Titel: Die elektrische Zerstäubung von Metallen zum Zweck metallographischer Untersuchungen.
Autor: Gottfried Goldberg
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 417
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Die elektrische Zerstäubung von Metallen zum Zweck metallographischer Untersuchungen. Von Ing. Gottfried Goldberg in Berlin-Lichterfelde. GOLDBERG: Die elektrische Zerstäubung von Metallen usw. Bei der modernen Metallprüfung pflegen sich die Forscher zweier Methoden zu bedienen, der chemischen und der physikalischen. Während die erstere bekanntlich schon seit langem üblich und ziemlich gut ausgebildet ist, steht die zweite noch im Anfange ihrer Entwicklung und ist noch verhältnismäßig arm an Hilfsmitteln. Hauptsächlich bestehen sie im Reliefpolieren und im Ritzen der Oberfläche mit einer scharfen Spitze. Aus diesem Grunde ist es interessant, daß im physikalischen Laboratorium der Universität Stockholm in letzterer Zeit Versuche unternommen worden sind, welche eine neue Prüfungsmethode darstellen, worüber Professor Dr. Benediks, der Leiter der Versuche, ausführlich berichtet. Es handelte sich in diesem Fall darum, festzustellen, ob die elektrische Zerstäubung der Metalle, welche unter verschiedenen Umständen eintreten kann, und als physikalische Aetzung anzusehen ist, geeignet ist, die bis Jetzt bekannten metallographischen Methoden nützlich zu ergänzen. Ganz neu ist ein solcher Gedanke nicht: schon Holborn, Austin und andere Forscher beschäftigten sich mit einer elektrischen Zerstäubung der Metallkathoden in Vakuumröhren, Doch waren alle diese Versuche noch sehr beschwerlich und kaum anwendbar. Später wurde das Verfahren von Bredig weiter untersucht und verbessert, so daß es bereits zur Darstellung kolloidaler Lösungen (Kalloidsynthesis) mittels Gleichstrom angewendet werden konnte. Abgeändert und verbessert wurde das System dann nochmals durch Svedberg, welcher auch ausgedehnte, quantitative Messungen ausführte. Es herrschte aber noch immer ein ungeklärtes Dunkel über dem wirklichen Wesen dieser Erscheinungen und über die wesentlichen Punkte, von denen die elektrische Zerstäubung abhängig ist. Hier setzten nun die erwähnten Versuche ein, die geeignet erscheinen, viele dieser interessanten Fragen aufzuklären. Die Svedbergsche Zerstäubungsmethode läßt sich in ihren Grundzügen folgendermaßen erläutern: An einem Funkenmikrometer sind die Elektroden des zu untersuchenden Metalls befestigt und in einer Entfernung von etwa 0,25 mm durch Klammern gehalten. Das Metall besteht aus einem Zylinder von 6 mm ⌀. Das Ganze taucht in ein Gefäß, welches das Zerstreuungsmedium (etwa Aethyläther) enthält. Die Elektroden sind einerseits mit der Sekundärleitung einer Rumkorffschen Induktorrolle (Funkenlänge 30 cm) und andererseits mit einer parallel geschalteten Leydener Flasche von ziemlich großer Kapazität (ungefähr 0,0045 Mikrofarad) verbunden. Als Regel wurde von Svedberg festgelegt, daß zu einer wirksamen Zerstreuung die Kapazität so groß, dagegen die Selbstinduktion, der Ohmwiderstand und die Funkenlänge so klein als möglich sein müssen. Der in Stockholm benutzte Apparat war ganz nach diesem Schema eingerichtet, und die erhaltenen Resultate decken sich auch mit den älteren des Professor Svedberg. Von besonderem Interesse bei den Versuchen war naturgemäß das Aussehen und Verhalten der Elektrodenoberflächen nach der Entladung. Die Zeit von einer Minute dürfte für den Angriff zu hoch bemessen sein. Schon nach einer einzigen Eröffnung des Primärstromes zeigte die Messingelektrode bei zwölffacher Vergrößerung annähernd 100 kleine Krater, unter denen der eine besonders groß ist und offenbar dem Leitfunken entspricht. Reine Zinkelektroden und solche aus weichem Eisen (4,2 v. H. C) zeigten in hundertfacher Vergrößerung Krater, welche als echte Schmelzkrater bezeichnet werden müssen. Beide, gleichzeitig benutzten Elektroden gleichen einander an Größe und Lage genau und stellen sozusagen Spiegelbilder dar. Der Vorgang der Schmelzung ist folgendermaßen zu erklären: An den beiden Grundflächen des Zylinders bewirkt der Durchgang des Funkenbogens eine Schmelzung und schleudert Teilchen des Metalls fort. Gleichzeitig breitet sich das Metall aus, was durch die mechanische Kraft, welche nach dem Erlöschen des Lichtbogens durch das Zurückschießen der Flüssigkeit explosionsartig entsteht, bewirkt wird. Hierdurch werden kleine Mengen des geschmolzenen Metalls weggeschleudert und zerstäubt. Die entstandenen typischen Schmelzkrater weisen eine so hohe Aehnlichkeit mit solchen auf synthetischem, rein thermischem Wege hervorgebrachten (z.B. bei Paraffin mit Schmelztemperatur von 80° C) auf, daß man ihre charakteristischen Merkmale identisch nennen kann. Die abgestoßenen Metallteile konnten mikroskopisch sichtbar gemacht werden und bei einer 1100-fachen Vergrößerung deutlich als kleine geschmolzene Kugeln mit einem Durchmesser bis zu 5 μ erkannt werden. Diese Größe bildet die obere Grenze, nach unten variieren die Kugeln, bis sie endlich gänzlich unsichtbar werden. Die Sichtbarmachung dieser kleinen Kolloidmetalle ist ziemlich schwer und mühsam. Sie gelingt nur mit Hilfe der ultramikroskopischen Belichtung (Seitenbeleuchtung) und der stärksten Vergrößerung. Um sie photographieren zu können, war eine Belichtung von einer Stunde notwendig. Die beschriebene Kugelbildung ist nicht von der Anwendung einer Flüssigkeit als Zerstreuungsmedium abhängig. Es konnte nachgewiesen werden, daß auch in der Luft zwischen Platinelektroden bei Entladungen kleine Platinkugeln fortgeschleudert werden. Desgleichen ließen sich kleine durchsichtige Glaskugeln einfach dadurch erzeugen, daß eine Glasplatte so nahe an den Funkenübergang gehalten wurde, daß eine teilweise Schmelzung eintrat. Dagegen ist nicht zu verkennen, daß die Flüssigkeit, welche in diesem Fall als Masse wirkt, von kräftiger, mechanischer Rückwirkung auf die Elektroden ist. Zum Beweis dienen folgende Erscheinungen: Ist die Befestigung in den Elektroden nur eine lose, so werden diese auseinander gestoßen und die Funkenentfernung steigt schnell von 0,25 auf 2 mm. Diente weiches Metall, z.B. Blei als Elektrode, so macht sich schon nach einigen Minuten nahe der Funkenbahn ein Ausbreiten des Materials bemerkbar, wie es ähnlich beim Schmieden eintritt. Alle diese Beobachtungen beweisen also deutlich die Tatsache, daß es sich bei der elektrischen Zerstäubung nach Svedbergscher Methode um einen elektrothermisch-mechanischen Prozeß handelt. Die weitere Folge dieser Erkenntnis gipfelt darin, daß dieser Vorgang von folgenden Punkten abhängig ist: 1. von der Gesamtschmelzwärme, d.h. von jener Wärmemenge, welche zur Erreichung des Schmelzpunktes und zum Schmelzen eines Grammes der Substanz nötig ist, 2. von der Wärmeleitfähigkeit der Substanz, welche naturgemäß zum Wärmeaufwand im umgekehrten Verhältnis steht. Von geringerer Wichtigkeit sind die häufig entstehenden Metalldämpfe sowie die Viskosität und Oberflächenspannung des Metalls. Der Schluß liegt nahe, daß für Metalle von nahezu gleicher Wärmeleitfähigkeit die Zerstäubungswerte die gleichen Reihen wie die Gesamtschmelzwärme liefern müssen, was auch die unternommenen Versuche bestätigten. Es konnte folgende Tabelle zusammengestellt werden, bei welcher K die Wärmeleitfähigkeit, W die Gesamtschmelzwärme und E die Energiemenge (bei einer effektiven Stromstärke i = 1,40 Amp.), die nach Svedberg zur Zerstäubung von 1 g des Metalls erforderlich ist, bedeutet: Metall K W E Metall K W E Pb. 0,08   16     26 Cd. 0,21   32     54 Bi. 0,02   21     44 Zn. 0,26   70   133 Sb. 0,04 >34     45 Mg. 0,38 >162   445 Sn. 0,15   27     71 Al. 0,35 239   632 Pt. 0,17   88   380 Au. 0,70 >34   214 Ft. 0,16 188 2080 Ag. 1,00   79   880 Cu. 0,90 131 1190 Die angeführten Zahlen lassen deutlich erkennen, daß die Werte der Kolonnen W und E für Gruppen mit gleicher Leitfähigkeit ausnahmslos parallel verlaufen. Diese Eigentümlichkeit wirft ein aufklärendes Licht auch auf die Tatsache, daß die Menge des zerstäubten Metalls annähernd proportional dem Quadrat des Stroms d.h. der Wärmeenergie des Stroms bei konstantem Widerstand gefunden wurde, und daß ferner der Gewichtsverlust der beiden Elektroden unabhängig von der Stromrichtung derselbe ist. Bisher hatte sich für diese Fragen noch keine Erklärung finden lassen. Auch dürften diese Beobachtungen zur Aufklärung der bis jetzt zweifelhaften Elektrodenzerstäubung bei Gleichstromelektrolyse und hoher Stromdichte beitragen. Sehr geringe Zerstäubungszahlen wurden bei eutektischen Legierungen mit geringer Gesamtschmelzwärme gewonnen. Diese Erscheinung dürfte ihren Grund in der bedeutend höheren Viskosität geschmolzener eutektischer Legierungen haben, gegenüber reinen Metallen. Was nun die Verwendung der Methode zu metalligraphischen Zwecken betrifft, so liegt ihre Bedeutung in dem Umstände, daß sie theoretisch die einzige Methode darstellt, welche das Entfernen solcher Bestandteile von einer ebenen Metallfläche gestattet, welche leichter schmelzbar sind als die Hauptmasse der Probe. Zwar verhindert der Umstand, daß durch die elektrische Zerstäubung die Oberfläche des Metalls sehr stark angegriffen wird, eine mikroskopische Untersuchung, wenigstens für starke Vergrößerungen, doch bleibt das System von nicht zu unterschätzendem Nutzen für metallographische Prüfungen. Ein jedes Metall zeigt bei der entstehenden Kraterbildung ein eigenartiges Bild; Blei z.B. ein ziemlich grobes Gefüge; Silber und Kupfer, jedenfalls als Folge ihrer großen Wärmeleitfähigkeit, sehr kleine Krater. Es konnte sogar beobachtet werden, daß die Krater einer Serie Elektrostahl mit dem wachsenden Kohlenstoffgehalt an Größe zunahmen. Ferner wurde festgestellt, daß die Zerstäubungsmenge in gleicher Weise wächst, wie der Elektrodenverlust zunimmt. Die Vertiefungen in kohlenstoffreichem (1,7 v. H.) Stahl konnten sogar mit bloßem Auge deutlich wahrgenommen werden. Die zerrisseneren Punkte entsprechen den zementitreicheren Stellen, die zwar auch durch mikroskopische Untersuchungen gefunden werden können, sich aber nach der elektrischen Zerstäubung mit bloßem Auge wahrnehmen lassen. Besonders deutlich machen sich bei dieser Methode Schlackeneinschüsse bemerkbar. Bei der Untersuchung dreier Probestäbe von fast gleicher Zusammensetzung, aber verschiedener Qualität zeigte nach einem Funkenspiel von fast einer Minute der gute Stahl ein vollständig homogenes Aussehen, während die beiden anderen durch deutliche Aushöhlungen die Schlackeneinschüsse erkennen ließen. Kalt zusammengedrückte Materialien lassen einen größeren Mangel an Homogenität erkennen. Bei einer Reinnickelprobe scheinen sogar große Bruchteile des Metalls abgetrennt worden zu sein.