Titel: Graphische Kalkulation und Normalisierung.
Autor: Bruno Leinweber
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 454
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Graphische Kalkulation und Normalisierung. Von Ingenieur Bruno Leinweber in Wien. (Fortsetzung von S. 436 d. Bd.) LEINWEBER: Graphische Kalkulation und Normalisierung Für die Auszeichnung dieser Diagramme ist schon etwas mehr Verständnis und Uebung erforderlich als für die Konstruktionsdiagramme, besonders aber ein gewisses Gefühl für die Gesetzmäßigkeit von Kurven. Doch kann man sich all dies noch immer leicht und rasch aneignen. Ein einfaches Beispiel bietet das Diagramm der Scheibenkupplungen (Abb. 9). Textabbildung Bd. 328, S. 454 Abb. 9.Scheibenkupplung; Wellendurchmesser. ○ nach wirklicher Ausführung; – dem Diagramm entnommen Vor allem muß man die bestimmende Größe des betreffenden Gegenstandes richtig wählen, da nach ihr die Abszisse eingeteilt wird. Bei diesem Beispiel ist es sofort klar, daß als bestimmende Größe nur der Wellendurchmesser in Betracht kommt, wie dies auch bei Lagern, anderen Kupplungen und dergl. der Fall ist. Trägt man die Gewichte für ein Stück und die Selbstkosten auf den Ordinaten auf, so erhält man eine Reihe von Punkten, die in einer gesetzmäßigen kontinuierlich gekrümmten Kurve liegen müssen, wenn richtig normalisiert und kalkuliert wurde. Die Gewichte und Selbstkosten von Stücken, die noch nicht ausgeführt oder noch nicht berechnet worden sind, erhält man dann durch die Schnittpunkte dieser Kurven mit den betreffenden Ordinaten. Infolge von persönlichen Einflüssen des Konstrukteurs bzw. des Kaikulanten und der erforderlichen Abrundungen werden die mit den Angaben der Kalkulationsbücher gewonnenen Punkte nur selten ganz genau zusammenstimmen, auch dann, wenn die Konstruktionen mit Hilfe von Konstruktionsdiagrammen entworfen wurden. Um die Gewichts- und Preiskurven von diesen wechselnden Zufälligkeitseinflüssen unabhängig zu machen und zu einem gleichmäßigen, also wirklich gesetzmäßigen Kurvenverlauf und damit zu verläßlichen Angaben zu kommen, müssen die Kurven rektifiziert werden. Hierfür gibt es ein ganz zuverlässiges Hilfsmittel, die Kurve der Selbstkosten für 100 kg. Während die Gewichtskurve nur dann gesetzmäßig sein kann, wenn richtig, also gleichmäßig ansteigend normalisiert wurde, und dasselbe auch für die Preiskurve gilt, ist es klar, daß die Kurve der Selbstkosten für 100 kg unbedingt gesetzmäßig verlaufen soll. Vor allem sind die Selbstkosten für 100 kg desto höher, je kleiner die Type der betreffenden Maschinenart ist, da z.B. die technische und kaufmännische Bureauregie gleich bleibt, ob das Lager 40 mm oder 140 mm Wellendurchmesser hat, die aufgewendeten Arbeitslöhne für 100 kg langsamer abnehmen als die bestimmende Größe, und das Gewicht und auch die Materialaufwendung nicht in gleichem Maße sinkt. Ferner kommt für die Kurve der Selbstkosten für 100 kg sehr in Betracht, daß geringere Differenzen in Gewicht und im Preis des fertigen Stückes, hervorgerufen durch ungenaue Normalisierung, durch die Abrundungen und durch die persönlichen Einflüsse des Konstrukteurs und des Kaikulanten keinen so merkbaren Einfluß auf den Kurvenverlauf ausüben wie bei den Gewichts- und Preiskurven, weil die Größe \frac{\mbox{Gewicht}}{\mbox{Selbstkosten}} sich nicht merkbar ändert, wenn Zähler und Nenner um ein Geringes variieren. Die Kurve der Selbstkosten für 100 kg läßt sich daher stets mit ausreichender Genauigkeit konstruieren. Hat man diese drei Kurven aufgezeichnet, so gut es fürs erstemal gehen mochte, so rektifiziert man zunächst mit der Preiskurve für 100 kg und mit der Gewichtskurve die Preiskurve, mit dieser und der 100 kg-Kurve wieder die Gewichtskurve, kontrolliert mit der Gewichtskurve und der Preiskurve rückwirkend die 100 kg-Preiskurve usw., bis alle drei Kurven das Bild eines gleichmäßigen Verlaufes geben. Textabbildung Bd. 328, S. 455 Abb. 10.Sellers-Hänger mit Ringschmierung für 500 mm Ausladung. Dieser gegenseitige Kurvenausgleich ist das, was einige Uebung erfordert und nicht durch Studieren, sondern nur durch Probieren erzielt werden kann. Kennt man bereits den Charakter der Kurven für die fragliche Maschinenart, dann gelingt der Kurvenausgleich und die Diagrammaufzeichnung wesentlich leichter und rascher. Man muß aber bei der Aufstellung der Kalkulationsdiagramme nicht nur auf die gleichmäßige Normalisierung, sondern auch auf die gleichmäßige Fabrikation achten. Einzelausführungen werden stets teurer sein als Serienfabrikationen. Natürlich darf man nur gleichartige Ausführungen zusammenstellen. Ebenso kann es zu Sprüngen in den Schaulinien der Selbstkosten und Selbstkosten für 100 kg kommen, wenn z.B. die kleineren Typen der betreffenden Maschine mit Spezialmaschinen, die großen Typen aber mit den allgemeinen Werkzeugmaschinen ausgeführt werden. Die Schaulinien müssen diesen Sprung deutlich zeigen. Die Gewichte normalisierter Konstruktionen unterliegen keinen Aenderungen, wohl aber die Selbstkosten. Aendern sich die Materialpreise, die Arbeitslöhne und die Regie einzeln oder zusammen, so genügt es späterhin, für zwei bis drei Maschinengrößen die Kalkulation neu durchzuführen und die Abszisse für die Preiskurve entsprechend zu verlegen, während die Abszisse für die Gewichtskurve unverändert bleibt. Aendert sich ein solcher Preis nicht einheitlich, sondern nach einer Skala, so wird die Korrektionsabszisse keine Gerade, sondern eine gebrochene Linie, eventuell eine Kurve sein. Bei komplizierten Preisänderungen zeichnet man am besten mit drei Korrekturkalkulationen ein neues Diagramm, was sehr leicht und rasch geht, da man den Verlauf der Kurven schon kennt und dadurch auch die drei zu kalkulierenden Maschinengrößen so wählen kann, daß die Diagrammpunkte gleich die wichtigsten Zeichnungspunkte der Preiskurve geben. Für Vorkalkulationen noch nicht gebauter Maschinenarten kann man sich als ersten Anhalt Schaulinien aufstellen, welche für die verschiedenen Arten der Konstruktionsteile Selbstkosten für je 100 kg Gewicht geben. Dazu muß man sich diese Teile nicht nur nach dem Material und der Größe, sondern auch nach dem relativen Grad der Bearbeitung und der Komplikation der Form gruppieren. So wird man z.B. die Kosten für 100 kg aufstellen für: Bauguß, einfache, wenig bearbeitete Fundamentrahmen, für Gestelle, für Zylinder hydraulischer Pressen, für Zylinder von Dampfmaschinen mit Schiebersteuerung, die schon eine kompliziertere Formarbeit erfordern usw. Die Kalkulationsdiagramme bieten außer der leichten und raschen Arbeit bei der Kostenberechnung von ganzen Anlagen und bei der Ausarbeitung von Angeboten auf noch nicht ausgeführte oder noch nicht kalkulierte Maschinen noch den großen Vorteil, daß sie auf Fehler in der Normalisierung und Kalkulation hinweisen. Textabbildung Bd. 328, S. 455 Abb. 11.Bodenlager mit Bronzeschalen. ○ nach tatsächlicher Ausführung – aus dem Diagramm bestimmt; Anm: Die Lager mit abnormalen Bronzeschalen gehören nicht in die Bücher für Normalkonstruktionen Fällt z.B. das Gewicht einer bestimmten Größenklasse einer normalisierten Maschinengattung ganz aus dem Toleranzbereich der Gewichtskurve heraus, dann wird es sich jedenfalls beim Ueberprüfen der Konstruktionszeichnungen und des Werdeganges der betreffenden Maschine zeigen, daß irgend ein außergewöhnlicher Umstand die Ursache ist, z.B. die Verwendung eines größeren Modells für eine kleinere Bohrung wegen rascherer Lieferung, wie in Abb. 18, 250 Φ, wo für zwei Ausführungen Gußstücke vom Modell 200 Φ für eine Maschine 250 Φ genommen wurden. Entweder ist also die betreffende Maschinengröße nicht normal, sondern abweichend konstruiert, oder es ist in der Werkstätte etwas Abnormales vorgefallen, oder es hat der Kaikulant anstatt einer normalen Maschine eine abnormale in das Kalkulationsbuch eingetragen. Das sind alles Dinge, welche die rationelle Fabrikation stören, und auf die man sonst fast nur durch Zufall drauf kommen kann. Stimmt das Gewicht, ist aber der Selbstkostenpreis abnormal, dann Hegt entweder ein Kalkulationsfehler oder eine Erzeugungsabnormität vor, z.B. daß der Kolben der betreffenden Pumpe nicht aus Gußeisen, sondern aus Bronze hergestellt wurde, ohne daß der Kaikulant dies durch Eintragung der Kalkulation in die Bücher für abnormale Ausführungen berücksichtigt hätte. Oder es war ein Fehler in der Werkstätte geschehen, z.B. unrichtige Wahl des Arbeitsvorganges, Ausschuß eines Stückes und dergleichen. Textabbildung Bd. 328, S. 456 Abb. 12.Zentrifugalpumpen Die Kalkulationsdiagramme ermöglichen daher für normalisierte Maschinen in mancherlei Hinsicht eine rasche Kontrolle des Konstruktionsbureaus, der Kalkulatoren und der Werkstätte. Die Abb. 10 und 11 bringen noch Kalkulationsdiagramme von Transmissionsteilen, wobei sofort auffällt, daß die Kurven im allgemeinen einen ganz ähnlichen charakteristischen Verlauf besitzen. Die eingeringelten Punkte bezeichnen die tatsächlichen Angaben der Kalkulationsbücher. Sk bedeutet Selbstkosten, Sk per % Selbstkosten für 100 kg Fertiggewicht. Es folgen dann zwei Diagramme über Pumpen (Abb. 12 und 13). Hier zeigen sich bereits etwas bessere Normalisierungen, doch treten noch immer vereinzelte Abweichungen ein. So zeigen sich in Abb. 13 bei der Pumpe 80 Φ starke Abweichungen, ohne daß aus den Eintragungen im Kalkulationsbuch die abnormale Ausführung der Pumpe und die Art der Abweichung ersichtlich gewesen wäre. Textabbildung Bd. 328, S. 456 Abb. 13.Neue Rotationspumpen. Rohranschluß, Mod. 1901 (Ohne Windkessel, Anker, Auslösung) Die bisher behandelten Kalkulationsdiagramme beziehen sich auf Konstruktionen einer großen deutschen Maschinenfabrik vor ihrer Reorganisation. (Fortsetzung folgt.)