Titel: | Die Bedeutung des Experimentes im physikalischen und chemischen Unterricht. |
Autor: | Otto Friedrich |
Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 533 |
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Die Bedeutung des Experimentes im physikalischen
und chemischen Unterricht.
Von Ingenieur Otto Friedrich in
Berlin-Siemensstadt.
(Fortsetzung von S. 516 d. Bd.)
FRIEDRICH: Die Bedeutung des Experimentes im physikalischen und
chemischen Unterricht
In Hochschulen und technischen Fachschulen ist es ja selbstverständlich, daß die
Hörer selbst Apparate und Instrumente in die Hand bekommen und damit Versuche
ausführen und besonders Messungen vornehmen, sei es im Laboratorium oder einem
physikalischen Praktikum. Aber auch in Mittel- oder Volksschulen strebt die
Entwicklung des modernen Unterrichtes dem Ziele zu, den Schüler selbst praktisch
arbeiten zu lassen. Viele Lehranstalten haben bisher diesen Schritt nur mit
Rücksicht auf ihre begrenzten Mittel noch nicht getan. Nun lassen sich aber eine
große Zahl interessanter Schülerübungen mit den einfachsten Mitteln ausführen, die
neueren Jahrgänge naturwissenschaftlich-pädagogischer Zeitschriften enthalten
hierüber Material und Anregungen in sehr großer Menge. Auch die Industrie ist
bestrebt, den Schulen für diese Zwecke einfache Apparate zu billigsten Preisen
zu liefern. Für Messungen elektrischer Größen beispielsweise lassen sich die
gewöhnlichen Schalttafelinstrumente ausgezeichnet verwenden, die als Fabrikate
modernster Präzisions-Massenfabrikation natürlich weitaus billiger sind, als einzeln
hergestellte Laboratoriumsinstrumente. Man benutzt dabei einen hölzernen
Instrumentbock mit auswechselbaren Einsatzbrettern (Abb.
11). Jedes Instrument wird auf ein solches Einsatzbrett fest montiert, mit
ihm zusammen aufbewahrt, und beim Gebrauch in den Bock geschoben. Die Zahl der
Instrumentböcke braucht also nur so groß zu sein, als gleichzeitig Instrumente
benutzt werden. Als Instrumente kommen die üblichen Strom- und Spannungszeiger mit
Weicheisen-, Drehspul- oder Ferraris-System in Frage.
Arbeitet man mehr mit galvanischen Elementen, so ist ein kleiner Elementprüfer
(Abb. 12) sehr angenehm, mit dem man
Klemmspannung und elektromotorische Kraft der Elemente messen kann; außerdem aber
ist das Instrument bei Experimenten zu vielseitigen Messungen zu verwenden.
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Abb. 11. Instrumentbock mit Volttafelinstrument auf Einsatzbrett
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Abb. 12. Elementprüfer in Uhrform
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Abb. 13. Intensivstrominduktor, 40 cm Funkenlänge, auf Grundbrett
Einer der wichtigsten Hilfsapparate für den physikalischen Unterricht ist wohl der
Funkeninduktor (Abb. 13), da gerade die vielen
Experimente zur Theorie der Elektrizität, die für die neueren Ansichten über das
Wesen der Elektrizität grundlegenden Vorgänge, mit seiner Hilfe zustande kommen.
Seine Primärspule wird mit pulsierendem Gleichstrom gespeist, der dem Netz oder
eventuell einer Akkumulatorenbatterie entnommene Gleichstrom wird durch einen
Unterbrecher intermittierend gemacht. Der einfachste Unterbrecher ist der
Platinunterbrecher nach Art des Wagnerschen Hammers, doch
eignet er sich bloß für niedrigere Akkumulatorenspannungen von etwa 16 bis 20 Volt,
und für Induktorien bis 30 cm Funkenlänge. In vielen Fällen wird das ja genügen;
stellt man höhere Anforderungen an das Instrumentarium, so hat man im
elektrolytischen oder Gas-Quecksilber-Unterbrecher einen besser wirkenden
Apparat.
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Abb. 14. Einteiliger Gleichstrom-Wehnelt-Unterbrecher
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Abb. 15. Vakuumröhre mit niedrigem Vakuum
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Abb. 16. Vakuumröhre mit hohem Vakuum
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Abb. 17. Kanalstrahlrohr nach Goldstein
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Abb. 18. Phosphoreszenzrohr
Von den elektrolytischen Unterbrechern ist der wichtigste der Wehneltunterbrecher
(Abb. 14), theoretisch auch interessant durch
das Prinzip, auf dem er beruht: durch die Erwärmung beim Uebergang des Stromes in
die verdünnte Schwefelsäure entstehen Dampfblasen, die den Strom plötzlich
abbrechen. Seine Unterbrechungszahl ist bequem und in sehr weiten Grenzen zu
variieren.
Der Gas-Quecksilber-Unterbrecher ist eine kleine Maschine, in der Stromschluß durch
einen Quecksilberstrahl hergestellt wird. Ein kleiner Elektromotor setzt eine
Turbine in Bewegung, welche Quecksilber in zwei einander gegenüberliegende
rotierende Düsen treibt, aus denen es in feinen Strahlen ausströmt. Treffen diese
Strahlen bei
ihrer Rotation auf stillstehende Segmente, so ist der Stromkreis geschlossen,
treffen sie auf Zwischenräume, so ist der Strom unterbrochen. Um die
Unterbrechungsfunken, die das Quecksilber oxydieren und dadurch verunreinigen, zu
unterdrücken, ist das geschlossene Innere der Maschine mit Leuchtgas oder Dämpfen
von Methylalkohol gefüllt.
Mit einem derartigen Instrumentarium, Induktor und Unterbrecher, lassen sich nun eine
Reihe wichtiger und interessanter Versuche ausführen. Die prachtvollen
Lichterscheinungen von Entladungen in verdünnten Gasen, wie sie die bekannten
Geißler- Röhren zeigen, die theoretisch so außerordentlich bedeutsame Erscheinungen
in den verschiedenen Vakuumröhren (Abb. 15 bis 18), alle Eigenschaften der verschiedenen Strahlen,
wie Phosphoreszenz, Ablenkung der Kathodenstrahlen (Abb.
19), mechanische Wirkung auf ein Glimmerrädchen (Abb. 20) usw. können dem Auditorium vorgeführt werden.
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Abb. 19. Magnetische Ablenkung der Kathodenstrahlen
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Abb. 20. Glimmerrädchen
Erfahrungsgemäß interessieren aus den mannigfachen Arten der Strahlen am meisten die
Röntgen-Strahlen, die schon wegen der ungeheuren
Wichtigkeit für die ärztliche Wissenschaft im Unterricht ausführlicher behandelt
werden sollten. Zu ihrer Demonstration und zu einfachen Durchleuchtungen genügt ein
Induktor von etwa 20 cm Funkenlänge. Zuweilen wird das Röntgen instrumentarium einer Schule gleichzeitig für ärztliche Zwecke
benutzt und dann ist natürlich ein stärkeres Induktorium am Platze.
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Abb. 21. Röntgenröhre mit einfacher Antikathode für schwache Belastung
Röntgen-Röhren werden in den verschiedensten Ausführungen
hergestellt. Röhren mit einfacher Antikathode (Abb.
21) reichen zu einfachen Demonstrationen vollkommen aus. Mehr zu
empfehlen, weil sie dauerhafter sind und stärkere Wirkungen zeigen, sind Röhren mit
verstärkter Antikathode und unter diesen besonders die Siemens-Wolframröhren (Abb. 22). Metallisches Wolfram war bisher nur als
amorpher, spröder Körper darstellbar, erst neuerdings wird es in einer rein
metallischen Modifikation gewonnen. Wegen seines geringen Preises kann man es nun in
größeren Stücken verwenden als Platin oder Iridium; außerdem aber, und das ist die
Hauptsache, liegt der Schmelzpunkt des Wolframs bei etwa 3000° C, übersteigt also
den des Platins um nahezu 1200°. Nun kann man wegen der Stärke des Wolframklotzes
auf dem Antikathodenkörper und dessen guter Wärmeleitfähigkeit Röntgen-Röhren mit
scharfem Brennpunkt herstellen, ohne daß selbst bei den höchsten Belastungen ein
Schmelzen der Antikathode zu befurchten wäre. Hieraus ergibt sich eine fast
unbegrenzte Lebensdauer der Röhre.
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Abb. 22. Siemens-Wolframröhre mit verstärkter Antikathode
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Abb. 23. Apparat zur Demonstration der drahtlosen Telegraphie, Sender u.
Empfänger
Tesla-Versuche und elektrische Schwingungen nach Prof. Hertz sind weitere Gruppen von Experimenten, die durch
einen Induktor ermöglicht werden, es soll aber nur noch eine Versuchsanordnung zur
drahtlosen Telegraphie (Abb. 23) mit einigen Worten
gestreift werden. Diese Apparatur besteht aus einem Sender und einem Empfänger mit
je einem Luftleiter-Gegengewichtsgestell (Abb. 24)
und ist sehr übersichtlich zusammengebaut, so daß das Verständnis beträchtlich
erleichtert wird; sie ist kräftig genug, um auch im Freien auf ziemlicher Entfernung ein Telegraphieren
zu gestatten.
Bei der Besprechung des Wechselstromes wird man eine Erläuterung des Begriffes der
Frequenz und die Methoden seiner Messung nicht übergehen können. Eine Feder gerät in
sehr starke Schwingungen, wenn die ihr von außen aufgedrückte Schwingungszahl gleich
ihrer Eigenschwingungszahl ist; diese Tatsache benutzt man bei Frequenzmessern (Abb. 25). Bei diesen wird eine Reihe zungenförmiger
Federn durch einen Elektromagneten in Schwingungen versetzt. Die Schwingungszahlen
der einzelnen Zungen sind bekannt, demnach ist die Frequenz des Wechselstromes
gleich der Schwingungszahl jener Feder, die deutlich sichtbar schwingt. Ein
vorzügliches Hilfsmittel zur Erläuterung dieser Vorgänge sowie von
Resonanzerscheinungen bildet der Demonstrations-Resonanzkreisel (Abb. 26). Der Kreisel, dessen Schwerpunkt etwas
exzentrisch gelagert ist, teilt die feinen Stöße bei der Umdrehung den Federn mit,
und bei einer bestimmten Umlaufzahl erhält man ein stark ausgeprägtes Resonanzbild
an der betreffenden Feder.
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Abb. 24. Antennengestell und Gegengewicht
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Abb. 25. Frequenzmesser System Frahm mit vibrierender Zunge
Daß die Elektrizität von so einschneidender Bedeutung für unsere Zeit geworden ist,
liegt nicht allein an der Uebertragung von Kraft und Licht, sondern ist auch zum
großen Teil darin begründet, daß durch Aenderungen in Stromkreisen Nachrichten sowie
die verschiedenartigsten Messungen auf weite Entfernungen übertragen werden können.
Außer auf Telegraphie und Telephonie sei hier auf elektrische Uhren und
Kommandoapparate, sowie auf elektrische Feuermelderanlagen hingewiesen. Ein
selbsttätiger Feuermelder (Abb. 27) eignet sich gut
zur Demonstration. Der U-förmig gebogene Blechstreifen
(Abb. 28), aus zwei miteinander hart verlöteten
und mit weit auseinanderliegendem Wärmeausdehnungskoeffizienten bestehend,
biegt sich bei Erwärmung auf. Wenn also in einem Raum sich die Temperatur über ein
bestimmtes Maß erhöht, wird selbsttätig ein Kontakt je nach Art der Schaltung
geöffnet oder geschlossen und dadurch eine Alarmmeldung an einer fernab liegenden
Stelle abgegeben.
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Abb. 26. Demonstrations-Resonanzkreisel
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Abb. 27. Selbsttätiger Feuermelder
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Abb. 28. Anordnung des Metallstreifens
Für die Uebertragung einer Messung sei als Beispiel die Fernthermometerablesung
angeführt. Hierzu benutzt man die Eigenschaft verschiedener Leiter, ihren Widerstand
mit der Temperatur zu verändern; man mißt also an der entfernten Stelle nicht die
Temperatur, sondern die von ihr abhängige elektrische Größe mittels eines
Galvanometers, das der praktischen Ablesung wegen gleich nach Celsius-Graden geeicht
ist.
(Schluß folgt.)