\omega\,\cdot\,t=\frac{V\,\cdot\,1000\,\cdot\,Z}{D\,\cdot\,60\,\cdot\,30}\,\cdot\,t=\mbox{konstant}\,\cdot\,V.
2. Bauart Haußhälter, 1887. (Fig. 10 u. 11.)
Textabbildung Bd. 323, S. 315
Auf einer mit gleichmäßiger Winkelgeschwindigkeit durch ein Uhrwerk in Drehung
versetzten aufrechten Welle ist achsial verschiebbar das Fallstück B B angeordnet, welches sich mit der Welle mitdreht.
Die nach aufwärts gerichtete Verschiebung wird durch das Zahnrad A bewirkt, das sich proportional den
Fahrzeugradumdrehungen dreht und in Rillen am unteren Teil des Fallstückes
eingreift. Die Rillen reichen nicht um den ganzen Umfang des Fallstückes, sondern
sind an einer Stelle durch eine gleichachsige Nute unterbrochen, durch die das
Zahnrad und Fallstück bei jeder Umdrehung außer Eingriff kommen, so daß letzteres
herunterfällt. Die Höhe, um die das Fallstück bei einer Umdrehung desselben gehoben
wird, steht in geradem Verhältnis zu der Umdrehungszahl von Welle A, mithin also auch zur Fahrgeschwindigkeit, so daß
diese Höhe als Maß für letztere angesehen werden kann. Es liegt mithin eine
Wegmessung gleich Umdrehungszählung eines Fahrzeugrades innerhalb eines bestimmten
Zeitabschnitts, der gleich der Umdrehungszeit der Fallstückswelle ist, vor. Die
Anzeigeskala läßt sich nach folgender Entwicklung berechnen: Das Zahnrad A, welches von dem Fahrzeuggrad mit der
Gesamtübersetzung Z angetrieben werden möge, macht bei einer Fahrgeschwindigkeit von
V km/Std. in einer Sekunde
n'=\frac{V\,\cdot\,1000\,\cdot\,Z}{\pi\,\cdot\,D\,\cdot\,3600}\mbox{
Umdrehungen}.
Bei einer Umdrehung des Zahnrades wird das Fallstück um π
d gehoben, wenn d den Teilkreisdurchmesser des
Zahnrades bedeutet. Bei n'-Umdrehungen beträgt die
Steighöhe n' . π d, die sich auf H = n' . π d . t während
der
Umdrehungszeit t der Fallstückwelle erhöht, d. i.
H=\frac{d\,\cdot\,V\,\cdot\,1000\,\cdot\,Z}{D\,\cdot\,3600}\,\cdot\,t=\mbox{konstant}\,\cdot\,V.
Nachdem das Fallstück heruntergefallen ist, bringt dessen Weiterdrehen die außer
Eingriff gekommenen beiden Teile – Zahnrad und Fallstück – wieder in Verbindung,
wodurch die Hebung von Neuem beginnt. Der jedesmalige höchste Punkt beim Steigen des
Fallstücks stellt die jeweilige Fahrgeschwindigkeit dar und wird durch einen auf der
Fallstückringfläche aufliegenden Stift i mittels
Zahnstange und Zahnbogen auf den Zeiger übertragen. Eine leichte Schleppfeder hält
den Zeiger in jeder Stellung fest. Die obere, dünnere Hälfte des Fallstücks B trägt einen steilen Schraubengang d, der mit seinem unteren Ende nicht ganz bis an die
Ringfläche K des Fallstücks herabreicht, sondern
zwischen sich und diesem eine Lücke läßt, durch welche der Stift i bei der Drehung des Fallstücks hindurchgeht. Ist nun
beim zweiten Spiel das Fallstück nicht bis zu der im vorhergehenden Spiel erlangten
Höhe gelangt – bei Verzögerung der Zugfahrt –, das heißt erreicht Ringfläche K nicht den Stift i, so
wird dieser bei der Umdrehung des Fallstücks durch den Schraubengang d so lange nach abwärts bewegt, bis er in die Höhe der
Lücke gekommen ist, durch die er dann ohne weiteres hindurchgeht. Der Zeiger ist
hierbei mit zurückgestellt und bleibt nunmehr stillstehen. Die Welle des Fallstücks
macht in 12 Sekunden eine Umdrehung, so daß in dieser Zeit auch die Einstellung
erfolgen würde.
Textabbildung Bd. 323, S. 316
Es ist jedoch noch eine, das Prinzip der Wirkungsweise keineswegs berührende
Vorrichtung angebracht, die eine Einstellung des Zeigers alle sechs Sekunden
bewirkt, während der als Hammer mit Spitze ausgebildete Schreibstift nur alle 12
Sekunden anspricht, mithin die Geschwindigkeitskurve nicht so zuverlässig bei
Geschwindigkeitsänderungen ist, als die Anzeige. Beim Erreichen einer bestimmten
Höchstgeschwindigkeit wird selbsttätig ein fortwährendes Glockensignal gegeben. Das
Uhrwerk zieht sich durch Exzenterantrieb während der Fahrt selbsttätig auf.
Der erste Haußhälter-Apparat ist auf einer
Schnellzugmaschine der Königlichen Sächsischen Staatsbahnen eingebaut worden und
wurde Ende des Jahres 1885 dem Versuch unterworfen. Es ist bekannt, daß sich die
Bauart seitdem großer Verbreitung zu erfreuen hat und der Bauart Petri vorgezogen wird.
Die Beschaffungskosten betragen 350–400 M.; die Ausbesserungskosten nebst gründlicher
Reinigung betragen bei laufender Unterhaltung nach Feststellungen des Verfassers
etwa 10–15 M. im Jahr.
3. Bauart Hasler, 1903 (Fig. 12 und 13).
Auf demselben Prinzip wie die Bauart Haußhälter beruht
der Geschwindigkeitsmesser von Hasler. Um jedoch eine
schnellere Einstellung des Zeigers zu erreichen, sind an Stelle eines
Fallstücks drei angeordnet, die nacheinander fortlaufend gehoben werden und
herabfallen. Das Prinzip der Wegmessung in konstanter Zeit ist konstruktiv in
anderer Weise gelöst. Eine aufrechte Spindel trägt auf eine gewisse Länge
Schraubengewinde, in welches die drei Fallstücke mit Muttergewinde eingreifen. Die
Spindel wird vom Triebwerk der Lokomotive deren Fahrgeschwindigkeit entsprechend
gedreht, die Fallkörper werden in gleichmäßig wiederkehrenden Zeitabschnitten aus
dem Gewinde nacheinander ausgeklinkt, fallen herab, werden sofort wieder
eingeklinkt, um das Aufsteigen sofort wieder zu beginnen. Es bildet also ebenfalls
die Höhe, bis zu der die Körper im gegebenen konstanten Zeitabschnitt ansteigen, ein
Maß für die Umdrehungsgeschwindigkeit der Spindel, mithin für die
Fahrgeschwindigkeit der Lokomotive. Bei einer Spindelumdrehung ist die Erhebung
eines Fallstücks gleich der Ganghöhe des Gewindes. Die Umdrehungszahl der Spindel
ist
=\frac{V\,\cdot\,1000\,\cdot\,Z}{\pi\,\cdot\,D\,\cdot\,3600}
in einer Sekunde, wobei Z das gesamte Uebersetzungsverhältnis
des Werks von der Fahrzeugachse bis zur Spindel bedeutet.
Während einer Einschaltzeit von t-Sekunden erreicht der
Fallkörper eine Höhe
H=\frac{Z\,\cdot\,V\,\cdot\,1000\,\cdot\,h\,\cdot\,t}{\pi\,\cdot\,D\,\cdot\,3600};
wenn bei einer Umdrehung i. d. Sekunde die Erhebung = h ist. Es ist also H =
konstant. V km/Std.
Durch diese Anordnung ist das Werk recht vielteilig geworden. Die Anzeige ist jedoch
mehr stetig geworden, da der Zeiger alle Sekunden neu eingestellt wird, so daß seine
mittlere Stellung die Durchschnittsgeschwindigkeit der beiden letzten Sekunden
angibt. Das Diagramm wird durch Nadelstiche erzeugt, die alle drei Sekunden
erfolgen. Der Antrieb erfolgt durch Schleppkurbel, vereinzelt ist auch Kettenantrieb
ausgeführt worden, während Riemenantrieb sich wegen der Gleitverluste nicht bewährt
hat. Die Beschaffungskosten betragen mit Einbau 460 M. und sind wegen ihrer Höhe ein
wesentliches Hindernis zur Einführung bei großen Verwaltungen. Auf den Schweizer
Bundesbahnen und einigen französischen Bahnen sind mit dem Geschwindigkeitsmesser
gute Erfahrungen gemacht worden.
4. Cinémomètre, Bauart Jules Richard in Paris (Fig. 14 und
15).
Zwei gleichachsige Scheiben P laufen in
entgegengesetztem Sinne um. Die Bewegung wird von der zu messenden Maschine selbst
eingeleitet und durch einen Foucaultschen Regler genau
gleichmäßig geregelt. Zwischen den Scheiben befindet sich die Rolle Q, deren Abstand von dem Mittelpunkt der Scheiben der
Umdrehungszahl der zu messenden Welle proportional ist. Die Rolle ist zwei
Bewegungen unterworfen. Einmal wird sie durch die beiden Scheiben gedreht, und zwar
nach Maßgabe ihrer Entfernung vom Mittelpunkt der Scheibenachse mit veränderlicher
Geschwindigkeit.Die beiden Scheiben
P mit der Rolle Q stellen den bei Maschinen der Textilindustrie zur Erzielung
schnell zu ändernder, beliebiger Uebersetzung häufig verwendeten, von Reuleaux
„Diskusgetriebe“ benannten Mechanismus dar. Die zweite
Drehung der Reibungsrolle Q erfolgt gemäß der
Geschwindigkeit der zu messenden Welle und zwar bewirkt die Drehung gleichzeitig
eine Entfernung vom Mittelpunkt der Scheiben weg. Die Rolle wird aber nach außen
proportional der Umdrehungszahl der zu messenden Welle bewegt, während sie nach innen proportional
der Zeit zurückgebracht wird. Der jeweilige Abstand der Rolle vom Mittelpunkt der
Scheiben ist der Umdrehungszahl der zu messenden Welle proportional und wird durch
einen Zeiger sichtbar gemacht. Der Beweis läßt sich leicht führen, wenn die
Bedingungsgleichung für einen augenblicklichen Geschwindigkeitszustand aufgestellt
wird.
Textabbildung Bd. 323, S. 317
Das Antriebsrad r mache n-Umdrehungen i. d. Minute. Die Scheiben P machen
N = konstant Umdrehungen i. d. Minute. Die Ganghöhe
der Schraube sei h. Die Rolle befinde sich im Abstande
R vom Mittelpunkt der Scheiben. Die anderen
Bezeichnungen sind aus Fig. 14 und 15 zu
ersehen. Die lineare Geschwindigkeit der Scheiben im Radius R beträgt
V=\frac{2\,\pi\,\cdot\,R\,\cdot\,N}{60},
die sich auch ausdrücken läßt durch die gleich große lineare
Geschwindigkeit am Umfang der Rolle
v=\frac{2\,\pi_\tau\,n_\varrho}{60},
wobei nρ die jeweilige minutliche Umdrehungszahl der Rolle ist, so daß die
Gleichung besteht
\frac{2\,\pi\,R\,\cdot\,N}{60}=\frac{2\,\pi\,\varrho\,\cdot\,n_\varrho}{60}
R . N = ρ .
nρ.
Die Umdrehungszahl nρ bewirkt eine Verschiebung der Rollenwelle nach dem
Mittelpunkt der Scheiben =\frac{h\,\cdot\,n_\varrho}{60} i. d.
Sekunde.
Unter der Annahme, daß die zu messende Welle augenblicklich gleichförmige Umlaufszahl
hat, das heißt, daß die Entfernung R augenblicklich
konstant bleibt, muß die lineare Geschwindigkeit im Teilkreis des Schneckenrades
\frac{2\,\pi\,r\,n}{60} gleich der augenblicklich
entgegengesetzt gerichteten Verschiebungsgeschwindigkeit der Rollwelle sein, es
besteht also die Beziehung
\frac{h\,\cdot\,n_\varrho}{60}=\frac{2\,\cdot\,\pi\,\cdot\,r\,\cdot\,n}{60};
wird der hieraus folgende Wert
n_\varrho=\frac{2\,\pi\,r\,\cdot\,n}{h}
in die Gleichung
R . N = ρ .
nρ
eingesetzt, so wird
R=\frac{\varrho}{N}\,\cdot\,\frac{2\,\pi\,r\,\cdot\,n}{h}=\mbox{konstant}\,\cdot\,n.
Die Angaben des Apparates, der die jeweiligen Umdrehungen anzeigt, können für
Eisenbahnzwecke leicht in Fahrgeschwindigkeit in km/Std. umgerechnet werden. Der
Apparat ist, wie aus den dem Verfasser von dem Pariser Werk bereitwilligst
überlassenen Unterlagen zu ersehen war, auch mit Schreibwerk versehen und dient in
erster Linie zur Ueberwachung des Laufs ortsfester Dampfmaschinen durch den
leitenden Ingenieur. Ohne Schreibwerk belaufen sich die Anschaffungskosten auf rd.
220 M., mit Schreibwerk id. 100 M. mehr. Das Schreibwerk bedürfte für
Eisenbahnzwecke eines Umbaues, da das Diagramm auf einer Trommel aufgenommen wird,
so daß das Diagrammpapier alle 24 Stunden ersetzt werden muß. Es kann aber wohl mit
Recht empfohlen werden, den Apparat versuchsweise auf einer Lokomotive einzubauen,
um seine Brauchbarkeit zur Messung von Zuggeschwindigkeiten zu erproben.
Beachtenswert ist seine Eigenschaft als zwangläufiger Geschwindigkeitsmesser die
Geschwindigkeit nicht absatzweise, sondern fortlaufend anzuzeigen, so daß die Bauart
Richard die Gleichung
v=\frac{d\,s}{d\,t} am vollkommensten in mechanischer
Ausführung verkörpert. Es kann erwartet werden, daß der Apparat infolge seiner
überaus großen Einfachheit sich bewähren wird. Ueberdies sind die Beschaffungskosten
so gering, daß sie bei der Wichtigkeit des Versuchs gar nicht in Frage kommen.
Die vielfachen, besprochenen Uebelstände der Fliehkraft-Geschwindigkeitsmesser, die
in der wechselseitigen Kräftewirkung von Fliehkraft umlaufender Massen und
gegengewogener Massen oder Federn begründet sind, führten zu der Bauart der
zwangsläufigen Geschwindigkeitsmesser, in denen nur die reine Bewegungserscheinung
zur Geschwindigkeitsanzeige dienstbar gemacht wird. So unzweifelhaft ein Fortschritt
in dem Gedanken lag, sich von den genannten Kräftewirkungen ganz frei zu machen, so
schwierig gestaltet sich dessen Umsetzung in die Wirklichkeit durch einfache Bauart.
Der Apparat wurde mit einem Schlage vielteiliger, empfindlicher und kostspieliger,
indem ein sehr genau laufendes Uhrwerk als notwendiger Bestandteil desselben
hinzutrat, von dessen Genauigkeit die richtige Anzeige der Geschwindigkeit abhängig
ist. Die Messungen ergeben bei den Bauarten Petri,
Haußhälter und Hasler keine mathematisch
genauen Augenblickswerte, da das Gesetz der Dynamik
v=\frac{s}{t}, welches sie als Grundlage der Bauart benutzen,
gleichförmige Geschwindigkeit voraussetzt, die aber bei der Lokomotive nicht ständig
vorhanden ist. Da die Zeiträume der Messung jedoch genügend klein gemacht werden
können, so ist die innerhalb derselben entstehende Geschwindigkeitsänderung so
klein, daß die Geschwindigkeit innerhalb des Meßzeitraumes als gleichförmig
angesehen werden kann. Es bleibt jedoch die Tatsache bestehen, daß die absetzende
Anzeige bei starken Geschwindigkeitsänderungen, wie sie bei scharfer Bremswirkung
auftreten, recht erheblich von der Wirklichkeit abweicht, was jedoch für den
gewöhnlichen Fahrdienst wenig Bedeutung hat. In der Tat ist die Weiterentwicklung
dieser Apparate auf die Verringerung des Meßzeitraumes gerichtet, der auf drei bis
sechs Sekunden schon verkleinert worden ist. Es sind somit diese Apparate als
weitestgehenden Ansprüchen des Eisenbahnbetriebes entsprechend anzusehen und in
ihren gleichartigen Bauarten kaum noch verbesserungsfähig. Wegen des Uhrwerks als
notwendigen Bestandteil werden die Apparate stets mit Schreibwerk gebaut Der Antrieb
erfolgt durch Schleppkurbel. Die Bauart Richard ist
einfach und gestattet augenblickliche Anzeige der Geschwindigkeit; Versuche mit ihr sind zu
empfehlen.
Die besprochenen Apparate messen, wie erörtert, die in gleichen Zeitabschnitten
zurückgelegten Wege, ausgedrückt durch die Anzahl Radumdrehungen, die zur
Zuggeschwindigkeit im geraden Verhältnis steht. Es werden gewisse Bestandteile den
zurückgelegten Weglängen entsprechend verschoben oder gedreht und die in dem
Meßzeitraum zurückgelegten Bewegungen gemessen. Eine andere Zeitwegmessung ist noch
möglich, bei der die Zeiträume gemessen werden, die einer bestimmten Anzahl von
Radumdrehungen bezw. der hierdurch gegebenen Wegstrecke entsprechen. Dabei steht die
Fahrgeschwindigkeit dann zu der Fahrgeschwindigkeit für die stets gleich große
Wegstrecke im umgekehrten Verhältnis. Apparate auf dieser Grundlage haben nicht die
Bedeutung der Messer der ersten Gruppe erhalten und sind deswegen aus der
Bearbeitung ausgeschieden.
Die Beschaffungskosten der zwangläufigen Geschwindigkeitsmesser sind hohe, so
daß es erklärlich erscheint, wenn große Verwaltungen, mit ihrer allgemeinen
Einführung zögern. Hingegen können die Unterhaltungskosten trotz des empfindlichen
Werkes nach Erfahrungen des Verfassers gering genannt werden. Die zwangläufigen
Geschwindigkeitsmesser werden trotz ihrer hohen Beschaffungskosten bei schwierigen
Betriebsverhältnissen, wo eine fortlaufende Aufschreibung der jeweiligen
Fahrgeschwindigkeit zur nachträglichen Prüfung der Zugfahrt geboten erscheint, noch
lange Zeit das Feld behaupten. Zur Sammlung von Erfahrungen über die Anfahr- und
Bremsverhältnisse bei verschiedenen Zuggattungen unter wechselnden
Streckenverhältnissen im regelmäßigen Zugdienst sind sie unentbehrlich.
(Fortsetzung folgt.)