Titel: Lokomotivbekohlung.
Autor: Lutz
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 706
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Lokomotivbekohlung. Von Reg.-Baumeister Lutz, Kiel. (Fortsetzung von S. 692 d. Bd.) Lokomotivbekohlung. Textabbildung Bd. 323, S. 705 Fig. 2. Das Bekohlen der Lokomotiven mit Handkörben von etwa 50 kg Inhalt ist noch heute vielfach üblich und findet auch bei schwachem Verkehr, besonders wenn es unmittelbar vom Güterwagen aus erfolgt, mit Vorteil Anwendung. Steht der ganze Bedarf einer Lokomotive in Körben auf einer Ladebühne bereit, so dauert das Abgeben von 4 t Kohlen ungefähr 15 – 20 Minuten, müssen die Körbe aber während des Bekohlens immer wieder frisch gefüllt werden, so ist mit 50 – 70 Minuten zu rechnen. Das Abgeben von 1 t kostet hierbei ungefähr 35 – 50 Pf., die durch den langen Aufenthalt der Güterwagen etwa erwachsenden Standgelder sind darin noch nicht berücksichtigt. Die Bestimmung der verausgabten Kohlenmenge erfolgt durch Zählen der Körbe; eine weitere Kontrolle wird bisweilen dadurch ausgeübt, daß man den Güterwagen auf eine Zentesimalwage stellt und sein Gewicht vor und nach dem Füllen der bereitgehaltenen Körbe bezw. vor und nach dem Bekohlen einer Lokomotive abliest. Wesentlich mehr Zeit und Umstände erfordert das Bekohlen aus dem Lager; die Körbe müssen von entfernteren Stellen hergeholt und mehr gehoben werden, so daß auch bei ziemlich schwachem Verkehr nur durch Aufbietung einer sehr großen Zahl von Arbeitskräften stets genügend Körbe gefüllt auf der Ladebühne bereit gehalten werden können. Die Körbe wurden anfänglich durch je zwei Arbeiter über Leitern auf die Bühne geschafft. Ein bequemeres Heben gestattete später der Handschwengel nach Fig. 2. Auch heute noch kommt es vereinzelt vor, daß bei langen Lagern, in denen weite Wege nach der Ladebühne erforderlich wären, die Körbe über Leitern getragen werden, die in der Nähe der Entnahmestelle unmittelbar an den Lokomotivtender oder die Stapelwand gelehnt sind. Das Bestreben, das unbequeme und unwirtschaftliche Tragen der Kohlen durch das Fahren auf Rädern zu ersetzen, führte über den einräderigen Schubkarren zum vierräderigen, auf Schmalspurgleisen oder unmittelbar auf dem geebneten oder gepflasterten Kohlenhof fahrenden Schüttwagen (Hund). Die Körbe sind noch bisweilen für das Bekohlen unmittelbar vom Güterwagen aus beibehalten und nur im Lager kommen Hunde zur Verwendung; meistens aber sind die Körbe ganz ausgeschaltet und die Hunde werden auch vom Güterwagen aus durch dessen Seitentüren gefüllt (s. Fig. 4). Die Lokomotivbekohlungsanlagen, bei denen solche Schüttwagen als das für das Wesen der Anlage kennzeichnende Transportmittel in Verwendung sind, lassen sich in zwei Hauptarten einteilen: Erstens solche, bei denen die Lokomotivgleise, die Zufuhrgleise und die Stapelsohle ungefähr in gleicher Höhe liegen, so daß die Schüttwagen vor jedem Entleeren in die Höhe des oberen Tenderrandes gehoben werden müssen, und zweitens solche, bei denen die Lokomotivgleise gegenüber den Zufuhrgleisen und der Stapelsohle so tief liegen, daß die Schüttwagen in ungefähr wagerechter Richtung an den Tender herangeführt und dann unmittelbar ohne weiteres Heben darin entleert werden hönnen. Das Heben der Schüttwagen in die Höhe des oberen Tenderrandes geschieht durch kleine Schwenkkräne, feststehende Bockkräne mit Laufkatze, Aufzüge oder schiefe Ebenen. Am gebräuchlichsten ist das Heben mit kleinen, auf den Ladebühnen feststehenden Schwenkkränen, die anfänglich allgemein von Hand betrieben wurden (Fig. 3); sie boten gegenüber dem Handschwengel nach Fig. 2 eine bequemere Kraftübersetzung und bedeutende Raumersparnis. Die Schüttwagen sind so am Kran aufgehängt, daß sie zum Entleeren ohne besonderen Kraftaufwand um eine wagerechte Achse gedreht werden können, während die Körbe mit ziemlicher Mühe umzustülpen sind. Ein wesentlicher Fortschritt war der Betrieb der Kräne durch Druckwasser oder Elektrizität (s. Fig. 4), die wie Fig. 3 eine mit Kränen von Carl Flohr in Berlin ausgerüstete Anlage darstellt. Fig. 4a zeigt einen ähnlichen, von den Felten & Guilleaume-Lahmeyerwerken in Frankfurt a. M. ausgerüsteten Kran. Der Umbau solcher vorhandener Normalkrane für elektrischen Betrieb ist seit einigen Jahren eine Spezialität dieser Firma. Fig. 4b zeigt einen feststehenden Bockkran mit Laufkatze von Flohr. Derartige Anlagen sind auch noch heute für ruhige mittlere Bahnhöfe mit einem einigermaßen gleichmäßig über den Tag verteilten Kohlenbedarf zu empfehlen. Die Anlagekosten sind gering. Textabbildung Bd. 323, S. 706 Fig. 3. Textabbildung Bd. 323, S. 706 Fig. 4. Sobald aber mehrere Lokomotiven gleichzeitig zu bekohlen und ausgedehnte Lager zu halten sind, wächst die erforderliche Zahl von Arbeitern und die Betriebskosten werden sehr hoch; dazu kommt noch, daß die Kräne wenig oder garnicht zum Entladen der Güterwagen in das Lager benutzt werden können, so daß diese Arbeit ganz von Hand geschehen muß. Das Gleiche gilt in erhöhtem Maße von Bekohlungsanlagen mit Plattformaufzügen statt der Schwenkkräne; dabei sind die Anschaffungskosten der Aufzüge im allgemeinen höher als die der Schwenkkräne und ihre Bedienung ist unbequemer. Die Fig. 5 und 6 zeigen eine, besonderen Verhältnissen entsprungene amerikanische Anlage mit Aufzug für die Schüttwagen.Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1900, S. 74 u. ff. Die etwa 1½ t fassenden Schmalspurwagen werden von dem auf einer Rampe stehenden Bodenentleerer aus gefüllt und auf die herabgelassene Plattform des Aufzugs geschoben, die durch die zu versorgende Lokomotive selbst mittels eines Seilzuges in die Höhe des oberen Tenderrandes gehoben wird. Das Entleeren der kleinen Wagen geschieht in bekannter Weise durch Aufklappen der Vorderwand. Auch diese Anlage ist nur ausreichend, wenn wenige Lokomotiven und nie mehrere zu gleicher Zeit bekohlt werden müssen, umsomehr als das Hin- und Herfahren der Lokomotive zum Heben der Schüttwagen einen flotten Betrieb ausschließt. Im übrigen ist hier dem Bodenentleerer zuliebe viel Umständlichkeit in Kauf genommen; die Kohlen werden zweimal gehoben und zweimal gestürzt. Vom Seitenentleerer und vom gewöhnlichen Güterwagen aus könnte man in diesem Falle leicht unter Vermeidung des Aufzuges und der Schüttwagen mit Hilfe von Rutschen oder Behältern nach Fig. 1 (S. 689) unmittelbar in die Tender entladen. Bei ausgedehnten Kohlenlagern haben die Schüttwagen bisweilen große Strecken von der Entnahmestelle bis zu den Ladebühnen zurückzulegen; es lag deshalb der Gedanke nahe, die Schwenkkräne und Aufzüge längs des Lagers fahrbar zu machen, so daß sie stets in der Nähe der Entnahmestelle aufgestellt werden können. Die Verfolgung dieses Gedankens führt beim Schwenkkran zu dem später erwähnten fahrbaren Drehkran mit Selbstgreifer, beim Aufzug zu einer Anlage etwa nach Fig. 7. Textabbildung Bd. 323, S. 707 Fig. 4a. Textabbildung Bd. 323, S. 707 Fig. 4b. Hierbei ließe sich der möglicherweise normalspurige Aufzug auch vorteilhaft zum Bekohlen unmittelbar vom Güterwagen aus verwenden. Hinsichtlich der Zeit zum Abfertigen einer Lokomotive kann eine derartige Anlage noch mittleren Ansprüchen gerecht werden; ihre Gesamtbetriebskosten sind verhältnismäßig hoch, da ziemlich viele Arbeiter erforderlich sind und das Entladen der Güterwagen in das Lager umständlich ist. Sie kann aber in Frage kommen, wenn infolge der bestehenden Raumverhältnisse das Kohlenlager so angelegt werden muß, daß es auch nicht mehr in den Bereich einer anderen Einrichtung, z.B. einer Bockoder Drehkrananlage mit Selbstgreifer gebracht werden kann. Textabbildung Bd. 323, S. 708 Fig. 7. Die dritte Art des Hebens der Schüttwagen in die Höhe des oberen Tenderrandes ist das Hochführen auf schiefen Ebenen. Das Hochschieben von Hand kommt hierbei nicht in Betracht. In Schweden sind Ladebühnen mit Auffahrtsrampen üblich, über die Schmalspurwagen mittels eines über Rollen führenden Seilzuges durch eine Rangierlokomotive hochgezogen und für das Bekohlen bereit gestellt werden. Die Anlagen eignen sich für Bahnhöfe mit geringem Kohlenbedarf, auf denen zur rechten Zeit stets eine für andere Zwecke unter Dampf befindliche Lokomotive benutzt werden kann. Für ein ausgedehntes Lager und großen Kohlenbedarf ist die vorteilhafte Verwendung einer Anlage mit kleinen Schmalspurwagen und schiefer Ebene nur denkbar, wenn das Hin- und Zurückfahren der kleinen Wagen zur Ladebühne durch den Zug eines ununterbrochen in einer Richtung laufenden Motorspills mit einem oder mehreren endlosen Schleppseilen erfolgt, etwa auf die in den Fig. 8 und 9 schematisch angedeutete Weise. Die Schüttwagen werden im Lager oder von den Güterwagen aus gefüllt, auf Quergleisen und über Drehscheiben nach den Längsgleisen geschoben und dort an das Schleppseil angeschlossen. Auf der Ladebühne können sie selbsttätig vom Seil gelöst und von einem Arbeiter in Empfang genommen werden, der sie nach dem Entleeren wieder an das Seil anschließt. Eine derartige Einrichtung eignete sich für solche Fälle, wo sehr viel aus dem Lager bekohlt werden muß; sie läßt sich bei nicht zu unregelmäßiger Form der Kohlenstapel leicht in eine bereits vorhandene Anlage einbauen und in ihrer Leistungsfähigkeit hohen Forderungen anpassen. Sie hat aber ebenfalls den Nachteil, daß das Entladen der Güterwagen in das Lager völlig von Hand geschehen muß, ein Nachteil, der hier um so mehr ins Gewicht fällt, als die Anordnung andererseits gerade für solche Fälle in Frage käme, in denen ein großer Teil der Kohlen durch das Lager geht. Bekohlungsanlagen mit Schüttwagen, bei denen die Lokomotivgleise gegenüber den Zufuhrgleisen und der Stapelsohle so tief liegen, daß die Schüttwagen in ungefähr wagerechter Richtung an den Tender herangeführt und dann unmittelbar ohne weiteres Heben darein entleert werden können, sind in Deutschland mehrfach in Betrieb, u.a. in KasselEisenbahntechn. d. Gegenw., II. Bd, III. Abschn., 1899, S. 740., Karthaus, Cochem, Elwang, Frankfurt a. 0. Sie werden besonders für kleinere Lokomotivstationen empfohlen, sind aber wie die erwähnten Namen teilweise zeigen, auch für größere mit 200 t und mehr täglichem Bedarf gebaut. Ihr Entwurf ist nahehegend Textabbildung Bd. 323, S. 708 Textabbildung Bd. 323, S. 708 bei passenden natürlichen Niveauunterschieden. Falls nicht bereits bestehende örtliche Verhältnisse die Gestalt der Anlage bestimmen, sind entweder die Lokomotivgleise tiefer zu legen oder die Stapelsohle ist durch Anschüttungen höher zu legen oder es ist beides vorzunehmen. Die Fig. 10, 11 u. 12 zeigen die Lokomotivbekohlungsanlage in Frankfurt a. O. Es sind zwei Sturzbühnen vorhanden, die mit den Stapelsohlen in einer Höhe und 3,9 m über dem Bekohlungsgleis liegen. Vor den Bühnen verläuft das Bekohlungsgleis wagerecht; für die Zufahrt zu dieser wagerechten Stelle konnte ein in der Hauptsache bereits vorhanden gewesenes Gefälle 1: 60 benutzt werden. Die Lade- und Zufuhrgleise ließ man 1,1 m tiefer als die Stapelsohle; dadurch wurde eine größere Steigung dieser Gleise vermieden, es entstanden aber zwischen je zwei Stapeln Einschnitte, die für die nach den Sturzbühnen fahrenden Schüttwagen durch bewegliche Stege überbrückt werden. Zum Füllen der Schüttwagen vom Güterwagen aus durch dessen Seitentüren sind diese Einschnitte nicht geeignet, da die Kohlen mit der Handschaufel zu heben anstatt nur herauszustreichen sind. Vor der Sturzbühne überfahren die Schüttwagen eine selbsttätige Wage. Die Stapel sind von einem dichten Netz von Schmalspurgleisen durchzogen. Bei einem täglichen Kohlenbedarf von 170 t bis 200 t erfordert die Anlage am Tage zehn und bei Nacht sechs Arbeiter. Wenn genügend Schüttwagen gefüllt bereit stehen, dauert das Versorgen einer Lokomotive mit 51 Kohlen etwa zehn Minuten; falls also die Lokomotiven nie zu rasch aufeinander folgen, kann die Anlage bei zwei Sturzbühnen noch ziemlich hohen Ansprüchen gerecht werden. Durch Vermehrung der Sturzbühnen und der Arbeiter kann die Leistungsfähigkeit einer solchen Anlage beliebig gesteigert werden; aber schon diejenige in Frankfurt a. O. dürfte nicht mehr weit von der Grenze sein, von der ab die hohe Arbeiterzahl und die Betriebskosten den Wettbewerb mit anderen, mehr mechanisch arbeitenden Einrichtungen ausschließen. Auf Lokomotivstationen mit sehr starkem Verkehr, auf denen, sich bei einem großen Tagesverbrauch an Kohlen der Bedarf noch zu gewissen Stunden häuft, ist es nicht mehr möglich, stets die genügende Anzahl von Schüttwagen gefüllt in Bereitschaft zu halten; Stockungen sind dann unvermeidlich und das Abgeben von 5 t dauert dann statt 10 Minuten 30 – 50 Minuten. Dies gilt für alle bis jetzt erwähnten Anlagen mit Schüttwagen. Wollte man in einem solchen Falle aus anderen Gründen trotzdem auf einer derartigen Anlage bestehen Reiben, so würde sich neben den Sturzbühnen die Anordnung von Sammelbehältern empfehlen z.B. solcher, nach Fig. 1, in die die Schüttwagen entleert werden und in denen jederzeit eine genügende Menge Kohlen bereit gehalten werden kann. An dieser Stelle seien einige allgemeine Bemerkungen über den Wert solcher Sammelbehälter eingeflochten, die mit ihrem Inhalt den Bedarf mehrerer Stunden decken. Damit die Kohlen unmittelbar aus ihnen auf den Lokomotivtender rutschen können, werden sie als Hochbehälter ausgeführt. Je nach den Transporteinrichtungen, die zum Heranholen der Kohlen benutzt werden, stellt man wenige große oder mehrere kleine Hochbehälter auf. Sie bieten den Vorteil, daß jederzeit Kohlen zum Abgeben an die Lokomotiven bereit sind, unabhängig davon, wie die Kohlen zur Ladestelle herangeschafft werden. Das Füllen der Behälter, d.h. das Heranholen der Kohlen aus dem Stapel und das Entladen der Güterwagen kann so eingerichtet werden, daß es ohne Unterbrechung fortgeht, ob jeweils viele oder gar keine Kohlen für die Lokomotiven entnommen werden. Die Hochbehälter bilden einen Ausgleich, einen Akkumulator zwischen dem Heranholen aus dem Lager oder dem Entladen der Güterwagen und dem ungleichmäßigen Verausgaben an die Lokomotiven. Die Arbeiter sind somit ununterbrochen beschäftigt und die Transporteinrichtungen den ganzen Tag hindurch ausgenutzt. Es sind nur so viele Arbeiter anzustellen und die Leistungen der Transporteinrichtungen nur so hoch zu bemessen, daß bei gleichmäßigem, stetigem Arbeiten der Tagesbedarf sicher bewältigt wird. Wenn aber keine Ausgleichsbehälter vorhanden sind, müssen so viele Arbeiter bereit und die Transporteinrichtungen so groß bemessen sein, daß sie den Ansprüchen der angestrengtesten Stunden gewachsen sind; in ruhigen Stunden sind sie dann garnicht oder nur ganz ungenügend ausgenutzt. Wie schon erwähnt wurde, sucht man sich beim Verladen mit Körben und Schüttwagen diesem Zustand dadurch zu nähern, daß man eine genügende Anzahl von gefüllten Körben oder Schüttwagen bereit stellt. Ueber die Unzulänglichkeit dieses Verfahrens bei großem Kohlenbedarf und in angestrengten Stunden, in denen gleichzeitig und in rascher Aufeinanderfolge mehrere Lokomotiven versorgt werden müssen, ist ebenfalls schon gesprochen. Textabbildung Bd. 323, S. 709 Fig. 10Fig. 11. Schnitt A-B.Fig. 12. Schnitt C-D. a Ladebühne, b Aufenthaltsbude, c Quittierbude, d selbsttätige Wage, e bewegliche Ladebrücke, f Entladegleise, g Ausziehgleis, h Maschinengleise. (Fortsetzung folgt.)