Titel: Versuche über das Schneiden von Geschützstahl.
Autor: N. N. Sawwin
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 21
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Versuche über das Schneiden von Geschützstahl. Von Prof. N. N. Sawwin in Petersburg. Sawwin: Versuche über das Schneiden von Geschützstahl. Die Versuche wurden für praktische Zwecke angestellt, nämlich um die vorteilhaftesten Schneidebedingungen für den Geschützstahl zu finden. Dieser Stahl genießt schon längst den Ruf eines vorbildlichen Materials und bekanntlich ist Stahl hoher Qualität schwer zu schneiden. Die hohe Zerreißfestigkeit (bis 6200 kg) neben bedeutender Zähigkeit (Dehnung bis 29 v. H.) bedingen einen hohen Schneidekoeffizienten; dieser Koeffizient beträgt für dünne Späne bis 260 kg, für dicke bis 220, gegenüber 140–160 kg für die gewöhnlichen Sorten Maschinenstahl. Die thermischen Operationen, die dem letzten Bearbeiten des Geschützblockes voraufgehen, bewirken eine weitere Steigerung des Schneidekoeffizienten; die nun gehärteten äußeren Teile lassen sich nur schwer mit dem Werkzeug bearbeiten. Selbst Werkzeuge aus selbsthärtendem Stahl hoher Qualität stumpfen bald ab; so war ein Stumpfwerden von Werkzeugen aus Rapidstahl bei einer Schneidegeschwindigkeit von 6 m in der Minute und einem Spanquerschnitt von 9,5  × 4,8= 45,6 qmm schon nach 3–5 Minuten zu bemerken. Nach Anschaffung von neuen riesigen Werkbänken von kolossaler Leistungsfähigkeit (bis 1 t Späne in der Stunde), sahen sich die mechanischen Werkstätten vor die Aufgabe gestellt, zweckentsprechende Werkzeugmodelle auszuarbeiten und die Schneidebedingungen festzustellen, welche der erwähnten hohen Leistungsfähigkeit gerecht wurden. Die von Taylor für Schrupparbeit vorgeschlagenen Formen wurden von vornherein von mir verworfen, da sie kompliziert und vor allem teuer sind. Die Gestehungskosten eines nach Taylor für den obengenannten Spanquerschnitt geschliffenen Schnellstahlwerkzeuges betragen 50–80 Rbl.; für das Werkzeug sind Stäbe von 300 mm Länge und 90  × 90 mm Querschnitt erforderlich; nach mehrmaligem Umschleifen muß ein solches Werkzeug umgeschmiedet werden. Bei der Wahl der Schneidebedingungen, d.h. des Verhältnisses zwischen Tiefe, Vorschub, Spanbreite und Geschwindigkeit wurde neben den Betrachtungen über die Schneidedauer ohne Umschleifen auch dem Wunsche Rechnung getragen, eine glatte Drehfläche und einen ruhig abrollenden Span, der keine besonderen Vorsichtsmaßregeln erforderte, zu erzielen. Die Laboratoriumsuntersuchungen sind in den mechanischen Werkstätten des St. Petersburger Polytechnischen Instituts auf einer Horizontaldrehbank der Firma Gebr. Röhringer mit der Zentrumshöhe 225 mm, einem Zahnradwechselgetriebe für 16 Spindelgeschwindigkeiten und mit einem starr, vermittels Renoldscher Kette, an die Bank gekuppelten Elektromotor von 8 PS angestellt. Aus den Läufen der 75 mm-Geschütze wurden Stücke geschnitten, die bis 250 mm dick und bis 1000 mm lang waren. Die mechanische Prüfung der aus verschiedenen Teilen des Geschützrohres geschnittenen Proben, sowie auch ihre mikroskopische Untersuchung gaben Ausweis über Strukturgleichmäßigkeit des Materials. Die Elektrizitätsgrenze betrug im Mittel 3200 kg, die Zerreißfestigkeit 5800 kg, die Dehnung beim Zerreißen 24 v. H. Textabbildung Bd. 328, S. 21 Abb. 1. Da das Untersuchungsmaterial genügend zähe ist, so erschien es a priori geboten, dasselbe mit großer Geschwindigkeit zu schneiden, unter Benutzung von Werkzeugen mit geringen Schneidewinkeln und Erzeugung von Spänen geringer Dicke. Nach Vorversuchen entschied ich mich für einen Schneidewinkel von 60° als den rationellsten. Zwecks Verbilligung der Werkzeuge entschloß ich mich, Halter zu benutzen. Da ich bestrebt war, das Anschärfen zu vereinfachen, so erhielt der Halter eine solche Form, bei welcher das Umschmieden des Werkzeugs ganz zu vermeiden war. Auf Abb. 1 ist ein aus Stahl geschmiedeter Halter mit eingestelltem Werkzeug abgebildet. Es wurde ein Werkzeugwinkel von 54° und ein hinterer Winkel von 6° gewählt. Wie aus der Abbildung hervorgeht, ist die Nute im Halter nach dem Querschnitt des Werkzeugs angefeilt, so daß letzteres in ihm fest sitzt; außerdem ist der Nute eine Neigung erteilt, dank welcher das Werkzeug genau unter dem gehörigen Winkel zum Werkstück eingestellt wird: im gegebenen Fall beträgt der Schneidewinkel 60°. Der Halterkopf stützt sich an den Supportkörper und das Werkzeug wird aus dem Kopf nur soweit herausgezogen, als zum Austritt des Spanes notwendig ist; damit der Span den Halter nicht berühre, hat der vordere Teil des Kopfes eine Rundung, entsprechend dem Bogen der größtmöglichen Spanwindung. Der Seitendruck aufs Werkzeug ist unbedeutend; um Verschiebungen des Werkzeuges in dieser Richtung vorzubeugen, wird es vermittels Klemmbolzens angedrückt. Wenn das Werkzeug stumpf geworden ist, so wird es mit einer Zange herausgezogen. Dank der massiveren Bauart des Halters und der eingeschlagenen Methode der Befestigung des Werkzeuges in demselben wird ein Zittern vollständig ausgeschlossen. Der Schneidewinkel braucht nicht kontrolliert zu werden, solange der Halter sich auf derselben Stelle befindet; dieser Winkel ist ausschließlich durch die Neigung der Bohrung im Halter bedingt. Die hauptsächlichste nützliche Eigentümlichkeit der vorgeschlagenen Halter- und Werkzeugtype liegt in der bis zum Aeußersten getriebenen Vereinfachung in der Herstellung und dem Schleifen des Werkzeuges. Um z.B. ein Werkzeug mit dem Winkel von 54° herzustellen, ist unter diesem Winkel der Werkzeugstahlstab wie Abb. 2 zeigt, zu einzelnen Stücken zu durchschlagen oder zu durchschneiden. Ist der Stahl ausgeglüht – solche Schnellstahlstäbe sind jetzt im Handel zu haben – so kann er unbeschadet mit Alundumscheibe auf einer besonderen Schneidebank zum Schärfen der Werkzeuge zerschnitten werden. Es ergibt sich hierbei ein geringfügiger Materialverlust, da die Scheibendicke höchstens 3 mm beträgt, und die Schneidekanten geraten so genau, daß nach dem Härten bloß ein geringes Abstreichen auf dem Schleifstein erforderlich ist. Das Werkzeug für Späne des angegebenen Querschnittes kann 1\,\frac{1}{4}''\,\times\,1\,\frac{1}{4}'' dick und etwa 120 mm lang gefertigt werden; es kommt nicht über 3–5 Rbl. zu stehen, d.h. ist vielemal billiger, als das entsprechende massive Werkzeug; es kann solange nachgeschliffen werden, bis es um die Hälfte verkürzt ist, worauf er für andere Zwecke benutzt oder zu einem Werkzeug geringerer Dimensionen umgeschmiedet wird. Der Halter ist gleichfalls sehr einfach und billig; er ist ja wohl nur für Stahlstäbe ein und desselben Querschnitts zu benutzen und gestattet nur einen bestimmten Schneidewinkel, doch ist dieses praktisch von untergeordneter Bedeutung, da jede Metallsorte immer in den gleichen, durch Vorversuche ermittelten Bedingungen geschnitten werden muß. Textabbildung Bd. 328, S. 22 Abb. 2. Nach der Wahl der Werkzeug- und Haltertype war experimentell festzustellen: 1. der Neigungswinkel der Werkzeugschneide zur Vorschubrichtung, 2. der vorteilhafteste Spanquerschnitt, sowie auch 3. die praktisch zulässige Schneidegeschwindigkeit. Beim Bearbeiten der Geschützrohre erscheint es von Vorteil, die Metallschichten bei einer Schneidetiefe von 1\,\frac{3}{8}'' bis \frac{1}{2''} zu entfernen; hierbei ist es wünschenswert, nach einem solchen Schruppen eine genügend glatte Fläche zu erhalten, geeignet zu weiterem Schlichten mittels Federwerkzeug. Die Laboratoriumswerkbank war bedeutend schwächer, als die Fabrikwerkbank: der größte mit seinem Wechselgetriebe zu erreichende Spanquerschnitt betrug 8 qmm bei einem Werkstückdurchmesser von 200 mm. Für einen solchen Querschnitt ist ein Werkzeug von 1\,\frac{3}{4}''\,\times\,1\,\frac{3}{4}'' vollkommen ausreichend. Die Versuche zur Feststellung der vorteilhaftesten Neigung der Schneidekante zur Vorschubsrichtung wurden bei konstantem Spanquerschnitt von 6 qmm und bei ein und derselben Lineargeschwindigkeit von 18 m/min ausgeführt; die Schneidetiefe betrug 4 mm, der Vorschub 1\,\frac{1}{2} mm. Der obere Supportschlitten wurde sukzessive um 20, 25, 30, 35, 40 u. 45° gedreht, so daß die Werkzeugschneide mit der Bewegungsrichtung des Vorschubs die genannten Winkel einschloß; andere Winkel konnten dem Werkzeug dank der Konstruktion des Supports nicht erteilt werden. Bei Drehung der Schneide um einen gewissen Winkel änderte sich die Form des Spanes, ihr Querschnitt blieb jedoch unverändert. Die effektive Dicke der abgetrennten Spanschicht s beträgt beim Vorschub e und dem Neigungswinkel φ der Schneide zur Vorschubsbewegungsrichtung (s. Abb. 3) e sin φ, die Breite dieser Schicht t ist b sin φ, wo b die Schneidetiefe bezeichnet. Somit entsprechen den obenerwähnten Werten des Winkels φ bei dem Vorschub e=1\,\frac{1}{2}\mbox{ mm} und der Schneidetiefe b = 4 mm die Schichtdicken    0,51; 0,63; 0,75; 0,86 und 1,06 mm. Schichtbreiten 11,76; 9,52; 8,00; 6,98 und 5,66 mm. Textabbildung Bd. 328, S. 22 Abb. 3. Welches Prinzip ist nun den Betrachtungen über den vorteilhaften Wert des Winkels φ zu Grunde zu legen? Ist der Hauptaugenmerk auf den Schneidekoeffizienten, auf die Geschwindigkeit, bei welcher das Werkzeug am Ende eines bestimmten Zeitintervalls stumpf wird („standart speed“ nach Taylor), oder auf die Struktur des Spanes und das Aussehen seiner Windungen zu richten? Bekanntlich steigt für zähe Stahlsorten der Schneidekoeffizient mit Verringerung des Vorschubs, also mit dem Dünnerwerden langsam an und hängt nicht von der Spanbreite ab; ob jedoch eine Verringerung des Winkels φ denselben Einfluß ausübt, ist mit Sicherheit nicht bekannt. Die Abstumpfung des Werkzeugs ist beim Abtrennen dünner Späne eine geringere. Die Struktur des Spanes sowie auch der Verlauf des Schneidevorganges werden durch verschiedenartige Ursachen beeinflußt; in welcher Weise der Winkel φ dieselben beeinflußt, kann nur experimentell festgestellt Werden. Zweifellos muß eine ruhige continuierliche Spanbildung den frühzeitigen Verschleiß des Werkzeuges hintenanhalten; dieser Satz bedarf keiner experimentellen Bestätigung, ein jeder Dreher beurteilt während der Arbeit den Zustand seiner Werkzeugschneide nach dem Spane, sowie auch nach dem Aussehen der erzielten Drehfläche. Der Zusammenhang zwischen dem Schneidekoeffizienten und der Struktur des Spanes liegt nicht so klar zu Tage, jedoch auch hier wird ceteris paribus die Schneidearbeit um so geringer sein, je regelmäßiger die Spanbildung vor sich geht. Ständig oder zufällig eintretende seitliche oder Querverschiebungen der Spanelemente äußern sich z.B. in Arbeitsstörungen beim Schneiden und erfordern einen Mehrverbrauch von Energie. Da einer der Zweck der vorliegenden Arbeit war, die Bedingungen festzustellen, unter welchen ein ruhiges Spanabtrennen erfolgt, so wurde beim Ermitteln des Einflusses des Winkels x, gleichzeitig mit dem Bestimmen der Schneidekoeffizienten, die Struktur des Spanes, der Charakter seiner Windungen und das Aussehen der erhaltenen Oberfläche beobachtet. Die Schneidekoeffizienten wurden bestimmt, indem das Mittel der Wattmeterablesungen bei Leerlauf und Arbeitsgang der Werkbank beim Schneiden ermittelt wurden; da der Motor vorher untersucht worden war, so ergab sich die Möglichkeit, seinen Einfluß auszuschalten. Wird die Reibungsarbeit beim Leerlauf und beim Schneiden als ungeändert vorausgesetzt, so ergibt sich die in 1 Sek. zum Spanabtrennen benötigte Arbeit direkt als Differenz der erwähnten Wattmeterablesungen. Durch Division dieser Differenz in die an der Außenfläche des Werkstückes bestimmte lineare Schneidegeschwindigkeit i. d. Sekunde, sowie in die Fläche des Spanquerschnitts wird der Schneidekoeffizient bestimmt. Dieser Koeffizient fällt natürlich ein wenig zu groß aus, da die Annahme, daß bei Leerlauf und Arbeitsgang die Reibungen in der Werkbank gleich sind, nicht streng erfüllt ist und im Gegenteil beim Arbeitsgang die Reibung anwachsen kann. Andererseits wird der Wert dieses Koeffizienten dadurch verringert, daß die Schneidegeschwindigkeiten nicht in dem (uns unbekannten) Zentrum des Druckes aufs Werkzeug, sondern an der Peripherie des Werkstückes gemessen werden. Die Berechnungsfehler sind also mit entgegengesetzten Zeichen behaftet, wodurch die Genauigkeit der erhaltenen Resultate eine günstige Steigerung erhält.     Ist nun beim Leerlauf der Werkbank die Wattmeter-ablesung                                                    (in Watt) Wo beim Arbeitsgang der Werkbank                  „     „ W der Wirkungsgrad des Motors im ersten Falle ηo   „             „           „        „      „  zweiten  „ η die lineare Schneidegeschwindigkeit (m. i. d.    Sekunde) v die Fläche des Spanes (der abgetrennten Schicht)    in qmm ω, so beträgt der Schneidekoeffizient K (in kg auf 1 mm): k=\frac{(W_{\eta}-W_0\,\eta_0)\,0,102}{v\,\omega}. Betreffs der Beobachtungen über die Struktur des Spanes, richtiger gesagt, seiner Abtrennung, wäre zu bemerken, daß sie mit bloßem Auge resp. mit einer Handlupe angestellt werden. Aus der Zusammenstellung in Diagramm 4 (s. später) ergibt sich, daß die Schneidekoeffizienten mit der Verringerung des Winkels x bis 30° abnehmen, darauf aber von 25° an ein Anwachsen aufweisen, die Aenderungen sind jedoch klein, und die Koeffizienten liegen zwischen 212 und 202 kg. Hervorzuheben wäre, daß bei den Werten von x = 30° bzw. 25° das Abtrennen des Spanes am ungestörtesten vor sich geht; es hat hierbei den Anschein, als fließe das Metall längs dem Werkzeug, der Span rollt sich gleichmäßig auf, Querverschiebungen der Spanelemente treten nicht zu Tage, und die Drehfläche ist gleichmäßig, von mattem Aussehen. Bei einem Winkel von 20° geht das Schneiden schon unruhiger vor sich, der Span rollt sich zu Windungen verschiedenen Durchmessers auf, in der Struktur sind jedoch keine Unterschiede gegenüber den vorhergehenden zu bemerken. Bei einem Winkel von 40°, insbesondere aber von 45° kommt es bisweilen sogar zum Brechen des Spanes, und daher wird die bearbeitete Fläche rauh, von ungleichmäßigem Glanz; am Spane sind Querverschiebungen zu bemerken und er ist in einzelnen Teilen verschieden gefärbt. Die Prüfungen haben demnach ergeben, daß die günstigsten Resultate: Energieersparnis, ruhiger Schneideverlauf und gefälliges Aussehen der Drehfläche bei Werten des Winkels x = 25° bzw. 30° erhalten werden. Eine weitere Stütze für die Rationalität dieser Winkel ergaben Versuche über die Abnutzung des Werkzeuges die an Spänen desselben Querschnittes: 4\,\times\,1\,\frac{1}{2}=6\mbox{ qmm}, jedoch bei größeren Geschwindigkeiten angestellt werden. Hierbei wurde mit Winkeln φ = 25° bzw. 45° gearbeitet. Es erwies sich, daß beim Schneiden eines 180 mm dicken Gußblockes bei φ = 25° und der Lineargeschwindigkeit 36,2 m im Verlauf von 9 Minuten nicht die geringsten Anzeichen eines Stumpfwerdens des Werkzeuges zu bemerken waren; beim Schneiden desselben Blockes mit der etwas geringeren Geschwindigkeit von 34,2 m unter dem Winkel φ = 45 wurde das Werkzeug zum Ende der 6ten Minute stumpf. Das Ermitteln der typischen Geschwindigkeit nach Taylor, d. i. der Geschwindigkeit, bei welcher das Werkzeug zum Ende der 20ten Minute stumpf wird, scheiterte an der Kürze des Blockes, der bei einem Vorschub von 1\,\frac{1}{2}\mbox{ mm} bloß für 9 Minuten reichte, sowie auch an dem Mangel eines Mechanismus zum kontinuierlichen Aendern der Geschwindigkeit. Die angeführten Tatsachen sprechen zu Gunsten der Einstellung der Werkzeugschneide unter einem Winkel von 25° oder 30° zur Vorschubrichtung. Bei φ = 30 gleicht die effektive Dicke der abgetrennten Schicht der Hälfte des Vorschubs, d.h. der Span besitzt eine zweimal geringere Dicke, als der Span des Abstechstahls, dessen Schneide unter einem Winkel von 90 zur Vorschubsrichtung steht. Eine andere praktische Aufgabe der vorliegenden Untersuchung bestand in der Ermittelung des vorteilhaftesten Spanquerschnitts und der vorteilhaftesten Schneidegeschwindigkeit. Wie schon oben erwähnt, war die Laboratoriumswerkbank schwach, ohne ihr Getriebe zu beschädigen, konnten mit ihr nur Späne von höchstens 8 qmm abgetrennt werden. Auf der Fabrik ist man jedoch zwecks Produktionssteigerung genötigt, mit 5–10 mal größeren Spänen zu rechnen. Geht man z.B. von einer stündlichen Produktion von 1 t Späne aus, bei einer Schneidetiefe von 10 mm und der Geschwindigkeit 12 m/min, so müssen die 4 Supporte der Fabrikbank einen Vorschub von 4 mm erhalten; hierbei würde der Spanquerschnitt 40 qmm betragen, also 5 mal mehr, als der maximale Querschnitt auf der Laboratoriumsbank. Auf Grund der erwähnten Umstände sah ich mich genötigt, bei Aufstellung des Programms der Laboratoriumsversuche auf das AehnlichkeitsgesetzN. N. Sawwin, Ueber d. Schneidwiderstand d. Metalle, Leipzig 1909, S. 7. zurückzugreifen. Die Anwendbarkeit dieses Gesetzes in unserem Falle beruht auf der Voraussetzung, daß das Kanonenmaterial das gleiche ist, einer Voraussetzung, die genügend wahrscheinlich ist. Die Form des Werkzeugs bietet auch keinen Anlaß zu irgendwelchen Zweifeln, denn die vorerst festgestellten Methoden der Anfertigung der Werkzeuge und ihrer Befestigung in den Haltern bieten die absolute Gewißheit, daß auf der Fabrik und im Laboratorium die Schneidekanten der Werkzeuge streng ähnlich sein werden, und ihre Stellung zum Werkstück identisch ist. Im gegebenen Falle, nämlich beim Ausdehnen der Schlüsse und Resultate von Laboratoriumsuntersuchungen auf den Fabrikbetrieb, zwingt zur Benutzung des Aehnlichkeitsgesetzes der Mangel jeglicher anderer Prinzipien und Methoden zur Uebertragung des Laboratoriumsexperimentalmaterials. Der Vorteil dieses Gesetzes liegt darin, daß die Gleichheit des Geschützstahlmaterials zu Gleichheit der Deformationsgeschwindigkeiten führt. Es werden also die vermittels Laboratoriumsversuche als vorteilhafteste gewählten Geschwindigkeiten auch im Fabrikbetriebe die vorteilhaftesten sein. Die Willkür in der Wahl des Spanquerschnitts findet insofern eine Einschränkung, als auf der der Fabrik Schneidetiefen von \frac{3}{8}'' und \frac{1}{2}'' erwünscht sind, um das Schruppen des Geschützblockes in einem Gange auszuführen. (Schluß folgt.)