Titel: Bemerkenswerte technische Neuerungen auf dem Gebiete der Zuckerindustrie im ersten Halbjahr 1908.
Autor: A. Stift
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 663
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Bemerkenswerte technische Neuerungen auf dem Gebiete der Zuckerindustrie im ersten Halbjahr 1908. Von k. k. landw. techn. Konsulent A. Stift (Wien). (Fortsetzung von S. 650 d. Bd.) Bemerkenswerte technische Neuerungen auf dem Gebiete der Zuckerindustrie im ersten Halbjahr 1908. Ueber das Auftreten von Zucker in den Dampfkesseln, das zu unangenehmen Betriebsstörungen Anlaß geben kann, berichtet SengZentralblatt für die Zuckerindustrie 1908, Jahrgang 16, S. 435.. In früheren Jahren war es trotz größter Aufmerksamkeit nicht möglich, die ausschließlich zum Speisen der Kessel verwendeten Kondens- und Brüdenwässer frei von Zucker zu erhalten. Dieser Uebelstand wurde jedoch sofort behoben, als Seng der Anregung Claassens folgend, jedoch zu anderen Zwecken, die Safteingänge der Verdampfapparate unterhalb des unteren Rohrbodens anordnete. Die Verdampfapparate werden bekanntlich meistens so geliefert, daß der Safteingangsstutzen über dem oberen Rohrboden liegt; wird nun der Saftstand nicht so hoch gehalten, daß der Eingangsstutzen im Saft liegt, so sprüht der eingezogene Saft fast staubförmig in den luftverdünnten Raum und es werden namentlich bei den Körpern höherer Luftleere die feinsten Saftteilchen von den abziehenden Brüdendämpfen in die Brüdenleitungen mitgerissen. Da in der Zuckerfabrik Friedrichsaue mit sehr niedrigen Saftständen gearbeit wird, so daß der kochende Saft den oberen Rohrboden nur überrieselt, so ist die Gefahr des Mitreißens feinster Saftteilchen dauernd gegeben. Bestätigt wird diese Erscheinung bei dem Zentralkondensator, denn auch hier tritt das Einspritzwasser nicht frei in den Kondensator ein, sondern zunächst in einen im Innern desselben eingebauten Wasserraum, aus welchem es dann gleichmäßig überläuft, wodurch niemals Wasser in die Luftpumpenzylinder mit übergerissen wird. Es ergibt sich aus diesen Beobachtungen, daß fast stets das zum Kesselspeisen verwendete Brüdenwasser die Quelle für den im Speisewasser vorkommenden Zucker bildet; jedenfalls ist Zucker in den Kesseln seit Bestehen der hervorgehobenen Einrichtung nicht mehr festzustellen gewesen. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß auch aus anderen, mit Dampf geheizten Saftkörpern Zucker in das Speisewasser und in die Kessel gelangt, doch sind erstere meist leicht auf ihre Dichtigkeit zu prüfen. Die Förderung von Rüben erfolgte bisher hauptsächlich durch Hubräder, Schnecken und Becherwerke, welche Schöpfwerke aber vielfach zu ungünstigen Erfahrungen geführt haben. Man ist nun in letzter Zeit zu einem neuen Schöpfwerk übergegangen, wozu man die seit vielen Jahren bekannte Mammutpumpe verwendet. Nach der Mitteilung von SteenDie deutsche Zuckerindustrie 1908, 33. Jahrgang, S. 87. wird an die Unterkante des Fußstückes der Mammutpumpe (Fig. 12) eine A. Borsig in Tegel patentierte Zulaufleitung befestigt und an die Schwemmrinne der Rüben geleitet. Aus der Abbildung ist zu ersehen, daß die Rubenzulaufleitung der Mammutpumpe derart an die Rübenschwemmrinne befestigt ist, daß das Schwemmwasser mit den darin schwimmenden Rüben ohne Veränderung der Geschwindigkeit in die Zulaufleitung der Mammutdumpe strömt und von hier in bekannter Weise in die Rübenwäsche oder an eine andere Stelle gehoben wird. In der Zuckerfabrik Bredow wurden mittels der Mammutpumpe in der letzten Kampagne von Anbeginn bis zum Schluß ohne irgend eine nennenswerte Störung stündlich ungefähr 400 Zentner Rüben gefördert. Die Aufstellung der Pumpe in genannter Zuckerfabrik war darum notwendig geworden, weil die Schwemme mit Rücksicht auf die Länge nicht ein so starkes Gefälle erhalten konnte, wie dies für das Abschwemmen der Rüben notwendig war. Damit nun die Rübenschwemme ein für die Fortleitung der Rüben genügend großes Gefälle bekommt, werden die Rüben samt dem Schwemmwasser etwa in der Mitte der Schwemme um 5 m gehoben. Von dem Ausguß der Mammutpumpe fließt das Schwemmwasser mit den Rüben in bekannter Anordnung einem Hubrad zu, durch welches die Rüben in die Waschtrommel gefördert werden. Textabbildung Bd. 323, S. 664 Fig. 12.a Einlauf, b Ablauf, c Druckluftzufuhr. Die Betriebssicherheit der Mammutpumpe für Förderung von Rüben ist eine so große, wie sie nicht annähernd von Hub- und Schneckenrädern und Becherwerken erreicht werden kann. Die Größe der Betriebssicherheit beruht darauf, daß bei Förderung von Rüben mittels der Pumpe das Fördergut mit keinem einzigen beweglichen Teil in Berührung kommt. Das ganze Fördermaterial wird vom Einlauf in die Pumpe bis zum Auslauf durch eine einfache Förderrohrleitung mit gleichbleibendem, kreisförmigem Querschnitt geleitet. In der Zuckerfabrik Bredow wird die Mammutpumpe durch einen Luftkompressor für Dampfbetrieb betrieben. Bei 190 Umdrehungen des Luftkompressors werden für die Hebung von 400 Zentner Rüben i. d. Stunde auf eine Höhe von 5 m ungefähr 9 PSe = ungefähr 11 PSi gebraucht. Bei 225 mm Dampfzylinderdurchm. und 250 mm Kolbenhub gebraucht die Dampfmaschine für jede indizierte PSe und Stunde ungefähr 19 kg Dampf von 4½ at Spannung gemessen am Einlaßstutzen des Dampfzylinders und einen Gegendruck von 0,5 at am Auslaßstutzen des Dampfzylinders. Der gesamte Dampfverbrauch stellt sich demnach für die Anlage auf 11 × 19 = rund 210 kg i. d. Stunde. 1 kg Dampf von 4½ at Ueberdruck besitzt 653,65 WE. Unter Beachtung, daß 1 kg Dampf von 0,5 at Ueberdruck 640,28 WE besitzt, sind für den Betrieb der Mammutpumpe stündlich 13,37 × 210 = 28077 = rund 3000 Kalorien erforderlich. Bei Verfeuerung einer Kohle mit 6800 Kalorien Heizwert und bei einem Wirkungsgrad der Dampfkesselanlage von 75 v. H., also einem effekt. Heizwert der Kohle von 6800 × 0,75 = 5160 Kalorien stellt sich der stündliche Kohlenverbrauch auf 3000 : 5100 = 0,583 = rund 0,6 kg Kohlen. Unter Voraussetzung, daß der Preis für 1 kg Kohle sich frei Kesselhaus auf 0,18 M. stellt, betragen die Kosten für die Förderung von 400 Zentner Rüben 0,18 × 0,6 = 0,108 M. oder für 100 Zentner Rüben i. d. Stunde 10,8 : 4 = 2,7 Pf. Während der Förderung der Rüben durch die Mammutpumpe erfolgt eine so vorzügliche Waschung der Rüben, einerseits durch die verschiedenen Richtungswechsel, andererseits aber durch die lebhafte Bewegung der in das Wasser geführten Preßluft, daß die Rüben in der Zuckerfabrik Bredow nach erfolgter Förderung so rein waren, als sei jede einzelne Rübe mit der Bürste besonders bearbeitet worden. Obgleich demnach bei Förderung der Rüben auf eine größere Höhe die Rübenwäsche wohl entbehrt werden könnte, wird dies vorläufig doch nicht gehen, da die Mammutpumpe die Eigentümlichkeit besitzt, das ihr zugeführte Material unsortiert weiter zu befördern, gleichbleibend, ob Rüben, Sand, Steine oder Eisen sich darin befinden. Aus diesem Grunde ist der Steinfänger nicht zu entbehren. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil für die Förderung der Rüben durch diese Pumpe besteht darin, daß das Rübenmaterial in keiner Weise beschädigt wird, daher die Rüben in tadellosem Zustande in die Schneidmaschinen gelangen. Außerdem ist zu beachten, daß der Luftkompressor für den Antrieb der Mammutpumpe mehrere 100 m von der eigentlichen Schöpf stelle aufgestellt werden kann. Es kann daher dieser Kompressor dort aufgestellt werden, wo der Abdampf am zweckmäßigsten Verwendung findet. Ferner unterliegt es keinem Zweifel, daß bei dem Transport von Rüben aus Eisenbahnwagen usw. die Fortleitung der Rüben mittels einer Schwemme durch die Mammutpumpe an manchen Stellen zweckmäßig in Frage kommt. RiedelDie deutsche Zuckerindustrie 1908, 33. Jahrgang, S. 320. äußert sich über die Mammutpumpe in ähnlicher Weise wie Steen, und ist aus seinen Ausführungen ergänzend hervorzuheben, daß eine event. Verstopfung und Festsetzung der Rüben in einfacher Weise dadurch behoben wird, daß man den Austritt der Mammutpumpe durch einen Schieber oder Deckel mit Bügel verschließt und Luft in das Fußstück einbläst. Derartige Störungen werden auf diese Weise so schnell und sicher beseitigt, daß von Betriebsstörungen keine Rede sein kann. Außer für die Rübenhebung läßt sich die Mammutpumpe auch dazu verwenden, um Rüben von der Endladestelle, Eisenbahnwagen oder ungünstig angelegten Schwemmen, nach der Verarbeitungsstelle fortzuschaffen. FölscheDie Deutsche Zuckerindustrie 1908, 33 Jahrg., S. 64. bespricht die Fortschritte, die in der Bewegung der in Zuckerfabriken in Betracht kommenden Massengüter gemacht oder noch zu machen sind. Was zuerst die Zuckerrübe anbetrifft, so sieht es mit deren Beförderung, vom Herausnehmen aus den Boden bis zum Einwurf in die Rübenschwemmen, noch recht kläglich aus, da die Wurzeln argen Beschädigungen ausgesetzt sind, wodurch ihre gute Beschaffenheit beeinträchtigt wird. Eine Abhilfe ist hier dringend erforderlich. Zu beginnen wäre hiermit wohl in der Fabrik selbst, nämlich in der Rübenschwemme, denn auch hier, sowohl beim Abladen in dieselbe, wie auch bei der Beförderung der Rüben in die Schwemmkanäle werden diese sehr verletzt. Zur Abhilfe empfiehlt sich z.B. das Auskippen der Eisenbahnwaggons, eventl. auch der Fuhrwerke und die Schaffung einer Einrichtung in der Schwemme, welche die Verwendung der Hacke entbehrlich macht. Weitere Verletzungen drohen der Rübe durch die Apparate zum Heben und Waschen und die dadurch bedingten Uebergangsschurren. Hier erscheint die Mammutpumpe zum Heben der Rüben nebst Schwemmwasser als ausgezeichnetes Mittel zur Beseitigung der genannten Schäden, um so mehr als die unerheblich höhere Kraftinanspruchnahme derselben gegenüber den Vorteilen gar keine Rolle spielt. Dabei ist noch zu beachten, daß die Mammutpumpe zugleich eine vorzügliche Vorwäsche ist und wohl berufen erscheint, einst die bisherige Wäsche ganz zu beseitigen, besonders wenn es gelingt, für sie einen praktischen Steinfänger zu erfinden. Einen wesentlichen Vorteil würde man durch Anwendung der Mammutpumpe an Stelle des zur Schnitzelmaschine führenden Rübenelevators erzielen, weil bei diesem die meisten kleineren Rübenstückchen ausgeschieden und dadurch auch von der Verarbeitung ausgeschieden werden. Dabei könnte man ruhig den Nachteil in Kauf nehmen, daß die Rüben nässer als bisher in die Verarbeitungswage gelangen. Bei der Beförderung der Rübenschnitzel sind wohl wesentliche Verbesserungen nicht zu machen. Bezüglich der Beförderung der Füllmasse und des fertigen Zuckers genügt es darauf hinzuweisen, daß auch zur Beförderung des Zuckers zum Lager, Transportbänder zweckmäßig angeordnet werden können, desgleichen für die Beförderung des Zuckers in Säcken. Neuerdings wurde für diesen Zweck ein recht praktischer Apparat in Gestalt eines fahrbaren Förderelementes geschaffen, der vorzügliche Dienste für den Großbetrieb, also hauptsächlich in Zuckerraffinerien und für den Speicherbetrieb leisten wird. Was die Beförderung der gebrauchten Nebenstoffe, in erster Linie der Kohle anbetrifft, so fördern nur wenige Fabriken diese von der auf dem Hofe aufgefahrenen Halde. Auch hier würde das fahrbare Transportelement gute Dienste leisten, da sich diese Elemente ohne Schwierigkeit aneinanderreihen lassen und so die Zuführung der Kohle an jedem beliebigen Punkt gestatten. Diejenigen Fabriken, welche die Kohle während des Betriebes beziehen, sollten unbedingt zur Einrichtung des Kohlenbunkers übergehen, welcher es ihnen gestattet, auf kleinem Raum einen Vorrat für 4–5 Arbeitstage zu lagern. In Verbindung mit dem Bunker, der die Anwendung der maschinellen Kohlenförderung zur Bedingung hat, läßt sich auch der Waggonkipper verwenden, besonders wenn derselbe in der billigeren, wenn auch nicht ganz so leistungsfähigen Form hergestellt wird. Ein Hauptvorteil der Kohlenbunker ist die leichte Möglichkeit, sich einen gleichmäßigen Brennstoff ohne die für den Treppenrost lästigen großen Stücke zu- schaffen, welcher einen tadellosen Betrieb der Kesselfeuerungen sichert. Auch die Ascheförderung soll man zweckmäßig einrichten, und es empfiehlt sich dafür am meisten die Anwendung der kleinen Eisenbahnwagen und des Fahrstuhls, vielleicht auch der Mammutpumpe. Für die Beförderung der Kalksteine und des gebrannten Kalkes hat sich der Elevator mit Elektromotor als die zweckmäßigste Einrichtung bewährt. FroitzheimZeitschr. des Ver. der deutsch. Zuckerindustrie 1908, 5. Jahrg., S. 83. beschäftigt sich in einer längeren Mitteilung speziell mit dem Transport der Zuckerrüben unter Verwendung mechanischer Be- und Entladevorrichtungen, wobei er die verschiedensten Verhältnisse in Berücksichtigung zieht und des Näheren unter Vorführung von Abbildungen erläutert. Es werden die unterschiedlichen Verladevorrichtungen besprochen, unter Berücksichtigung der Voraussetzung, ob die Rüben am Ort der Gewinnung in Landfuhrwerke verladen und in diesen der Zuckerfabrik zugeführt werden, oder ob sie an bestimmte Sammelstellen geschafft werden müssen, wo sie dann in Eisenbahnwagen geschüttet werden. Daran anschließend werden die Verhältnisse beim Entladen erörtert, unter näherer Besprechung der mechanischen Entladevorrichtungen, den sogen. „Kippern“. Von besonderem Interesse sind weiterhin die Besprechungen, welche sich auf die Einrichtungen von Zuckerfabriksanlagen beziehen, welche mit einer Normalbahn, einer Kleinbahn und dem Landfuhrwerk zu rechnen haben. Zum Schluß bespricht Froitzheim an der Hand bestimmter Fälle einige einfache Hilfsmittel, mittels welcher man in Amerika große Massentransporte (speziell Zuckerrüben) bewältigt und erhebliche Terrainschwierigkeiten trotz mangels aller und jeder Verkehrsstraßen in kühnster Weise überwindet. Die Mitteilungen Froitzheims, die im Auszug schwer wiedergegeben werden können, schließen mit dem Wunsche, der Verein der Deutschen Zuckerindustrie möge nach dem Beispiel seiner amerikanischen Kollegen sich ebenfalls einen „Consulting engineer“ angliedern, der ihre Betriebe kontrolliert und Ratschläge zur rationellen Ausgestaltung derselben geben kann. Von privater Seite ist dies unmöglich, das kann nur eine geschlossene zusammenstehende Körperschaft tun, deren leitende Organe über den Einzelnen wachen und sowohl seine wie die Interessen der gesamten Industrie zu fördern berufen sind. (Fortsetzung folgt.)