Titel: Die Nutzbarmachung der Joule'schen Wärme im Elektrostahlofen.
Autor: R. Loebe
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 628
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Die Nutzbarmachung der Joule'schen Wärme im Elektrostahlofen. Von Dr. R. Loebe an der Kgl. Bergakademie Berlin. (Schluß von S. 612 d. Bd.) LOEBE: Die Nutzbarmachung der Joule'schen Wärme im Elektrostahlofen. 2. Indirekte Widerstandserhitzung nennt man diejenige Erhitzungsart, bei der nicht die Ofenbeschickung selbst, sondern ein anderer, elektrothermisch erhitzter Leiter seine Wärme an den zu erhitzenden Stoff abgibt. Bei den entsprechenden Oefen handelt es sich sonach um Vorrichtungen, die keine eigentlichen Aenderungen der bisher gebräuchlichen eisenhüttenmännischen Prozessen bedeuten, sondern nur als Ersatz für die Koks- und Gasheizung anzusehen sind. Der Prototyp dieser Oefen ist der bekannte Laboratoriumsofen von Heraus, dessen wesentlichen Bestandteil ein um ein Hartporzellanrohr spiralförmig herumgeführtes Platinband als Heizwiderstand bildet. Praktisch verwendet wurde dieses Prinzip von Girod in einem zur Herstellung von Ferrolegierungen und zum Schmelzen von Stahl dienenden Tiegelofen, dessen Widerstandsmasse aus Kohlenstoff und Silizium bestand. Indessen war für diesen Ofen ein erheblicher Kraftbedarf notwendig. Aus diesen und anderen Gründen hat er keine praktische Bedeutung in der Eisenhüttenindustrie erlangt. Als indirekte Widerstandserhitzung im weiteren Sinne ist die Lichtbogenerhitzung anzusehen, bei der die strahlende Wärme des zwischen Kohlenspitzen entstehenden Lichtbogens als Wärmequelle Verwendung findet. Die stromleitenden Dämpfe des Kohlenstoffes, die hier die Rolle des Widerstandes übernehmen, bilden ein hervorragendes Mittel zur Erzielung außerordentlich hoher Hitzegrade, die im Mittel etwa 3500 ° betragen. Textabbildung Bd. 328, S. 628 Abb. 7. Reine Lichtbogenerhitzung verwendet Stassono bei der direkten Herstellung von Stahl aus Erz. Bei seinem Ofen, den Abb. 7 schematisch darstellt, ist das Schmelzgut direkt unter dem Flammenbogen angebracht oder die Beschickung umgibt den Flammenbogen, so daß die entstehende Wärme besser ausgenutzt wird. In Abb. 7 sind die Kohlenelektroden mit E1 bzw. E2, das Stahlbad mit B und die Schlackenschicht mit S bezeichnet. Abb. 8 zeigt einen modernen Stassono-Ofen im Querschnitt. Größere Bedeutung haben im Stahlwerksbetrieb diejenigen Ofentypen erlangt, bei denen der Lichtbogen indirekt zur Verwendung gelangt, d.h. bei denen der Bogen zwischen den in das Stahlbad eintauchenden Kohlenelektroden und der auf der Oberfläche des flüssigen Stoffes schwimmenden Schlackenschicht unter gleichzeitiger Verwendung der letzteren als Heizwiderstand erzeugt wird. Es handelt sich also um eine Kombination von Lichtbogenerhitzung und indirekter Widerstandserhitzung seitens der gleichzeitig als Strombrücke dienenden Schlackenschicht. Auf diesem Prinzip ist der Héroult-Ofen aufgebaut, der in Abb. 9 schematisch dargestellt ist. Textabbildung Bd. 328, S. 628 Abb. 8. Textabbildung Bd. 328, S. 628 Abb. 9. Die Hauptwärmemenge entsteht hier in dem Raum zwischen den Elektroden E1 bzw. E2 und der Schlacke S. Von den Elektrodenböden, an denen die hohe Temperatur des verdampfenden Kohlenstoffes herrscht, wird fortwährend Kohlenstoffdampf auf die Schlackenoberfläche geschleudert. Dieser wird von den in der Schlacke enthaltenen Oxyden begierig aufgenommen und somit ein beträchtlicher Teil der Wärme auf die Schmelze B übertragen. Gleichzeitig werden durch das Aufschleudern des Kohlenstoffdampfes nicht nur die flüssigen Schlackenteilchen, sondern auch die des darunterliegenden Eisenbades ständig in Bewegung erhalten, und so wird auch die Wärme von der Schlacke an das Metallbad selbst ständig weitergegeben. Textabbildung Bd. 328, S. 629 Abb. 10. Als Elektroden dienen in den Lichtbogenöfen Kohlenblöcke von quadratischem oder kreisförmigem Querschnitt. Sie müssen hohe Bruchfestigkeit aufweisen und möglichst hohe elektrische Leitfähigkeit neben möglichst geringer Wärmeleitfähigkeit besitzen. Reiner Kohlenstoff in Form von Graphit besitzt der gewöhnlichen Elektrodenkohle gegenüber zwar den Vorzug hoher mechanischer Festigkeit und guter elektrischer Leitfähigkeit. Graphitelektroden sind aber nicht blos teuer, sondern besitzen auch ein hohes Wärmeleitungsvermögen, was sehr zu ihren Ungunsten in die Wage fällt, weil dadurch hohe thermische Verluste bedingt werden. Der elektrische Widerstand des Graphits verhält sich zu dem der Elektrodenkohle wie 1 zu 2,25, während seine Wärmeleitfähigkeit diejenige der Kohle um das Zehnfache übertrifft. Aus diesem Grunde müssen Kohlenelektroden einen größeren, und zwar 4,7-fachen Querschnitt haben, als Graphitelektroden, was gleichfalls als ein Vorzug der Kohle anzusehen ist. Denn große Elektrodenflächen wirken kraftsparend, und bei ihrer Verwendung braucht man nur mit geringeren Stromdichten zu arbeiten, als bei Graphitelektroden, so daß letztere stets einen ungünstigeren Wirkungsgrad besitzen. Deshalb verdient die Kohle als Elektrodenmaterial für elektrische Oefen vor dem Graphit den Vorzug und wird daher fast ausschließlich hierzu benutzt. Nur bei sehr großen Oefen bevorzugt man Graphit, weil durch Bruch von großen Kohleblöcken die Betriebssicherheit leidet. Die Elektroden eines elektrischen Ofens sind nun verschiedenen Angriffen ausgesetzt. Durch die starke Erhitzung verbrennen sie an freier Luft, ihr Querschnitt wird daher geringer, ihr Widerstand dadurch vergrößert und so ein baldiges Auswechseln erforderlich. Auch werden die Stellen, wo sie mit den kupfernen Zuleitern verbunden sind, durch Abbrand leicht zerstört, und endlich wird, wenn keine Gegenmaßregeln ergriffen werden, das Mauerwerk des Ofens zwischen den Elektroden bei hohen Temperaturen leitend und kann die Elektroden kurzschließen. Um alle diese Gefahren auszuschließen, pflegt man die Elektroden an den Austrittsstellen aus dem Mauerwerk mit Wasser so weit zu kühlen, daß ihre Temperatur bis auf 100 bis 200° herabgedrückt wird. Diese Kühlung der Elektroden an den Einführungsstellen in den Ofen ist daher aus betriebstechnischen Gründen unerläßlich. Durch Abbrand wird aber namentlich an der Stelle, wo der Flammenbogen entsteht, während des Betriebes ständig Elektrodenmaterial verbraucht, und damit die Entfernung der Elektroden voneinander bzw. vom Schmelzgut allmählich vergrößert. Um das zu vermeiden und die Elektrodenflächen immer in demselben Abstand von der gegenüberliegenden Schlackendecke zu erhalten, verwendet man die Elektrodenregulierung. Dieselbe ist schon lange im Gebrauch und erfolgt teils von Hand, wie beim Stassono-Ofen, teils selbsttätig, wie beim Héroult-Ofen und bei dem noch zu erwähnenden Girod-Ofen, und zwar durch Winden, die von einem Elektromotor angetrieben werden. Bei den modernen Oefen ist fast ausschließlich der Thury-Regulator in Gebrauch, der auf dem Prinzip der elektromagnetischen Wage beruht. Der Héroult-Ofen, dessen Seitenansicht in Abb. 10 gegeben ist, ähnelt einem kippbaren Martin-Ofen und besitzt einen nach außen gewölbten Boden, der das Kippen des Ofens mittels hydraulischen Antriebs ermöglicht. Abb. 11 zeigt den Ofen während des Betriebes. Die erste Héroult-Ofenanlage wurde in Deutschland 1896 von der Firma Stahlwerke Richard Lindenberg, G. m. b. H., in Remscheid in Betrieb gesetzt und hat sich seitdem im Großbetriebe gut bewährt. Der Héroult-Ofen hat bereits eine große Verbreitung gefunden. Mit seiner Erfindung ist eine Reihe von patentierten metallurgischen Verfahren und Verbesserungen verbunden, die das größte Interesse des Hüttenmannes hervorgerufen haben und es auch noch verdienen. Lizenzen vergibt die Elektrostahl-G. m. b. H. in Remscheid-Hasten. Textabbildung Bd. 328, S. 629 Abb. 11. Wie beim Héroult-Ofen sind auch beim Girod-Ofen, der nach Borchers als einfachster der heute betriebsfähigen Elektrostahlöfen anzusehen ist, Widerstandsund Lichtbogenerhitzung kombiniert, so zwar, daß das zu erschmelzende Metall den einen, ein oder mehrere von oben in den Ofen eingeführte Kohlenblöcke den andern Pol bilden. Das flüssige Metall ist von einer Schlackenschicht bedeckt, so daß auch bei dieser Anordnung der Flammenbogen zwischen Kohle und Schlacke erzeugt wird. Nur daß hier das Metall an der Stromleitung direkt teilnimmt und zum Erhitzungswiderstand gemacht wird. Gerade hierin liegt nach Borchers der Kernpunkt und der praktische Erfolg des Girodschen Erfindungsgedankens. Die Schaltung ist aus der schematischen Darstellung des Ofens (Abb. 12) zu ersehen. E1 ist die eine Kohlenelektrode, S die Schlackenschicht, B das flüssige Metallbad und E2 die zweite Elektrode. Bei den neueren Girod-Oefen werden an Stelle der letzteren zwei aus dem gleichen Metall hergestellte Kontakte von unten in den Herd eingeführt, wie aus Abb. 13 ersichtlich ist. Abb. 14 endlich zeigt den Ofen während des Betriebes. Das Girod-Verfahren wird mit Erfolg auf den Werken der Société Anonyme Electrométallurgique Procédes Paul Girod in Ugine in Savoyen ausgenutzt. Lizenzen vergibt der Erfinder Girod. Textabbildung Bd. 328, S. 630 Abb. 12. Textabbildung Bd. 328, S. 630 Abb. 13. Die übrigen in der Stahlindustrie verwendeten Lichtbogenöfen stellen eigentlich nur Modifikationen der Héroult- und Girod-Oefen dar. So der Ofen von Keller, der sich von letzterem nur durch Abänderung der Bodenelektroden unterscheidet. So auch der Nathusius-Ofen der Westdeutschen Thomas-Phosphat-Werke, Berlin, Karlsbad, bei dem mehrere in ihrer Polarität abwechselnde Elektroden oberhalb und innerhalb des Schmelzgutes angeordnet sind und dessen Schaltungsschema in Abb. 15 gegeben ist. Es würde hier zu weit führen, auf die Vorzüge und Nachteile der verschiedenen Typen von Elektrostahlöfen einzugehen, sowie ihre Leistungsfähigkeit im einzelnen zu behandeln. Ihre Bedeutung für die Zwecke des Eisenhüttenwesens, insbesondere der modernen Stahlindustrie aber liegt in den Vorzügen, die die elektrische Heizung als solche der Verwendung gasförmiger Heizmittel gegenüber bildet und die Rodenhauser in seinem BucheAbb. 2, 3 (hier vereinfacht), 4, 5, 6, 10 sind entnommen dem Werk: Rodenhauser und Schoenawa, Die elektrischen Oefen in der Eisenindustrie, Leipzig 1911; Abb. 11 dem Werk: Borchers, Die elektrischen Oefen, Halle 1907; Abb. 13 und 14 der Zeitschrift „Metallurgie“ 1907; Abb. 1 u. 8 der „Zeitschrift für Elektrochemie“ 1911. eingehend würdigte. Sie bestehen einmal darin, daß 1. die elektrische Heizung außerordentlich hohe Hitzegrade zu erreichen gestattet. Während die bisher in der Metallurgie gebräuchlichen Heizmittel nicht mehr als 2000° C lieferten, ist man mit Hilfe des elektrischen Ofens imstande, jede beliebige Temperatur bis etwa 3500° zu erreichen. 2. Auch ist es für die Zwecke der Stahlerzeugung sehr wertvoll, daß auf elektrischem Wege eine schnelle Erhitzung vorgenommen werden kann, und, was das Wichtigste, daß mit Hilfe elektrischer Vorrichtungen Textabbildung Bd. 328, S. 630 Abb. 14. 3. die einmal erzeugten Temperaturen konstant gehalten und nach Belieben erhöht und erniedrigt werden können, je nachdem es der betreffende metallurgische Prozeß gerade erfordert. 4. Endlich aber ist die elektrische Heizung die einzige Heizart, bei der keine Verbrennungsgase entstehen, die in irgend einer Weise störend auf das zu erhitzende Stahlbad einwirken könnten. Textabbildung Bd. 328, S. 630 Abb. 15. Diese Vorzüge haben dem elektrischen Ofen zu seiner Bedeutung für die moderne Stahlindustrie verholfen. Denn mit keinem der bisher angewandten Verfahren war es möglich, einen ähnlich weitgehenden Reinheitsgrad des erzeugten Materials zu erzielen, wie ihn der Elektrostahl aufweist. Insbesondere war es dem Elektrostahlofen vorbehalten, die Entschwefelung des Stahles so gut wie vollkommen zu erreichen, ein Erfolg, der für die Güteeigenschaften des Materials von außerordentlicher Bedeutung ist und vor Einführung des elektrischen Ofens für schlechterdings unmöglich angesehen wurde. Nicht der geringste Vorteil der elektrischen Schmelzung liegt endlich darin, daß größere Mengen Qualitätsstahl auf einmal, und zwar aus minderwertigem Material von durchaus gleichmäßiger Zusammensetzung hergestellt werden können, was bisher nur unter Verwendung sehr teurer Ausgangsmaterialien in einzelnen Tiegeln im Tiegelofen gelang.Abb. 2, 3 (hier vereinfacht), 4, 5, 6, 10 sind entnommen dem Werk: Rodenhauser und Schoenawa, Die elektrischen Oefen in der Eisenindustrie, Leipzig 1911; Abb. 11 dem Werk: Borchers, Die elektrischen Oefen, Halle 1907; Abb. 13 und 14 der Zeitschrift „Metallurgie“ 1907; Abb. 1 u. 8 der „Zeitschrift für Elektrochemie“ 1911.