Titel: | Die augenblickliche Verbreitung der Dampfüberhitzung und ihrer Anwendungsformen. |
Autor: | Berner |
Fundstelle: | Band 328, Jahrgang 1913, S. 212 |
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Die augenblickliche Verbreitung der
Dampfüberhitzung und ihrer Anwendungsformen.
Von Dr.-Ing. Berner, Oberingenieur des
Magdeburger Vereins für
Dampfkesselbetrieb.
(Fortsetzung von S. 196 d. Bd.)
BERNER: Die augenblickliche Verbreitung der Dampfüberhitzung
usw.
Als erste und ursprünglich häufigste Methode wird nur der Maschinendampf durch
den Ueberhitzer geleitet und der Dampf für andere Zwecke als Sattdampf durch eine
besondere Leitung dem Kessel unmittelbar entnommen. Diese Verwendungsart wird
neuerdings immer mehr durch die andere verdrängt, bei der der hochgespannte und
hochüberhitzte Dampf zunächst in den Maschinen soviel von seinem Wärmeinhalt in
mechanische Arbeit umsetzt, bis er auf die für seine sonstige Verwendung nötige
Spannung herabgesunken ist. Es wird also der Maschinenabdampf als Fabrikationsdampf verwendet. Diese zweite Methode ist der
erstgenannten wirtschaftlich so weit überlegen, daß damit in allen Fällen, wo sie
sich anwenden läßt, die weitere Frage der unmittelbaren Verwendung des überhitzten
Dampfes auch für Fabrikationszwecke vollständig ausscheidet. Mit der immer mehr
zunehmenden Verwertung des Maschinenabdampfes hat also diese Frage sehr an Bedeutung
verloren und kommt nur noch für die Fälle in Betracht, wo wesentlich mehr
Fabrikations- als Maschinendampf gebraucht wird, so daß es nicht möglich ist, die im
Fabrikationsdampf steckende Arbeit vollständig zu verwerten. Man ist zwar bestrebt,
durch Verbindung von Kraft- und Heizwerken auch diese Fälle immer mehr zu
beschränken. Man wird aber doch noch häufig genötigt sein, besondere Koks- oder
Heizkessel aufzustellen, und dann erst wird die Frage praktisch, sollen auch diese
mit Ueberhitzern ausgerüstet werden.
Läßt man die chemischen und physikalischen Wirkungen des überhitzten Dampfes, ebenso
die etwaigen ZeitunterschiedeDie Zeitdauer fällt
zwar auch unter die wirtschaftlichen Gesichtspunkte, ist aber, ohne auf die
einzelne Vorrichtung und die Art des Erwärmungsprozesses einzugehen, einer
allgemeinen Behandlung nicht zugänglich. Hierbei spielt z.B. die Frage, ob
es sich um unmittelbare oder mittelbare Heizung, um die Erwärmung von Gasen
oder Flüssigkeiten handelt, eine Rolle, weil die einzige Veränderung durch
überhitzten Dampf, nämlich die Veränderung des Uebergangskoeffizienten vom
Dampf zur Heizfläche je nach den Verhältnissen ganz verschieden zur Wirkung
kommt. bei den Arbeitsprozessen beiseite, so sind vom rein
wirtschaftlichen Standpunkte aus für die Beantwortung der Frage die folgenden
Umstände zu beachten:
Zunächst die Tatsache, auf die wohl KraußZeitschr. der Wiener Dampfkessel-Unters,
und Vers.-Ges. A.-G. 1903, S. 5 und 7. zuerst
hingewiesen hat, daß allgemein ein Erwärmungsvorgang um so vorteilhafter erfolgt, je
größer die Gesamtwärme des Dampfes ist; allerdings unter der besonderen
Voraussetzung, daß der mit abnehmender Gesamtwärme auftretende Mehrverbrauch an
Wärme keine Verwendung finden kann. Praktisch ist das sehr selten der Fall, aber
auch sonst dürfte der bezeichnete Vorteil nur wenige Hundertteile betragen, wegen
deren man sich zum Einbau eines Ueberhitzers kaum entschließen wird.
Weiterhin kommen die Unterschiede bei der Fortleitung des gesättigten und überhitzten
Dampfes in Betracht. Hier wird vielfach behauptet, daß allgemein Vorteile zugunsten
des überhitzten Dampfes vorhanden seien, was damit begründet wird, daß der
überhitzte Dampf ein geringeres Wärmeleitvermögen besitzt und seine Wärme nicht so
leicht an die Rohrwände abgibt. Nach den darüber vorliegenden VersuchenVergl. hierzu Z. d. V. d. I. 1908, S. 626 u.
f. ist allerdings die Wärmeübergangszahl α vom Dampf zur Rohrwand, d.h. die Anzahl Wärmeeinheiten, die für 1° C
Temperaturunterschied von Dampf und Wand an 1 qm Rohrfläche in einer Stunde
übergeht, bei überhitztem Dampf wesentlich kleiner als bei gesättigtem. Bei
letzterem übersteigt sie den Wert α = 2000, bei
überhitztem Dampf schwankt sie je nach der Geschwindigkeit zwischen den Werten α = 75 bis 180. Hierbei ist aber zu beachten, daß der
Uebergangswiderstand vom Dampf zur Rohrwand nur einen, und zwar verhältnismäßig
kleinen Teil des gesamten Durchgangswiderstandes vom Dampf zur Luft ausmacht,
weshalb die Veränderung der Uebergangszahl α durch die
Ueberhitzung den Gesamtwiderstand und damit den Wärmeverlust fast gar nicht
verändert. Die Wärmedurchgangszahlen vom Dampf zur Luft nehmen dementsprechend mit
wachsender Ueberhitzung des Dampfes nicht etwa ab, sondern im Gegenteil stark
zu.
Nur wenn bei Sattdampf das sich bildende Niederschlagwasser unausgenutzt wegfließt,
sind die Wärmeverluste bei Ueberhitzung bis etwa auf 250° C kleiner. Auf diesen
Umstand führt sich auch wohl die Ansicht zurück, daß mit mäßiger Ueberhitzung unter
allen Umständen Vorteile verknüpft seien.
Gerade der Umstand, daß bei Fabrikations- oder Heizdampf in der Regel alles
verfügbare Rückwasser aus den Vorrichtungen und Leitungen auch bei Sattdampf
sorgfältig Verwendung findet, kann schon bei mäßigen Ueberhitzungen Mehrverluste
eintreten lassen. Außerdem kann man durch die Wahl kleiner Rohrdurchmesser die
Wärmeverluste an sich sehr niedrig halten, was allerdings häufig übersehen wird. Bei
an sich guten Anlagen ist also ein bemerkenswerter Vorteil von der Fortleitung des
überhitzten Dampfes nicht zu erwarten.
Dagegen wird am Kessel durch den Einbau des Ueberhitzers immer dann eine Erhöhung der
Wärmeausnutzung eintreten, wenn die Heizgase nicht schon durch Vorwärmer oder mäßige
Beanspruchung genügend abgekühlt werden, was für Kochkessel in der Regel zutrifft,
weil sie zur Verringerung der Anlagekosten oder infolge der großen
Belastungsschwankungen meist stark beansprucht werden. Auch ist bei Kochkesseln die
Verwendung von Ekonomisern bei niedriger Spannung und hoher Temperatur des
Rückwassers meist von geringem Vorteil.
Aus diesen Betrachtungen ergibt sich, daß die Zweckmäßigkeit der Anwendung des überhitzten Dampfes für Koch- und
Heizzwecke nicht so allgemein und einfach zu entscheiden ist, wie für
Maschinenbetrieb. Die Anwendung kann vorteilhaft sein, sie ist es aber nicht unter
allen Umständen. Man kann höchstens allgemein noch sagen: In stark beanspruchte
Kessel ohne Ekonomiser wird man auch für Kochzwecke Ueberhitzer mit Nutzen einbauen.
Dieses Ergebnis stimmt vollständig mit den tatsächlichen Betriebserfahrungen
überein.
Nach den gemachten Erhebungen ist die Anwendung für Kochzwecke gegen früher ohne
Zweifel zurückgegangen. Nach den Angaben von ErnstProtokoll der 31. Versammlung des Inter.
Verbandes der Dampfkesselüberwachungsvereine 1902, S. 122. waren
es im Jahre 1902 etwa 7 v. H., nach den Erhebungen des Bayerischen Revisionsvereins
im Jahre 1907 etwa ö v. H., nach den jetzigen Erhebungen ist es kaum 1 v. H. aller
Ueberhitzeranlagen, die Dampf für Kochzwecke überhitzen. Dagegen sind die gemischten Betriebe mit 21 v. H. gegen früher gewachsen,
was aber zweifellos auch damit zusammenhängt, daß für reine Kraftanlagen neben der
Dampfmaschine immer mehr andere Wärmekraftmaschinen Verwendung finden.
Die durchschnittliche Spannung und Temperatur des
überhitzten Dampfes liegt für Kraftzwecke heute schon zwischen 10 und 11 at bzw. 300
und 350° C, also in beiden Fällen ziemlich hoch. Die ursprüngliche Annahme, daß
man durch die Ueberhitzung auf die hohen Spannungen verzichten werde, hat sich
durchaus nicht bestätigt. Spannungen bis 14 at sind gar nichts Seltenes;
ausnahmsweise trifft man Spannungen bis 19 at. Die hohen Spannungen bieten besonders
den Vorteil, in den Leitungen mit großen Spannungsverlusten und dementsprechend mit
geringen Wärmeverlusten arbeiten zu können. Man ist damit in der Lage, an der
Maschine mit hohen Temperaturen arbeiten zu können, ohne den Ueberhitzer unnötig
hoch beanspruchen zu müssen, was bekanntlich dann von Wichtigkeit ist, wenn man in
die Nähe der erfahrungsgemäß zulässigen Grenztemperaturen
kommt. Bis vor kurzem hat man immer wieder behauptet, Temperaturen über 300° C
bringen bei Kolbenmaschinen durch die starke Zunahme des Oelverbrauchs und der
Abnutzung an den Kolbenringen und dem Zylinder keine Vorteile mehr. Es darf aber
heute als erwiesen gelten, daß gutgebaute Maschinen jedenfalls bis zu Leistungen von
1000 PS, also bis zu der Grenze, die heute für Kolbenmaschinen in der Hauptsache
noch in Betracht kommt, auch bei höheren Temperaturen bis 350° C keinen
ungewöhnlichen Verschleiß oder Oelverbrauch zeigen.
Bei Kolbenmaschinen über 1000 PS geht man allerdings auch heute noch nicht gern über
300° C. Es ist zweifellos in erster Linie mit das Verdienst des Lokomobilbaues, den
Nachweis der Betriebssicherheit und Wirtschaftlichkeit auch der hohen Ueberhitzung
erbracht zu haben.
Bei Turbinen sind seit der allgemeinen Anwendung der Geschwindigkeitsräder in der
Hochdruckstufe Temperaturen von 325° C fast zur Regel geworden.
Als Baustoff für die Ueberhitzerrohre findet bekanntlich
heute noch sowohl zähes Material wie Gußeisen VerwendungBis auf die Ueberhitzer für Seeschiffe, bei
denen die Verwendung von Gußeisen neuerdings verboten und an sich wohl auch
nie vorgekommen ist.. Ursprünglich ist Gußeisen ohne Zweifel sehf
verbreitet gewesen. Es gab Zeiten, wo mindestens ¼ aller Ueberhitzer aus Gußeisen
bestanden. Das hing damit zusammen, daß der Erfinder des gußeisernen Ueberhitzers
mit zu den Pionieren der Dampfüberhitzung gehörte und seine ersten Ueberhitzer schon
vor 22 Jahren baute. Heute dürfen in Deutschland die gußeisernen Ueberhitzer
vielleicht auf 8 bis 10 v. H. geschätzt werden, was bei der gewaltigen Zunahme der
letzten Jahre immer noch recht viel heißen will. Die Verbreitung ist im übrigen sehr
ungleichmäßig. Es gibt Vereine mit heute noch 18 v. H. gußeisernen Ueberhitzern – 97
in einer Anlage – und es gibt Vereine, bei denen sie vereinzelt geblieben sind. Der
Hauptvorzug des Gußeisens ist die große Dauerhaftigkeit, bedingt durch die größere
Wandstärke, allerdings nur, wenn der Ueberhitzer nicht überanstrengt wird. Gegen
hohe Heizgastemperaturen ist der gußeiserne Ueberhitzer mindestens so empfindlich
wie der aus zähen Baustoffen.
Bei der Bauart der Ueberhitzer sollen nur die
wesentlichsten Gesichtspunkte kurz erörtert werden.
Ein verhältnismäßig großer Teil, mindestens 30 v. H. aller Ueberhitzer, besitzt
überhaupt keine Dampf- oder Sammelkammern, darunter alle gußeisernen Ueberhitzer und
die meisten Lokomobilüberhitzer. Es beweist das, daß die Parallelschaltung nicht
unbedingt erforderlich ist, obwohl sie für Ueberhitzer in hohen Heizgastemperaturen
gewisse Vorteile bietet. Man kann sich beim Durchbrennen einzelner Rohre im
allgemeinen besser helfen. Bei Parallelschaltung ist die Wahl zu enger Rohre
ebensowenig zweckmäßig wie die Anordnung zu geringer Abstände zwischen den Rohren.
Auch muß man hierbei darauf achten, namentlich wenn es sich um U-förmige, hängende
Rohre handelt, daß die Dampfgeschwindigkeit nicht zu klein wird, nicht etwa wegen
des Wärmedurchgangs, sondern wegen des leichteren Verstopfens und Zusetzens
einzelner Rohre, die dann natürlich notwendig durchbrennen.
Von den Dampfkammern sind nach den Erhebungen weitaus die
meisten und zwar
66 v. H. aus geschweißtem oder gezogenem Flußeisen,
22 v. H. aus Gußeisen und
12 v. H. aus Stahlguß.
Es bestehen also noch recht viele Kammern aus Gußeisen, das besonders anfänglich in
noch stärkerem Maße Verwendung gefunden hatte. Bekanntlich verhält sich Gußeisen
gegenüber überhitztem Dampf ganz eigentümlich. Es gibt Formstücke, die jahrelang den
höchsten Temperaturen anstandslos standgehalten haben und es werden immer wieder,
wenn auch vereinzelt, Fälle bekannt, wo nach verhältnismäßig kurzer Zeit ganz
eigentümliche Zersetzungen auftreten. Die Formstücke dehnen sich aus, quellen
gleichsam auf, bekommen Risse und müssen entfernt werden. Ueber die Ursache ist viel
gestritten worden. Eine reine Temperaturwirkung ist es nicht, nachdem Gußeisen
im Gegensatz zu anderen Baustoffen bis 400° C an Festigkeit fast nichts einbüßt.
Nach den neuesten Untersuchungen von Campbell und GlaßfordKongreßberichte des Intern. Verb. f. d. Materialprüfungen der
Technik 1912, II. 19. ist es mit ziemlicher Sicherheit
eine chemische Wirkung, eine Oxydation des Graphits und Siliziums, die bei
feinkörnigem Eisen auf die Oberfläche beschränkt bleibt, aber um so mehr ins Innere
des Stoffes dringt, je gröber die ausgeschiedenen
Graphitflocken und je größer der Siliziumgehalt ist. Wo man also Gußeisen verwenden
will oder muß, nimmt man am besten ein feinkörniges, siliziumarmes Eisen. Im übrigen
geht im Ueberhitzerbau die Verwendung des Gußeisens ohne Zweifel immer mehr
zurück.
Als eigentliche Heizfläche findet das gewöhnliche glatte Rohr weitaus die meiste Verwendung.
Ihm gegenüber sind alle Sonderkonstruktionen wie Sternrohr, Wirbelstrom-, Platten-,
Doppelrohrüberhitzer fast verschwindend. Der Vorteil dieser besonderen Bauarten soll
meist sehr hoher Wärmedurchgang sein. Leider sind die auf den Wärmedurchgang
einflußnehmenden Umstände nach Art der Größenordnung bis jetzt nur ungefähr bekannt,
so daß es fast unmöglich ist, den Wert einer Konstruktion nach absoluten
Wärmedurchgangszahlen zu beurteilen. Die Klarstellung des Wärmedurchgangs an
Ueberhitzern begegnet deshalb noch besonderen Schwierigkeiten, weil sowohl auf der
Heizgas- wie auf der Dampfseite neben der Wärmeübertragung durch Berührung
gleichzeitig solche durch Strahlung stattfindet.
(Schluß folgt.)