Titel: Zuschriften an die Redaktion.
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 639
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Zuschriften an die Redaktion. (Unter eigener Verantwortlichkeit der Einsender.) Zuschriften an die Redaktion. Dampfkesselreparaturen mittels autogener Schweißung. Geehrte Redaktion! In Nr. 5 und 6 der Zeitschrift für kompr. und flüssige Gase (1908) nimmt Herr Oberingenieur Wiß von der Chem. Fabrik Griesheim in einem ausführlichen Artikel Stellung zu dem von mir in Nr. 11, 12 und 13 ihres gesch. Blattes gebrachten Bericht über die nach dem Le Chatelierschen Verfahren mittels Azetylen-Sauerstoff-Schweißung in Frankreich ausgeführten Reparaturen an Schiffskesseln. Herr Wiß erklärt diese Reparaturen für wenig nachahmenswert und für zum großen Teil geradezu verwerflich. Inzwischen gewinnt jedoch diese Reparaturmethode nicht nur in Frankreich, sondern auch in anderen Ländern fortgesetzt an Umfang. Ich halte es für zurzeit zwecklos auf die einzelnen Bedenken zu erwidern, welche Herr Wiß für die von mir berichteten einzelnen Reparaturen hinsichtlich Lage, Durchführung und möglicher Folgen geltend macht; denn so lange nicht tatsächliche Mißerfolge gegen die in Frankreich angewandte Art der Schweißung ins Feld geführt werden können, handelt es sich bei diesen Bedenken lediglich um Absichten, während doch die berichteten Reparaturen in Frankreich unter den Augen der Behörden sich zum Teil schon seit 2½ Jahren anstandslos im Betrieb bewährt haben. Einzelne der von Herrn Wiß berührten Punkte haben auch bereits eine Antwort gefunden in meinen Zuschriften an diese Zeitschrift (Heft 24, S. 371 d. Bd.) sowie an die Zeitschrift des Bayer. Rev.-Ver. (1908, H. 10, S. 106), auf welche ich verweise. Wenn ich z. Z. das Fehlen systematischer Versuche über autogene Schweißung bedauert habe, so hatte ich speziell solche über Azetylen-Sauerstoff-Schweißung im Auge. Die von Herrn Wiß angestellten systematischen Untersuchungen, soweit sie in der Z. d. V. d. I, (Januar 1906) veröffentlicht wurden, sind mir wohl bekannt. Zu dem von mir gedachten Zeitpunkt waren jedoch systematische Untersuchungen noch nicht veröffentlicht. Die Wißschen Versuche, soweit sie in der Z. d. V. d. I. veröffentlicht sind, beziehen sich auch ausschließlich auf Wasserstoff-Sauerstoff-Schweißung. Diese wird aber in den seltensten Fällen für Kesselreparaturen in Frage kommen, da es sich hierbei meist um Blechdicken über 10 mm handelt und Herr Wiß in der genannten Veröffentlichung selbst ausdrücklich darauf hinweist, daß es für Blechstärken über 10 mm Bedingung sei, die Bleche (mittels Koaksfeuer) anzuwärmen, um sie überhaupt mit dem Wasserstoff-Sauerstoff-Verfahren schweißen zu können. Ein solches Anwärmen ist natürlich für Reparaturen im Innern des Kessels vollständig ausgeschlossen. Da außer den von Herrn Wiß erwähnten, vom internationalen Verband der Dampfkessel-Ueberwachungs-Vereine für Versuche mit autogener Schweißung an Herrn Baudirektor v. Bach gegebenen Mitteln neuerdings beträchtliche Mittel seitens des Vereins deutscher Ingenieure für gleiche Zwecke ausgeworfen worden sind, so wird man, solange diese Versuche nicht die Unbrauchbarkeit der Le Chatelierschen Reparaturmethode nachweisen, wohl zur Vorsicht mahnen können, aber man wird gerechter Weise nicht von der Verwerflichkeit eines Verfahrens sprechen dürfen, das sich bisher in Frankreich (und nur über die in Frankreich ausgeführten Reparaturen hatte ich berichtet) vollauf bewährt hat. Dr.-Ing. A. Hilpert. Sehr geehrte Redaktion! Zu der vorliegenden Erwiderung des Herrn Dr.-Ing. Hilpert auf meine Stellungnahme zu den Dampfkesselreparaturen mittels autogener Schweißung gestatte ich mir kurz Nachstehendes zu bemerken: Herr Hilpert ist der Ansicht, daß erst Mißerfolge notwendig sind, um die Nichttauglichkeit dieser oder jener Reparatur zu beglaubigen, alles übrige sei, wie er angibt, lediglich ein Streit um Ansichten. Demgegenüber stelle ich nochmals fest, daß sich meine Ausführungen auf eine nunmehr fünfjährige Praxis in der autogenen Schweißung stützen, und zwar auf hunderte von Anwendungsfällen, wie sie. abgesehen von den Versuchen bei der Einführung des Verfahrens, ein chemischer Großbetrieb, dem ich angehöre, mit sich bringt, und wo ich mehr wie jeder andere Gelegenheit hatte, die autogene Schweißung für die schwierigsten Fälle in der Praxis auszuprobieren. Diese hierbei gemachten Erfahrungen rechtfertigen meinen Standpunkt den Ruf der autogenen Schweißung nicht durch gewagte Experimente zu diskreditieren. Herr Hilpert gibt an, daß eine Reihe von mir berührter Punkte bereits in Heft 24 Ihrer geschätzten Zeitschrift, sowie in Heft 10 der Zeitschrift des Bayerischen Revisions-Vereins ihre Erledigung gefunden haben sollen. Herr Hilpert sagt in seinen Ausführungen, Heft 24 dieser Zeitschrift, daß für Reparaturen über 10 mm Blechstärke außer der elektrischen Schweißung nur die Azetylenschweißung in Frage komme, da mit den übrigen Schweißverfahren, also auch mit der Wasserstoff-Sauerstoff-Schweißung, nicht genügend Temperatur erzielt würde. Herr Hilpert meint offenbar, daß mit der Wasserstoff-Sauerstoff-Schweißung eine nicht genügende Wärmemenge abgegeben werden könnte; diese ist doch ohne Frage nur von der zugeführten Gasmenge abhängig. Durch beliebig große Brenner ist es sehr wohl möglich, jede gewünschte Wärmemenge freizumachen, und ich habe auch bereits in Heft 6 der Zeitschrift für komprimierte und flüssige Gase (S. 86) mitgeteilt, daß Wasserstoff-Sauerstoff-Schweißungen bis 30 mm Blechdicke ausgeführt worden sind. Wenn Herr Hilpert glaubt, daß meine Angaben in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure im Januar 1906 hierzu im Widerspruch stehen, so gestatte ich mir darauf aufmerksam zu machen, daß ich dort gesagt habe, daß über 10 mm ohne sekundäre Wärmezufuhr mit einem praktisch zulässigen Gasverbrauch nicht mehr geschweißt werden kann. Diese Bemerkung bezieht sich natürlich auf die Rentabilität bei Neuausführungen; bei so wichtigen Reparaturen, wie sie an Dampfkesseln vorkommen, spielt es aber gar keine Rolle, ob der sonst allgemein rentable Gasverbrauch überschritten wird. Es ist hier ganz gleichgültig, ob für 2,– M. oder für 4,– M. Gas verbraucht wird. Weiter sagt Herr Hilpert in dem vorgenannten Aufsatze, daß die von ihm vor 1½ Jahren begonnenen Versuche ihn gestärkt hätten in der Ansicht, daß in Deutschland die damals vorhandenen Hilfsmittel nicht genügend gewesen seien, und daß man zu dieser Zeit, also vor 1½ Jahren, noch nicht an die Reparatur von Dampfkesseln gedacht hätte. Ich kann Herrn Hilpert nur darauf erwidern, daß diese Ausführungen lediglich darauf schließen lassen, daß Herr Hilpert bezüglich seines Versuchsmaterials bezw. der ihm zur Verfügung gestellten Apparate usw. schlecht beraten war. Ich hatte bereits schon länger als vor 1½ Jahren mit der Ueberzeugung abgeschlossen, daß die autogene Schweißung kein Universalreparaturmittel für Kesseldefekte ist, gleichgültig, ob die Schweißung mit Azetylen oder mit Wasserstoff ausgeführt wird. Ich will hier noch bemerken, daß ich auch die Azetylenschweißung mit aus Frankreich beschafften Brennern gründlich durchprobiert hatte, bevor noch dieselbe von der Autogenen Schweißung G. m. b. H., Berlin“, welche dieses Verfahren zuerst in Deutschland propagierte, eingeführt war. Auch aus der von Herrn Hilpert erwähnten Zuschrift an die Zeitschrift des Bayerischen Revisionsvereins, Heft 10, 1908, kann ich nicht entnehmen, daß meine Ausführungen in der Zeitschrift für komprimierte und flüssige Gase widerlegt sind. Das Zeugnis der „Veritas“, Paris, findet hoffentlich in dieser allgemeinen Form bei uns keine Nachahmung. Soweit ich aus den Ausführungen der bewährten Dampfkessel-Revisions-Fachleute Herrn Hartmann, Hamburg und Herrn Reischle, München, entnehme, teilen diese meinen Standpunkt sich nicht durch den Enthusiasmus anderer zur Befürwortung von Arbeiten verleiden zu lassen, die unabsehbare Folgen haben könnten. Hochachtungsvoll. Wiß.