Titel: Lokomotivbekohlung.
Autor: Lutz
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 754
Download: XML
Lokomotivbekohlung. Von Reg.-Baumeister Lutz, Kiel. (Schluß von S. 740 d. Bd.) Lokomotivbekohlung. Falls die Lokomotive neben dem Güterwagen oder dem Lager steht, geht das Bekohlen unmittelbar vom Greifer aus verhältnismäßig rasch, wenn auch nicht so rasch wie von einem Hochbehälter aus. Während eine Lokomotive je nach der Art der Ausgebevorrichtung und je nach der Größe der Stufen, in denen die Kohlen abgegeben werden, von einem Hochbehälter aus in zwei bis sechs Minuten mit 5 t versehen werden kann, braucht man mit dem Greifer neuerdings sieben bis acht Minuten. Für einen geordneten Betrieb ist dabei unbedingt erforderlich, daß der Greifer genügend Schließkraft besitzt, um alle großen Stücke, die seinen Schaufelkanten in den Weg kommen, mit Leichtigkeit zu zerschneiden. Eine große Schließkraft kann aber unter Umständen auch noch bedeutende Ersparnisse an Betriebskosten dadurch hervorrufen, daß sie das Zurechthäufeln der Kohlen für das Fassen entbehrlich macht. Eine kleinere Uebersetzung in der Schließvorrichtung gestattet zwar bei gleicher Schließgeschwindigkeit einen kleineren Hubmotor und etwas weniger Betriebskraft. Diese Ersparnisse sind aber verschwindend gegenüber den gleichzeitig entstehenden Ausgaben für Löhne; denn bei einem nur halbwegs strengen Betrieb sind mindestens zwei Mann im Lager erforderlich, die jede Greiferladung vor dem Erfassen zu einem besonderen Haufen aufwerfen, was auch zugleich wieder eine weitere Mißhandlung der Kohlen bedeutet. Bei den verhältnismäßig geringen Hubhöhen ist man leicht geneigt, an Hubgeschwindigkeit und damit an Motorleistung auf Kosten der Schließkraft zu sparen, um so mehr als eine geringere Uebersetzung in der Schließvorrichtung auch einen etwas leichteren Greifer ergibt. Beim Greifen aus den Güterwagen ist allerdings stets mindestens ein Mann erforderlich, der den Greifer in den Wagenkasten lenkt und die Kohlen aus den Ecken zusammenholt. Bei hoher Schließkraft genügt aber auch lediglich das Herausholen aus den Ecken, während andernfalls noch ein sorgfältiges Aufhäufeln erforderlich ist; je nach der Geschwindigkeit, mit der gearbeitet werden muß, kann aber vielleicht gerade dadurch noch ein weiterer Mann gebunden werden. Beim Fassen aus den Güterwagen ist jedoch wieder zu bedenken, daß mit der Schließkraft auch die Gefahr der Wagenbeschädigung wächst. Schon verschiedentlich wurde dem Selbstgreifer ganz im allgemeinen der Nachteil vorgeworfen, daß er die Güterwagen beschädigt, indem er den Boden zerkratzt und aufreißt und bei unvorsichtigem raschem Senken, bei dem bisweilen die Wagenfedern ganz zusammengedrückt werden, allmählich den Wagenkasten zertrümmert. In Mannheim wurde dies nicht gefunden. Ebenso ist dort die Berechtigung eines anderen schon erhobenen Vorwurfs, daß der Greifer für die im Wagen beschäftigten Arbeiter wegen der geringen Möglichkeit zum Ausweichen gefährlich ist, nicht besonders hervorgetreten. Nun sind aber in Mannheim die Hub- und besonders die Katzenfahrgeschwindigkeiten noch verhältnismäßig gering; dazu kommt, daß der Greifer, weil keine Hochbehälter vorhanden sind und das Krangerüst sehr niedrig ist, beim Einlassen in den Wagenkasten nur ganz wenig gesenkt wird. Bei den neueren Anlagen aber ist auf dem Rückweg von den Hochbehältern zum Güterwagen eine mehr als manneshohe Senkbewegung auszuführen, die die eigentliche Gefahr birgt; dabei schwankt der Greifer um so mehr, je länger seine Aufhängung, d.h. je größer seine Entfernung von der Katze ist, und ferner, je größer deren Fahrgeschwindigkeit ist. Das Katzenfahren geht bei den meisten neueren Bekohlungskranen dreimal schneller als in Mannheim. Wenn genügend Zeit vorhanden ist, so daß der Kranführer mit der erforderlichen Vorsicht arbeiten kann, sind natürlich auch dort Verletzungen nur bei besonderer Unachtsamkeit der Kohlenarbeiter oder des Führers möglich. Aber auch wenn man eine ungünstige Behandlung der Güterwagen in Kauf nehmen wollte und die Arbeiter am Wagen so aufstellen könnte, daß eine Gefahr für sie ausgeschlossen wäre, könnte doch das Einlassen des Greifers in den Wagenkasten bei aller Geschicklichkeit des Kranführers und der Arbeiter nur mit ziemlicher Langsamkeit erfolgen. Eine weitere, vielleicht noch unangenehmere Störung bringt das Wiegen mit sich; abgesehen von der Unterbrechung der einzelnen Greiferspiele nehmen das Freigeben, Einspielen und Wiederfeststellen der Wage viel Zeit in Anspruch. Ein wirklich flotter Betrieb, bei dem sich die einzelnen Spiele des Greifers prompt und ohne Störung folgen, ist ausgeschlossen. Diese Umstände deuten auf die Grenzen hin, die der Leistung und der Anwendung der Bekohlungskrane gezogen sind. Es hilft nichts, die Hub- und Katzenfahrgeschwindigkeit über die bei den neueren Anlagen üblichen Maße von 30–40 m bezw. 70–100 m i. d. Minute hinaus zu erhöhen, da sie bei den kurzen und mehrfach unterbrochenen Arbeitswegen lange nicht voll zur Geltung kommen und eine größere Katzenfahrgeschwindigkeit den Greifer so ins Schwanken bringt, daß sein Einlenken in die Güterwagen wieder um so länger dauert. Auch dem Fassungsvermögen des Greifers ist dadurch eine Grenze gesetzt, daß seine Länge um mindestens 0,3 – 0,4 m geringer sein muß als die lichte Breite der Wagenkasten. Wenn nicht weitere erschwerende Umstände vorhanden sind, vermag aber trotzdem der fahrbare Kran mit Selbstgreifer noch den Anforderungen großer Bahnhöfe gerecht zu werden, wie die Anlage in Frankfurt a. M. zeigt. Ohne auf die besonderen Verhältnisse dieser Anlage Bezug zu nehmen, kann man für einen Bekohlungskran von der Art und Größe des dortigen, etwa 24 m Stützweite bei einer Stapelbreite von 14 m, folgende überschlägige Leistungswerte aufstellen: Vom Güterwagen in den Tender 30 t i. d. Std.    „            „ „  die Hochbehälter 25 t   „    „    „            „ „  das Lager 30 t   „    „    „   Lager „  den Tender 40 t   „    „    „       „ „  die Hochbehälter 35 t   „    „ Außerordentliche Stockungen im Betriebe sind hierbei nicht berücksichtigt, nur kleinere, wie sie stündlich dadurch entstehen, daß abwechselnd aus den Güterwagen und aus dem Lager gefaßt und abwechselnd in die Hochbehälter, die Tender oder das Lager entladen wird, sowie ferner durch ungeeignetes Aufstellen der Lokomotiven und Güterwagen, durch Unachtsamkeit der Arbeiter und dergl. Ferner ist damit gerechnet, daß beim Greifen aus den Güterwagen die zum Schütze der darin stehenden Leute und zur Schonung der Wagen erforderliche Vorsicht gewahrt wird. Häufiges und merkliches Kranfahren darf nicht vorkommen; ebenso darf auch kein Aufenthalt durch Verlesen der Kohlen auf dem Tender entstehen. Der tägliche Bedarf, der auch regelmäßig jeden Tag zugeführt werde, sei einmal zu 300 t angenommen. Setzt man ferner voraus, daß hiervon unmittelbar von den Güterwagen 150 t auf die Tender, 120 t in die Hochbehälter und 30 t in das Lager zwecks Erneuerung dessen Inhalts befördert werden, und daß vom Lager aus wieder 20 t auf die Tender und 10 t in die Hochbehälter kommen, so ergibt sich folgender Zeitaufwand: 150 t vom Güterwagen auf die Tender   5 Stunden 120 t vom Güterwagen in die Hochbehälter   4,8   30 t vom Güterwagen in das Lager   1   20 t vom Lager auf die Tender   0,5   10 t vom Lager in die Hochbehälter   0,3 –––––––––––––––––––––– zusammen     11,6 Stunden. Unter günstigen Verhältnissen kann hiernach der moderne Bockkran in etwa 12 stündiger Schicht noch einen täglichen Bedarf von 300 t bewältigen. Wesentlich ungünstiger wird das Ergebnis jedoch, wenn infolge eines unregelmäßig über den Tag verteilten Bedarfes mehr Kohlen als vorstehend angenommen wurde, durch das Lager gehen müssen. Am meisten aber werden die Leistungen des Krans durch häufiges und längeres Fahren heruntergedrückt. Die jeweilige Stelle, an der Kohlen aus dem Lager entnommen und bei der auch gleichzeitig die neu zu stapelnden ausgeladen werden, muß sich systematisch verschieben, wenn im Lager kein Durcheinander entstehen soll. Bei ausgedehnten Stapeln kann nun die Entfernung jener Stelle von den Hochbehältern sehr groß werden, je nach der Anzahl und Aufstellung der Behältergruppen bis zur halben Länge a des Stapels (Fig. 28). Ist die täglich regelmäßig aus dem Lager zu holende und dort wieder zu ersetzende Kohlenmenge gering, so kann das Kranfahren auf eine Hin- und Herfahrt zwischen den Hochbehältern und der Arbeitsstelle im Lager beschränkt werden. Der Kran und der größere Teil der Güterwagen werden bei den Hochbehältern aufgestellt, die auch nur aus den Güterwagen gefüllt werden. Wenn es sich während des Tages einmal schickt, z.B. wenn die Hochbehälter gerade genügend voll sind, so fährt der Kran über die Arbeitsstelle im Lager, entladet die dort aufgestellten Güterwagen in das Lager und versorgt die Lokomotiven während dieser Zeit auch lediglich aus dem Lager. Ist die zur Erneuerung dessen Inhalts täglich erforderliche Kohlenmenge ausgewechselt, so fährt der Kran wieder zu den Hochbehältern zurück. Mit der Menge der auswechselnden Kohlen und mit der Unregelmäßigkeit der Kohlenzufuhr wachsen jedoch die Schwierigkeiten, die sich jenem einfachen täglichen Arbeitsplan entgegenstellen; jede Störung wird im allgemeinen nicht nur eine, sondern mehrere unerwünschte Kranfahrten zur Folge haben. Wollte man die Hochbehälter teilweise auch vorn Lager aus füllen, so müßte man hierbei wegen jeder einzelnen Greiferfüllung unter Umständen hundert und noch mehr Meter mit dem ganzen Kran fahren, so daß von einem rationellen Betrieb nicht mehr die Rede sein kann. Dazu ist man aber gezwungen, wenn die Kohlenzufuhr einen oder gar mehrere Tage stockt. Ausnahmsweise dürfte man ja wohl in einem solchen Falle die den Hochbehältern zunächst liegenden Kohlen fassen oder die Behälter ganz ausschalten und auch bei Nacht mit dem Kran arbeiten; wenn die Kohlen zufuhr aber ständig unregelmäßig ist, kann zu diesen Mitteln nicht gegriffen werden, um so weniger als in den Stunden mit großem Andrang der Lokomotiven der Kran mit Greifer den Anforderungen allein nicht gerecht werden kann, wenn nicht nebenher auch noch aus den Hochbehältern bekohlt wird. Sobald es zeitweise erforderlich wird, trotz der Anordnung von Hochbehältern Nachtschichten einzuführen, sinkt die Rentabilität der Anlage bedeutend, da die Löhne sich ungefähr verdoppeln. Für solche Verhältnisse erscheint also ein fahrbarer Kran mit Selbstgreifer ungeeignet. Textabbildung Bd. 323, S. 754 x Abladestelle, y Entnahmestelle, z Hochbehälter. Um lange Kranfahrstrecken zu vermeiden, wird man bestrebt sein, an Lagerlänge zu sparen und dafür mehr in die Breite zu gehen. Je breiter aber das Lager ist, desto plumper wird der Kran und desto schwerfälliger wieder sein Fahren; beim Bockkran wachsen die Katzenwege und beim Drehkran die Ausladung, d.h. die Schwenkwege. Ferner sind zur Verkürzung der Kranfahrstrecken möglichst viele Hochbehältergruppen aufzustellen, die abwechselnd der jeweiligen Arbeitsstelle des Lagers entsprechend in Benutzung kommen (Fig. 29). Dadurch wird aber wieder der Anschaffungspreis bedeutend erhöht und das Uebel nur vermindert, nicht beseitigt. Es liegt deshalb auch hier der Gedanke nahe, die Hochbehälter in gegebenen Fällen fahrbar zu machen (Fig. 30 u. 31). Sie sind dann nur ein- bis zweimal täglich durch eine Rangierlokomotive oder von Hand um wenige Meter zu verschieben. Die Bewegungen des Krans sind wegen der Längenausdehnung der Behälter häufiger, aber nur so kurz, daß sie für die Bemessung der Leistungsfähigkeit kaum in Betracht kommen; seine Fahrgeschwindigkeit braucht nur sehr gering zu sein. In Amerika sind bei der Southern-Pacific-Bahn derartige fahrbare Hochbehälter in Verbindung mit Drehkränen anstatt Bockkränen in Gebrauch.Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1908, S. 254 u. 255. Durch die Verschiebbarkeit der Hochbehälter wird der fahrbare Kran mit Selbstgreifer auch für solche größere Bahnhöfe geeignet, auf denen Tage oder gar Wochen lang nur Lagerkohlen zur Verfügung stehen. Textabbildung Bd. 323, S. 755 Textabbildung Bd. 323, S. 755 Fig. 32. Zu erwähnen ist noch, daß die Vorzüge der Bekohlungskrane mit Selbstgreifer sich nur teilweise mit denjenigen der Selbstentladewagen vereinigen lassen. Die besprochenen Bockkrananlagen tragen einer etwaigen Verwendung von Selbstentladern keine Rechnung im Gegensatz zu den soeben erwähnten Drehkrananlagen der Southern-Pacific-Bahn, bei denen die Kohlen von einer etwa 6 m hohen Jochbrücke durch die Bodenklappen der Güterwagen zuerst in das Lager gestürzt und dann von da aus durch einen auf derselben Brücke fahrenden Drehkran mit Selbstgreifer in die neben dem Lager her fahrbaren Hochbehälter verladen werden (Fig. 32). Während aber sonst vielleicht nur 10 v. H. des täglichen Kohlenbedarfs den Sturz in das Lager mitmachen müßten, erleiden ihn so sämtliche Kohlen; dafür fällt allerdings das mit Mängeln behaftete Fassen des Greifers aus dem Güterwagen weg. Bei Verwendung von Seitenentladern und auch nebenher noch von gewöhnlichen Güterwagen ließe sich der Sturz des größten Teils der Kohlen in das Lager dadurch vermeiden, daß man die Hochbehälter so neben der Brücke aufstellt, daß die Wagen unmittelbar in sie entladen werden können. Der Kran hätte dann nur noch den Zweck, diejenigen Kohlen zu verausgaben, die durch das Lager gehen müssen. Ein Nachteil dieser Anordnung wäre aber wieder, daß das Lager nur halb so breit sein dürfte und auf der Seite der Hochbehälter müßte es mit einer teueren Einfassung versehen werden. Die Frage der Einführung von Selbstentladern erhält auch bei uns immer mehr Beachtung, so daß sie heute schon beim Entwurf einer Lokomotivbekohlungsanlage Berücksichtigung verdient, um so mehr als sie schon eine teilweise Erledigung finden würde mit der Einführung von Wagen, welche wenigstens in der Art der an den Entladestellen erforderlichen Nebeneinrichtungen wie Rampen, Brücken, Gruben oder dergl. Einheitlichkeit gestatten, sonst aber vorläufig von beliebiger Konstruktion sind. Wenn nun zwar, wie schon weiter oben erwähnt wurde, der Selbstentlader für die Lokomotivbekohlung keine unmittelbaren Vorteile bringt, so müßte man ihm bei größerer Verbreitung doch in jedem Falle Rechnung tragen oder die immerhin unangenehme Bestimmung treffen, daß unter den Güterwagen, in denen die Kohlen zugeführt werden, keine Selbstentlader sein dürfen, die mit dem Greifer nicht völlig entleert werden können, oder man müßte die in den Wagen bleibenden Reste neben oder zwischen die Gleise fallen lassen, was Betriebsstörungen verursachen und zeitraubende Nebenarbeiten zum Freimachen der Gleise erfordern würde. Alle bei uns bis jetzt im Betrieb befindlichen, mehr oder weniger mechanisch arbeitenden Lokomotivbekohlungs-Einrichtungen bringen gegenüber dem früher fast allein üblichen Handbetrieb mit Körben oder Schubkarren wesentliche Vorteile, sofern die Vorbedingungen bestehen, an die sie geknüpft sind. Die Lokomotiven können rechtzeitig versorgt werden, die Betriebskosten einschließlich die Standgelder für Güterwagen, in denen die Kohlen ankommen, werden vermindert und die erforderliche Zahl der Arbeiter ist geringer. Eine für alle Fälle passende Anlage ist aber nicht darunter; dabei ist es nicht ausgeschlossen, daß neue Anlässe zum Bau von Lokomotivbekohlungsanlagen auch wieder neue Anforderungen bringen werden. Vielleicht führt aber die weitere Entwicklung des Kohlentransports noch zu einer gewissen Einheitlichkeit, was gerade bei diesem Zweig des Verladewesens um so wahrscheinlicher ist, als dort nicht nur die Wirtschaftlichkeit der Einrichtungen, sondern auch noch die Rücksicht auf Schonung des Fördergutes zur Einfachheit drängen.