Titel: Moderne Probleme der drahtlosen Telegraphie.
Autor: Paul Ludewig
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 295
Download: XML
Moderne Probleme der drahtlosen Telegraphie. Von Dr. Paul Ludewig, Privatdozent an der Bergakademie Freiberg. (Fortsetzung von S. 275 d. Bd.) LUDEWIG: Moderne Probleme der drahtlosen Telegraphie. Die bisher erwähnten Antennenformen haben alle die Eigenschaft, daß sie nach allen Richtungen mit gleicher Intensität ausstrahlen. Damit ist eine große Energievergeudung verbunden, und die Bestrebungen, hier Wandel zu schaffen, sind so alt wie die drahtlose Telegraphie überhaupt. Anordnungen, die nur nach einer Richtung strahlen, sind verschiedentlich, so z.B. von Braun, Marconi, Bellini und Tosi vorgeschlagen. Die größten Erfolge hat Marconi gehabt. Seine gerichtete Antenne besteht aus einem kurzen senkrechten Drahtteil, an dem sich oben ein relativ sehr langer wagerechter anschließt. So ist schon im Anfang erwähnt, daß die neuen Marconi sehen Kolonialstationen Antennen von 90 m Höhe haben sollen, an die sich ein wagerechter Teil von 900 m Länge anschließt. Unten sind diese Stationen an Erde gelegt. Sie haben ein Strahlungsmaximum in der entgegengesetzten Richtung von dem offenen Ende des wagerechten Teiles. Wie hat man sich dies Zustandekommen einer gerichteten Strahlung zu erklären? Bisher gibt es noch keine allgemein anerkannte Erklärung. So viel ist jedenfalls sicher, daß die Eigenschaften der Erde eine wichtige Rolle dabei spielen. Da die elektrischen Wellen längs der Erdoberfläche entlang laufen, hat man bisher angenommen, daß die Erde für sie ein idealer Leiter sei. Wenn dies aber der Fall wäre, so wäre die Richtfähigkeit der Marconischen Antenne unmöglich. Bei ideal leitender Erde kann man die Erde durch einen nach unten gehenden Antennenteil ersetzt denken, der durch Spiegelung des oberen entsteht. In diesem Falle sind die Ströme in dem oberen und unteren wagerechten Teil entgegen gerichtet und müßten sich daher in ihrer Wirkung nach außen aufheben, so daß nach außen nur der wagerechte Teil wirksam und damit von einer Richtfähigkeit keine Rede wäre. Nimmt man dagegen bei den theoretischen Ueberlegungen die Erde als schlechten Leiter an, so erhält man, wie Zenneck gezeigt hat, in der durch das Experiment verlangten Richtung eine Maximalwirkung. Jedenfalls ist in dieser Frage noch nicht das letzte Wort gesprochen. Das wird auch dadurch bewiesen, daß im letzten Jahr Versuche bekannt geworden sind, die unsere Vorstellungen von dem äußeren Aussehen einer Station für drahtlose Telegraphie vollkommen über den Haufen werfen und uns zwingen, in wesentlichen Stücken umzulernen. Die Versuche sind von Kiebitz im Kaiserlichen Telegraphen-Versuchsamt gemacht. Während man bisher den senkrechten Luftdraht für wesentlich hielt, besteht die Kiebitzsche Antenne aus wagerechten Drähten. Ein gerader Draht von 300 m Länge wurde bei seinen Versuchen auf Holzstützen in 1 m Höhe über dem Erdboden aufgespannt, In der Mitte wird die eigentliche Empfangsapparatur eingebaut und die beiden äußeren Enden werden über eine Leydener Flasche an einen Erdanschluß gelegt. Diese Antennen weisen wie die geknickte Marconi-Antenne eine bevorzugte Richtung auf, und zwar hat man die Antennen so zu orientieren, daß sie auf die Gebestation hinweisen. Es gelang Kiebitz, mit einer Anzahl nach verschiedenen Himmelsrichtungen orientierter Antennen in der Nähe von Berlin die sämtlichen deutschen Stationen mühelos zu belauschen. Bei geeigneter Abstimmung waren auch andere Stationen zu hören. Die 5100 km entfernte Station in Glacebay gibt mit der großen Wellenlänge von 6000 m. Um sie zu empfangen, wurde in Richtung auf sie zu eine 1270 m lange Drahtleitung verlegt, zum Teil durch Wald, wobei die Drähte einfach auf die Aeste der Bäume gelegt wurden. Auch hier gelang der Empfang. Welche große Bedeutung, besonders für militärische Zwecke diese neue Antennenform hat, geht daraus hervor, daß diese letzte Leitung an einem Vormittag von fünf Leuten gebaut wurde. Diese neuen Versuche haben eine Fülle von neuen Problemen gezeitigt. Für die Praxis ist die wichtigste Frage: Werden die neuen, so überaus einfach zu montierenden Antennen die alten, kostspieligen Vertikalantennen verdrängen? So viel steht jedenfalls fest, daß die Bordstationen auch weiter ihre Vertikalantennen benutzen werden. Wie sich die Entwicklung bei den festen Stationen gestalten wird, ist schwer zu sagen, umsomehr, als die Benutzung der Erdantennen, wie man die wagerechten Antennen genannt hat, beim Senden nicht die günstigen Resultate gezeitigt hat wie beim Empfang. Daß sie aber in militärtechnischer Hinsicht einen wichtigen Fortschritt bedeuten, sei nochmals hervorgehoben. Neben der praktischen Frage steht die Frage nach der Erklärung der Wirkungsweise dieser Antennen. Da hier ein ziemlich heftiger Streit eingesetzt hat, der bisher in keiner Weise entschieden ist, erübrigt sich heute ein näheres Eingehen. Nicht zu übergehen ist die Beachtung, die diese neue Empfangsmethode überall gefunden hat. In einer eben erschienenen Schrift gibt z.B. das Bureau des Longitudes in Paris Ratschläge für den Empfang der drahtlosen Zeitsignale, die täglich von der Eiffelturmstation ausgesandt werden. Hier werden zum Bau einer einfachen Empfangsstation speziell die Erdantennen empfohlen. Der drahtlose Empfang bietet demnach immer weniger Schwierigkeiten. Wie einfach eine Empfangsstation heute aussehen kann, geht aus einer kurzen Notiz in einem der letzten Hefte der Compt. Rend. hervor. Danach ist es gelungen, mit einem 12 m langen Draht, der an einem Ende an einer 5 m langen Bambusstange befestigt war, bei geeigneter Schaltung eine 300 km entfernte Gebestation zu belauschen. In der letzten Zeit hat die Luftschiffahrt neue Fragen bezüglich der Antennengestaltung aufgeworfen und zwar hat sich gezeigt, daß das Problem des drahtlosen Verkehrs vom und zum Luftschiff nur bezüglich der Form der Antennen neue Ueberlegungen verlangte. Die speziellen Sende- und Empfangsapparaturen sind ohne weiteres von den anderen Stationen zu übernehmen. Die ersten Versuche mit dem Freiballon habe ich vor zwei Jahren mit Unterstützung des Frankfurter Vereins für Luftschiffahrt gemacht. Es wurde versucht, die von Frankfurt drahtlos ausgesandten Wettertelegramme mit einer möglichst primitiven Empfangsapparatur aufzunehmen. Als untere Antennenhälfte diente dabei ein etwa 10 m langer, vom Korb herabhängender Draht, während der obere Teil durch eine Drahtschleife gebildet wurde, die rings um den Aequator des Ballons in die Maschen des Ballonnetzes eingeflochten wurde und deren Ende in den Korb hinabführte. Es gelang ohne weiteres, die Wettertelegramme aufzunehmen und bis zum Ende der Fahrt die gebende Station zu hören. Derartige Versuche haben speziellen Wert für einen zukünftigen Krieg, bei dem sämtliche 130 Freiballons des Deutschen Luftschifferverbandes der Militärverwaltung zur Verfügung stehen. Es dürfte in diesem Zusammenhang interessieren, daß während der Belagerung von Paris im Jahre 1870/71 65 Freiballons die Stadt verließen und 10675 kg Postsachen hinausbeförderten. Es wird in Zukunft möglich sein, während dieser Fahrten in Verkehr mit einer Festungsstation zu bleiben und wichtige Meldungen auf Grund von Beobachtungen vom Ballon aus in die Festung gelangen zu lassen. Besonderen Wert hat diese Vereinigung von Luftschiffahrt und drahtloser Telegraphie bei Verwendung von Lenkballons. So sind auch unsere sämtlichen Lenkballons mit derartigen Gebe- und Empfangsstationen ausgerüstet. Bei den Zeppelin-Luftschiffen bildet das gesamte Aluminiumgerüst des Ballons den oberen Antennenteil, bei den Parseval-Ballons besteht der obere Antennenteil aus der Gondel. Es hat sich bei allen Versuchen zwischen Ballon und fester Station ergeben, daß der drahtlose Verkehr nach und vom Luftschiff nicht etwa geringere Reichweite ergibt wie zwischen festen Stationen, sondern daß vielmehr das Gegenteil der Fall ist. Es ist wahrscheinlich, daß bei der Ballonstation das Fortfallen des dämpfenden Einflusses der Erde dieses günstige Resultat veranlaßt. Interessant ist noch eine Neukonstruktion des letzten Jahres, die von der Telefunken-Gesellschaft vorgeschlagen und erprobt ist und deren erstes Exemplar auf der Ala, der Allgemeinen Luftschiff-Ausstellung, in Berlin ausgestellt war. Sie gibt eine neue Lösung für die Aufgabe, bei unsichtigem Wetter oder bei Nacht dem Luftfahrzeug eine Orientierung über seine augenblickliche Stellung oder über den Kurs zu ermöglichen. Dieser sogen. Telefunkenkompaßs. D. p. J. 1912, Bd. 327. Heft 34, S. 538. benutzt auch eine Art Marconi-Antenne, nur ist nicht eine einzige aufgestellt, sondern eine große Anzahl im Kreis angeordnete, nach allen Richtungen weisende. Es wird durch eine selbsttätige Schaltvorrichtung eine nach der anderen dieser gerichteten Antennen eingeschaltet, so daß das Maximum des gerichteten Signals im Kreis herumläuft, zunächst also etwa eine Maximalwirkung nach Norden ausgesandt wird, die dann langsam im Sinne des Uhrzeigers drehend über Osten, Süden, Westen nach Norden herumläuft. Auf der Ballonempfangsstation befindet sich eine ungerichtete Antenne. Außerdem braucht man hier eine Art Stoppuhr, deren Zeiger mit derselben Drehgeschwindigkeit umläuft wie das Sendemaximum der Gebestation. Der Anfangspunkt der Stoppuhr entspricht der Himmelsrichtung, mit welcher der gerichtete Sender seine Drehbewegung beginnt. Man merkt sich dann, bei welcher Stelle des Zeigers der Stoppuhr das Maximum des Empfangs eintritt und erhält damit die Richtung, in der die Ballonstation sich relativ zur Sendestation befindet. Das Telefunkenprojekt sieht eine große Anzahl von derartigen gerichteten Sendestationen vor, die die Grenzen des Deutschen Reiches umrahmen. Eine jede dieser Stationen gibt ein bestimmtes Zeichen und ermöglicht damit einer Ballonstation die Kenntnis des Herannahens der Landesgrenze oder der See und zugleich eine relativ genaue Ortsbestimmung. (Schluß folgt.)