Titel: Die Nutzbarmachung der Joule'schen Wärme im Elektrostahlofen.
Autor: R. Loebe
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 609
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Die Nutzbarmachung der Joule'schen Wärme im Elektrostahlofen. Von Dr. R. Loebe an der Kgl. Bergakademie Berlin. LOEBE: Die Nutzbarmachung der Joule'schen Wärme im Elektrostahlofen. Wenn der elektrische Strom einen metallischen Leiter durchfließt, und wenn dabei keine andere Arbeit geleistet wird als die Ueberwindung des Leitungswiderstandes, so wird die gesamte aufgewendete elektrische Energie in Wärme umgesetzt (Joulesche Wärme). Die im Leiter erzeugte Wärmemenge Q muß daher der elektrischen Energie JE, in Watt ausgedrückt, äquivalent sein, d.h. Q = J ∙ E, wenn J die Stromstärke und E die Potentialdifferenz zwischen den Enden des Leiters bedeuten. Da das Wärmeäquivalent für 1 Amp. = 1 Joule – 0,24 g = cal. beträgt, in der Zeiteinheit somit Q = 0,24 JE g = cal. entwickelt werden, liefert ein Strom von JE Watt in t Sekunden eine Wärmemenge von Q = 0,24 J ∙ Et g = cal. (1) d.h. die in einem metallischen Leiter erzeugte Wärmemenge ist der Stromstärke J, der Spannung E und der Zeit t proportional. Einer bestimmten Stromleistung entspricht also bei gleicher Widerstandsgröße eine ganz bestimmte Wärmemenge, die sich mit Hilfe von Gleichung(1) aus den bekannten bzw. leicht meßbaren Größen J, E und t leicht berechnen läßt. Für die Abhängigkeit der erzeugten Wärmemengen von der Widerstandsgröße W ergibt sich indirekt aus Gleichung (1) nach dem Ohmschen Gesetz entweder Q = 0,24 J2 – W ∙ t g = cal. (2) oder Q=0,24\,t\,.\,\frac{E^2}{W}\,g=\mbox{ cal.} (3) Hieraus folgt, daß der Wert für Q sich auch proportional der Widerstandsgröße ändert. Will man daher mit gegebenen Stromgrößen eine höchstmögliche Wärmeentwicklung erzielen, so hat man nur nötig, den Widerstand entsprechend zu vergrößern, während sich der gleiche Erfolg bei bestimmtem Widerstand nach Gleichung (1) nur durch Erhöhung der Energiezufuhr erreichen läßt. Nach dem Gesagten liefern gleiche Energiemengen in gleichen Zeiträumen bei gleicher Widerstandsgröße auch immer gleiche Wärmemengen. Verschieden ist jedoch die Intensität, mit der letztere zur Wirksamkeit gelangt. Und zwar ist für die Höhe der erzeugten Temperatur sowohl die Beschaffenheit als auch die Natur des Leitermaterials von ausschlaggebender Bedeutung. Bei einem und demselben Material ist der Widerstand eines Leiters bekanntlich von dem Verhältnis \frac{\mbox{Länge}}{\mbox{Querschnitt}} abhängig. Ein Leiter von 10 mm ⌀ muß daher bei gleichem Widerstand 100-mal länger sein als ein solcher von 1 mm ⌀. Die Masse, auf die sich eine bestimmte Wärmemenge verteilt, ist daher in ersterem Fall 10000-mal größer als im zweiten. Eine Strommenge, die in einem kupfernen Leiter von 1 mm ⌀ und 1 Ohm eine Erhitzung um 332 ° hervorbrächte, würde daher einen 10 mm dicken Draht aus demselben Material bei dem gleichen Widerstand nur um 0,0332 ° C erwärmen. Was für Leitungswiderstände von demselben Material gilt, gilt in erhöhtem Maße für solche aus verschiedenen Stoffen, da diese wegen ihres verschiedenen spezifischen Widerstandes an sich schon verschiedene Abmessungen für gleiche Widerstandsgrößen bedingen. Bei gleichem Querschnitt entspricht z.B. ein Kohlenstab von 1 m Länge dem gleichen Widerstand wie ein Kupferdraht von 2257 m Länge. Auch hier müssen naturgemäß im Kohlenstab höhere Wärmegrade entstehen als im Kupferdraht. Aber nicht allein die elektrische Leitfähigkeit, sondern auch die spezifische Wärme bedingt eine Verschiedenheit der durch gleiche Wärmemengen in verschiedenen Leitermaterialien entstehenden Temperatur. Und so kommt es, daß durch dieselbe Strommenge, die einen 4514 m langen und 10 mm dicken Kupferdraht nur um 0,3 ° C erwärmt, ein 2 m langer Kohlestab von gleichem Querschnitt auf 1960 ° C erhitzt würde (Borchers). Durch Wahl entsprechender Materialien und Abmessungen für die Heizwiderstände, in denen die Stromwärme nutzbar gemacht wird, hat man es daher in der Hand, je nach den zur Verfügung stehenden Strommengen beliebig hohe Temperaturen zu erzielen, während dort, wo der Heizwiderstand ein für allemal gegeben ist, die erforderlichen Hitzegrade nur durch entsprechende Aenderung der Stromgröße erfolgen können. Die Vorrichtungen, in denen die Joulesche Wärme erzeugt und nutzbar gemacht wird, bezeichnet man als elektrische Oefen. Dieselben haben nach einem überaus kurzen Zeitraum ihrer Entwicklung heute bereits sowohl im Laboratorium wie in der Praxis der Metallverhüttung ein weites Anwendungsgebiet gefunden. Von besonderer Bedeutung ist der Elektroofen für die Stahlindustrie geworden, die er in den Stand setzte, bisher kaum gekannte, hochwertige Stahlsorten zu erzeugen. Alle in der Stahlindustrie verwendeten Elektroofen beruhen streng genommen auf der Nutzbarmachung der Jouleschen Wärme, wenn auch die Art, in welcher diese hervorgerufen wird und zur Wirksamkeit gelangt, und insbesondere natürlich auch die Ofenkonstruktion selbst bei den einzelnen Typen außerordentlich verschieden ist. Als Widerstandsmaterial gelangen in den Elektrostahlofen Leiter erster und zweiter Klasse zur Verwendung. Was letztere betrifft, so sind sie bekanntlich bei gewöhnlicher Temperatur Nichtleiter und werden erst in der Glühhitze stromleitend, wie wir das an dem aus Porzellanerde und Magnesia bestehenden Leuchtfaden der Nernst-Lampe beobachten können. Im Elektroofen kommen als Leiter zweiter Klasse einmal die zum Bau seines Herdes und der Abdeckungen verwandten Materialien, wie Dolomit und Magnesit in Betracht, die mit Teer vermischt zu Bausteinen für die Oefen gepreßt oder als Innenbekleidung direkt in die Oefen eingestampft werden. Dann aber auch die Schlacken, die in verschieden wichtigen Ofentypen die Rolle des Heizwiderstandes teils allein, teils im Verein mit dem flüssigen Metallbad übernehmen. Da der elektrische Strom im Elektroofen lediglich seiner Wärmewirkung wegen Verwendung findet und elektrolytische Wirkungen, denen bekanntlich die Leiter zweiter Klasse ausgesetzt sind, nach Möglichkeit vermieden werden müssen, pflegt man zum Betrieb des Elektrostahlofens niemals Gleichstrom, sondern ausschließlich Wechselstrom bzw. Drehstrom zu verwenden. Als Elektrodenmaterial kommt fast nur Kohle zur Verwendung, die zu den Leitern erster Klasse gehört, die sich aber den metallischen Leitern gegenüber durch ihren hohen spezifischen Widerstand vorteilhaft auszeichnet. Sie nimmt ihnen gegenüber aber auch noch dadurch eine besondere Stellung ein, daß ihr spezifischer Widerstand mit steigender Temperatur abnimmt, während sich der der Metalle in gleichem Sinne wie die Temperatur ändert. Im Elektrostahlofen hat die entstehende Wärme ganz allgemein die Aufgabe, Stahl zu schmelzen und kürzere oder längere Zeit im Schmelzfluß zu erhalten. Je nach der Art, wie die Wärme im Ofen erzeugt wird, d.h. ob das Schmelzgut selbst den Heizwiderstand bildet oder ob von einem andern Heizwiderstand erst die Wärme auf das Schmelzgut übertragen wird, redet man von direkter oder indirekter Widerstandserhitzung. Wir wollen in nachstehendem die wichtigsten Vertreter der modernen Elektrostahlofen betrachten. 1. Direkte Widerstandserhitzung liegt dann vor, wenn die Heizung lediglich durch den dem elektrischen Strom entgegengesetzten Eigenwiderstand des zu heizenden Metallbades erfolgt. Einen solchen Ofen hatte Gin als Elektrostahlofen konstruiert. Dieser bestand aus einem fahrbaren Block von Mauerwerk, der auf seiner wagerechten Oberfläche mit einer mehrfach gewundenen Rinne zur Aufnahme des flüssigen Stahls versehen war und während des Schmelzprozesses in eine geeignete Uebermauerung hineingefahren wurde (Abb. 1). Anfang und Ende dieser Rinne waren mit den kupfernen Stromzuleitungen verbunden. Diese Einrichtung ermöglicht durch Aenderung der Stromstärke jede gewünschte. Temperatur einzustellen und konstant zu halten und bei Anwendung sehr starker Ströme auch sehr hohe Hitzegrade zu erreichen. Obgleich namentlich die große Gleichmäßigkeit der Beheizung diese direkte Erhitzungsart besonders wertvoll erscheinen läßt, hat sich dieser Ofen jedoch in der Praxis nicht behaupten können. Hauptsächlich deshalb, weil der Ofen sehr starke Ströme bei relativ niedriger Spannung erforderlich machte, und die starken Ströme wiederum sehr teure Stromzuführungen verlangen. Textabbildung Bd. 328, S. 610 Abb. 1. Es war daher ein großer Fortschritt, als es gelang, auf anderem Wege das gleiche Ziel zu erreichen. Dieser Fortschritt lag in dem Gedanken, das Prinzip des Wechselstrom-Transformators dem elektrischen Ofen dienstbar zu machen, mit dessen Hilfe hochgespannte Ströme geringer Stromstärke in solche von hoher Intensität und niedriger Spannung umgewandelt werden. Ein von Wechselstrom durchflossener Leiter erzeugt ein Kraftlinienfeld, dessen Stärke sich fortwährend ändert und daher in einem in diesem Feld liegenden zweiten Leiter einen Strom induziert. Nun verhalten sich die Spannungen E1 des primären Stromkreises zu der Spannung E2 des sekundären wie die Zahl der Windungen des primären und sekundären Leiters Z1 bzw. Z2, d.h. \frac{E_1}{E_2}=\frac{Z_1}{Z_2} (4) Da nun andererseits die Arbeitsfähigkeit des induzierten Stromes J2 E2 gleich derjenigen des primären Stromes J1 E1 ist, d.h. J1E1 (Watt) = J2E2 (Watt), so ändert sich die Stromstärke des induzierten Stromes im umgekehrten Verhältnis wie die Spannung, d.h. \frac{J_1}{J_2}=\frac{E_2}{E_1}=\frac{Z_2}{Z_1} (5) Ein Strom von hoher Spannung und niedriger Stromstärke läßt sich daher in einen solchen von geringer Spannung und hoher Stromstärke umwandeln, wenn man die Zahl der Sekundärwindungen auf ein Minimum reduziert. Textabbildung Bd. 328, S. 611 Abb. 2. Textabbildung Bd. 328, S. 611 Abb. 3. Textabbildung Bd. 328, S. 611 Abb. 4. Damit haben wir das Prinzip des Wechselstrom-Transformators, wie er heute bei gewissen Stahlofentypen fest allgemein Verwendung findet. Derselbe besteht aus einer primären, vom Maschinenstrom gespeisten Spule und einer sekundären Spule, die den Nutzungsstrom liefert. Damit nicht ein Teil der Kraftlinien ungenutzt entweicht ("streut"), gibt man ihnen einen guten magnetischen Leiter, der sie durch seine hohe magnetische Leitfähigkeit m vorgeschriebenen Bahnen zu fließen zwingt. Reduziert man nun in einem Transformator die Windungszahl der sekundären Spule auf Z2 = 1, so ist J_2=\frac{J_1\,Z_1}{Z_2}=\frac{J_1\,Z_1}{1}=J_1\,Z_1 (6) Dann ist also die sekundäre Stromstärke gleich dem Produkt aus der vom Transformator aufgenommenen Primärstromstärke mal der Zahl der primären Windungen, während die Spannung umgekehrt proportional der Stromstärke abnimmt. Durch Anwendung einer einzigen Sekundärwicklung gelingt es also, hochgespannte und leicht tortzuleitende Ströme von niedriger Amperezahl in dem für die direkte Widerstandsrichtung günstigen Sinne, d.h. in Ströme hoher Amperezahl zu transformieren. Nach Gleichung (6) lassen sich aus den vorhandenen Strom-Verhältnissen in der Primärleitung auch die Verhältnisse es Sekundärstromes durch Aenderung der Windungszahl in der primären Spule nach Erfordernis gestalten. Mit der Konstruktion eines entsprechenden Spezialtransformators mit einer einzigen Sekundärwicklung war er zugleich der Weg gegeben, eben diese starken Sekundärströme direkt im Transformator selbst in Wärme umzusetzen. Und so entstand der Induktionsofen, der nichts anderes ist, als ein entsprechend ausgebildeter Wechselstromtransformator, in welchem der in einer ringförmigen Schmelzrinne untergebrachte flüssige Stahl selbst die Rolle des einmal gewundenen und in sich kurz geschlossenen Sekundärleiters und somit des Heizwiderstandes übernimmt. Da der Sekundärstrom keine andere Arbeit zu verrichten hat, wird die gesamte von ihm erzeugte elektrische Energie in Wärme umgesetzt, und zwar ist auch hier wieder Q = 0,24 J2W ∙ t g = cal. bzw. Q = 0,24 J E ∙ t g = cal. Der Widerstand W bleibt aber bei einem bestimmten Einsatz praktisch immer der gleiche. Daher läßt sich auch durch Aenderung der Stromstärke jede beliebige Wärmemenge und damit jede beliebige Temperatur herstellen. Da aber andererseits die Zahl der sekundären Windungen immer gleich, nämlich 1, ist, so kann die Stromstärke des Sekundärstromes durch entsprechende Aenderung der primären Windungen nach J2 = J1Z1 geregelt werden. Bedingt beispielsweise eine vom Transformator aufgenommene Stromstärke von 100 Amp. bei 50 Windungen der Primärspule eine sekundäre Stromstärke von J_2=\frac{J_1\,.\,Z_1}{Z_2}=\frac{100\,.\,50}{1}=500 Ampere, so kann letztere auf 10000 erhöht werden, wenn unter entsprechend erhöhter Spannung, aber gleicher Ampèrezahl des primären Stromkreises die Zahl der Windungen verdoppelt würde. Aber nicht allein durch Aenderung der Bedingungen der Stromverhältnisse im primären Stromkreise lassen sich diejenigen im sekundären verändern, sondern auch durch Aenderung der Stromwechselgeschwindigkeit, denn proportional mit ihr ändert sich die Spannung des Sekundärstromes, umgekehrt proportional also dessen Intensität. So entspricht ein Strom von 50 Perioden der doppelten Voltzahl, gegenüber einer solchen von 25 Perioden. Eine Erniedrigung der Periodenzahl läge daher wohl im Interesse einer erhöhten Wärmewirkung. Damit wachsen aber die Kosten einer Ofenanlage ganz beträchtlich, so daß man sich mit der normalen Periodenzahl von 15 bis 50 Perioden begnügt. Die Induktionserhitzung ist nach vorstehendem streng genommen nichts anderes als direkte Widerstandserhitzung, nur mit dem Unterschied, daß bei ihr nicht der von der Maschine gelieferte Wechselstrom direkt, sondern erst nach seiner Transformation zur Verwendung gelangt. Die Möglichkeit unter Vermeidung teuerer Zuleitungen und großer Leitungsverluste in einem Eisenbad auf solchem Wege sehr starke Ströme zu erzeugen, hat zuerst Ferranti erkannt. Sein Ofen hat jedoch keine praktische Bedeutung erlangt. Erst nach zehn Jahren wurde der erste brauchbare Induktionsofen von Kjellin konstruiert und in Gysinge in Schweden aufgestellt. Dieser hat sich seitdem beträchtlich entwickelt und so erfolgreich bewährt, daß er als der wichtigste Vertreter aller reinen Induktionsöfen anzusehen ist. Der Kjellin-Ofen ist in Abb. 2 und 3 schematisch dargestellt. Er besteht im wesentlichen aus einem in Mauerwerk aufgeführten ringförmigen Schmelzherd A, dessen Rinne B mit dem flüssigen Stahl angefüllt wird. Senkrecht durch das Innere dieses Herdes geht ein eiserner Kern C1, um den herum die Primärwicklung P geführt ist und der durch zwei Joche J1 und J2 mit einem zweiten ihm parallelen Kern C2 fest verbunden ist. Der ganze Ofen ist um eine Horizontalachse drehbar angeordnet. Textabbildung Bd. 328, S. 612 Abb. 5. Wegen der Entfernung zwischen der Primärwicklung und dem Eisenring geht bei den erwähnten reinen Induktionsöfen ein Teil der Kraftlinien durch „Streuung“ verloren, wodurch der Wirkungsgrad eines Ofens stark beeinträchtigt wird. Bei neueren Oefen mit Induktionsheizung nimmt man daher außer der durch die Beschickung gebildeten Sekundärwicklung noch kupferne Leiter zu Hilfe, denen die Aufgabe zufällt, jene Kraftlinien zu sammeln und nutzbringend zu verwerten. Der wichtigste Vertreter dieser zweiten Gruppe von Induktionsöfen ist derjenige von Röchling-Rodenhauser, bei welchem außerdem beide Eisenkerne mit Wicklung versehen sind und von je einem Schmelzherd umgeben werden, die sich in der Mitte zu einem geräumigen Arbeitsraum vereinigen. Der Ofen ist in Abb. 4 und 5 schematisch wiedergegeben. Abb. 6 zeigt ihn in geneigter Lage während des Abstichs. Textabbildung Bd. 328, S. 612 Abb. 6. Die Temperaturen, die sich in den Induktionsöfen erreichen lassen, sind außerordentlich hohe und erreichen etwa die Temperatur des Flammenbogens. In der Großeisenindustrie haben sie sich bewährt und bereits ausgedehnte Verwendung gefunden. (Schluß folgt.)