Titel: | EINSCHRAUBEN-MOTOR-FRACHTSCHIFF „ROLANDSECK“ FÜR DIE DEUTSCHE DAMPFSCHIFFAHRTS-GESELLSCHAFT „HANSA“. |
Autor: | C. Kielhorn |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 792 |
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EINSCHRAUBEN-MOTOR-FRACHTSCHIFF
„ROLANDSECK“ FÜR DIE DEUTSCHE DAMPFSCHIFFAHRTS-GESELLSCHAFT
„HANSA“.
Von Konstruktions-Ingenieur C. Kielhorn
in Zehlendorf.
(Schluß von S. 775 d. Bd.)
KIELHORN: Einschrauben-Motor-Frachtschiff „Rolandseck“
usw.
Die Motoranlage.
Die Motoranlage der „Rolandseck“ ist für uns von um so größerem Interesse als
sie, wie bereits erwähnt, die größte bisher in Betrieb gesetzte Schiffsmotoranlage
darstellt. „Christian X“ (ex „Fionia“) zu deren Motoranlage S. M. der
Kaiser den dänischen Ingenieuren im Juni d. J. seine
Anerkennung in dem bekannten Telegramm an den König von Dänemark aussprach, hatte
eine Maschinenanlage aus zwei achtzylindrigen einfach wirkenden Viertakt-Diesel-Motoren von nur je 1250 PS Leistung.
Textabbildung Bd. 327, S. 791
Fig. 2. Sechszylinder-Dieselmaschine, erbaut von Joh. C. Tecklenborg A.-G. für
die Deutsche Dampfschiffahrts-Gesellschaft „Hansa“, Bremen.
Die auf dem im August d. J. in Fahrt gesetzten „Monte Penedo“vgl. D.p.J. Heft 46, S. 724 d. Bd.
der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft eingebauten Sulzer-Zweitaktmotoren von je 850 Bremspferden wiesen
gegenüber jenen Viertaktmotoren schon ganz wesentliche Fortschritte auf. Sie waren
bei dem gleichen Oelverbrauch bedeutend kleiner und leichter, auch in ihrem
ganzen Aufbau wesentlich einfacher und billiger. Allerdings waren sie im Auslande
gebaut. (Vgl. D. p. J. S. 724 d. Bd.) „Rolandseck“ ist das erste größere
deutsche Motorschiff, dessen Motoren in Deutschland gebaut sind. Der Hauptmotor ist
ein sechszylindriger, einfach wirkender Zweitaktmotor von 1500 PSe bei 120 Umdrehungen i. d. Min. Wie aus Fig. 2 ersichtlich, sind die Zylinder in drei Gruppen
zu je zwei Zylindern angeordnet. Zylinderdurchmesser 510 mm, Hub 920 mm.
Für den allgemeinen Aufbau des Motors hat die seit Jahren bewährte
Schiffsdampfmaschine als Vorbild gedient und sind die hierbei erprobten
Konstruktionen nach Möglichkeit verwendet worden. Außerdem haben alle im Diesel-Motorenbau gemachten Erfahrungen eingehende
Berücksichtigung gefunden. Sämtliche für das Umsteuern und Anlassen erforderlichen
Hebel sind an einer Stelle zusammengelegt, so daß ein schnelles und sicheres
Manövrieren jederzeit gewährleistet ist.
Textabbildung Bd. 327, S. 792
Fig. 3. Obere Ansicht des Schiffsdieselmotors von 1500 PSe, erbaut 1912 von
Joh. C. Tecklenborg A.-G. für das Hansa-Motorschiff „Rolandseck“.
Die Zylinderdeckel sind aus Stahlguß, in denselben sind angeordnet vier Spül Ventile,
je ein Brennstoff-, Anlaß- und Sicherheitsventil. Die Kolben sind zweiteilig
hergestellt und mit Wasserkühlung versehen. Die Kühlpumpen werden von jedem
zugehörigen Kreuzkopf angetrieben. Die ganze Maschine ruht auf einer dreiteiligen
gußeisernen Grundplatte, welche in ähnlicher Weise wie bei Schiffsdampfmaschinen als
Hohlkörper in Kastenform gegossen ist. Die Ständer sind gleichfalls aus Gußeisen in
Kastenform mit einseitiger Geradführung. Die Ständer sind untereinander durch
Flanschen fest verschraubt. Die Lagerschalen der Wellenlager sind aus Gußeisen und
viereckig, Deckel und Schale sind mit Weißmetall ausgegossen. Die Kurbelwellen sind
aus einzelnen Teilen zusammengebaut, sie sind aus Siemens-Martinstahl und aus drei
gleichen auswechselbaren Teilen mit je zwei Kröpfungen um 180° versetzt. Um die
Gleichförmigkeit des Ganges zu erhöhen und das Fahren mit stark verringerter
Umdrehungszahl zu erleichtern, ist zwischen dem Drucklager und der Hauptmaschine ein
7 t schweres Schwungrad aus Stahlguß von 2,5 m ∅ angeordnet. Das Drucklager mit
sechs Druckringen entspricht den im Dampferbau üblichen. Die
Maschinendrehvorrichtung kann sowohl mit Dampf als auch mit Druckluft betrieben
werden. Die doppeltwirkenden Spülluftpurnpen von 870 mm Zylinderdurchmesser und 760
mm Hub mit Saug- und Druckventilen, werden durch Balancier vom Kreuzkopf her
angetrieben. Die beiden Kühlwasserpumpen für die Zylinderkühlung von je 30 t
stündlicher Leistung werden vom Spülpumpenbalancier angetrieben (Fig. 3).
Die für den Betrieb der Rudermaschine erforderliche Druckluft wird durch einen
Duplex-Luftkompressor erzeugt. Die Druckluft wird in zwei gleich großen
Luftflaschen, einer Vorratsflasche von 21 at Spannung und einer Verbrauchsflasche
für 7 at Spannung aufgespeichert. Verbrauchsluftbehälter und Vorratsluftbehälter
sind durch ein selbsttätiges Regulierventil verbunden, welches den Ersatz der
verbrauchten Luft regelt.
Der für die Erzeugung der Einblase- und Manövrierluft erforderliche Luftkompressor,
System Reavell (Fig 4), ist mit der Kurbelwelle direkt
gekuppelt und an der Vorderseite des Motors angeordnet. Umsteuerung und Anlassen des
Hauptmotors erfolgt mittels Preßluft durch Winkelverdrehung der Nockenwelle und
seitliches Verschieben einer vorgelagerten Manövrierwelle. Die Umsteuerung kann
außer durch Preßluft auch von Hand erfolgen.
Ein Handhebel, welcher durch Uebersetzung auf die Saugventile der Brennstoffpumpen
einwirkt, dient zur Einstellung des Motors auf eine bestimmte Umdrehungszahl. Es
können dadurch sämtliche Umdrehungszahlen gefahren werden bis auf 40 herunter, wobei
das Schiff nur mehr ganz langsame Fahrt macht.
Ein federbelasteter Sicherheitsregler, der auf die Saugventile der Brennstoffpumpen
einwirkt, verhindert das Durchgehen des Motors bei Austauchen der Schraube.
Für die Fahrt auf dem Revier bzw. bei unsichtigem Wetter ist ein mit einem
Zweizylinder-Viertaktmotor von etwa 100 PSe direkt
gekuppelter Hilfskompressor, gleichfalls System Ravell,
vorgesehen.
Fünf Anlaßluftbehälter von je 800 l Inhalt dienen zur Aufspeicherung der
Manövrierluft für die Hauptmaschine. Ferner ist ein Einblaseluftbehälter à 150 l für
den Hauptmotor angeordnet. Zum erstmaligen Auffüllen der Luftbehälter dient ein
Dampfnotkompressor.
Textabbildung Bd. 327, S. 793
Fig. 4. Diesel-Manöver-Kompressor. Fig. 5. Diesel-Dynamomaschine. Erbaut 1912
von Joh. C. Tecklenborg A.-G. für das Hansa-Motorschiff
„Rolandseck“.
Für elektrische Beleuchtungs- und Kraftzwecke dient ein Zweizylinder – Viertaktmotor
von 30 PSe, 300 Umdrehungen, direkt gekuppelt mit
einer Dynamo von 110 Volt und 164 Ampère (Fig. 5).
Die Bilgelenzpumpen von je 30 Tons stündlicher Leistung werden vom Balancier der
Ruderkompressorpumpe angetrieben. Eine der Lenzpumpen dient gleichzeitig für die
Deckwaschleitung.
Das zum Betrieb erforderliche Oel wird in zwei festeingebauten Oelbunkern (siehe
Schiffskörper) mitgeführt. Dieselben enthalten je 80 Tons. Aus letzteren wird es in
die Wachtanks, deren zwei von je 3,0 t Inhalt vorgesehen sind, durch die
Brennstofförderpumpe, welche vom Balancier des Hauptmotors angetrieben wird,
gefüllt. Zur Reinigung des Oels vor dem Gebrauch dienen zwei umschaltbare
Brennstoffilter. Eine Handpumpe dient als Reserve im Fall des
Nichtfunktionierens der Brennstofförderpumpe.
Der Propeller ist vierflügelig und hat 4,1 m ∅. Das Gewicht der gesamten
Maschinenanlage einschließlich Wellenleitung, Propeller und aller zum Betriebe der
Hauptmaschine nötigen Hilfsmaschinen ausschließlich Schiffshilfsmaschinen beträgt
etwa 350 t.
Für den Betrieb der Dampfladewinden, der Ankerwinde, der Rudermaschine, der
Dampfspeise- und Dampflenzpumpen, endlich zur Heizung der Kammern ist vor dem
Motorenraum ein Dampfkessel aufgestellt. Derselbe ist ein Zweifeuerkessel von 80 qm
Heizfläche und 8 at Betriebsdruck. Die Feuerung ist Oelfeuerung System Körting.
Das Schiff hat im ganzen drei Probefahrten gemacht. Die erste zwecks Erprobung der
Maschinenanlage auf der Unterweser nach See und zurück vorgenommene neunstündige
Dauerfahrt fand am Sonnabend, den 2. November statt, wobei sich der Motor bezüglich
Sicherheit und Manövrierfähigkeit vorzüglich bewährte.
Die zweite am 9. November stattgehabte ausgedehnte Vorprobefahrt in See verlief,
ebenso wie die erste, zur vollsten Zufriedenheit, so daß die dauernde Verwendbarkeit
des Tecklenborg-Carels-Motors als Schiffsmotor erwiesen
ist. Die auf dieser Fahrt erzielten Resultate stellen sich sehr günstig und zwar
betrug die Leistung des Motors bei 120 Umdrehungen i. d. Min. etwa 2200 PSi bei einem indizierten Mitteldruck von 7,36 kg f.
d. qcm. Der Brennstoffverbrauch stellte sich auf etwa 215 g f. d. PSe bei Verwendung von einem Treiböl von etwa 10000 WE
f. d. kg, so daß die garantierten Zahlen unterschritten wurden.
Die Abnahme-Probefahrt erfolgte am 16. November von der Bremerhavener Reede aus
und erstreckte sich bis nach dem Außenweser-Feuerschiff, wo die Abnahme durch die
Reederei erfolgte. Das Schiff soll nicht sofort in die Fahrt Hamburg–Portugal
eingestellt werden, sondern erst noch gewissermaßen als einen letzten Tribut an die
Schwesterschiffe, die mit Dampfmaschinen ausgerüstet sind, eine Ladung Steinkohlen
von England nach Hamburg bringen.
Wir wollen die Beschreibung des Schiffes und seiner Motorenanlage nicht schließen,
ohne des Erbauers zu gedenken, handelt es sich doch, wie gesagt, um das 250.
Schiff.
Seit 1841 bestehend, ist die Werft von Joh. C. Tecklenborg A.-G. eine der ältesten deutschen Werften.
Seit 1869 bis heute liegt die technische Leitung der Werft in der Hand eines Mannes,
des Direktors Georg W. Claußen. Von der bescheidenen Holzschiffswerft hat er in zielbewußtem
Streben das Werk zu seiner heutigen Größe geführt. Schon früher genoß die Werft
unter seiner Leitung einen Weltruf als Erbauerin der schnellsten und größten
Segelschiffe, es sei nur an die stählernen Fünfmaster „Potosi“ und
„Preußen“ erinnert. Im Bau großer Passagier- und Frachtdampfer steht sie
in der ersten Reihe der deutschen Werften, beläuft sich doch der Auftragsbestand der
Werft in diesem Jahr an Neubauten auf über 120000 Brutto Registertons mit Maschinen
von über 75000 PS. Als erste von allen deutschen Werften hat sie ein Motorschiff mit
selbstgebauten Motoren auf den Ozean hinausgeschickt. Möge es dem Erbauer, dem
Nestor des deutschen Handelsschiffbaues, vergönnt sein, auch bei der Probefahrt des
300. Schiffes in Rüstigkeit an der Spitze der Werft zu stehen zum Ruhme unserer
vaterländischen Schiffbauindustrie.