Titel: POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU.
Fundstelle: Band 327, Jahrgang 1912, S. 819
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POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU. Polytechnische Rundschau. Dieselmotor. Auf der 14. ordentlichen Hauptversammlung der Schiffbautechnischen Gesellschaft hielt Dr.-Ing. R. Diesel, München, der Erfinder und Konstrukteur der nach ihm benannten Verbrennungskraftmaschine einen Vortrag: „Die Entstehung des Dieselmotors“. Dem gedruckt vorliegenden Bericht sind die folgenden Angaben entnommen. Von der Tatsache ausgehend, daß in der Dampfmaschine nur 6 bis 10 v. H. der disponiblen Wärme des Brennstoffes in Nutzleistung verwandelt wird, war der Erfinder bestrebt, den Carnotschen Kreisprozeß in einem neuen Wärmemotor zur Ausführung zu bringen. Diesel verwandte anfangs alle Zeit und all sein erspartes Geld zum Studium und zum Bau kleiner Motoren, die mit überhitzten Ammoniakdämpfen betrieben wurden. Wie nun der Gedanke kam, das Ammoniak durch ein wirkliches Gas – hocherhitzte Luft – zu ersetzen und in diese allmählich fein verteilten Brennstoff einzuführen, gleichzeitig mit der Verbrennung eine Expansion des Gasvolumens eintreten zu lassen, damit ein Maximum von Wärme sich in äußere Arbeit umsetzt, das vermag der Erfinder nicht mehr anzugeben. Die Versuche und theoretischen Betrachtungen führten im Jahre 1893 zur Veröffentlichung der viel besprochenen und auch viel bekämpften kleinen Schrift: „Theorie und Konstruktion eines rationellen Wärmemotors“. Das hierzugehörige deutsche Patent Nr. 67207 war kurz vorher angemeldet. Fachgenossen jener Zeit übten eine heftige Kritik, die meist ungünstig, ja sogar vernichtend ausfiel. Günstig allein war das Urteil der drei bekannten Wärmetheoretiker: Linde, Schröter und Zeuner. Besonders Professor Schröter ist mutig für das neue Arbeitsverfahren eingetreten, zu einer Zeit, da es noch nicht praktisch erprobt und von der übrigen Fachwelt – überwiegend – als undurchführbar abgelehnt wurde, und hat dafür „seitens der wissenschaftlichen Welt manch heimlichen und offenen Angriff erdulden müssen“. Das Dieselverfahren kann in drei Hauptteile zerlegt werden. 1. Die hohe Verdichtung der Luft auf 30 bis 35 at wird angestrebt, um nach den Gesetzen der Wärmelehre einen möglichst hohen thermischen Wirkungsgrad zu erhalten. Die Selbstzündung des Brennstoffes ergibt sich dann von selbst, ist aber keinesfalls der Grund zu der hohen Verdichtung. 2. Die allmähliche Einführung von feinverteiltem Brennstoff in den Verdichtungsraum der Maschine. 3. Die Entnahme der Vergasungswärme aus dem Arbeitsprozeß. Die vollkommene Vergasung des Brennstoffes als einen Teil des Arbeitsprozesses im Arbeitszylinder durchzuführen, war die größte, fast unüberwindliche Schwierigkeit bei der praktischen Ausführung der neuen Idee. Im Jahre 1893 faßte die Maschinenfabrik Augsburg und Friedrich Krupp, Essen, den Entschluß, den neuen Motor praktisch zu erproben. Am 1. Juli 1893 konnten die Versuche an einer Maschine von 150 mm Zylinderdurchmesser und 400 mm Hub begonnen werden. Zylinderkühlung besaß der Motor nicht. Es zeigte sich hier auch bald, daß der Arbeitskolben mit gußeisernen Selbstspannern für die hohe Temperatur und den hohen Druck am geeignetsten war. Diese erste Maschine hat niemals selbständig laufen können. Bei der zweiten Versuchsmaschine war die Reibung durch die Spannung der Kolbenringe so groß, daß auch diese Maschine keine Nutzarbeit abgeben konnte. Hierbei ergab sich auch bald die Tatsache, daß der Brennstoff durch Preßluft eingeblasen werden muß. Am 17. Februar 1894 wurde mit dieser Maschine zum ersten Male Leerlauf erzielt. Der mittlere indizierte Druck von 4,39 kg/qcm wurde durch die Kolbenreibung verbraucht. Versuche, die Vergasung des Brennstoffes außerhalb des Arbeitszylinders vorzunehmen, gaben negativen Erfolg. Mit diesen Versuchen waren sechs Monate resultatlos vergangen. Aber aus diesen Mißerfolgen kristallisierte sich die Erkenntnis heraus, daß nicht die Verlegung der Vergasung außerhalb des Verdichtungsraumes der maßgebende Faktor bei der Diagrammbildung ist, sondern die Einblasung des Brennstoffes mittels Druckluft. Um die zahlreichen Versager zu vermeiden, wird die Einlagerung von kleinen Benzinmengen in der Düse versucht. Der vorgelagerte Benzintropfen wird von dem Gas vor sich hergetrieben und zündet den nachkommenden Gasstrom. Dieses Verfahren wird neuerdings bei den Teerölmotoren wiederum versucht, um eine gute Verbrennung zu erhalten. Diese Versuchsmaschine wurde völlig umgebaut, die Bohrung auf 220 mm vergrößert. Vorsichtshalber wurde auch ein elektrischer Zünder eingebaut. Die Brennstoffnadel-Steuerung ist so eingerichtet, daß für kleine Brennstoffmengen der Nadelhub gleichzeitig verkleinert wird, eine Steuerungsart, die zurzeit wieder häufig Verwendung findet. Da bei dieser Maschine der Leerlaufdruck auf 2,92 kg verkleinert war, ergab sich ein mechanischer Wirkungsgrad von 58 v. H. Am 26. Juni 1895 fand endlich der erste Bremsversuch statt, mit folgenden Ergebnissen: Thermischer Wirkungsgrad = 30,8   v. H. Mechanischer         „ = 54     „ Wirtschaftlicher     „ = 16     „ Petroleumverbrauch = 382 g   f. 1 PSe. Die Einblaseluftmenge betrug 1/20 der Arbeitsluftmenge. Im November 1895 findet Dauerbetrieb mit dem Motor statt, der mit eigener Luftpumpe und eigener Petroleumpumpe ausgerüstet ist, also zum ersten Male vollkommen selbständig. Während bei allen anderen Petroleummotoren bei halber Belastung der Brennstoffverbrauch stark steigt, um 40 bis 70 v. H., bleibt er beim Dieselmotor fast konstant. Ein neuer Motor 250/400 mit eigener Luftpumpe wird gebaut, der Zylinder besitzt nun Wasserkühlung. Der Verbrennungsraum ist endlich ein einheitlicher Raum zwischen Kolben und Deckel. Die Kolbendichtung ist durch vier fast spannungslose Gußringe hergestellt. Ein Bericht von Krupp enthält folgende Versuchsergebnisse: volle Leistung halbe Leistung Thermischer Wirkungsgrad     31,9 v. H.     38,4 v. H. Mechanischer         „     75,6   „     61,5   „ Wirtschaftlicher      „     24,2   „     23,6   „ Brennstoffverbrauch f. 1 PSe     258  g     264  g Am 17. Februar 1897 erfolgt offizieller Versuch durch Prof. Schröter, der sein Urteil über den Motor dahin zusammenfaßt: „Daß dieser neue Wärmemotor in seiner derzeitigen, noch nicht alle Vorteile realisierenden Ausführung als Einzylinder-Viertaktmotor an der Spitze aller Wärmemotoren steht, da er für 1 PSe nur 240 g Petroleum verbraucht. Der mechanische Wirkungsgrad bei voller Leistung ist 75 v. H. Die ungemein einfache Lösung des Regulierungsproblems gestattet eine Veränderung der Belastung in beliebigen Grenzen.“ Die Kosten der Versuche bis zum Bau einer marktfähigen Maschine betrugen 450000 M. Wimplinge r.