Titel: Zur Theorie der Preßluftpumpe.
Autor: L. Darapsky
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 295
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Zur Theorie der Preßluftpumpe. Von Dr. L. Darapsky in Hamburg. (Schluß von S. 233 d. Bd.) DARAPSKY: Zur Theorie der Preßluftpumpe. Bisher sind wir nicht weiter, als bis zu dem Punkt gelangt, daß in der Zeiteinheit so viel Luft in das Steigrohr von unten eindringt, als hinreicht, um das Flüssigkeitsgemisch bis zu dessen oberem Rand aufzustauen. So lange braucht kein Wasser nachzudringen. Der Vorgang kann sich ebensogut in einem Standgefäß als in einem beiderseits offenen Rohr abspielen. Die Lage wechselt mit einem Schlag in dem Augenblick, in dem die Flüssigkeit oben überläuft, und stetig, was das Wasser anbelangt, von unten ergänzt wird; die Luft entweicht ja ohnehin beständig. Diese Ergänzung vollzieht sich aber nichts weniger wie stetig. Vielmehr tritt zu Anfang ein unverhältnismäßig großer Schwall Wasser über, die Säule im Rohr rückt dabei stoßweise auf und sinkt gleich darauf wieder zurück, um nach kurzer Zeit der Erholung dasselbe Spiel wieder zu beginnen. Es handelt sich da um keine Unvollkommenheit der Einrichtung oder um einen Ausnahmefall. Der Verlauf kann gar nicht anders sich gestalten, wie sich ganz allgemein zeigen läßt. Nur die Periode fällt je nach Luftmenge und Rohrweite verschieden aus. Textabbildung Bd. 328, S. 296 Abb. 19. Angenommen, ein 20 m langes Rohr tauche senkrecht 10 m tief in eine unbegrenzte Wassermasse und erhalte am Ausgang jeder Sekunde oder sonstigen Zeiteinheit von unten eine Luftmenge, die unter Atmosphärendruck gemessen das Rohr 2 m hoch anfüllen müßte, so steigt diese Luftmenge in der genannten Zeiteinheit durch das Wasser so hoch an, als dem gewählten Rohrdurchmesser laut Abb. 2 (S. 99) entspricht, beispielsweise 0,30 m, und hebt die überstehende Wassersäule um so viel, als dem Volumen der abgesperrten Luft unter dem darauf lastenden Druck entspricht. Diese Wassersäule verkleinert sich also in jeder Sekunde um 0,30 m. Ihren Anstieg und die Zunahme der Luft von Sekunde zu Sekunde veranschaulicht Abb. 19. Das Rohr ist jedesmal neu gezeichnet; die eingetragenen Zahlen geben die Höhe der Zellen an. Soweit liegt kein Grund vor, weshalb Wasser nachdringen sollte. Endlich, zu Anfang der zehnten Sekunde, beginnt die jetzt nur noch 7,0 m lange unvermischte Wasserzelle oben überzufließen. Sobald die Gesamtsäule aber im geringsten erleichtert wird, expandieren alle zehn Luftblasen und schleudern infolgedessen immer mehr Wasser aus. Als Ersatz für das ausgestoßene beginnt dann frisches Wasser nachzuströmen. Diese Bewegung macht erst halt, wenn das Rohr wieder im ganzen 10 m Wasser führt und jede Luftzelle sich mit allen über ihr lagernden Wasserzellen ins Gleichgewicht gesetzt hat. Somit treten außer den 7,0 m Wasser der obersten Zelle noch weitere 4 zu je 0,3 m oder im ganzen 8,2 m Wasser aus und ebensoviel in geschlossener Säule von unten nach. Da in der elften Sekunde, der Annahme gemäß die oberste, nur 0,3 m dicke Wasserzelle herabsinkt, verflüchtigt sich auch die darunter befindliche Luftzelle. Ebenso in den folgenden Sekunden. Der Kopf der Säule sinkt tatsächlich im Rohr ab, obwohl regelmäßig von unten neue Luft nachdringt. Textabbildung Bd. 328, S. 296 Abb. 20. Es ist nämlich leicht einzusehen, daß das Zurückfallen des Wassers beim Durchgang der Blasen weder deren Anordnung an sich noch ihre relative Größe beeinflußt. Jede Blase nimmt einfach die Lage und den Umfang derjenigen an, an deren Stelle sie tritt. Mit der fünfzehnten Sekunde endlich ist ein Zustand hergestellt, der genau der fünften entspricht. Das heißt, der Rohrspiegel, von dem bei den ständig wechselnden Wasserbrücken nur uneigentlich die Rede sein kann, beginnt wieder anzusteigen. Innerhalb zehn Sekunden wiederholt sich so der nämliche Vorgang, bei dem sonach unter Aufwendung von 10 × 2 oder 20 m Luft 8,2 m Wasser gefördert werden, das sind 2,44 Volumen Luft auf 1 Volumen Wasser. Wir finden hier alle Züge vereint, welche immer beim Gebrauch von Preßluftpumpen sich einstellen: der stoßweise Austritt des Wassers, sein Zurücksinken und Poltern im Rohr, das ungleiche, ruckweise Voranschreiten der aus Wasser und Luft aufgebauten Säule. Die Periode selbst mag schwanken; sie wird sich mit wachsender Steighöhe vergrößern und mit zunehmender Tauchtiefe verkürzen. Die Bewegung kann aber niemals gleichmäßig ausfallen: die Abstände der Luftblasen wechseln, selbst wenn diese noch so regelmäßig zutreten. Uebrigens verbietet sich diese Regelmäßigkeit aus anderen Gründen von selbst. Der vorgeführte Fall bleibt zudem ein idealer, wobei von Reibung, Stößen und anderen Störungen oder Verlusten Abstand genommen ist. Wollte man, um nur eines anzuführen, in Rücksicht ziehen, daß in der zehnten Sekunde das Wasser nicht plötzlich nachschießen kann, sondern höchstens mit einer Geschwindigkeit v = 2gh, worin für h der durch das oben ausfließende Wasser herbeigeführte Druckunterschied einzustellen wäre, so hätte man Abb. 20 an Stelle von Abb. 19 zu setzen. Der Eintritt von diesmal 7,9 m Wasser verteilt sich dann auf zwei Sekunden. Ferner bietet die Lage in der fünfzehnten Sekunde, in welcher der neue Aufstieg beginnt, ein gegenüber der fünften etwas verschobenes Bild, so daß die neunzehnte und zwanzigste der zehnten und elften zwar ähnlich, aber nicht gleich ausfallen. Ebenso verschiebt sich jede folgende Periode: was auf längere Ausgleichzyklen führt. Um dem Einwand gerecht zu werden, daß die von einem Kompressor gelieferte Luft nicht in mässigen Kolben, sondern in Blasen der verschiedensten Größe zutritt, sei endlich noch der Fall veranschaulicht, daß diese Zerteilung der Luft bis zur „unendlich feinen Schichtung“ gediehen sei: offenbar das dem seither betrachteten entgegengesetzte Extrem. Zwischen beiden liegt dann die Wirklichkeit. Die Vorstellung einer vollkommenen Mischung von Wasser und Luft erlaubt ja den an jeder Stelle einer solchen Flüssigkeitssäule herrschenden Druck, und damit aus v das entsprechende Volumen herzuleiten. Das ist in unserer früheren ArbeitDie Wirkungsweise der Preßluftpumpen. bereits ausreichend geschehen. Es sei darum nur in Kürze daran erinnert. Bezeichnet p den gesuchten Druck, pa den Druck der Atmosphäre, h den Abstand eines beliebigen Schnittes durch das Gemisch von dessen oberem Ende. h1 den getrennt gedachten Teil, welcher daran der Luft zukommt, bzw. h1a denselben unter atmosphärischem Druck, so ist nach früherem: v=\frac{L_a}{L}=\frac{h_{1a}}{h_1}=\frac{p-p_a}{p_a\,ln\,p/p_a} h_1=\frac{h_{1a}}{v}. Führt man statt Au den Wert \mu=\frac{h_{1a}}{p-p_a} ein, d. i. das Verhältnis der unter Atmosphärendruck gemessenen Luftmenge zur Wassermenge, so erhält man: h_1=\frac{\mu\,(p-p_a)}{v}, folglich h=(p-p_a)\,\left(1+\frac{\mu}{v}\right)=(p-p_a)\,\left(1+\frac{\mu\,p_a\,ln\,p/p_a}{p-p_a}\right)    =p-p_a+\mu\,p_a\,ln\,p/p_a . . . . . . . . (1) worin ppa den für den Druck allein in Betracht gezogenen Wasserraum, und μpalnp/pa den von der Luft eingenommenen Raum bezeichnet. Textabbildung Bd. 328, S. 297 Abb. 21. Mit Hilfe dieser Festlegung wird für den vorliegenden Fall, in welchem in der Sekunde 2 m Luft (unter Atmosphärendruck gemessen) einströmen und 0,3 m Wasser in derselben Zeit zurückfließen \mu=\frac{2}{0,3}=6,66..., wenn mit p hier das Verhältnis zwischen der Luft- und Wassermenge im Rohr, nicht, wie gewöhnlich, dasjenige der aufgewandten Luft zu dem gelieferten Wasser bedeutet. Mit Rücksicht auf die überstehende, in jeder Sekunde um 0,3 m verkleinerte Wassersäule gilt ferner (immer in hydraulischem Maß) für die xste Sekunde: \alpha\,.\,10\,\left(ln\,\frac{20}{10}-ln\,\frac{20-x\,.\,0,3}{10}\right)=\mu\,.\,10,ln\,\frac{20}{20-x\,.\,0,3}. Hieraus ergibt sich für Abb. 21 die Höhe der Gemischzelle, die auch hier bis zur zehnten Sekunde in einer parabolischen Kurve ansteigt. Die Abbildung zeigt das Ende einer jeden Sekunde. Der Unterschied von Abb. 19 ist unmerklich. Wollte man jetzt einen plötzlichen Nachschub vornehmen (wie in Abb. 19), so bliebe die Aehnlichkeit durchaus gewahrt. Unter Beschränkung der Zutrittsgeschwindigkeit des Wassers auf v=\sqrt{2\,g\,h} (wie in Abb. 20) gestaltet sich die Berechnung etwas umständlich, das Resultat, wie es Abb. 21 vor Augen rückt, dagegen um so interessanter. Denn nunmehr tritt reines, d.h. ungemischtes Wasser überhaupt nicht mehr auf. Verfolgt man den wenigst gemischten Teil, der (μ = 0,31) ebenso wie μ = 4,66 und μ = 6,45 durch besondere Umrandung kenntlich gemacht ist, so erkennt man, daß der Zustand der achtzehnten Sekunde demjenigen der zehnten zwar sich nähert, aber doch sichtlich davon abbleibt. Die Perioden komplizieren sich; mehr noch, als aus der Abbildung hervorgeht, die nur die Endphase jeder Sekunde herausgreift. Wollte man etwa die achtzehnte mit der zehnten Sekunde gleichsetzen, mit der sie nahe genug übereinstimmt, so ergäbe sich das Verhältnis der verbrauchten Luft zu dem gelieferten Wasser wie 1,95 : 1. Diese ganze Ableitung soll und kann indessen nur die Art, nicht das Maß des Vorgangs zur Darstellung bringen. Sie bietet ein praktisch unerreichbares Minimum an Kraft d.h. Luftbedarf. Wie denn der Vergleich mit ausgeführten Anlagen lehrt, daß bei einer Tauchtiefe und Förderhöhe von je 10 m nicht 2,44 noch 1,95 Volumen Luft auf 1 Volumen Wasser entfallen, sondern mehr als doppelt so viel. Dagegen ist nicht zu bezweifeln, daß selbst bei schematisch regelmäßiger Luftzufuhr Anschwellungen und Abschwächungen des Stroms eintreten, die das Ergebnis ungünstig beeinflussen. Stöße und Rückstöße sind schon bei einzelnen in ruhigem Wasser aufsteigenden Blasen unvermeidlich. Hier wachsen sie zu Hemmungen des Verlaufs im großen Stil aus, derart, daß auch abgesehen von der Reibung und was zu ihr zu rechnen ist, von einem stetig austretenden Strahl nicht einmal theoretisch gesprochen werden kann. Das liegt eben im Wesen der Preßluftpumpe begründet. Nicht umsonst erkauft sich die Technik die Freiheit von Ventilen und Steuerungen. Im Gegensatz zu einer Dampfpumpe, die für jede noch so kleine Kolbengeschwindigkeit die vorgesehene Wassermenge liefert, beginnt die Tätigkeit der Preßluftpumpe erst von dem Punkt, wo im Steigerohr das Gemisch von Luft und Wasser den oberen Rand berührt. Jede Luftmenge, die hierzu nicht ausreicht, ist völlig verschwendet. Den Einfluß der Widerstände zu ergründen, die hier ins Gewicht fallen, erfordert ein Studium genau so unabsehbar, wie die Bewegung des Wassers in Verbindung mit fremden Körpern überhaupt. Um teilweise Lösungen, die oft als allgemeine ausgegeben werden, haben sich die älteren Hydrauliker redlich bemüht. Verwandte Fragen hat neuerlich die Erforschung der Schiffs- und Flugwiderstände mit rührigem Eifer aufgegriffen. Vorerst behält noch die Empirie das Wort. Berichtigung zu Seite 233: Für den Luftbedarf ist überall der Buchstabe v an Stelle von v zu setzen.