Titel: Zuschrift an die Redaktion.
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 414
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Zuschrift an die Redaktion. (Unter eigener Verantwortlichkeit des Einsenders.) Zuschrift an die Redaktion. Elektrolytische Sauerstoffgewinnung. Von Ingenieur Franz Petz. (Entgegnung auf „Beitrag zur Frage der Fabrikation komprimierten Sauerstoffs“ von Dr. L. Michaelis.). In Heft 14 gibt Herr Dr. Michaelis einen Beitrag zur Frage der Fabrikation komprimierten Sauerstoffs. Er erwähnt die verschiedenen Verfahren, welche in technischer Hinsicht von Bedeutung sind und stellt u.a. einen Vergleich in den Anlage- und Betriebskosten zwischen einer elektrolytischen Anlage, „System Schuckert und einer Lindeschen Sauerstoffanlage auf. Die über die Schuckertsche Anlage gemachten Zahlenangaben sind jedoch wenig zutreffend und auch die sonstigen Mitteilungen des Herrn Dr. M. über die Installation und den Betrieb einer elektrolytischen Anlage Schuckertschen Systems besagen, daß Herr Dr. M. Material zur Hand hatte, das vielfach den Tatsachen nicht entspricht. Diese Umstände veranlassen den Verfasser dieser Zeilen, der seit Jahren die Schuckertschen Anlagen in Ausführung und Betrieb bringt und die einschlägigen Verhältnisse auf das eingehendste kennen lernte, sein gesammeltes Zahlenmaterial und seine Erfahrungen über den Betrieb der Schuckertschen Anlagen zu veröffentlichen, damit jeder Interessent, der Sauerstoff gebraucht und selbst herstellen will, in der Beurteilung der Frage, welches Verfahren für seinen Betrieb rentabel und zweckmäßig ist, auch bezüglich der elektrolytischen Wasserzersetzung System Schuckert der Praxis entnommen, einwandsfreie Unterlagen hat. Der Elektrolyseur System Schuckert, welcher von der Elektrizitäts-Aktiengesellschaft vormals Schuckert & Co., Nürnberg, gebaut und vertrieben wird, hat eine zwölfjährige Betriebsdauer hinter sich und hat sich infolge seiner einfachen und stabilen Bauart in jeder Hinsicht bestens bewährt. Die erste Schuckertsche Anlage kam bei der bekannten Firma W. C. Heraeus, Platinschmelze, Hanau, in Betrieb; sie arbeitet dort heute noch und ist inzwischen auf das Dreifache erweitert worden. Die nächsten größten Anlagen für eine Leistungsfähigkeit von zusammen 2400 cbm Wasserstoff und 1200 cbm Sauerstoff in 24 Stunden hat Schuckert für die deutsche Militärbehörde (kgl. Luftschiffer-Bataillon Berlin) geliefert. Auch diese Anlagen haben in jeder Beziehung die an sie gestellten Anforderungen erfüllt. Weitere Anlagen – etwa 20 an der Zahl – sind in Deutschland und im Auslande in Betrieb und etwa 15 in Installation. Die gewonnenen Gase – Wasserstoff und Sauerstoff – werden teils für militärische Zwecke, teils für die Medizin und in letzterer Zeit zum weitaus größten Teil auch in Mischung mit Azetylen, zur Erzeugung von Stichflammen für das autogene Schweißverfahren und zum Schneiden von Metallen verbraucht. Die Kosten der elektrolytisch erzeugten Gase sind hauptsächlich Ausgaben für die benötigte Energie, während die für Wartung und Instandhaltung auflaufenden Kosten äußerst gering sind. Je nach der Strombelastung bezw. je nachdem mit niederer oder höherer Apparatespannung gearbeitet wird, sind zur Erzeugung f. d. cbm Sauerstoff + 2 cbm Wasserstoff 16–24 mech. Pferdekraftstunden aufzubringen. Die Schlickertschen Elektrolyseure sind so gebaut, daß ein und derselbe Apparat ohne weiteres mit der zweifachen Stromstärke bei etwa 24 v. H. höherer Spannung belastet werden kann. Dadurch erhöht sich der Energieaufwand, während die Apparatur relativ billiger wird. Ausdrücklich bemerkt sei hier, daß die Reinheit der Gase innerhalb dieser Grenzen der Strombelastung sich gleich bleibt. Die Wartung und Instandhaltung einer Schackertschen Anlage ist die denkbar einfachste und billigste. Wenn Herr Dr. M. sagt, daß die Elektrolyse ein ganz besonders sorgsam arbeitendes Personal erfordert, so trifft dies auf die Schuckertschen Anlagen nicht zu, da die Wartung derselben, soweit sie überhaupt erforderlich ist, jeder Arbeiter vornehmen kann. Ich glaube richtig anzunehmen, daß Herr Dr. M. mit seinen Worten den Elektrolyseur einer anderen Firma im Auge hatte, der zur Trennung der Gase Asbestdiaphragmen benötigt, daher wenig betriebssicher arbeitet und einer ständigen Kontrolle bedarf. Die ganze Wartung einer Schuckertschen Elektrolyseuranlage besteht im täglich einmaligen Nachfüllen des verbrauchten Wassers, das sich auf etwa 3 l f. d. cbm erzeugten Sauerstoffs beläuft. Die Instandhaltungskosten umfassen einen jährlich einmal notwendig werdenden Ersatz der Anodenbleche, den Ersatz geringer mechanisch in Verlust geratener Elektrolytmengen (Natronlauge) und die Auswechselung etwaiger schadhaft gewordener Isolier- und Dichtungsstücke. Die Anodenbleche sind gewöhnliche etwa 2 mm starke Eisenbleche, welche leicht und ohne Betriebsstörung der Elektrolyseurbatterie successive ausgetauscht werden können; der Verschleiß an diesen Eisenblechen beträgt f. d. cbm Sauerstoff etwa 0,05 kg. Die infolge verdunstenden Wassers in Verlust geratenen Elektrolytmengen sind f. d. cbm Sauerstoff etwa 1,5 gr festes Aetznatron, was einem Wert von 1,5 Pfg. gleichkommt. Als Dichtungs- und Isoliermaterial ist Weich- bezw. Hartgummi verwendet. Alles in allem betragen die gesamten Wartungs- und Instandhaltungskosten f. d. cbm erzeugten Sauerstoffs je nach der Größe der Anlage 4–8 Pfg. Die Reinheit der erzeugten Gase ist durchschnittlich 97 v. H. und nicht unter 96 v. H. für den Sauerstoff und durchschnittlich 99 v. H. jedoch nicht unter 98 v. H. für den Wasserstoff. In dieser Reinheit bezw. innerhalb dieser untersten Grenzen ist die Verwendung der Gase, für welchen Zweck es auch sei, gänzlich gefahrlos. Wird auf höhere Reinheit bezw. auf chemisch reines Produkt Wert gelegt, so leitet man die erzeugten Gase, bevor sie in den Gasometer gelangen, durch ein elektrisch geheiztes Silberrohr, in welches Palladiumbimstein eingelegt ist. Das Silberrohr kann ohne weiteres in die Rohrleitung eingebaut und der dazugehörige Heizkörper an das gleiche Stromnetz, wie die Elektrolyseurbatterie angeschlossen werden. Der benötigte Energieaufwand ist für einen stündlichen Gasdurchgang bis zu 5 cbm etwa 0,73 KW, also 7 Amp. bei 110 Volt Spannung. Die Kosten eines solchen Silberrohres nebst Heizkörper und Regulierwiderstand stellen sich auf etwa 450 M. Eine Explosionsgefahr ist bei einer Elektrolyseuranlage, System Schuckert, soviel wie ausgeschlossen, da zur Trennung der an den Elektroden frei werdenden Gase volle metallische Scheidewände benutzt werden. Störungen im Elektrolyseurbetrieb bezw. das Entstehen explosiver Gasmischungen wäre nur denkbar, wenn durch Vertauschen der Zuleitungskabel oder durch grobe mechanische Eingriffe in die Elemente die Stromrichtung geändert würde. Im übrigen werden die Anlagen gegen solche Gefahren gesichert. – Für die Beantwortung der Frage, welches Verfahrender Sauerstoffgewinnung in dem einen oder anderen Fall anzuwenden ist, ob die Darstellung aus flüssiger Luft der elektrolytischen vorzuziehen ist, sind neben den Kraftkosten die verlangte Tagesproduktion, die Anlagekosten, die Ausnutzung etwa bereits vorhandener maschineller und elektrischer Einrichtungen, die Verwertung des Wasserstoffs, die Raumverhältnisse und die bestmöglichste Angliederung der Gaserzeugung an den gesamten übrigen Fabrikbetrieb mitbestimmend. Es wird z.B. eine Maschinenfabrik, die mit einer Dampfkraft von 3 Pfg. f. d. Pferdekraftstunde arbeitet und tagsüber Kraft und eine wenig belastete Dynamo frei hat, zur Herstellung von 15 cbm Sauerstoff, die sie f. d. Tag für die autogene Schweißung verbraucht, und in Flaschen bezogen mit 45 M. bezahlen muß, jedenfalls das elektrolytische Verfahren als das passendste finden, da sich eine elektrolytische Anlage, System Schuckert, dem übrigen Fabrikbetrieb ohne weiteres angliedern läßt; sie benötigt kein besonderes Betriebspersonal, da die Wartung der Anlage lediglich im Nachfüllen des verbrauchten Wassers, was etwa ¼ Stunde Zeit in Anspruch nimmt und von jedem Tagelöhner nebenbei besorgt werden kann, besteht. Die Kosten einer Elektrolyseurbatterie, System Schuckert, für obige Leistung belaufen sich mit allem Zubehör (Holzunterbau, Laugefüllung, Waschflaschen, elektrische Anschlußleitung usw.), jedoch exklusive Gasometer und Kompressionspumpen auf etwa 7500 M. Meines Wissens werden Anlagen von solchen Leistungen nach dem Luftverflüssigungsverfahren überhaupt nicht gebaut; auf jeden Fall werden sie verhältnismäßig viel mehr kosten als die elektrolytischen Anlagen und nicht rentabler arbeiten, als diese und dazu eigenes Personal beanspruchen. Die Gestehungskosten der in 10 Stunden elektrolytisch gewonnenen 15 cbm Sauerstoff und 30 cbm Wasserstoff berechnen sich bei einem Kraftpreis von 3 Pfg. zu Kraft 330 Pferdekraftstunden à 3 Pfg M.   9,90 Wartung and Instandhaltung „     1,– Amortisation und Verzinsung: 15 v. H. von        M. 7500,– „     3,75 ––––––– Kosten von 15 cbm Sauerstoff + 30 cbm        Wasserstoff = M. 14,65 Da im Wasserstoff-Sauerstoff-Schweißbrenner zur Erzielung einer reduzierend wirkenden Flamme etwa vier Volumteile Wasserstoff mit einem Volumteil Sauerstoff gemischt werden, bleibt die Hälfte des Sauerstoffs übrig, die jedoch ohne weiteres mit Azetylengas gemischt für die Azetylen-Sauerstoffschweißung nutzbar gemacht werden kann, so daß die denkbar wirtschaftlichste Ausnutzung der gewonnenen Gase erzielt wird. Die Azetylen-Sauerstoffflamme wird infolge ihres höheren Wärmeeffektes zum Schweißen der stärkeren Bleche Verwendung finden. Der Platzbedarf der Elektrolyseurbatterie ist äußerst gering; sie braucht nebst dem Zubehör eine Bodenfläche von etwa 5 m × 3 m. Anders liegen nun die Verhältnisse, sobald es sich darum handelt, Sauerstoff im Großbetriebe herzustellen, in Flaschen zu komprimieren und an die einzelnen Konsumenten zu verkaufen. Die von Herrn Dr. Michaelis angeführte Anlage für eine Produktion von etwa 250 cbm Sauerstoff in 24 Stunden dürfte wohl eine solche Sauerstoffabrik im Großen sein. Er führt für diese Leistung Anlagekosten von 135500 M. für das Schuckertsche und 47000 M. für das Lindesche System an und kommt zu Produktionskosten, welche für den elektrolytisch erzeugten Sauerstoff f. d. cbm 48 Pfg. und für den nach Linde erzeugten Sauerstoff 12,4 Pfg. betragen. Die über die Schuckertsche Anlage genannten Zahlen bedürfen zunächst der Richtigstellung. Die Elektrolyseuranlage, bestehend aus 105 hintereinander geschalteten Elementen kostet inkl. Wäscher und Rohrleitung usw. 54000 M., die Füllung mit Natronlauge 3000 M. entgegen den Angaben des Herrn Dr. M. mit 81900 M. für die Elektrolyseure und 5000 M. für die Füllung, so daß sich die Gesamtkostensumme der Schuckertschen Anlage von 135 500 M. auf 105000 M. ermäßigt. Bezüglich der zur Aufnahme der elektrolytischen Anlage benötigten Gebäude ist zu bemerken, daß die Batterie in einem Holzfachwerkbau von etwa 14 m × 7 m Bodenfläche und 4 m Höhe aufgestellt werden kann, so daß die Gebäudeanlage inkl. Maschinenhaus kaum mehr als 15000 Mark kosten und demnach die um die Gebäudeanlage vermehrte Kostensumme etwa 120000 M. gegen die von Dr. M. genannte Summe von 250000 M. betragen wird. Der Versand der Gase in Flaschen erfordert noch die Erstellung besonderer Kompressionseinrichtungen, welche in obigen Summen nicht enthalten sind. Die Betriebskosten der Erzeugung von 250 cbm Sauerstoff + 500 cbm Wasserstoff in einer Schuckert-Anlage berechnen sich bei der elektrolytischen Darstellung und einem Kraftpreis von 2 Pfg. f. d. PS/Std. wie folgt: Kraft: 168 PS × 24 Stunden à 2 Pfg M.   80,64 Instandhaltung (Ersatz von Elektroden, Lauge,         Dichtungs- und Isolationsmaterial) „       5,– Schmiermaterial und Wasser „     10,– Löhne: 1 Arbeiter u. 1 Maschinist (f. d. Schicht) „     18,– ––––––– Kosten von 250 cbm Sauerstoff + 500 cbm         Wasserstoff = M. 113,64 In den Betriebskosten der Lindeschen Anlage vermisse ich vor allem die Kosten für die Instandhaltung. Es wäre interessant über diesen Punkt näheres zu erfahren. Ferner ist in der Betriebskostenberechnung Linde an Arbeitern nur zwei Mann und ein Tagelöhner f. d. 24-Stundenbetrieb und bei einem Kraftaufwand von 35 PS eine Produktion von 250 cbm genannt, was wohl versehentlich geschehen ist, da nach einem mir vorliegenden Prospekt der Gesellschaft für Lindes Eismaschinen für eine Leistung von stündlich 10 cbm = 240 cbm in 24 Stunden und 35 PS Kraftaufwand zur ständigen Bedienung ein Maschinist und ein Tagelöhner f. d. Schicht angesetzt sind. Die Betriebskosten der Lindeschen Anlage für die Leistung von 250 cbm in 24 Stunden stellen sich dann, jedoch exkl. Instandhaltungskosten, zu: Maschine Nr. 4 Kraftbedarf etwa 35 PS f. d.           Stunde 2 Pfg. 875 PS/Std. M. 17,50 Schmiermaterial f. d. Stunde 30 Pfg „     7,20 Kühlwasser f. d. Stunde 1,6 cbm „     4,85 Arbeiter: zwei Mann, zwei Tagelöhner „   18,– –––––––– Kosten von 250 cbm Sauerstoff ohne Instand-           haltungskosten M. 47,50 Auf den Kubikmeter gewonnenen Sauerstoff berechnet, würde sich demnach die Sauerstofferzeugung nach Linde bedeutend billiger stellen. Da aber beim elektrolytischen Verfahren noch 500 cbm Wasserstoff mitgenommen werden, ändert sich das Bild vollständig. Der bei der chemischen Großindustrie abfallende Wasserstoff, dem Herr Dr. M. das Wort spricht, kostet heute in kleineren Quantitäten, wie sie die autogene Schweißung braucht, bezogen 60 Pfg. f. d. cbm ab Fabrik. In größeren Quantitäten, wie sie heute die Luftschiffahrt benötigt, wird er zu 35–40 Pfg. f. d. cbm abgegeben. Rechnet man die verschiedenen Unkosten, welche die chemischen Fabriken mit den Einrichtungen zum Auffangen und der Kompression des Gases haben, ferner die Amortisationsquote für den Flaschenpark, so dürfte der Fabrik bei dem Verkaufspreis von 35 bis 40 Pfg. ein Reinverdienst von etwa 15–20 Pfg. f. d. Kubikmeter Wasserstoff bleiben. Stellt man in obiger Betriebskostenberechnung der Schuckertschen Anlage die gewonnenen 500 cbm Wasserstoff dementsprechend mit einem gleichen Gewinn von 85 M. in Gegenrechnung, so kosten die 250 cbm Sauerstoff M. 113,64                      minus M.    85,– ––––––––– M.   28,64 oder der Kubikmeter elektrolytisch gewonnene Sauerstoff 11,5 Pfg., während auf Grund obiger Betriebskostenberechnung der Sauerstoff nach Linde sich auf \frac{47,50}{250}=19,0\mbox{ Pfg.} f. d. cbm stellt. Auch mit Hinzurechnung der für Amortisation und Verzinsung entfallenden Beträge bleiben die Gestehungskosten der elektrolytischen Erzeugung unter denen der Lindeschen. Das Lindesche Verfahren wird nur in den Fällen überlegen sein, wo teuere Kraft in Frage kommt und ein Gewinn aus dem Elektrolytwasserstoff nicht zu erzielen ist.