Titel: Der heutige Stand der Motorfahrräder.
Autor: Oscar Koch
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 421
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Der heutige Stand der Motorfahrräder. Von Oscar Koch, Groß-Lichterfelde West. (Fortsetzung von S. 408 d. Bd.) Der heutige Stand der Motorfahrräder. VI. Motoren. Textabbildung Bd. 323, S. 421 Fig. 72.Motor der Adler, Fahrradwerke. Ueber Neuerungen an Motoren ist wenig zu sagen, was auch nach Durchsicht der in D. p. J. 1905, 320, S. 312 u. ff. sowie 1906, 321, S. 378 u. ff. gezeigten Typen begreiflich erscheint. Sämtliche dort beschriebenen Motore haben sich bestens bewährt, und allen an sie gestellten gerechten Anforderungen genügt, so daß die meisten Firmen von Abänderungen abgesehen haben. Der Vollständigkeit halber sind nur noch einige Typen nachzutragen, die bemerkenswert sind, wenn sie auch zum Teil keine Neukonstruktion aufweisen. So stellt Fig. 12 den Motor der Adler Fahrradwerke vorm. H. Kleyer in Frankfurt a. M. dar. Das Ansaugventil arbeitet selbsttätig, während das Auspuffventil durch Steuerrädchen a vermittels des Nockens b mechanisch gesteuert wird, a und b sind fest miteinander verbunden und sitzen auf der Steuerwelle c. Zu ihrem Antrieb dient das auf der Motorwelle sitzende, halb so große, Zahnrädchen d, so daß bei jeder zweiten Umdrehung der Motorwelle der Nocken b den Lenkhebel e anhebt, der den Auspuffventilstößel f dann so lange hochhält, bis der aufwärtsgehende Kolben die Abgase ausgetrieben hat. Zum Aufheben der Kompression im Zylinder ist der Bolzen g vorgesehen, der vom Sattel aus hochgezogen wird, wobei er den Lenker e mitnimmt, der den Ventilstößel f anhebt. Um beim Ingangsetzen der Maschine das Ansaugventil, das leicht anbackt, niederdrücken zu können, ist der Drücker h vorgesehen. Vorstehender Motor wird für Akkumulatoren- sowie für magnet-elektrische Kerzenzündung hergestellt. Im ersteren Falle ist auf dem Ende der Steuerwelle c (s. auch Fig. 73) die Nockenscheibe k angebracht, auf der der eine Schenkel l des Winkelhebels schleift, während der andere Schenkel die untere Kontaktschraube m trägt. Dieser genau gegenüber sitzt im Unterbrechergehäuse n die zweite Kontaktschraube o, und zwar durch Fiberhülse p von der ersteren isoliert. Sobald sich die Nockenscheibe k dreht, fällt jedesmal das schleifende Ende l des Winkelhebels in die Ausfräsung, wobei sich beide Kontaktschrauben berühren und den Stromkreis schließen. Im nächsten Augenblick wird Winkelhebel l durch den Nocken k wieder abgelenkt; die beiden Kontaktschrauben entfernen sich voneinander, und in demselben Augenblick springt bereits der Funke an der Kerze über. Textabbildung Bd. 323, S. 422 Fig. 73.Steuerung für die Zündung beim Adler-Motor. Um den Funken früher oder später auftreten zu lassen, ist das Kontaktgehäuse n samt dem Winkelhebel l drehbar um die Nockenscheibe k angeordnet, so daß der Augenblick des Stromschlusses und Abreißens entweder verzögert oder beschleunigt werden kann. Natürlich sind hierbei bestimmte Grenzen gegeben. Das Zündungsgehäuse ist gegen äußere Einflüsse mittels Deckel q verschlossen. Bei Anwendung von Magnetzündung fällt die ganze Unterbrechervorrichtung fort, da, wie später gezeigt werden wird, die ganze Kontaktvorrichtung sich im Magnetapparat selbst befindet. An Stelle des Kontaktgehäuses kommt dann nur ein Kettenrad i (s. Fig. 72), das mittels Kette ein zweites von derselben Größe am Magnetapparat antreibt. Textabbildung Bd. 323, S. 422 Fig. 74.Steuerung für die Ventile beim Adler Zweizylindermotor. Der Zweizylindermotor derselben Firma weicht nur durch die Steuerung seiner Auspuffventile vom Einzylindermotor ab. Die beiden Ventilstößel f (Fig. 74) werden abwechselnd vom Nocken b unter Vermittlung der Lenkerhebel d und e gehoben. Zum Lüften dieser Ventile dient der Bolzen h, dessen unteres Ende den Kopf k trägt, während sein oberes Ende i an einen am Fahrradrahmen drehbaren Handhebel angelenkt ist. Wird durch ihn der Bolzen h hochgezogen, so drängt sein Kopf k die Lenker d so weit auseinander, daß sie mittels der Lenker e die Ventilstößel f anheben. Statt der Kerzenzündung wendet die Akt.-Gesellschaft vorm. Seidel & Naumann in Dresden die sogen. Abreißzündung an. Der 3 PS-Motor (Fig. 75) hat 80 mm Zylinderbohrung und 100 mm Kolbenhub. Er findet bei dem Laurin & Klementschen Gepäckdreirad (Fig. 66, S. 406) Anwendung, dessen Bau für Deutschland Seidel & Naumann übernommen haben. Letztere Firma läßt den Magnetapparat nicht wie erstere mittels Kette, sondern durch Zahnräder antreiben, die von dem auf der Motorwelle sitzenden kleinen Zahnrad a betätigt werden. Dieses Rad a steuert nicht nur wie bei Adler das Auspuffventil, sondern treibt auch das große Zahnrad c an, welches einerseits das Nockenrad L (s. auch Fig. 76) zur Steuerung der Abreißstange E betätigt, andererseits durch Zwischenrad d den Magnetapparat durch das mit seinem Anker fest verbundenen Zahnrad e antreibt. Das ganze Rädergetriebe liegt in dem Gehäuse g, das mittels Deckel f staubdicht abgeschlossen ist. Vom Magnetapparat wird der Strom mittels Kabel zum Zündstift D (s. auch Fig. 76) geleitet, der im Zündflansch A durch zwei Specksteinkonusse C gasdicht eingesetzt ist. Der Zündflansch selbst ist mit zwei Muttern B am Zylinderkopf befestigt und mit Klingerit abgedichtet. Der doppelarmige Abreißhebel Z (Funkenzieher) ist im Zündflansch drehbar gelagert, so daß das eine Hebelende nach außen mit der Abreißstange E und das andere nach innen mit dem Zündstift D in Verbindung steht. Textabbildung Bd. 323, S. 422 Fig. 75.Motor (System Laurin & Klement) der Akt.-Ges. vorm, Seidel & Naumann. Zwischen A1 und Z ist auf die Abreißstange E die Spiralfeder E aufgesteckt, die den Funkenzieher Z auf den Zündstift D drückt und so leitende Verbindung herstellt, während Feder G die Abreißstange auf den Hebel H drückt, der auf der Nockenscheibe O schleift. Sobald der Nocken O die in Fig. 77 gezeichnete Stellung überschritten hat, d. i. in dem Augenblick, wo der Kolben seinen höchsten Stand erreicht, fällt Lenkhebel H plötzlich in die Vertiefung des Nockens O. Feder G schnellt die Stange E abwärts, wobei sie den Funkenzieher Z mitnimmt. Dieser schwingt dabei um seine Achse, hebt sich vom Zündstift D ab, und der Funke springt über. Inzwischen dreht sich die Nockenscheibe weiter, drückt Hebel H und mit ihm die Abreißstange E in die Höhe und Z kommt wieder in seine alte Lage. Zum Verstellen des Zündzeitpunktes dient der Hebel K, dessen Bewegungen durch die Anschlagschraube n (s. Fig. 75) begrenzt sind. Um das verbrauchte Oel ablassen zu können, ist im Deckel des Gehäuses g die Schraube l' angebracht; eine zweite Schraube h auf dem Gehäuse g dient zum Einfüllen des Oeles. Aus dem Schwungradgehäuse wird das Oel nach Entfernen der Schraube l abgelassen und bei o mittels Pumpe zugeführt. Textabbildung Bd. 323, S. 423 Fig. 76 und 77. Steuerung für die Zündung beim Motor, System Laurin & Klement. Zum Ausgleichen des Druckes im Kurbelgehäuse ist das Ventil p vorgesehen. Beim Doppelzylindermotor derselben Firma wird der Magnetapparat durch Kette angetrieben. Es ist dann auf das Nockenrad b ein Kettenrad aufgesetzt, ein zweites von derselben Größe kommt an Stelle des Rades e am Magnetapparat; im übrigen ist die Zündungseinrichtung dieselbe wie beim Einzylindermotor. Der Zweizylindermotor selbst ist schon D. p. J. 1905, 320, S. 345, Fig. 54 gegeben, er hat 65 mm Zylinderbohrung und 74 mm Kolbenhub bei 3 ½ PS. Zur Ergänzung des schon in D. p. J. 1906, 321, S. 381 in den Fig. 89 und 90 in Ansicht dargestellten Motors der Motorenfabrik Magnet in Berlin-Weißensee soll die Schnittzeichnung (Fig. 78) dienen. Wie ersichtlich, werden hier sowohl das Auspuffventil a als auch das Ansaugventil b mechanisch gesteuert und zwar das letztere mittels Nocken c und Lenkerhebel e durch Stange t und Umkehrhebel g, ersteres dagegen durch Nocken d, Lenkerhebel h und Stößel i. Die Nockenscheiben c und d sitzen auf derselben Achse mit den Zahnrädern l und m und erhalten ihren Antrieb durch das auf der Motorwelle aufgekeilte Zahnrad k. Dieses treibt gleichzeitig unter Vermittlung der Zahnräder l und m das mit dem Magnetanker verbundene Zahnrad n an. Das Abreißgestänge ist bei diesem Motor vermieden. Außen an ihm befindet sich nur der Zündflansch r, durch den der Zündstift o in das Innere des Zylinderkopfes geführt ist. Der innen am Zündflansch sitzende Nocken p liegt so lange am Zündstift an, bis ihn der in seiner höchsten Stellung angekommene Kolben mit seinem Ansatz q abhebt, wobei der Funke überspringt. Nicht unerwähnt möchte ich den Zweitaktmotor (Fig. 79) lassen, den Hillen & Co. in Berlin bei seinem leichten Motorrad (Fig. 19, S. 330) in Anwendung bringt. Er hat 47 mm Bohrung, 80 mm Hub und leistet 1 ¾ PS. Entgegen dem Viertaktmotor wird der Brennstoff beim Aufwärtsgehen des Kolbens a durch das im Ansaugrohr b sitzende Ventil c, das mittels Nocken d und Doppelhebel e wie beim Viertaktmotor mechanisch gesteuert wird, in das abgedichtete Kurbelgehäuse f gesaugt. und beim Niedergehen des Kolbens verdichtet. Diese verdichteten Gase strömen nun kurz vor dem unteren Hubwechsel durch Kanal g und Ueberströmöffnungen h in die obere Zylinderhälfte über, wo sie durch den nunmehr aufwärtsgehenden Kolben nochmals verdichtet und durch die bei i eingeschraubte Kerze zur Explosion gebracht werden. Der jetzt abwärts getriebene Kolben legt kurz vor seiner unteren Totlage mit seiner Oberkante die in den Auspuffkanal k mündende Auspufföffnung f frei und sobald dieses etwa zur Hälfte geschehen ist, strömt das vorher im Kurbelgehäuse verdichtete Gasgemisch durch ebenfalls vom Kolben freigelegte Eintrittsöffnungen h an der Abweisfäche m des Kolbens vorbei in den Zündkopf und unterstützt dabei die Austreibung der verbrannten Gase. Beim folgenden Aufwärtsgang des Kolbens werden nacheinander die Einström- und die Ausströmöffnungen des Zylinders durch den Kolben verschlossen und der Zylinderinhalt verdichtet. Textabbildung Bd. 323, S. 423 Fig. 78.Motor der Motorenfabrik Magnet. Um während des Verdichtens Gasverluste im Kurbelgehäuse zu vermeiden, ist dessen eine Hälfte vollständig geschlossen, während die andere Hälfte, aus der die Kurbelwelle zwecks Aufnahme der Riemenscheibe herausragen muß, den Lederring n trägt. Bei der Kompression preßt sich letzterer gegen die Wandung des Gehäuses und dichtet dieses gegen Entweichen von Gas und Oel hermetisch ab. Um übermäßiges Oelen des Zylinders zu verhüten, was leicht zu Kurzschluß führt, ist an ihm die Sammelstelle o vorgesehen, in die das überflüssige Oel bei jeder Bewegung des Kolbens abfließt und so eine selbsttätige Schmierstelle bildet. Textabbildung Bd. 323, S. 424 Fig. 79.Zweitaktmotor von Hillen & Co. Da die Auspufföffnung bei derartigen Motoren kein Ventil besitzt, so ist, um beim Anfahren die Kompression aufheben zu können, im Zylinderkopf das Entlüftungsventil q vorgesehen. Um Reibungsverluste nach Möglichkeit zu verringern, läuft die Kurbelwelle in gesetzlich geschützter Lageranordnung mit Kugellaufringen. Zum Befestigen des Motors am Fahrradrahmen ist am Kurbelgehäuse die Schale p angegossen, auf die eine zweite gleichartige geschraubt wird. Der Vierzylindermotor der Fabrique Nationale in Herstal bei Lüttich, der in D. p. J. 1905, 320, S. 346 eingehend behandelt ist, hat sich inzwischen etwas verändert. Die Zylinderbohrung ist jetzt 48 mm, der Kolbenhub 57 mm und die Leistung beträgt 4 PS, Die Klemmen für die Kabeldrähte, die auf die Köpfe des Verteilers aufgesteckt werden, sind als Federklemmen ausgebildet. Der Verteiler selbst ist ebenfalls verbessert und der Endpol als Kohlenbürste ausgeführt. Auch die Kühlflächen sind dadurch vergrößert worden, daß auf den Kopf der Zylinder ebenfalls Kühlrippen gesetzt wurden, die in der Fahrrichtung liegen. Beachtenswerte die Einrichtung, die das Hochsaugen des Oeles in die Zylinder verhindert. Vom Druckausgleicher des Kurbelgehäuses führt ein Rohr zum Ende des nunmehr runden Auspuffrohres (beim Modell 1906 war das Ende flach gedrückt), das als Injektor ausgebildet ist. Durch die Saugwirkung des letzteren entsteht im Kurbelgehäuse unter den Kolben eine geringe Luftverdünnung, ebenso entsteht aber auch während jeder Ansaugperiode im Zylinder Luftverdünnung, die proportional der Federspannung der Ansaugventile ist. Diese Luftverdünnung saugte früher das Oel am Kolben vorbei, in den Explosionsraum. Dieses verhindert jetzt der Injektor dadurch, daß er ebenfalls ein geringes Vakuum erzeugt welches die Druckunterschiede wieder ausgleicht. Die Kerzen bleiben durch diese Vorrichtung immer sauber, auch der unangenehme Oeldunst wird vermieden. Bei allen den bisher genannten Motoren wird die Tourenzahl durch Verstellen des Zündzeitpunktes und Drosselung des Gemisches verändert. Der Drosselhahn ist entweder in die Saugleitung oder in den Vergaser selbst eingebaut und wird mittels Hebel, der zum oberen Fahrradrahmenrohr geführt ist, betätigt. Mit dieser Einrichtung brechen die Motorenwerke von C. Grahmer in Halensee-Berlin und regeln die Tourenzahl durch Veränderung des Hubes vom Ansaugventil, wobei wesentlich an Brennstoff gespart werden soll. Wie aus Fig. 80 ersichtlich, wird das Zahnrad a. das die Nockenscheibe b trägt, von dem auf der Motorwelle sitzenden Zahnrädchen c in bekannter Weise angetrieben, wobei die beiden Nocken des Rädchens a, das Ansaugsowie das Auspuffventil mittels der beiden Hebel d und e steuern, e hat in f seinen Drehpunkt und wirkt unmittelbar auf den Auspuffstößel g ein, während der Steuerungswinkelhebel d i das Saugventil durch zwei Zwischenhebel l und k, wie folgt, betätigt: Sobald ein Nocken der Scheibe b am langen Ende d des Winkelhebels vorbeigleitet, schwingt er um h, wobei sein kurzer Arm i die am Gelenkhebel l sitzende Rolle o auf den Lenkhebel k drückt. Dieser schwingt dabei um seine Achse p, hebt Ventilstange m hoch, wodurch mittels Umkehrhebels q und Stift r das Saugventil von seinem Sitz abgehoben wird. Zur Erzielung verschiedener Hubhöhen ist der Hebel l bei s mit dem auf der Achse v drehbaren Doppelhebel tu gelenkig verbunden. Wird dieser Doppelhebel durch einen am Fahrradrahmen gelagerten Handhebel, der bei w an ihm angelenkt ist, auf- oder abbewegt, so verschiebt sich infolgedessen Hebel l mit seiner Gleitrolle o entweder nach rechts oder links. Im letzteren Falle kommt dann die Gleitrolle o mehr nach der Achse p über dem Hebel k zu liegen und drückt sein rechtes Ende mit großem Hub abwärts. Dementsprechend hebt sich das linke Ende von k und hebt mittels Stange m das Ansaugventil, wie oben gesagt, an. Textabbildung Bd. 323, S. 425 Fig. 80.Motor von Grahmer. Soll kleinerer Hub erfolgen, so wird durch Aufwärtsbewegen des Hebels u der Hebel l je nach dem gewünschten Ventilhub nach rechts verschoben. (Fortsetzung folgt.)