Titel: DIE KÜHLUNG DES WERKZEUGES.
Autor: N. N. Sawwin
Fundstelle: Band 327, Jahrgang 1912, S. 88
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DIE KÜHLUNG DES WERKZEUGES. Experimentelle Prüfung des Wirkungsgrades von flüssigen Schmier- und Kühlmitteln. Von N. N. Sawwin, Professor an dem Polytechnischen Institut zu St. Petersburg. SAWWIN: Die Kühlung des Werkzeuges. Inhaltsübersicht. I. Zweck der Kühlung und Schmierung. II. Vorversuche, III. Versuchsanordnung zur Bestimmung des Wirkungsgrades flüssiger Schmier- und Kühlmittel. Doppelkalorimeter zur Bestimmung der spez. Wärme der Versuchsflüssigkeiten. IV. Versuchsergebnisse; einzelne Beispiele und tabellarische Uebersicht der Resultate. V. Diskussion der Resultate; einige Vorschläge über zweckentsprechende Wahl von Kühl- und Schmiermitteln. I. Das Begießen des Werkstückes und Werkzeuges mit Kühlflüssigkeit an der Stelle, wo der Span abgenommen wird, entspringt dem Wunsche, das Werkzeug möglichst lange scharf und das Werkstück kalt zu erhalten. Durch die beim Schneiden freiwerdende Wärme kann das Werkzeug enthärtet werden und das Werkstück so weit seine Dimensionen ändern, so daß die Genauigkeit der Arbeit erhebliche Einbuße erleidet. An einem Beispiel sei gezeigt, wie große Wärmemengen unter Umständen beim Werkzeugschneiden frei werden. Beim Abdrehen einer Stahlwelle von 300 mm Dicke und 2 m Länge mit einem Werkzeug aus Schnellstahl, das bei linearer Geschwindigkeit von 12 m/Min, und dem Schneidkoeffizienten von 150 kg f. 1 qmm Späne von 20 × 4 = 80 qmm Querschnitt liefert, beträgt der Spandruck 12000 kg, die nützliche Schneidarbeit in der Sek. 2400 kgm, so daß beim Nutzarbeitskoeffizienten der Drehbank = 0,75 der Motor über 42 PS entwickeln muß, und die Nutzarbeit bei einem Durchgang des Werkzeuges (2 m) 5652000 kgm beträgt. In einer früheren Arbeit„Experimentelle Bestimmung der Schneidwärme“ Z. d. österreichischen Ing. u. Archit.-Vereins, 1911, Nr. 32. habe ich experimentell gefunden, daß für Zwecke der Praxis mit genügender Annäherung angenommen werden kann, daß die gesamte Schneidarbeit in Wärme verwandelt wird. Im gegebenen Fall würden also beim Abdrehen der Stahlwelle während eines Ganges des Werkzeuges 13240 kg-Kalorien Wärme frei. Würde nun überhaupt nicht abgekühlt und diente die gesamte Wärme zur Erwärmung der Welle, so würde sie bis auf 120–130° erwärmt werden, entsprechend einem Längenzuwachs von 2 mm und einer seitlichen Ausdehnung von 0,5 mm. Sollte dagegen ein beträchtlicher Anteil der Wärmemenge an der scharfen Werkzeugschneide verbleiben, so würde die Schneide natürlich bis zur Weißgluht erhitzt werden und abschmelzen. In der Praxis werden natürlich auch ohne Kühlungsmittel diese extremen Fälle nie erreicht: die Wärme wird teilweise in die Luft ausgestrahlt, durch Halter und Supporte zu den massiven Drehbankteilen abgeleitet; ein bedeutender Teil dient zur Erwärmung des Spanes. Wird bei der Arbeit ein ergiebiger Flüssigkeitsstrahl an die Steilen der maximalen Wärmeentwicklung geleitet, so gelingt es, fast alle Wärme mit der Flüssigkeit abzuleiten und dadurch das Werkstück vollkommen abzukühlen und die Temperatur an der Werkzeugschneide beträchtlich zu erniedrigen. Die Wichtigkeit der Abkühlung des Werkzeuges durch einen starken Flüssigkeitsstrahl ist zuerst von Taylor„On the Art of Cutting Metals“ S. 138–148, 1906. betont worden; er hat beim Bearbeiten von Stahl resp. Eisen mit Schnellstahlwerkzeugen durch vergrößerte Schneidgeschwindigkeit bis 40 v. H., an Gußeisen bis 16 v. H. Arbeitsersparnis bei guter Abkühlung des Werkzeuges durch einen starken Wasserstrahl erzielt. Ein starker Wasserstrahl mußte direkt auf denjenigen Spanteil geleitet werden, der gerade von dem Werkstück abgetrennt wurde; für Werkzeuge von 2 × 2½'' betrug der Wasserverbrauch i. d. Min. 3 Gallonen (13,5 l). „Es wundert mich“, sagt Taylor, „daß trotz der außerordentlichen Einfachheit von Versuchen mit Abkühlung des Werkzeuges, Tabelle 1. Schmiermittel Leinöl Maschinenöl Emulsion Sodalösung Wasser OhneKühlung Leinöl Maschinenöl Emulsion Sodalösung Wasser OhneKühlung Durchmesser des Werkstückes in mm 35,6 39,4 Lineare Geschwindigkeit in cm/Sek. 11,22 12,39 Spanbreite in mm 1,75 1,9 Vorschub in mm 0,5 0,5 Spanquerschnitt in qmm 0,875 0,950 Mittlere Diagrammhöhe in mm 25 28,5 29 27 29 29,2 29,5 32,3 32,5 33 33 33,4 Vertikaldruck auf die ganze Fläche in kg 134,4 153,2 155,9 145,1 155,9 157 158,6 173,6 174,7 177,4 177,4 179,6 Aussehen der bearbeiteten Fläche gut befried. gut gut befried. befried. gut befried. befried. gut befried. befried. insbesondere aber ungeachtet der hierbei erzielbaren Vorteile, der Einfluß dieses Elementes (der Abkühlung) gar keine Beachtung gefunden hat“. Durch Anwendung von Flüssigkeiten soll jedoch nicht nur eine Abkühlung des Werkzeuges bewirkt werden. Ein weicher Stahlspan, der längere Zeit nicht vom Werkstück abgetrennt wird, drückt bei der Bewegung längs der Werkzeugschneide auf letztere und erzeugt eine nicht unbeträchtliche Reibung, die von starker Wärmeentwicklung begleitet ist. In der Verminderung der Reibung durch genügende Schmierung der Reibungsflächen liegt die zweite Aufgabe der Kühlflüssigkeit. Der Arbeitsverlust durch Reibung des Spanes am Werkzeug ist bis jetzt unbekannt; daß er jedoch beträchtlich ist, zeigen die oben angeführten Zahlen Taylors (bei ergiebiger Kühlung 40 v. H. Geschwindigkeitsgewinn für Stahl und bloß 16 v. H. für Roheisen); der Stahlspan wird vom Werkzeug mitgezogen, der Gußeisenspan bricht schnell ab, zu seiner Verschiebung ist daher kein großer Arbeitsaufwand erforderlich und folglich ein Schmiermittel nur von geringem Nutzen. Die zum Begießen des Werkzeuges dienenden Flüssigkeiten müssen zwei Forderungen gerecht werden: Sie müssen I. das Werkzeug und das Werkstück gut abkühlen und dazu eine möglichst hohe Wärmeleitungsfähigkeit und spezifische Wärme besitzen, und 2. gute Schmiermittel für die enormen Drucke zwischen Span und Werkzeug darstellen, insbesondere beim Bearbeiten von weichen Metallen, die lange Fließ- oder Abscherspäne geben. Die erste Bedingung wird am besten durch Wasser erfüllt, die zweite durch reine pflanzliche Oele. Je größer die Reibung des Metalls resp. der Metallspäne an der Werkzeugschneide (etwa beim Gewindeschneiden von Stahl), um so mehr ist die Benutzung guter pflanzlicher Oele geboten; je geringer die Reibungen bei der Schneidarbeit (als Beispiel diene gewöhnliches Abdrehen), um so eher dürfte die Benutzung von Wasser als Kühlflüssigkeit Vorteile bringen. In den zwischen diesen Extremen liegenden Fällen werden, von diesem Standpunkte betrachtet, schwächere resp. stärkere Emulsionen von größtem Nutzen sein. Außer den erwähnten Bedingungen stellt die Praxis jedoch an die Flüssigkeiten zwei wichtige Forderungen: sie müssen billig sein und auf den Drehbankteilen (insbesondere den empfindlicheren), wohin sie verspritzt werden können, sowie auf dem Werkstück keinen Rost erzeugen. Diesen beiden Forderungen dürften wohl nur wenige Flüssigkeiten gleichzeitig genügen. Textabbildung Bd. 327, S. 89 Fig. 1. II. Der Einfluß der Kühl- und Schmierflüssigkeiten kann von verschiedenen Gesichtspunkten und mittels verschiedener Methoden studiert werden. So könnte z.B. der Einfluß dieser Flüssigkeiten auf Schneidedruck, auf das Aussehen des Werkstückes, auf die Werkzeugabnutzung usw. bestimmt werden; diese Einflüsse könnten dynamometrisch ermittelt werden, indem der Arbeitsverbrauch f. d. Spangewichtseinheit unter gleichen Arbeitsbedingungen bei Verwendung verschiedener Kühlmittel bestimmt wird; es könnte direkt die gesamte freiwerdende Schneidwärme ermittelt werden; endlich ließen sich beide Methoden, die Zu Tabelle 1. Schmiermittel Leinöl Maschinenöl Emulsion Sodalösung Wasser OhneKühlung Leinöl Maschinenöl Emulsion Sodalösung Wasser OhneKühlung Durchmesser des Werkstückes in mm 44,4 49,4 Lineare Geschwindigkeit in cm/Sek. 13,95 15,53 Spanbreite in mm 2,2 2,5 Vorschub in mm 0,5 0,5 Spanquerschnitt in qmm 1,100 1,250 Mittlere Diagrammhöhe in mm 33 35 36,5 36,5 36,8 37 40 42 44 44 44,5 45,5 Vertikaldruck auf die ganze Fläche in kg 177,4 188,1 196,1 196,1 197,8 198,9 215 225,8 236,5 236,5 239,2 244,6 Aussehen der bearbeiteten Fläche gut befried. gut gut befried. befried. gut befried. befried. gut befried. befried. dynamometrische und kalorimetrische zur gegenseitigen Kontrolle gleichzeitig benutzen. Die Abnutzung des Werkzeuges ließe sich gleichfalls dynamometrisch bestimmen; dazu läßt man dasselbe Werkzeug längere Zeit von gutem, homogenem Material gleiche Späne abnehmen und kühlt dabei mit verschiedenen Flüssigkeiten; beim Abstumpfen des Werkzeuges steigt der Arbeitsverbrauch, und daraus lassen sich auf die Abnutzung des Werkzeuges Schlüsse ziehen. Im Jahre 1905 habe ich den Einfluß verschiedener Schmierflüssigkeiten auf die Größe der Schneiddrucke und das Aussehen der bearbeiteten Oberfläche beim Schneiden bestimmt.„Ann. de l'Inst. Polytechn. de St. Pétersbourg“ 1905, T. III, 3–4. (russ.) Zur Prüfung diente ein einfacher Apparat (Fig. 1), der bloß den Vertikaldruck aufs Drehwerkzeug registrierte. Der obere Supportschlitten A der Drehbank ist mit einem in der Mitte gefrästen Kanal versehen zur Aufnahme eines ungleicharmigen Hebels B, der in den Spitzen cc des Schlittens frei hängt; die Spitzenenden und die entsprechenden Vertiefungen des Hebels B sind gehärtet. Am kurzen Arm des Hebels ist mit dem Bolzen E das Werkzeug D befestigt. Bin Ende des Stahlstiftes H stützt sich auf den Hebel B (in die gehärtete Vertiefung F), das andere ragt in den Indikatorzylinder J und drückt auf den Indikatorkolben. Der Indikator ist in dem Bügel der an den Schlitten A fest angeschraubten Stange L befestigt. Das Gegengewicht Q, das mit einem Kniestück an den kurzen Hebelarm gehängt ist, dient zum Ausgleichen des Hebels. Der Druck, den das Werkzeug D beim Abdrehen des Werkstückes P erleidet, wird durch den Stift H auf die Indikatorfeder übertragen und vom Apparat notiert. Untersucht wurde: a) Leinöl, b) mineralisches Maschinenöl, c) Emulsion aus Wasser, Oel, Seife, Soda, d) Sodalösungen, e) Wasser. Alle diese Flüssigkeiten wurden unter gleichem Druck von oben auf das Werkzeug in gleichmäßigem Strahle gegossen. Die wesentlichsten Ergebnisse jener Untersuchung sind in Tab. 1 zusammengestellt. Der geringste Arbeitsverbrauch ergab sich beim Begießen des Werkzeuges mit Leinöl, und zwar um etwa 30 v. H. weniger als ohne Schmierung; an nächster Stelle kommt Maschinenöl; alle anderen Kühlmittel, darunter sogar gewöhnliches Wasser, sind gleichwertig und vermindern den Schneiddruck nur unbedeutend. Gute Oberflächen wurden mit gesättigter Sodalösung erhalten; da diese Lösungen billig sind und das Werkstück sowie die Drehbankteile vor dem Rosten schützen, so habe ich in der zitierten Arbeit auf sie als die zweckentsprechendsten und billigsten Kühlmittel hingewiesen. Zurzeit verfüge ich über genauere Apparate zum Messen der mechanischen Arbeit sowie über ein eingehend geprüftes Kalorimeter zur Bestimmung der Schneidwärme. Mit diesen Apparaten habe ich meine alten Versuche von 1905 wiederholt, und dabei einige möglichen Fehlerquellen meiner vorigen Untersuchung eliminiert. In meinen älteren Versuchen wurden Proben bearbeitet, deren Schneidkoeffizienten differieren konnten; das Werkzeug konnte seine Schneidfähigkeit ändern und der Flüssigkeitsstrahl bei den verschiedenen Versuchen ungleichmäßig sein. Um jeglichen Zweifel an der Homogenität des zu bearbeitenden Materials zu beseitigen, wurden die Werkstücke – Hohlzylinder von 38–28 mm ∅ – alle aus demselben Stabe von gutem, geschmiedetem Stahl von Böhler (C–0,22 v. H., Mn–0,40 v. H., Si–0,05 v. H.) gefertigt und gut ausgeglüht. Um die Versuche mit den verschiedenen Kühlungs- und Schmierflüssigkeiten besser vergleichen zu können, mußte Sorge dafür getragen werden, daß alle Schneidbedingungen möglichst unverändert blieben; die schwerste Bedingung, welche nie mit vollständiger Sicherheit eingehalten werden kann, ist die gleiche Schneidfähigkeit der Instrumente und dann die Strukturhomogenität des Werkstückes. Um jedoch auch hier jegliche Zweifel auszuschließen, habe ich in meinen Versuchen jedes Werkstück in einer Länge von 90 mm mit demselben Werkzeug, ohne es inzwischen anzuschärfen, zweimal geschnitten, und zwar das erste Mal mit reinem Wasser, das zweite Mal mit der zu untersuchenden Flüssigkeit gekühlt. Bei so geringem Gange wie 90 mm konnte Homogenität des Materials vorausgesetzt werden, und die kurze Arbeitsdauer (im ganzen 5 Minuten) sicherte dem Werkzeug aus gutem „Gigantstahl“ von Böhler gleiche Schärfe während dieser beiden Prüfungen. Durch Beziehung jedes Versuches mit den Kühlungsmitteln auf einen korrespondierenden Versuch mit Wasser wurde für sichere Vergleichbarkeit aller Beobachtungen gesorgt. Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß die übrigen Bedingungen, z.B. Spanquerschnitt (5 × 0,2 mm), Schneidgeschwindigkeit (7 m/Min.) die ganze Zeit über streng gleichblieben. Gleichmäßiger Zufluß der Kühlungsmittel zum Werkzeug wurde dadurch erreicht, daß der Schneidvorgang im Kalorimeter ausgeführt wurde, welches mit der Versuchsflüssigkeit gefüllt war, die ihrerseits energisch durch einen besonderen schnell rotierenden Rührer durchmischt wurde. Der Wert der Einzelbeobachtungen wurde dadurch erhöht, daß gleichzeitig dynamometrisch der Spandruck und kalorimetrisch der Temperaturanstieg bestimmt wurden. Diese doppelte Registrierung des Schneideffekts schützte vor groben Versehen und sicherte den Versuchsergebnissen eine große Wahrscheinlichkeit; stimmten die Ablesungen des kalorimetrischen Teils der Versuchsanordnung mit den dynamometrischen Ablesungen überein, so war der Versuch gelungen; bei großer Divergenz beider Zahlen war im Versuch ein Fehler untergelaufen. Alle meine Versuche waren als gelungen zu betrachten, da wesentliche Abweichungen in den Ablesungen des Dynamometers und Thermometers nicht vorkamen. (Fortsetzung folgt.)