Titel: Von der niederländischen Schiffahrtsausstellung zu Amsterdam.
Autor: C. Kielhorn
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 594
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Von der niederländischen Schiffahrtsausstellung zu Amsterdam. Von Konstruktionsingenieur C. Kielhorn in Zehlendorf. KIELHORN: Von der niederländischen Schiffahrtsausstellung zu Amsterdam. Auf der Nordseite des Y, gegenüber dem Central-Bahnhof ist die „Eerste Nederlandsche Tentoonstelling op Scheepvaartgebied“ aufgebaut, welche Bezeichnung nach bekannten Mustern zu dem Worte „Entos“ kondensiert ist. Gleich vor dem Bahnhof nach der Stadtseite zu zeigt ein Riesenschild mit der Aufschrift „Entos“ die Anlegestelle der Fährdampfer an, welche den Verkehr mit der Ausstellung vermitteln. Hier erhält man auch die Eintrittskarten zur Ausstellung. Wahrscheinlich um zu verhindern, daß man mit der Konkurrenz zurückfahre, verkauft man das Hinfahrtsbillet nur mit der Rückfahrkarte zusammen. Einen halben Gulden kostet der Eintritt, 10 Cents die Hin- und Rückfahrt, macht nach deutscher Rechnung 60 Cents, nach holländischer aber mehr. Diese Fährdampfer, die sonst wohl mehr Schleppzwecken dienen, stellen der holländischen Anspruchslosigkeit in der Passagierbeförderung das beste Zeugnis aus. In dem parkartigen, dem Y zugekehrten Teil, zwischen dem ehemaligen Buiksloter Veerhaven und dem Noord-Hollandsch-Kanaal liegen der Pavillon der Stadt Amsterdam und die historische Abteilung, zwischen beiden der Congreß-Saal. A. Der Pavillon der Stadt Amsterdam. Er zeigt lediglich die Entwicklung des Amsterdamer Handels. Hier herrscht der Kaufmann. Der Volkswirtschaftler und der Statistiker findet hier ein reiches Material zusammengetragen, noch mehr, obwohl es für eine Schifffahrtsausstellung etwas merkwürdig klingt, der Mediziner. Der Techniker kommt nicht auf seine Rechnung. Nichtsdestoweniger ist diese Abteilung hochinteressant und lehrreich. Den Eingang, der in der Mitte der Langseite geigen ist, flankieren zwei große Reliefmodelle, und zwar des Holzhafens zur Linken und des Petroleumhafens zur Rechten. Wenden wir uns zunächst zur Linken. Ueber dem Modell des Holzhafens finden wir die Holzeinfuhr aus den verschiedenen Ländern durch entsprechend große Stücke der betreffenden Holzsorten anschaulich dargestellt. Auf dem Tisch daneben zeigen Eisenbahnwaggons mit Copra gefüllt die ungeheuere Zunahme der Einfuhr dieses Artikels in Holland, der den Grundstoff für die Pflanzenbutterfabrikation bildet. Nun sehe ich mich nach einer Darstellung der Zunahme der Naturbutterproduktion um. Nichts dergleichen ist in der Nähe. Doch drüben in der anderen Ecke auf einer Tafel nach Jahreszahlen geordnet immer größer werdendes Rindvieh. Wie ich näher trete, um einen Vergleich zwischen Natur- und Kunstbutterproduktion anzustellen, sehe ich, daß das Rindvieh die Häuteeinfuhr darstellen soll. Nach der Copra folgt in Säckchen dargestellt die Reiseinfuhr, daneben in Bündeln die Chinarinde und in Zuckerhüten der Rohr- und Rübenzucker. Die Mitte der Schmalseite nimmt das „Bureau voor Handelsinlichtingen“ ein, oder wie es sich auf deutsch vorstellt, das „Bureau für auswärtige Handelsbeziehungen“, unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Königin Mutter. Es hat zum Zweck die Handelsbeziehungen Hollands mit dem Ausland durch praktische, kostenfreie Aufklärung, Musterausstellungen usw. auszudehnen. Das Bureau stellt sich ohne jegliche Kommission oder Remuneration zur Verfügung ausländischer Häuser unter der einzigen Bedingung, daß die anfragenden Firmen empfohlen werden können. Es würde natürlich zu weit führen, hier auf diese für den holländischen Handel sehr förderliche Einrichtung des nähern einzugehen. Auch ich erhielt auf Grund des Ausweises der Verlags von „Dinglers polytechnischem Journal“ bereitwilligst alles statistische Material, welches gedruckt zu haben war, darunter wertvolle Angaben über den außerordentlichen Aufschwung der holländischen Rheinschiffahrt in den letzten Jahren. Erfreulicherweise befanden sich unter den Druckschriften, die das Bureau ausliegen hatte, auch manche deutschen, so ein Vortrag des Vorsitzenden dieses Bureaus, O. Kamerlingh Onnes, „Amsterdam als Hafen und Handelsstadt“, gehalten für die Mitglieder der Vereinigung für staatswissenschaftliche Fortbildung in Berlin. Der übrige Teil der Querseite wird von Darstellungen der Entwicklung des Amsterdamer Hafens durch Tabellen und Seeschiffsmodelle ausgefüllt. Auch die rückseitige Längswand beginnt mit einer historischen Uebersicht über einige Ein- und Ausfuhrartikel, statistischen Tabellen und einer bildlichen Darstellung des alten Amstelodanum aus dem 17. Jahrhundert. Der nachfolgende Stand ist für den Deutschen wiederum von höchstem Interesse. Er gibt neben dem jährlichen Betrag des Hafengeldes der Binnenschiffe im Hafen zu Amsterdam, der von 82000 Gulden im Jahre 1889 auf 190000 Gulden im Jahr 1912 anwuchs, den Gesamtrheinschiffahrtsverkehr von und nach Amsterdam nach Angabe der Zollstelle in Lobith in Tabellen und Aakschiffmodellen dargestellt, weil hierfür kein Hafengeld erhoben wird. Während nun das Hafengeld für die Binnenschiffe von 1889 bis 1912 um 131 v. H. gewachsen ist, ist der Rheinschiffsverkehr Amsterdams von 187556 t im Jahre 1891 auf 1352680 t im Jahre 1912 angewachsen, d.h. er hat um 621 v. H. zugenommen. Dabei ist zu bemerken, daß der Amsterdamer Rheinschiffsverkehr 1904 erst 4288591 betrug, sich also in den letzten acht Jahren mehr als verdreifacht hat, in denselben Jahren, in denen der deutsche Schiffsverkehr über die deutsch-niederländische Grenze von 16056 Schiffen auf 19957 Schiffe, das sind um nur 24,3 v. H. zugenommen hat. Amsterdam allein 315 v. H. in demselben Zeitraum, in welchem die deutsche Rheinschiffahrt 24,3 v. H. zugenommen hat, nach den Angaben derselben holländischen Zollstelle Lobith! Es ist unverständlich, wie angesichts solcher Verhältnisse auf der außerordentlichen Hauptversammlung des Vereins zur Wahrung der Rheinschiffahrtsinteressen zu Karlsruhe im Juni d. J. der Syndikus Dr. Walter Schmitz, Duisburg, in seinem Vortrage über „die Entwicklung der deutschen Rheinschiffahrt in den letzten Jahrzehnten“ zu dem Schluß gekommen ist, daß der deutsche Anteil am niederländischen Rheingrenzverkehr in den beiden letzten Jahrzehnten als sichtlich steigend bezeichnet werden dürfe. Die Ausstellung der Stadt Amsterdam gibt uns Deutschen ein klares Bild, wie unendlich gering unser Fortschritt gegenüber dem holländischen in der Rheinschiffahrt ist. Nach der Rheinschiffahrt kommen die Aufwendungen Amsterdams für den Nordseekanal, durch den sich Amsterdam den direkten Zugang zur Nordsee geschaffen hat zur Veranschaulichung. Hierbei kommen dem Deutschen gar eigene Gedanken an den Rheinseekanal, besonders wenn er in der Denkschrift der Handelskammer von Amsterdam, die auf der Ausstellung in deutscher Sprache zur Verfügung des Besuchers ausliegt den Schluß liest: „Die Unentbehrlichkeit dieses Seeweges ist denjenigen am deutlichsten, die sich die Lage, als ob der Kanal gar nicht da wäre, vorzustellen vermögen. Das materielle Interesse, die moralische Kraft der Nation selbst würden in empfindlichster Weise getroffen werden.“ Die gleißenden Goldrollen, die auf dem Tisch die Summen darstellen, die man für Kanalzwecke bewilligt hatte, sind holländische 10 Guldenstücke, bis 1912 rund 51828000 Gulden = 88 Millionen Mark. Nach der Kanalstatistik folgen Angaben über die Zahl der angekommenen Schiffe und deren Nationalität. Interessant ist dabei, daß die deutschen Schiffe 1900/01 die Zahl 1150 erreicht hatten, dann 1904 bis auf 880 fielen und jetzt erst wieder 1100 erreicht haben. Schiffsmodelle der verschiedensten Typen zeigen nach ihrer Größe die Zunahme der Amsterdamer Kauffahrteiflotte. An die Hafen- und Schiffahrtstatistik reihen sich figürlich, tabellarisch und graphisch dargestellt die Einfuhr von Tee in Teekannen entsprechender Größe, von Kaffee durch Ladungsarbeiter mit Säcken entsprechender Größe, von Häuten durch Rinder in zunehmender Größe. Lehrreich ist dann der folgende Stand mit Darstellungen über die Gewinnung, die Einfuhr und den Handel mit Kapok. In einem großen Schaukasten hat die Firma Gebr. van der Vies die Kapokfrucht mit dem feinen seidigen Haar, das die Samen umgibt, in den verschiedenen Stadien bis zum fertigen Polstermaterial ausgestellt. Bekanntlich trägt gepreßter Kapok bei Schwimm- und Rettungsgürteln das 36- bis 37-fache des eigenen Gewichts. Den Beschluß macht die Tabakeinfuhr durch Ballen entsprechender Größe dargestellt und verschiedene Einfuhrartikel Ostindiens nebst Bildern der früheren ostindischen Kompagnie aus dem Gemeindearchiv. Hiermit sind wir wieder an dem Reliefmodell des Petroleumhafens, über dem die Wappen der Hauptproduktionsländer des Petroleums hängen, und somit zum Eingang zurückgelangt. Die ganze Mitte des Raumes nimmt die Ausstellung des öffentlichen Gesundheitsdienstes ein. Hier findet der Mediziner reiches Material. Eine Abteilung ist der Vertilgung der Schiffsratten als den Uebertragern der Pest gewidmet; eine weitere zeigt an Modellen, Bildern usw. die Bedeutung von Bilge- und Ballastwasser für die Hygiene an Bord. Unwillkürlich steigen dem Fremden dabei die mephitischen Dünste der Amsterdamer Grachten in der Julihitze in der Erinnerung auf, und er segnet im Stillen all die Vorsichtsmaßregeln des öffentlichen Gesundheitsdienstes. In der letzten Abteilung sind die verschiedenen Lebensmittel, ihre Verfälschung und die Mittel, die Verfälschungen als solche zu erkennen, ausgestellt. Fassen wir den Eindruck kurz zusammen, so zeigt uns der Pavillon der Stadt Amsterdam das Bild einer mächtigen Handelsstadt, die in wirtschaftlich günstigen Verhältnissen und im Hinblick auf eine stolze kaufmännische Vergangenheit kein Mittel der modernen Wirtschaftspolitik verabsäumt, um den Verkehr zu heben, die Industrie zu fördern, dem Handel zu dienen und neue Beziehungen anzuknüpfen. Sie kann unseren rheinischen Handelsstädten, von denen so manche stolzere Ueberlieferungen aus der Zeit der deutschen Hanse aufweist, in vielem als Vorbild dienen. B. Die historische Abteilung. Es war ein glücklicher Gedanke auf der Schiffahrtsausstellung, die sonst nur das Neueste auf dem Gebiete der Schiffahrt, des Seewesens und des Schiffbaues zeigen soll, auch der Vergangenheit zu gedenken. Die historische Abteilung gibt nun nicht etwa eine chronologisch geordnete Darstellung der Fahrzeuge von den Zeiten der Bataver bis zu den modernen Riesendampfern der Holland-Amerika-Linie. Sie stellt nur einen Abschnitt von der Mitte des 16. bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts dar. Den überwiegenden Teil bilden Darstellungen aus Hollands großer Zeit. An den Wänden und auf den Tischen die Bilder von de Ruyter, van Tromp, Cornelis Evertsen, Johann de Liefde, Egbert Meeuwsz. Kortenaer und wie alle die holländischen Seehelden heißen, dann die Gemälde der Seeschlachten; das ist keine Ausstellung, das ist Hollands Ruhmeshalle. Dieser Eindruck überkommt zuerst den Besucher. Und doch wieder, trotz der wuchtigen Größe in den farbenreichen Gemälden, in den zum Teil wunderbar gearbeiteten Schiffsmodellen eine so eigenartige Zusammenstellung, daß man glauben könnte, man sei in einer Kunstausstellung, wo an Gemälden und Holzbildwerken das beste einer großen Zeitepoche mit feinem Verständnis zusammengetragen sei. Aber auch der Technik ist hier ihr Recht geworden. „Meetkundige voorstellingen“, wie die alten technischen Werke über Schiffbau sich benennen, mit zum Teil wunderbar ausgeführten Zeichnungen finden wir in großer Zahl; dahinter an der Längswand seltene Karten und Atlanten zum Teil von hohem Altertumswert. Geschichte, Kunst und Wissenschaft hat hier in der historischen Abteilung eine glückliche Hand zu einem harmonischen Ganzen vereint. Es trifft sich glücklich, daß Hollands große Zeit auch große Maler gefunden hat, die Taten der Nachwelt zu überliefern. Da sind vor allem Werke Willem van de Veldes des Jüngeren, des Raffaels der Seemalerei (1633 bis 1707) Kriegsrat am 24. Mai 1665 vor Texel an Bord der „Eendracht“. Ein Bild voll Leben und Beweglichkeit und prächtiger Komposition. Von seinem Vater, Willem van de Velde dem Aelteren, eine Federzeichnung: Kriegsrat am 10. Juni 1666 an Bord von „de Zeven Provincien“ unter Admiral de Ruyter. Dann die Darstellung des Glanzpunktes holländischer Machtentfaltung zur See, Schellinks Gemälde „De tocht naar Chatham“ 1667. Die Zerstörung der Docks dieses englischen Kriegshafens durch de Ruyter, nachdem er die englische Flotte in drei Seeschlachten besiegt hatte. Natürlich fehlen auch Bilder, die Amsterdam bzw. das Y in jener Zeit darstellen, nicht. Darunter das berühmte Gemälde von W. van de Velde dem Jüngeren, „Het IJ voor Amsterdam 1686“ aus dem Reichsmuseum mit wunderbaren Spiegelungen, und Backhuysens gleich betiteltes Gemälde, das den Meeresarm bei bewegter See darstellt. Von sonstigen Trophäen finden wir in dieser Ruhmeshalle Hollands noch zwei Gegenstände, die ein Zeugnis von der Verehrung des Volkes für seine Seehelden ablegen. Das eine ist ein abgenutztes Reepschlägerrad aus altgebräuntem Holz, an dem Michiel de Ruyter in Vlissingen in seiner Jugendzeit gearbeitet hat, das andere im Glaskasten wohlverwahrt, „het klokje“ eine kleine auf kunstvoll gearbeitetem Unterbau stehende Glocke, die Pieter Pietersz Hayn, oder wie ihn die Holländer nennen, Piet Hein, bei der Eroberung der spanischen Silberflotte in der Bay von Matanca 1628 erbeutete und nachher stets auf seinem Schiff mitführte. Den Hauptteil der Ausstellung bilden die Schiffsmodelle aus der Zeit von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Niedergang des Holzschiffbaues in der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Nicht vom technisch-historischen Standpunkt aus sind die Modelle ausgewählt, sondern hier hat die Kunst den Ausschlag gegeben. Jedes der ausgestellten Modelle ist ein Kunstwerk für sich. Namentlich um eines drängt sich die Zahl der Besucher zusammen. Es steht ziemlich in der Mitte und ist wohl das größte auf der Ausstellung, ein Amsterdamer Orlogschiff von 1665, ein Modell aus Hollands Heldenzeit. Das Volk drängt sich auf der Backbordseite des Modells zusammen. Da fällt mein Blick auf das Schild am Boden des hohen Glaskastens, in welchem das Modell steht, und ich lese: „Ingezonden door S. M. den Duitschen Keizer“. Der einzige Deutsche, der einzige nicht holländische Aussteller in der historischen Abteilung. „Honi soit qui mal y pense“ lautet die Inschrift auf dem Wappen am Heck des mit wunderbarer Genauigkeit gearbeiteten Modells, das in künstlerischer Hinsicht wohl als das schönste der ausgestellten Modelle zu bezeichnen ist. Ich vermeide grundsätzlich, vorher einen Katalog zu studieren, um das Ausgestellte unbeeinflußt auf mich einwirken zu lassen. In diesem Falle griff ich aber danach, denn die großen Firmen Deutschlands hatten sich mit geringen Ausnahmen sämtlich der Beschickung der Ausstellung enthalten, also mußten hier eigene Gesichtspunkte gegolten haben. Schon das Vorwort des Vorstandes der Vereinigung „Historische Afdeeling van Entos“ klärte mich auf, und man kann die Stimmung des Holländers auf der Ausstellung nicht treffender wiedergeben als in dem erwähnten Vorwort: „Eerbiedigen dank brengen wij inzonderheit an Zijne Majesteit den Duitschen Keizer. die bij het in bruikleen geven van een hoogst merkwaardig en kostbaar scheepsmodel van Nederlandschen, bepaaldelijk van Amsterdamschen oorsprong, tegelijk weder heeft getoond, hoezeer hij prijs stelt of sijn verwantschap met het Huis van Oranje.“ Die Stammverwandtschaft der Herrscherhäuser hat hier ihren offiziellen Ausdruck gefunden. Die Stammverwandtschaft der Völker nicht. Das fühlt der Holländer auf der Ausstellung, und der Deutsche sucht vergebens nach einem Ausdruck derselben, besonders drüben in den Hauptgebäuden, neben denen in einem prächtigen Sonderbau die British Section steht. Wir wollen hier kein Urteil fällen über die Vorgänge, die zu dem fast völligen Fehlen Deutschlands auf der Niederländischen Schiffahrtsausstellung geführt haben, aber über die Folgen können wir nicht stillschweigend hinweggehen, namentlich bei Besprechung der Ausstellung in den Hauptgebäuden. Welchen Wert die Leiter der historischen Abteilung auf das von S. M. dem Kaiser ausgestellte Modell legen, geht aus dem Katalog hervor, der den sämtlichen ausgestellten Modellen im ganzen drei Seiten Text widmet, davon mehr als die Hälfte dem Modell des Kaisers. Hier erfahren wir, daß der Kurfürst von Brandenburg mit seinem damals 15 jährigen Neffen, Prinz Wilhelm von Oranien, und mit anderen Fürsten am 16. Mai 1666 die vor Texel liegende Flotte besuchte. Dabei ist dem jungen Prinzen ein Schiffsmodell durch die Admiralität Amsterdams versprochen worden. Dieses, augenscheinlich eine getreue Nachbildung von de Ruyters Admiralschiff, kam nach dem Tode Wilhelms von Oranien bei Verteilung der Nachlassenschaft an die Vorfahren des Kaisers. In Berlin stand das Modell bislang im Hohenzollernmuseum. Doch sehen wir weiter die Reihe der Modelle durch, so finden wir als hervorragend schöne Exemplare drei von Schiffen der Ostindischen Compagnie aus dem 18. Jahrhundert stammend. Aus der gleichen Zeit sehen wir reich verzierte Modelle einer Staatsjacht des bayerischen Kurfürsten Carl Albert und eine Jacht der Kaiserin Maria Theresia. Von Kauffahrteischiffen aus dem 18. Jahrhundert fällt ein Hökerschiff aus dem Niederländischen Museum auf, ferner das Modell eines Beurtschips, ähnlich den heutigen Kuffen, und eines Snauwschiffes, letzteres mit zwei vollgetakelten Masten. Einen ganz merkwürdigen Eindruck macht das Modell eines „Haringbuis“ aus dem 17. Jahrhundert mit drei Masten, ohne jede Aehnlichkeit mit den heutigen hölzernen Heringsloggern, während die Modelle von Galjoten und Kuffen wenig von den heute noch üblichen verschieden sind. Von den besonderen Typen, die sich wieder in die Nord- und Südholländischen unterscheiden, müssen wir hier des Raumes wegen absehen. Unter den übrigen Modellen erregt unser Interesse noch das einer alten holländischen Fregatte aus dem vorigen Jahrhundert „der Batavier“. Interessant und von hohem Wert ist die Ausstellung der Atlanten, Karten und Journale, nach Zeit und Ländern geordnet. Da finden wir alte Handzeichnungen der Küsten zum Teil perspektivisch, Karten nach der ptolemäischen Manier, in denen die Gebirge mit sägeartigen Segmenten dargestellt sind, dann eine ziemlich vollständige Sammlung Atlanten Mercators, darunter der große von ihm selbst in Kupfer gestochene „Atlas, sive cosmographicae meditationes de fabrica mundi et fabricate figura“, Duisburg 1594. Man staunt über die ausgestellten außerordentlich vollständigen Karten Afrikas aus dem 17. Jahrhundert. Allerdings scheinen sie nicht ganz zuverlässig zu sein, finden wir doch auf einer derselben an Stelle der Hererowüste große Seen angegeben. Auch die Nilquellenfrage war für die Kartographen des 17. Jahrhunderts auf dem Papier gelöst. Eine Karte von Nieuwe-Nederland in ptolemäischer Manier und darunter das Bild Nieuwe-Amsterdams aus dem Jahre 1656 stellt uns Staat und Stadt New-York vor mehr als 250 Jahren vor Augen. Geht man aus den großen Sammlungen der Museen und Bibliotheken mit dem Gefühl, daß dort alles wohlgeordnet jederzeit zur Verfügung des Wißbegierigen bleibt, so überkommt einen beim Verlassen der historischen Abteilung unwillkürlich ein Bedauern, daß alle diese Werke, die hier in dieser Vereinigung einen seltenen Schatz an Wissen darstellen, und gerade in dieser Zusammenstellung so manche noch unbeantwortete Frage lösen könnten, in kurzer Zeit in alle Winde zerflattern sollen. (Fortsetzung folgt.)