Titel: | Die siegreichen Flugmotoren des Kaiserpreis-Wettbewerbes 1912. |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 132 |
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Die siegreichen Flugmotoren des
Kaiserpreis-Wettbewerbes 1912.
(Siehe auch Béjeuhr:
Kaiserpreis-Wettbewerb für deutsche Flugzeugmotoren S. 113 d. Bd.)
Die siegreichen Flugmotoren des Kaiserpreis-Wettbewerbes
1912.
Der 100 PS Benz-Flugmotor, Träger des Kaiserpreises
(Abb. 1 bis 3),
ist ein vierzylindriger wassergekühlter Motor von 130 mm Bohrung und 180 mm Hub.
Seine Leistung beträgt bei einer Tourenzahl von 1250 bis 1300 i. d. Min. etwa 100
PS. Die Tourenzahl läßt sich ohne Schaden für den Motor bis auf etwa 1350 bis 1380
i. d. Min. steigern, und die Leistung des Motors ist dann eine entsprechend höhere.
Bei der siebenstündigen Dauerbremsung im Wettbewerb um den Kaiserpreis war die
Leistung des Motors durchschnittlich 103 PS bei 1290 Touren i. d. Min.
Textabbildung Bd. 328, S. 132
Abb. 1.
Textabbildung Bd. 328, S. 132
Abb. 2.
Der größte Wert wurde bei der Konstruktion und Ausführung des Motors auf absolute
Betriebssicherheit gelegt. Alle Teile des Motors sind aus dem besten Material
hergestellt und mit peinlicher Sorgfalt kontrolliert. Wo es irgend angängig ist,
sind empfindliche Teile des Motors, deren Versagen den Motor außer Betrieb setzen
könnten, in doppelter Ausführung vorhanden.
Die Ventile des Motors sind in der Mitte des Zylinderkopfes nebeneinander
hängend angeordnet und werden durch Kipphebel von der einseitig angeordneten
Nockenwelle aus gesteuert, welche ihren Antrieb von der fünffach gelagerten
Kurbelwelle vermittels innerhalb des Kurbelgehäuses liegender Stirnräder erhält.
Durch Zwischenräder der Steuerübertragung werden gleichzeitig zwei Magnetapparate
sowie die Wasserpumpe in Tätigkeit gesetzt. Abgesehen von den Ansaugrohren sind
keinerlei äußere Rohrleitungen an diesem Motor zu bemerken. Selbst die mit
vertikaler Welle rotierende Zentrifugal-Wasserpumpe schließt sich nur mit einem
kurzen Rohrkrümmer, der mit dem Pumpengehäuse aus einem Stück gegossen ist, an den
hintersten Zylinder an. Das Kühlwasser zirkuliert der Reihe nach durch die vier
Zylinder, welche zu diesem Zwecke an den einander zugekehrten Seiten mit je zwei
übereinander liegenden Oeffnungen des Kühlwassermantels versehen und vermittels
stark eingepreßter Gummiringe gegeneinander abgedichtet sind.
Die zwei Magnetapparate mit getrennten Antriebrädern arbeiten unter
übersichtlichster Kabelverlegung auf je zwei einander diametral gegenüberliegende
Zündkerzen in jedem Zylinder gleichzeitig. Die Oelumlaufpumpe und die Frischölpumpe
werden von zwei verschiedenen Stellen betätigt. Jede dieser beiden Pumpen drückt das
Oel durch besondere Leitungen in die Hauptlager und von da aus durch die Kurbelwelle
zu den Kurbelzapfen. Außerdem erhalten die letzteren noch das von den Hauptlagern
abspritzende Oel unter Verwendung von Oelfangschalen. Jede dieser beiden Pumpen ist
imstande, für längere Zeit dem Motor genügend Oel zuzuführen. Selbst der sonst so
gefürchtete Bruch einer Ventilfeder ist belanglos, da jedes Ventil von zwei um die
gleiche Achse angeordneten Federn auf seinen Sitz gedrückt wird.
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Abb. 3.
Die Zylinder des Motors sind unter Verzicht auf noch größere Leichtigkeit nicht
aus Stahl, sondern aus einem hervorragenden Spezialgrauguß hergestellt, da Gußeisen
weniger zum Verziehen neigt als Stahl und nicht so leicht Anlaß zum Fressen des
Kolbens gibt. Die Kühlwassermäntel der Zylinder bestehen aus autogen geschweißtem
Stahlblech.
Besonderer Wert wurde auch auf die Erzielung eines geringen Benzinverbrauches gelegt.
Derselbe war auch bei den Prüfungen im Kaiserwettbewerb überraschend gering; es
wurde bei der Dauerbremsung ein Benzinverbrauch von weniger als 210 g i. d. PS/Std.
festgestellt. Dieses Resultat ist teils auf die für alle Zylinder gleichmäßig
günstige Gasverteilung, besonders aber auf die eigenartige Vergaser – Konstruktion
zurückzuführen. Der Vergaser ist nämlich derart in das Kurbelgehäuse mit eingezogen,
daß er ihm die den Lagern und der Schmierung schädliche und überflüssige Wärme
entzieht und sie zu einer vollkommenen Vergasung des Benzins benutzt. Außerdem steht
er in Verbindung mit dem Kühlwassermantel eines der Zylinder bzw. mit der
Zentrifugalpumpe und wird durch Warmwasserheizung gegen das Vereisen geschützt.
Von der Stelle ab, an der die Vergasung beendet ist, wird dem Gase keine weitere
Wärme mehr zugeführt.
Durch statische und dynamische Ausbalancierung sämtlicher bewegter Teile sind die
Schwingungen auf ein Minimum reduziert. Das Gewicht des Motors einschließlich aller
daran befindlicher Rohrleitungen und Armaturen, zweier Magnetapparate und zweier
Kerzensätze mit den dazu gehörigen Kabelleitungen beträgt etwa 153 kg.
Der Daimler-75/85 PS-Sechszylinder-Flugmotor, Träger des
Reichskanzlerpreises im Flugmotorenwettbewerb 1912 (Abb.
4 und 5).
Der Motor hat sechs Zylinder, die in Stahl ausgeführt sind. Die Bohrung der Zylinder
beträgt 105 mm und der Hub der Maschine 140 mm. Bei einer normalen Drehzahl von 1350
Umdrehungen i. d. Min. leistet der Motor etwa 85 PS. Je zwei Zylinder des Motors
sind zusammengeschweißt mit einem gemeinsamen Kühlmantel aus Stahlblech umgeben und
senkrecht angeordnet. In jedem Zylinder ist ein Ein- und ein Auslaßventil eingebaut,
die schräg zu der Zylinderachse unmittelbar über dem Kolben angeordnet sind. Die
Ventile werden durch eine über den Zylindern liegende gemeinsame Steuerwelle, unter
Zwischenschaltung von Schwinghebel und Spiralfedern betätigt. Der Antrieb der
Steuerwelle erfolgt durch Kegelräderpaare, die auf der dem Propeller
entgegengesetzten Seite des Motors angeordnet sind. Das Montieren und Demontieren
der Steuerwelle kann bei dieser Anordnung sehr einfach vor sich gehen, da die
Steuerwelle von einem einheitlichen Gehäuse bedeckt ist, und daher nur wenige
Schrauben angezogen bzw. gelöst werden müssen.
Der Motor ist mit einem Mercedes-Doppeldrehschiebervergaser mit Warmwasserheizung
ausgerüstet, der je drei Zylinder des Motors durch ein Vergaserelement mit Gemisch
versieht. Der Benzinverbrauch beträgt für 1 PS und Stunde nicht mehr als etwa 240
g.
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Abb. 4.
Die Zündung erfolgt durch zwei getrennt arbeitende Hochspannungszündvorrichtungen mit
mechanischer Zündzeitpunktverstellung. Die Zündapparate sind auf der Stirnseite des
Motors entgegen dem Propeller angebracht und werden von einer Stelle der Kurbelwelle
aus angetrieben.
Die Schmierung des Motors erfolgt durch eine Zirkulationsölung mit Frischölzusatz.
Hierbei wird das Oel durch eine Druckpumpe den einzelnen Schmierstellen zugeführt.
Damit das überschüssige Oel, das aus den Schmierstellen abtropft, wieder der
Oelpumpe zulaufen kann, ist diese an der tiefsten Stelle des Gehäuseunterteils
eingebaut. Der Schmierölverbrauch für 1 PS und Stunde beträgt etwa 15 g.
Textabbildung Bd. 328, S. 134
Abb. 5.
Der Motor hat; Wasserkühlung und der Umlauf des Kühlwassers wird durch eine
Kreiselpumpe bewirkt. Der Antrieb der Kühlwasserpumpe, der Schmierölpumpe und der
Zündapparate sowie der Steuerwelle ist auf der dem Propeller entgegengesetzten
Stirnseite des Motors angeordnet, und zwar werden diese Apparate von einer Stelle
der Kurbelwelle aus betätigt. Diese Konstruktion, die als sehr kompendiös
bezeichnet werden kann, bringt in bezug auf leichte Zugänglichkeit des Antriebs und
Betriebssicherheit verschiedene Vorteile mit sich.
Zum Ingangsetzen des Motors ist eine Andrehkurbel und ein Handanlaßmagnet vorgesehen.
Das Motorgewicht einschl. zweier Magnetapparate, Kühlwasserpumpe, Schmierölpumpe und
der am Motor befindlichen Leitungen beträgt etwa 142 kg.
Durch die Verwendung von Stahlzylindern wird gegenüber der Verwendung von
Gußzylindern im Vergleich zur Leistung der Maschine ein bedeutend kleineres
Gesamtgewicht erreicht, obwohl die Lagerstellen und Reibflächen so reichlich gewählt
sind, daß eine rasche Abnutzung nicht zu befürchten ist. Auch ist auf die
Dichtungsstellen besondere Sorgfalt verwendet worden, so daß in jeder Hinsicht eine
Störung des Betriebs möglichst ausgeschlossen erscheint.
Die am Motor angebrachten Steuerungen sind durch Patente und Gebrauchsmuster
geschützt.
Der NAG-Flugmotor. Von den von der Neuen Automobilgesellschaft zum Kaiserpreis gemeldeten beiden Motortypen,
60 und 95 PS, haben beide Motoren die Vorprüfung, welche die Motoren in
verschiedenen Lagen und Belastungen erprobte, die Hauptprüfung über sieben Stunden
mit voller Belastung und endlich die vom Preisgericht nachträglich eingesetzte
nochmalige zweimal dreistündige Probe unter erschwerten Betriebsverhältnissen
vollkommen bestanden. Der kleinere Motor (Abb. 6 60
PS) mit 120 mm Bohrung und 120 mm Hub, der sich hauptsächlich zur Verwendung in
kleinen Beobachtungs-, Patrouillen- usw. Apparaten eignet, wie sie der Militär- bzw.
Marineverwaltung in Kürze vorgeführt werden, hatte den geringsten Oelverbrauch von
allen beim Kaiserpreis geprüften Maschinen, denn die zweimalige Messung hatte ergeben,
daß er für den siebenstündigen Betrieb unter Vollast bei einer Drehzahl von
1400/Min. und einer Leistung von rund 60 PS nur 1,76 kg Oel gebraucht hat, ein
Erfolg, der auf besonders sorgfältige Arbeit und Abdichtung schließen läßt. Obwohl
der Motor als kleines Aggregat schwer auf ein annehmbares Gewicht für 1 PS zu
bringen ist, trat er doch in dieser Hinsicht den ersten Motoren des Wettbewerbes an
die Seite. Auch die Prüfung aller Teile des Motors nach den Probeläufen zeigte ein
einwandfreies Ergebnis. Der mit 95 PS gemeldete Motor (Abb. 7) ergab während der Dauerprobe 97,0 PS und hatte einen
Benzinverbrauch von 214 g für 1 PS und Stunde, wohl die kleinste für ähnliche
Motoren bisher erreichte Zahl. Diesen Motor, der schon in über 100 Exemplaren gebaut
und meist in Militärmaschinen verwendet wird, hat eine Bohrung von 135 mm und einen
Hub von 160 mm. Bei der Nachprüfung zur Ermittlung der Zuverlässigkeit ereignete
sich ein Vorfall, der für die kräftige Bauart und gute Arbeit, sowie für die
Verwendung bester Baustoffe unbeabsichtigt einen überzeugenden Beweis gab.
Bekanntlich wurde nur der Motor mit Kühlanlage, jedoch nicht der Propeller gewertet,
der nur zur Belastung des Motors diente. Infolge einer Beschädigung des Propellers
riß bei der letzten Probe ein Flügel desselben an der Nabe ab und floß: zum Dach des
Prüfschuppens hinaus. Durch die hierbei auftretenden außerordentlich starken
Erschütterungen riß sich der Motor von seinem Fundament los, zerbrach die Auflagen
und fiel auf die etwa 30 cm tiefer liegenden Eisenträger auf. Die NAG- Mannschaft
brachte nur einen anderen Propeller an und setzte den Motor noch einmal der Prüfung
auf Zuverlässigkeit aus, die er sicher bestand. Einheitsgewicht des Motors 95 PS
3,95.
Textabbildung Bd. 328, S. 135
Abb. 6.
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Abb. 7.
Der Argus-Motor (Abb. 8 u.
9) der gleichnamigen Motoren-Gesellschaft m. b.
H. besitzt zwei paarweise gegossene, stehend angeordnete Spezial – Graugußzylinder.
Zylinder und Wassermantel sind ein Gußstück; dadurch sind
Undichtigkeiten ausgeschlossen, die bei Kupfer- oder Aluminiumwassermänteln, welche
nachträglich an den Zylindern angebracht werden, nie zu vermeiden sind. Die Ein- und
Auslaßventile sind gesteuert angeordnet und werden direkt mittels Stößel von einer
seitlich im Kurbelgehäuse in Kugellagern rotierenden Nockenwelle betätigt.
An der vorderen Seite des Motors befinden sich die Antriebsräder für Steuer welle,
Magnet und Kühlwasserpumpe. Die aus Stahlscheiben hergestellten Präzisionsräder
gewähren einen besonders ruhigen Lauf, was dem Motor sehr zugute kommt. An der
hinteren Antriebsseite des Motors befindet sich, konisch auf das Kurbelwellenende
aufgesetzt, die Propellernabe mit Flansch zur direkten Befestigung des Propellers,
so daß Saug-
und Druckschrauben verwendbar sind.
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Abb. 8.
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Abb. 9.
Die im Wettbewerb verwendete 100 PS-Type ist übrigens in fast 90 v. H. aller
deutschen Flugzeuge eingebaut und hat eine stattliche Zahl Siege und Rekorde zu
verzeichnen.