Titel: Neuere Meßwerkzeuge und Meßverfahren im Maschinenbau.
Autor: Meyer
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 657
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Neuere Meßwerkzeuge und Meßverfahren im Maschinenbau. Von Professor Dipl.-Ing. Meyer in Magdeburg. (Fortsetzung von S. 643 d. Bd.) MEYER: Neuere Meßwerkzeuge und Meßverfahren im Maschinenbau. Textabbildung Bd. 328, S. 657 Abb. 13.Normal- oder Parallelendmaße. Ein sehr wichtiges und in modernen Werkstätten vielfach verwandtes Meßwerkzeug sind die Normal- oder Parallel-Endmaße (Abb. 13). Es sind dies prismatische Stahlklötzchen von verschiedener mit größtmöglicher Genauigkeit festgelegter Höhe. Ihre zum Messen benutzten Endflächen sind genau parallel, gehärtet, geschliffen und hochglanzpoliert. Sie sind so genau eben, daß mehrere sorgfältig aneinander gelegte Endmaße, ohne magnetisch zu sein, allein durch Adhäsion in der durch Abb. 14 veranschaulichten Weise fest aneinander haften. Die Normal-Endmaße finden eine sehr vielseitige Verwendung. Je nach dem Verwendungszweck ist ihre Genauigkeit verschieden groß. Sie dienen zunächst als Urmaße, nach denen alle anderen genauen Meßwerkzeuge angefertigt oder nachgeprüft werden, ferner als Vergleichmaße bei Meßmaschinen. Für diese Verwendungszwecke verlangt man von ihnen natürlich die allergrößte Genauigkeit, meist eine solche von ± 0,001 mm. Dann werden sie benutzt bei der Anfertigung und Kontrolle von Schablonen, Arbeitslehren, Matrizen, Bohr- und Fräsvorrichtungen und dergleichen. Hierfür genügt eine etwas geringere Genauigkeit. Schließlich dienen sie auch noch zum genauen Einstellen von Hobelstahlen, Fräsern und anderen Werkzeugen wenn z.B. von einem Werkstück eine Schicht von ganz bestimmter Dicke abgearbeitet werden soll. Damit man innerhalb gewisser Grenzen jedes gewünschte Maß in Abstufungen von 1/100 mm zusammensetzen kann, werden die Endmaße in Sätzen hergestellt und in den Handel gebracht. Abb. 15 zeigt z.B. einen solchen Satz von 62 Endmaßen, der aus folgenden drei Reihen von Maßen besteht: 1) 1,01; 1,02 usw. um je 0,01 mm steigend bis 1,24 mm 2) 0,25; 0,5 usw. um je 0,25 mm steigend bis 4,75 mm 3) 5; 10 usw. um je 5 mm steigend bis 95 mm. Textabbildung Bd. 328, S. 657 Abb. 14.Aneinanderhaftende Normal-Endmaße. Mit diesem Satze kann man jedes Maß zwischen 1 und 100 mm unter Benutzung von höchstens drei Einzelmaßen zusammenstellen, z.B. 59,99 = 55 + 3,75 + 1,24. Ihrer parallelen Endflächen wegen kann man die Endmaße nicht zum Messen von Bohrungen benutzen. Um sie auch hierfür brauchbar zu machen, vereinigt man sie mit sogenannten Meßschnäbeln oder -Schenkeln. Diese sind mit derselben Genauigkeit hergestellt wie die Endmaße und legen sich, wie Abb. 16 zeigt, mit genau ebenen Flächen gegen die der Endmaße. Sie werden dann mit diesen in einen Halter gesteckt und durch Schrauben festgehalten (Abb. 17). Zum Messen größerer Bohrungen können die Endmaße in sehr praktischer Weise mit den sphärischen Endmaßen zu Zylinderstichmaßen vereinigt werden unter Benutzung eines Kombinations-Stichmaßhalters (Abb. 18). In eine Hartgummihülse werden von beiden Enden sphärische Endmaße eingesteckt und zwischen sie dann die erforderlichen Parallel-Endmaße eingelegt. So kann man z.B. das Maß 212,58 zusammensetzen aus den beiden sphärischen Endmaßen 100 und 110 und den Parallel-Endmaßen 1,5 und 1,08. Textabbildung Bd. 328, S. 658 Abb. 15.Satz von 62 Endmaßen. Textabbildung Bd. 328, S. 658 Abb. 16.Parallel-Endmaße mit Meßschnäbeln. Textabbildung Bd. 328, S. 658 Abb. 17.Zylinderstichmaß an Endmaßen und Meßschnäbeln. Textabbildung Bd. 328, S. 658 Abb. 18.Kombinations-Stichmaßhalter. Textabbildung Bd. 328, S. 658 Abb. 19. Gewindelehrdorn. Textabbildung Bd. 328, S. 658 Abb. 20.Lehrmutter. Zum Messen von Schraubengewinden dienen Gewindelehrdorne (Abb. 19) und Lehrmuttern (Abb. 20). Die Dorne besitzen am einen Ende einen glatten Dorn für den Kerndurchmesser, mit dem das vorgebohrte Loch gemessen wird, und am anderen Ende einen Gewindedorn zum Messen des Muttergewindes. Die Lehrmuttern stellen ringförmige Muttern dar und dienen zum Messen der Bolzengewinde. Abb. 21 zeigt eine nachstellbare Lehrmutter, bei der durch Abnutzung eingetretene Ungenauigkeiten wieder ausgeglichen werden können. Die Normallehren sind nun auch noch nicht das für den Werkstattgebrauch geeignetste Meßwerkzeug. Es war vorher gesagt, daß beim Messen mit Normalkaliberdornen und -Ringen die Bohrungen etwas weiter, die Bolzen etwas dünner werden müssen als das normale Maß. Wieviel diese Abweichungen betragen, ist dem Arbeiter überlassen. Man ist also auch wieder wie bei den einstellbaren Feinmeßwerkzeugen vom Gefühl des Arbeiters abhängig und darf die Normallehren nur geübten zuverlässigen Arbeitern anvertrauen. Dann kommt noch eins hinzu. Alle mit denselben Normallehren gemessenen Zapfen und Bohrungen passen ja sicher ineinander, aber der Spielraum zwischen beiden kann verschieden groß ausfallen. Die Größe dieses Spielraumes darf aber nicht ohne weiteres der Entscheidung des Arbeiters überlassen werden, denn sie ist abhängig vom Verwendungszweck der zu messenden Werkstücke. Textabbildung Bd. 328, S. 658 Abb. 21.Nachstellbare Lehrmutter. Bei einem Zapfen, der sich in einem Lager drehen soll, muß der Zwischenraum zwischen Zapfen und Lagerschalen das Schmiermittel aufnehmen können und daher größer sein als bei einem Zapfen, der stramm in eine Bohrung eingetrieben werden und darin festsitzen soll. Man unterscheidet im Werkstattbetriebe gewöhnlich folgende vier verschiedenen Passungen oder Sitze: 1. Laufender Sitz für Werkstücke, die ineinander laufen sollen, z.B. Zapfen und Lager. 2. Schiebesitz für Werkstücke, die sich noch mit der Hand aufeinander verschieben lassen, z.B. aufgesteckte Handräder. 3. Fester Sitz für Werkstücke, die unter geringem Druck auf einander verschoben werden sollen, z.B. aufgekeilte Riemenscheiben. 4. Preßsitz für Werkstücke, die mit großer Gewalt ineinander geschoben werden sollen, z.B. auf Wellen gepreßte Kurbeln. Für alle diese Passungen ist der Unterschied zwischen dem wirklich ausgeführten und dem normalen Maß verschieden groß. Er beträgt immer nur wenige Hundertstel mm und muß durch Meßwerkzeuge nachweisbar sein. Mit Normallehren ist dies nicht möglich, wohl aber mittels sogenannten Grenz- oder Toleranzlehren, die das beste Meßwerkzeug zur Herstellung austauschbarer Werkstücke bilden. (Schluß folgt.)