Titel: Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik.
Autor: K. Drews
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 417
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Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. Von K. Drews, Oberlehrer an der Königl. höheren Maschinenbauschule in Posen. (Fortsetzung von S. 403 d. Bd.) Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. Ebenso wie zum selbsttätigen Anlassen können die Variatoren auch zur selbsttätigen Kurzschlußbremsung benutzt werden. Der laufende Motor wird hierbei auf einen Variator kurzgeschlossen, so daß dieser die volle Ankerspannung erhält, und sich daher momentan auf Rotglut erhitzt. Der Widerstand des Variators folgt nun der fallenden Ankerspannung des auslaufenden Motors, so daß innerhalb gewisser Spannungsgrenzen der Bremsstrom unveränderlich bleibt. Zum Halten der Last ist natürlich eine mechanische Bremse erforderlich. Bei größeren abzubremsenden Massen kann man trägere Variatoren, die sich langsamer erhitzen und abkühlen, anwenden. Die Bremsung geht dann allerdings langsamer vor sich als bei Verwendung von leicht ansprechenden Variatoren. Die Vorteile dieses neuen Anlaß- und Bremsverfahrens liegen hauptsächlich darin, daß die Gefahren ungeschickten Steuerns für den Motor erheblich vermindert sind, daß der An- und Auslauf sanfter vor sich geht und daß ferner der Materialaufwand für die Anlaßwiderstände ein geringerer ist. Auch bei Fernschaltung und bei Selbstanlassern dürften sich mit diesem Anlaßverfahren manche Vorteile erzielen lassen. Bei größeren Motorleistungen, wie sie namentlich im Kranbetriebe häufig vorkommen, scheint mir der Erfolg des Kallmannschen Verfahrens allerdings zweifelhaft zu sein. Nehmen wir z.B. einen 35 PS-Hubmotor für normale Hafenkrane an, so bedarf dieser etwa 18 Variatoren zu je 1,5 KW Aufnahmefähigkeit. Diese Anzahl kann schon recht unbequem werden. Allerdings beanspruchen sie viel weniger Raum, etwa den dritten bis vierten Teil eines entsprechenden Widerstandskastens. Dieser Vorteil dürfte jedoch in recht vielen Fällen kaum ins Gewicht fallen. Im Kranbetrieb dienen die Widerstände aber nicht nur zum Anlassen, sondern auch zur Regelung der Lastgeschwindigkeit sowohl beim Heben wie beim Senken. Dr. Kallmann hat sich über diesen Punkt nicht ausgesprochen. Jedenfalls liegen hier Schwierigkeiten vor. Die Regulierung mittels Variatoren könnte doch nur derart durchgeführt werden, daß sie stufenweise mit verschiedenem Spannungsbereich angeordnet würden. Kransteuerapparate für mittlere Motorleistungen haben in der Regel sechs bis acht Regulierstufen. Ob dies mit Variatoren in so einfacher Weise wie mit gewöhnlichen Widerständen zu erreichen ist, erscheint mir einigermaßen zweifelhaft. Noch ein anderer Punkt erregt Bedenken, nämlich die größere Inanspruchnahme der Kontaktflächen der Schalter beim Ausschalten. In der Regel sind im Beharrungszustande sämtliche Widerstände abgeschaltet. Geht der Führer nun mit der Kurbel schnell auf Nullstellung zurück, so wird der Strom durch den plötzlich vorgeschalteten Gesamtwiderstand für den Augenblick so stark geschwächt, daß sich ein nur schwacher Abreißfunken bildet, der zudem durch den Blasmagneten vollständig unschädlich gemacht wird. Bei manchen Kranen, z.B. für Gießereien und Montagehallen wird man allerdings öfter auf den ersten Kontakten stehen bleiben müssen, wobei dann beim Ausschalten der Oeffnungsfunken auch stärker sein wird; aber dies dürfte doch viel seltener vorkommen als der erstere Fall. Verwendet man nun Variatoren zum Anlassen, so werden diese beim Zurückgehen auf Null im kalten Zustande vorgeschaltet, d.h. der vorgeschaltete Widerstand ist hier um etwa acht- bis zehnmal kleiner als der Widerstand eines entsprechenden Widerstandskastens, wie er jetzt üblich ist. Der Abreißfunken wird daher dort auch entsprechend heftiger auftreten. Da das Aus- und Einschalten im Kranbetrieb außerordentlich oft geschieht, so wird die Steuerwalze bei Verwendung von Variatoren sehr viel stärker beansprucht werden. Abhilfe scheint hier ja nicht unmöglich. Soweit ich die Sache übersehe, könnte man beim Ausschalten einen großen Widerstand erhalten, wenn man die Variatoren erst an die volle Netzspannung legen und dann im rotglühenden Zustande vor den Anker schalten würde. Es wären hierzu natürlich träge Variatoren erforderlich, auch müßte der Führer auf dem Kontakt, wo der Variator an der Netzspannung liegt, etwas verweilen. Ein anderer Ausweg wäre der, daß man besondere Ausschaltvariatoren verwendete, die schon bei der Differenz zwischen Netz- und Ankerspannung rotglühend würden, oder aber man verwendet zum Herabdrücken des Stromes einen Widerstand von unveränderlichem Wert, der ja nicht für längeren Stromdurchgang bemessen zu sein braucht. Das Schaltungsschema würde auf diese Weise allerdings etwas verwickelter werden. Wie weit die Variatoren im Kranbetriebe Verwendung finden können, müssen Versuche lehren. Elektromotoren. Die Elektromotoren für Hebezeuge haben im Laufe der Jahre eine dem intermittierenden Betriebe entsprechende Durchbildung erfahren. Das Bezeichnende des Hebezeugbetriebes ist das Anlaufen des Motors unter Last, der häufige Wechsel seiner Drehrichtung und das häufige Aus- und Einschalten. Diesen Betriebsbedingungen sind denn auch die Motoren, besonders die Kranmotoren angepaßt worden. Maßgebend für die normale Leistung eines intermittierend arbeitenden Motors ist die zulässige Erwärmung seiner stromführenden Teile. In den vom Verbände deutscher Elektrotechniker herausgegebenen Normalien für elektrische Maschinen heißt es hierüber: „als normale Leistung von Maschinen für intermittierende Betriebe ist die Leistung zu verstehen und anzugeben, die ohne Unterbrechung eine Stande lang abgegeben werden kann, ohne daß die Temperaturzunahme den als zulässig bezeichneten Wert überschreitet“. Die Temperaturzunahme soll 50–80° C je nach dem Isolationsmaterial nicht überschreiten. Für die Wahl der Motorgröße ist die Art des Betriebes maßgebend. Sehr passend scheint mir hierfür die Unterscheidung der A. E. G. zu sein, die die Betriebe in schwache, normale, schwere und angestrengte einteilt. Schwache Betriebe sind solche, bei denen zwar die Last konstant ist, aber auf eine kurze Arbeitsdauer eine so lange Pause folgt, daß sich der Motor auf die Anfangstemperatur abkühlen kann; aber auch solche, bei denen die Last in weiten Grenzen veränderlich ist und die Maximallast nur selten vorkommt. Normalen Betrieb haben flott arbeitende Werkstatt- und Hafenkrane, Schiebebühnen usw. Schwerer Kranbetrieb liegt vor, wenn stets die Maximallast gehoben wird; z.B. beim Arbeiten mit Selbstgreifern. Angestrengten Betrieb haben hauptsächlich die Stahlwerkskrane; diese arbeiten in der Regel ununterbrochen Tag und Nacht und zwar mit der Maximallast. Bei Gleichstrom werden im Kranbetriebe fast nur Hauptstrommotoren verwandt, deren Vorteile bekanntlich in dem großen Anzugsmoment und in der Selbstregulierung der Umlaufzahl bei verschiedener Belastung liegen; bei kleinerer Last laufen sie schneller, bei größerer langsamer. Ein Durchgehen beim Heben des leeren Hakens ist nicht zu befürchten, da die Eigenwiderstände der Hubwinde den Motor immer noch genügend belasten. Man kann damit rechnen, daß der Motor zum Heben des leeren Hakens stets etwa 10 v. H. des normalen Drehmomentes aufwenden muß. Bei den Fahr- und Drehmotoren ist ein Durchgehen erst recht nicht zu befürchten, da das Eigengewicht der bewegten Konstruktionsteile gegenüber der Nutzlast immer ein beträchtliches ist, sehr oft sogar dasjenige der letzteren weit übersteigt. Nebenschlußmotoren verwendet man wegen ihrer bei den verschiedensten Lasten wenig veränderlichen Umlaufzahl mit Vorteil als Fahrmotoren bei weit gespannten Portallaufkranen, wie z.B. bei dem Trägerverladekran (D. p. J. 1908, S. 311 Fig. 73), wo jede Stütze durch einen besonderen Motor angetrieben wird, um ein Ecken infolge ungleicher Umlaufzahlen zu vermeiden. Nebenschlußmotoren verwendet man aber auch gewöhnlich bei Selbstabstellung, also vornehmlich bei Aufzügen, da bei Hauptstrommotoren verschiedenen Belastungen verschiedene Nachlaufwege entsprechen, wodurch ein genaues Einstellen der Last oder der Fahrzelle erschwert wird. Die Regelung der Umlaufzahlen geschieht bei Gleichstrommotoren immer durch Veränderung der Widerstände im Ankerstromkreis. Wenngleich dieses Verfahren mit einem Energieverlust verknüpft ist, kommt es doch dem Abdrosseln der Dampfspannung gleich, so ist es eben das einfachste Mittel, zumal man die Anlaßwiderstände gleich als Regulierwiderstände benutzen kann. Die Regelung durch Veränderung der Feldstärke ist wenigstens in Deutschland nicht üblich. Der Wirkungsgrad von Kranmotoren ändert sich nur wenig mit steigender Umlaufzahl. Es ist daher nicht nötig, durch Aenderung der Uebersetzung mittels ausrückbarer Vorgelege die Aenderung der Umlaufzahlen in engeren Grenzen zu halten. Bei größeren Leistungen verteilt man diese auch wohl auf zwei Motoren und wendet dabei die Serien – Parallelschaltung an, d.h. beim Anlauf werden die Motoren hintereinander, im Beharrungszustand parallel geschaltet. Diese Schaltung, die ja auch im Straßenbahnbetrieb üblich ist, hat den Vorteil, daß die Steuerapparate kleiner ausfallen und daß der Energieverlust beim Anlauf geringer ist. Drehstrommotoren haben ebenfalls im Hebezeugbau vielfach Verwendung gefunden. Sie verhalten sich bezüglich des Anlaufmomentes wie Hauptstrom-, bezüglich der selbsttätigen Geschwindigkeitsänderung und der Bremswirkung wie Nebenschlußmotoren, d.h. sie ändern ihre Umlaufzahlen von Vollast bis Leerlauf nur um etwa 5 v. H. und schicken beim Bremsen Strom ins Netz zurück. Der oft hervorgehobene Vorteil der Drehstrommotoren, das Fehlen des empfindlichen Kollektors, kommt nur bei den Motoren mit Kurzschlußanker voll zur Geltung. Das Anlassen geschieht einfach durch Umlegen eines Schalthebels; das ist natürlich nur bei Motoren von kleiner Leistung etwa bis 2 PS ausführbar und auch hier nur dann, wenn die Zentrale die häufigen Anlaufstromstöße aufnehmen kann. Außerdem läßt sich bei Kurzschlußankern die Umlaufzahl des Motors von außen nicht beeinflussen. In den meisten Fällen erhalten daher die Drehstrommotoren Schleifringe mit Bürsten, die allerdings nicht so empfindlich wie die Kommutatoren der Gleichstrommotoren sind. Bei Drehstrommotoren mit Schleifringen kann man die Anlaufstromstärken durch Vorschalten von Widerständen in zulässigen Grenzen halten und außerdem die Umlaufzahl von außen in weiten Grenzen ändern. Die Umlaufzahlen bei normaler Belastung sind im allgemeinen höher als bei entsprechenden Gleichstrommotoren, und zwar sind sie ein Vielfaches der Periodenzahl, die in Deutschland gewöhnlich 50 beträgt. Die Umlaufzahl achtpoliger Drehstrommotoren dürfte unter Berücksichtigung der Schlüpfung, d.h. des Nacheilens des Ankers hinter dem Drehfeld, etwa 750 bis 700, bei vierpoligen Motoren 1500 bis 1450 betragen. Drehstrommotoren verlangen daher im allgemeinen größere Uebersetzungen als entsprechende Gleichstrommotoren. Die Regelung der Umlaufzahl kann hier auf sehr verschiedene Weise bewirkt werden. Am einfachsten ist auch hier die Regelung mittels Widerstandsänderung im Ankerstromkreis. Dieses Verfahren hat jedoch den Nachteil, daß der Wirkungsgrad um so schlechter wird, je mehr man sich von der normalen Umlaufzahl entfernt. Diesem Uebelstande hat man durch andere Regelungsverfahren abzuhelfen gesucht. So ändert die Maschinenfabrik Oerlikon bei Zürich die Umlaufzahl in größeren Stufen durch Aenderung der Polzahl. Hierher gehören auch die Drehstrommotoren mit abstufbarer Umlaufzahl der Firma C Wüst & Co. in Seebach-Zürich. Diese Motoren bestehen eigentlich aus drei Einzelmotoren von vier, sechs und acht Polen, die hintereinander auf derselben Welle und in einem gemeinsamen Gehäuse angeordnet sind. Den Motor kann man nun derart schalten, daß er mit vier, sechs oder acht Polen und den diesen Polzahlen entsprechenden Umlaufzahlen läuft, dabei aber seinen Wirkungsgrad nicht wesentlich ändert. Außerdem kann durch Zusammenarbeiten von zwei oder drei der Einzelmotoren die Leistung verdoppelt oder verdreifacht werden, wobei die Umlaufzahl sich derjenigen des höchstpoligen Einzelmotors anpaßt. Das ist in so weit ein Vorteil, als ein für die maximale Leistung gewählter Motor schlecht ausgenutzt wird, wenn diese selten vorkommt. Versuche, die seiner Zeit an einem Wüstschen Drehstrommotor von 3 PS normaler Leistung angestellt wurden, ergaben folgendes Resultat: Den höchsten Wirkungsgrad erreichten die Einzelmotoren bei etwa 2 PS; es wurde ermittelt vierpoliger Motor η = 0,83 sechspoliger Motor η = 0,83 achtpoliger Motor η = 0,77 Bei der normalen Leistung von 3 PS betrugen die entsprechenden Wirkungsgrade 0,78, 0,78 und 0,72. Bei etwa 4,5 PS fielen die Motoren außer Tritt, so daß sie etwa 50 v. H. Ueberlastung aushielten. Es wurden dann der achtpolige und der sechspolige Einzelmotor parallel geschaltet. Die Umlaufzahl der Motorwelle betrug dabei ungefähr 680. Dieser Doppelmotor fiel bei 7,1 PS außer Tritt; man kann daher annehmen, daß durch Zusammenschalten zweier Einzelmotoren die normale Leistung für kürzere Betriebszeiten verdoppelt werden kann, wobei die Motorwelle die Umlaufzahl des Einzelmotors mit höherer Polzahl annimmt. Der Wirkungsgrad des Doppelmotors betrug allerdings nur 0,55. Dem zugeschalteten sechspoligen Motor wird eben die Umlaufzahl des achtpoligen aufgezwungen, so daß dessen Schlüpfung etwa 27 v. H. beträgt, was bedeutende Erhöhung der Stromstärke in seinen Pol- und Ankerwicklungen mit entsprechenden Leitungsverlusten zur Folge hat. Der sechspolige Einzelmotor ist also überlastet, weshalb die Doppelleistung nur für kürzere Zeit abgegeben werden kann. Ebenso kann die doppelte Leistung durch Zusammenschalten des vierpoligen und sechspoligen Motors bei der Umlauf zahl des letzteren erzielt werden. Ferner wurden alle drei Einzelmotoren zusammengeschaltet. Die Messungen ergaben als Höchstlast hierbei 9,1 PS bei 620 minutl. Umlaufzahl. Der Wirkungsgrad wurde nicht festgestellt, doch dürfte er noch kleiner sein als beim Zusammenschalten von zwei Einzelmotoren. Der Wüstsche Stufenmotor (Fig. 92) bietet demnach den Vorteil, daß bei gleicher Leistung und gleichem Wirkungsgrad drei große Geschwindigkeitsstufen vorhanden sind und daß innerhalb dieser Stufen eine weitere Geschwindigkeitsregelung durch vorgeschaltete Widerstände zu erreichen ist; daß ferner durch Zusammenschalten von zwei und drei der Einzelmotoren die Leistung auf kürzere Zeit verdoppelt und verdreifacht werden kann. Die Firma C. Wüst benutzt diesen Drehstrommotor auch zum Antrieb von Werkzeugmaschinen, wo er die Stufenscheibe entbehrlich macht. Ueber Einphasen-Wechselstrommotoren im Hebezeugbau ist schon im 3. Abschnitt dieser Arbeit berichtet worden. Dort wurde der Kollektormotor System Winter-Eichberg der A. E. G. zum Betriebe eines Portalkranes der Benrather Maschinenfabrik im Köln-Deutzer Hafen beschrieben. Textabbildung Bd. 323, S. 419 Fig. 92.Drehstrommotor mit abstufbarer Umlaufzahl von Wüst & Cie. Auch die Felten-Guilleaume-Lahmeyerwerke in Frankfurt am Main haben einen unter Last und mit hohem Anzugsmoment anlaufenden Einphasenmotor für Hebezeugbetrieb auf den Markt gebracht. Dieser Motor ist ein kompensierter Serienmotor mit Kollektor. Es sind zwei Satz Bürsten vorhanden; das eine Paar, die Arbeitsbürsten, sind in sich kurzgeschlossen; senkrecht dazu steht das andere Paar, die Erregerbürsten, die mit der Feldwicklung in Reihe und gleichzeitig mittels eines Transformators parallel an das Netz geschlossen sind, weshalb der Motor auch Doppelschlußmotor genannt wird (s. D. p. J. 1908, S. 40). Er läuft unter Last an und besitzt ein sehr kräftiges Anzugsmoment, bei doppelter Stromstärke das 4,5 fache des normalen Drehmomentes. Der Motor gibt durch die Last angetrieben nach Ueberschreitung der synchronen Umlaufzahl bremsend Strom ins Netz zurück. (Schluß folgt.)