Titel: Kombinierte Oel- und Graphitschmierung.
Autor: Heinrich Putz, Friedrich H. Putz
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 257
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Kombinierte Oel- und Graphitschmierung. Von Dr. Heinrich Putz, Kgl. o. Hochschulprofessor der Chemie und Friedrich H. Putz, Chemiker, vorm. Werkdirektor, Passau. PUTZ: Kombinierte Oel- und Graphitschmierung. Inhaltsübersicht. Theorie der Reibung geschmierter Maschinenteile nach L. Ubbelohde, Karlsruhe; Wirkung eines Zusatzes von Achesons künstlichem Graphit zu Schmieröl. Natürlicher gereinigter Graphit von blätterig-krystallischer Struktur wirkt weit besser; Erklärung der Wirkung; Naturgraphit in Oel schwebend (Schwebegraphit) ist ein allgemein verwendbares flüssiges Schmiermittel. –––––––––– Die Brauchbarkeit und der außerordentliche Vorteil eines Zusatzes von reinem Graphit zu flüssigen und festen Schmiermitteln ist seit längerer Zeit bekannt und über allen Zweifeln erhaben. Thurston, Chem. Ztg., Rep. 1897; Wagner, Chem. Ztg., Rep. 1899; Dr. Leopold Singer, Pardubitz, 1902 bzw. 1912; Zeitschrift „Graphite“ 1903, Jersey City; C. H. Benjamin von der Pardue-Universität; Zeitschrift des Bayr. Rivisions-Vereins, 1908; Mabery Charles of the Case School of Applied Science, Cleveland, Ohio, 1910 (Meeting of the American Society of Mechanical Engeneers); Professor Gorr, Kerosin- und Graphitmischung, American Scient Soc, 1906 u.a. In neuerer Zeit hat L. Ubbelohde, Karlsruhe, diese vorzügliche Wirkung eines Graphitzusatzes auch theoretisch besser begründet – wie überhaupt die „Theorie der Reibung geschmierter Maschinenteile“ durch Kritik der älteren Ansichten (von Petroff u.a.) und durch neue Arbeiten sehr erheblich gefördert. Bezüglich der Wirkungsweise von Graphit führt er folgendes aus, das aber in einiger Beziehung etwas ergänzt und verbessert werden kann. Im praktischen Maschinenbetrieb hat man es nicht allein mit der Flüssigkeitsreibung im Lager zu tun; es tritt außerdem verschiedentlich auch trockene Reibung zwischen Lagerschale und Zapfen ein, besonders bei Weinen Geschwindigkeiten oder hohem Druck oder unter der gemeinsamen Wirkung beider. Meistens wird der auf trockene Reibung entfallende Teil groß sein, denn es hat den Anschein, als ob in der Mehrzahl der Fälle mit zu dünnflüssigem Schmiermaterial gearbeitet würde. Die zähen Oele sind eben zu teuer. Nun sollte man die trockene Reibung freilich großenteils vermeiden können, indem man ein Schmiermittel von so großer Zähigkeit (Viscosität) auswählt, daß man auf das Optimum der Schmierwirkung gelangt. Indessen hat dies praktisch seine großen Schwierigkeiten. Die Erreichung der Höchstwirkung ist nämlich abhängig: 1. von der Einhaltung einer bestimmten Geschwindigkeit; 2. von der Einhaltung eines bestimmten Druckes; 3. von dem Vorhandensein einer bestimmten Zähigkeit des Oels; 4. von Dimensionen und der hohen Politur des Lagers und Zapfens. Alle diese Forderungen sind aber im praktischen Maschinenbetrieb nicht dauernd erfüllbar, denn 1. wechselt die Geschwindigkeit sehr häufig, man denke nur an das rollende Material der Eisenbahn usw.; 2. wechselt die Belastung, z.B. durch Riemendruck, durch Stöße, Durchbiegen der Wellen usw.; 3. ändert sich die Zähigkeit des Oeles mit der Temperatur; 4. ändert sich die Beschaffenheit und die Dimension des Lagers durch Temperatur, Auslaufen usw. Alle diese Dinge bewirken, daß in den weitaus meisten Fällen auch trockene Reibung eintritt, welche nicht nur an sich den Reibungswiderstand außerordentlich steigert, sondern eventuell auch das Lager durch Auslaufen und Ausschleifen verändert und so immer neue Anlässe für trockene Reibung schafft. Man muß deshalb auf Mittel sinnen, die trockene Reibung, da sie nicht zu vermeiden ist, so weit wie möglich zuverkleinern. Nun wissen wir aus dem Coulomb sehen Gesetz R = μ ∙ N, welches sich auf die trockene Reibung bezieht, daß die Konstante μ von der Beschaffenheit der Oberfläche der reibenden Flächen abhängt und daß sie groß ist, wenn die Flächen große Unebenheiten zeigen. Der Reibungskoeffizient in Maschinenlagern ist deshalb auch bekanntermaßen höher, wenn Zapfen und Lager nicht genügend blank geschliffen sind, und wird am kleinsten, wenn Zapfen und Lager hohe Politur zeigen. Nichtsdestoweniger bleiben auch dann noch Unebenheiten bestehen, welche auch durch Verschmutzung des Lagers immer wieder hervorgerufen werden. Man kennt nun seit langem ein Mittel, die trockene Reibung stark zu vermindern, nämlich die Graphitschmierung. Fein verteilter Graphit hat nämlich die Eigenschaft, die Poren der Oberfläche gleichmäßig auszufüllen, wodurch der Reibungskoeffizient verkleinert wird. Nichtsdestoweniger eignet sich die reine Graphitschmierung in den meisten Fällen nicht zum Ersatz der Oelschmierung und zwar deshalb, weil der Reibungskoeffizient bei trockener Reibung meistens doch noch ein vielfaches größer bleibt als bei Flüssigkeitsreibung, und auch die Zuführung des pulverförmigen Schmiermittels zu den Gleitflächen in den meisten Fällen Schwierigkeiten macht. Eine Kombination der Graphitschmierung mit der Oelschmierung würde jedoch die größten Vorteile haben, indem der Graphit denjenigen Teil des Gesamtreibungskoeffizienten sehr stark herabsetzen würde, der dann auftritt, wenn Zapfen und Lager sich direkt berühren (trockene Reibung), während im übrigen die Vorteile der Oelschmierung vollständig erhalten bleiben. Die praktische Durchführung dieser Kombination ist bis jetzt auf Schwierigkeiten gestoßen, da es nicht gelang, fein verteilten Graphit gleichmäßig gemischt zur Verwendung zu bringen. Einen wesentlichen Fortschritt in dieser Richtung sieht Ubbelohde in dem „Oil Dag“ aus dem künstlichen Graphit des Amerikaners Acheson, worin solcher in feinster Verteilung mit Hilfe von Tannin (Gerbsäure) in eine vollständig beständige Emulsion gebracht wird, welche sogar durch ein Filter nicht mehr in Oel und Graphit getrennt werden kann. Ueber die reibungsvermindernde Wirkung des Oildag sind Versuche angestellt worden. Der Reibungswiderstand betrug nach Zumischung des Oildag zum Oel nur 60 v. H. von demjenigen, welcher das reine Oel ergab. Nach einer Stunde betrug der Reibungswiderstand sogar nur 50 v. H. nach C. H. Benjamin. Auch die Ausdauerfähigkeit des Oeles wird bedeutend größer. (Ch. F. Mabery.) Aus allen diesen vorgenommenen Versuchen geht hervor, daß in Ueberein-stimmung mit der Theorie der in geeigneter Form verwendete Graphit eine außerordentliche Verminderung des Reibungskoeffizienten veranlaßt. Lager- und Zapfenmaterial wird geschont, der Verbrauch an Schmiermittel verringert, der Sicherheitskoeffizient im Betrieb wird größer, so daß man die Maschinenteile sehr viel gefahrloser überlasten kann als sonst. Dies dürfte besonders bei leichten Motoren, Flugmaschinen, Automobilen usw. eine aktuelle Bedeutung haben. Soweit Professor Ubbelohde. Nun ist zu bedenken, daß der Acheson-Graphit nur ein Kunstprodukt aus Anthrazit, durch Glühen im elektrischen Ofen gewonnen und zum Zwecke des Schmierens feinst gepulvert ist. Ein solches Kunstprodukt ist eigentlich gar kein Graphit, d.h. jene allotrope Modifikation des Kohlenstoffes, welche in der Natur als Mineral sich findet und die metallische Modifikation darstellt: mit einem metallischen Glanz, mit hoher Leitfähigkeit für Wärme und Elektrizität, mit höchster Weichheit und Schlüpfrigkeit bei blättrig-kristallinischer Struktur. Letztere Eigenschaften sind die wertvollsten für ein Gleitmittel und können durch nichts übertroffen werden, soweit es sich um feste Körper handelt. Acheson-Graphit ist sozusagen auf halbem Wege zum Graphit stehen geblieben, ein Halbgraphit, weil die Bedingungen und Verhältnisse bei dessen Bildung nicht im entferntesten an jene hinreichen, die zur Entstehung des wahren Graphits gegeben waren, als die Erde eine glutflüssige Masse war (oder im Innern noch ist). Ein ähnliches Produkt wie der Acheson-Graphit ist der steiermärkische oder der italienische Graphit, der augenscheinlich nach Herkommen und Lagerung ebenfalls durch Glühen von Steinkohlenflötzen entstanden ist, als der Zentralgranit der Alpen eruptiv emporstieg. Solcher steiermärkischer und Acheson-Graphit verhalten sich z.B. zu Ceylon-Graphit wie Nacht zum Tag. Wer gewöhnliche Kohle neben Koks, Retortenkohle aus Gasfabriken, Hochofengraphit, steiermärkischem Graphit, Acheson-Graphit, Ceylon-Graphit nebeneinander sieht, wird zugeben müssen, daß die allotropen Modifikationen des Kohlenstoffes mit drei Modifikationen nicht erschöpft sind, daß es eine Stufenleiter gibt im Aufbau des Kohlenstoffmoleküls aus einer sehr verschiedenen Zahl von Atomen, woraus sich die verschiedenen Eigenschaften erklären. Es ist ohne weiteres klar, daß der wirkliche Naturgraphit den Halbgraphit auch als Gleitmittel weit übertreffen muß, vorausgesetzt, daß er völlig frei ist von anderen Mineralien, besonders Quarz, Feldspat und dergleichen, welche die Reibung bedeutend vermehren und die Maschinenteile angreifen. Bis vor kurzem war die völlige Reinigung des Naturgraphits kaum zu erreichen. Säuren sind nicht zu gebrauchen, wenn es sich um Herstellung von Gleitmaterial handelt. Die Verfasser haben sich seit 19 Jahren speziell mit der Aufbereitung von Graphit im Laboratorium und in der Praxis beschäftigt, ursprünglich für den Zweck der Schmelztiegelfabrikation. Hierdurch sind sie allmählich durch unendliche Versuchsreihen auch dahin gelangt, den Graphit für Schmierzwecke in tadelloser Qualität zu reinigen. Die richtige Auswahl des Rohmaterials, peinlichste Genauigkeit und große Erfahrung sind erforderlich, um nicht nur die accessorischen Mineralien, sondern auch den stets vorhandenen unedlen Graphit auszuscheiden. Es kann so ein Kohlenstoffgehalt bis 99,5 v. H. erreicht werden. So sind wir schließlich dahin gelangt, die Grundlage zur Errichtung der „Ersten Deutschen Edelgraphit-Scheide-Anstalt“ zu schaffen. Der genannte Edelgraphit ließ sich zunächst zur Mischung mit konsistentem Fett (Mineralschmiere) verwenden, und dies ist schon für sehr viele Maschinen und Maschinenteile mit größtem Vorteil verwendbar, wie wir in einer Abhandlung in der Reichsdeutschen Zeitschrift des „Deutschen Touring Club“ und der deutsch-österreichischen Fachzeitschrift „Fahrrad und Motorfahrzeug“ im April des Jahres 1912 dargetan und unter dem Titel veröffentlicht haben: „Graphit als Gleitmittel für die Getriebe der Automobile, Luftschiffe usw.“ Praktische Versuche haben überraschend günstige Resultate ergeben und für das neue Gleitmittel eine aussichtsvolle Zukunft erkennen lassen. Der allgemeinen Anwendung des Edelgraphits als Schmiermittel für solche Fälle, wo dasselbe flüssig sein muß, stand noch ein Umstand hindernd entgegen, nämlich, daß der Graphit in Oel zu Boden geht, wodurch verschiedene Mißstände veranlaßt werden. Man hat zwar verschiedene Apparate ersonnen, welche eine ständige Mischung des Oels und Graphits besorgen. Diese mögen in vielen Fällen gute Dienste leisten. Doch für alle Fälle können sie nicht verwendet werden. Acheson sucht diesen Uebelstand zu beseitigen, indem er den Graphit aufs feinste pulverisiert. Wollte man in ähnlicher Weise mit dem Naturgraphit verfahren, also eben so weit zerreiben, bis er nahezu dem amorphen Graphit (Gießereigraphit) gleicht, so würde man eine der wertvollsten und wirksamsten Eigenthümlichkeiten des Naturgraphits vernichten, seine, die trockne Reibung aufhebende bzw. vermindernde Wirkung außerordentlich herabsetzen. Die natürliche Struktur muß erhalten bleiben, und der Graphit trotzdem im Oel nicht untersinken. Auch dies Problem konnten wir lösen. Es ist uns gelungen, den Edelgraphit in Oelen, selbst dünnflüssigen, schwebend zu machen und schwebend zu erhalten. Wir nennen ihn Schwebegraphit. Somit sind alle Hindernisse glücklich beseitigt, welche vordem der allgemeinen Anwendung des Graphits in Verbindung mit Oelen und Fetten im Weg standen; die außerordentlichen Vorteile der Kombination derselben eröffnen eine neue Aera der Schmierung von Maschinen aller Art. Ist auch der Preis noch scheinbar hoch, so gleicht die große Oekonomie der Schmierung den Preis völlig aus, macht ihn sogar billiger. Zur Theorie der Schmierung, wie sie neuestens von Professor L. Ubbelohde, Karlsruhe, ausgeführt wurde in dem Aufsatz „Zur Theorie der Reibung geschmierter Maschinenteile“ in „Petroleum“, Zeitschrift für die gesamten Interessen der Petroleumindustrie 1912, möchten wir uns einige Bemerkungen gestatten. Ubbelohde sagt wie seine Vorgänger, der fein verteilte Graphit habe die Eigenschaft, die Poren der Oberfläche gleichmäßig auszufüllen und verkleinere hierdurch den Reibungskoeffizienten. Es handelt sich hier lediglich um sehr feine und seichte Vertiefungen auf der Oberfläche glatter Lager und Zapfen, welche erst bei ziemlicher Vergrößerung sichtbar werden. Man fragt da unwillkürlich, ob denn der feste Körper „Graphit“ leichter in solche Vertiefungen eindringe und sie ausfülle als das flüssige Schmiermittel. Diese Frage muß offenbar verneint werden. Wenn nun durch Oel die Vertiefungen ausgefüllt sind, so ist die Oberfläche glatt, aus den Vertiefungen kann das Oel beim Aufeinanderdrücken der Flächen nicht entfernt werden und es ist nicht einzusehen, warum alsdann ein Zusatz von Graphit den Reibungskoeffizienten herabsetzen könnte, wie es faktisch der Fall ist. Diese Erklärung der Wirksamkeit des Graphits kann also nicht ganz richtig sein. Der Irrtum rührt wohl daher, daß man mit Graphit für sich und trocken eine rauhe Fläche so überziehen kann, daß sie glatt und wie poliert erscheint, indem der Graphit tatsächlich die Unebenheiten ausfüllt, wobei auch die Plastizität des Graphits eine Rolle spielt, indem die Stäubchen durch Drücken vereinigt werden. Mischt man den Graphit mit Oel und reibt eine solche Fläche ein, so wird die Sache ganz anders. Man kann jetzt den glatten und glänzenden Ueberzug nicht mehr erzeugen; im Gegenteil, der trocken erzeugte Ueberzug wird durch Oel weggenommen. Die Wirkung beruht vielmehr auf folgendem: Oel, dem ein fester Körper beigemischt ist, kann zwischen zwei sich berührenden und gedrückten Flächen niemals so weggedrückt oder zu einer so dünnen Schicht reduziert werden, daß die Metallflächen selbst zur Berührung gelangen, und die „trockene“ Reibung dieser Flächen eintritt. Der feste Körper verhindert die unmittelbare Berührung der gleitenden Flächen, weshalb auch das Oel dazwischen bleibt. Ist der feste Körper hart, so wird er die Flächen angreifen, schleifen und polieren. Ist er weich, so kann er nicht scheuern; ist er selbst zugleich schlüpfrig, so wirkt er ebenfalls als Gleitmittel wie das Oel. Es gibt nun wohl keinen festen Körper, welcher Weichheit und Schlüpfrigkeit in so hohem Maße besitzt, wie der natürliche Graphit bester Qualität. Ubbelohde hat die „Kapillarität“ zum ersten Male in das Problem der Theorie des Schmierens eingeführt. Er zeigt, daß zwischen zwei Uhrgläsern von verschiedener Wölbung ein Tropfen Oel durch Drücken zu einer beliebig dünnen Schicht gepreßt werden kann. Es läßt sich aber weiterhin zeigen, daß bei Zugabe eines festen Körpers die Schichte nicht mehr zu beliebiger Dünne auseinandergedrückt werden kann, weil eben der feste Körper sich nicht wie das Oel beliebig dünn zerdrücken läßt. So muß unter allen Umständen mehr Oel in dem kapillaren Raum verbleiben, woraus sich wieder, wie die Erfahrung gelehrt hat, erklärt, daß auch ein weniger viscoses Oel ein zäheres ersetzen kann. Die Form des festen Körpers ist von wesentlicher Bedeutung. Körniges pulveriges Material wirkt anders als blättriges. Die Flächen der Graphitschüppchen sind als Spaltungsflächen von Kristallen vollkommene Ebenen. Soweit man auch den Naturgraphit zerkleinert, es sind immer wieder Schüppchen. Solche gleiten mit geringster Reibung an anderen Flächen und übereinander weg. Pulvriger Graphit kann nicht dasselbe leisten; er hat mehr Reibung. Aus den vorstehenden Ausführungen dürfte zur Genüge hervorgehen, daß bei der kombinierten Schmierung mit Oel und Graphit der natürliche den künstlichen weit übertrifft.