Titel: | Verwendung optischer Instrumente in der Marine. |
Autor: | Chr. von Hofe |
Fundstelle: | Band 329, Jahrgang 1914, S. 653 |
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Verwendung optischer Instrumente in der
Marine.
Von Dr. phil. Chr. von Hofe und
Korvettenkapitän a. D. J. Weimann-Bischoff.
HOFE u. WEIMANN-BISCHOFF: Verwendung optischer Instrumente in der
Marine.
Textabbildung Bd. 329, S. 653
Abb. 1. Altes Teleskop (Kieker), wie es früher allgemein auf Schiffen
gebraucht wurde.
Als in der Schlacht bei Kopenhagen im Jahre 1801 Sir Hyde
Parker der bedrängten englischen Flotte das Signal gab: „Gefecht
abbrechen“ und der Signaloffizier dieses meldete, hielt Nelson seinen Kieker vor sein blindes Auge und sagte:
„Ich vermag kein derartiges Signal zu sehen“. – Ohne einen solchen
Kieker, d.h. ohne ein monokulares Fernrohr konnte man sich bis vor wenigen Jahren
einen Seebefehlshaber kaum vorstellen (vergl Abb.
1). Der Kieker ist als Großadmiralsstab das Wahrzeichen der höchsten Rangstufe
in der deutschen Kriegsmarine geworden. Bis vor wenigen Jahrzehnten waren die langen
Teleskope, ferner kurze Galileische Doppelgläser, sowie
die einfachen Spiegelinstrumente (Sextanten und Oktanten) fast die einzigen
optischen Hilfsmittel, die in der Kriegs- und Handelsmarine zur Verwendung kamen. Da
die Schiffsgeschwindigkeiten nicht groß, die Schußweiten der Geschütze gering waren,
Unterseeboote noch nicht existierten, so war man mit dieser optischen Ausrüstung
zufrieden und verlangte nichts besseres. Das ist in den letzten 20 Jahren anders
geworden. Ein gewaltiger Umschwung auf Schiffbau- und artillerietechnischem Gebiete
hat sich vollzogen. Das moderne Großkampfschiff mit seiner weittragenden Artillerie,
der schnelle Kreuzer, das Unterseeboot vermögen mit den primitiven optischen
Instrumenten früherer Tage nicht mehr auszukommen. Der optischen Industrie war dies
ein willkommener Ansporn zu immer größeren Leistungen und ihre Leistungsfähigkeit
entwickelte sich, gestützt auf die Wissenschaft, rapide. In Folgendem soll kurz
geschildert werden, welche optischen Instrumente in der Marine zurzeit in Gebrauch
sind.
Zunächst war es notwendig, für navigatorische und artilleristische Zwecke die
alten Beobachtungsinstrumente, Kieker und Galileisches
Doppelfernrohr, zu verbessern bzw. durch bessere Instrumente zu ersetzen. Die Galileischen Doppelfernrohre haben den Vorzug großer
Einfachheit in der Konstruktion und infolgedessen auch großer Billigkeit. Sie sind
daher nicht verdrängt worden, jedoch ist ihre Leistungsfähigkeit erheblich
gesteigert, und zwar ist vor allen Dingen das Gesichtsfeld, das bei diesen
Instrumenten naturgemäß klein ist, merklich vergrößert worden. Ebenfalls ist die
Bildgüte verbessert (vgl. Abb. 2).
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Abb. 2. Modernes, Galilei sches Doppelfernrohr mit sechsfacher
Vergrößerung.
Die Kieker sind Keplersche Fernrohre von stärkerer
Vergrößerung, leiden aber unter dem Uebelstand großer Länge (Unhandlichkeit) und
geringer Bildhelligkeit. Man war früher nicht in der Lage, bequemere Handfernröhre
nach dem Keplerschen System herzustellen, weil sie bei nur
einigermaßen ausreichender Vergrößerung zu lang wurden. Das ist hauptsächlich auf
den Uebelstand zurückzuführen, daß das Linsensystem, mit Hilfe dessen die Bilder
eines gewöhnlichen astronomischen Fernrohres für den terrestrischen Gebrauch richtig
gestellt werden, einen zu großen Platz beanspruchen. Diesem Mangel wurde zu Anfang
der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts durch die Einführung der Porroschen Umkehrprismen durch Professor Abbe in Jena abgeholfen. Durch diese Prismenkombination
wird nicht nur die Wirkung des bis dahin üblichen Linsensystems ersetzt, sondern die
Länge des astronomischen Fernrohres auf ungefähr ein Drittel verkürzt.Vergl. C. Czapski:
Ueber neue Arten von Fernrohren, insbesondere für den Handgebrauch. – Verh.
d. Ver. z. Bfd. d. Gewerbefl. 1895, S. 39 bis 76.Chr. von Hofe: Fernoptik, Leipzig 1911, S. 43 bis
51.G. Witt: Ueber Handfernrohre. – Himmel und Erde
12, Seite 173, 1900. Infolgedessen wurde es möglich, kurze
Handfernrohre nach dem Keplerschen System (vgl. Abb. 3) auszuführen, die infolge ihrer Handlichkeit
überall großen Beifall fanden. Die Vorzüge dieser Fernrohre vor den entsprechenden
Galileischen sind kurz folgende:
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Abb. 3. Prismen-Doppelfernrohr mit sechsfacher Vergrößerung.
Textabbildung Bd. 329, S. 654
Abb. 4. Stangenfernrohr mit zehnfacher Vergrößerung und 0,600 m Basis.
Vor allen Dingen ist bei derselben Vergrößerung das Gesichtsfeld eines
Prismenfernrohres etwa doppelt so groß wie dasjenige eines modernen Galileischen. Die Bildhelligkeit ist über das ganze
Gesichtsfeld gleichmäßig verteilt. Das Bild ist bis zum Rande gleichmäßig hell und
scharf, während bei den Galileischen Fernrohren das
Gesichtsfeld zwar in der Mitte eine sehr große Helligkeit besitzt, dagegen nach dem
Rande sehr schnell dunkler wird. Infolge dieser Eigenschaft, die durch die
Konstruktion dieser Fernrohre bedingt ist, wird das Gesichtsfeld verhältnismäßig
klein (vgl. die untenstehende Tabelle). Die Bildgüte ist bei den Galileischen Fernrohren, besonders am Rande, nicht so gut
herzustellen wie bei den Prismenfernrohren. Aus diesen Gründen (kleines Gesichtsfeld
und mangelhafte Bildgüte) sind die Galileischen Fernrohre
nicht mit einer so starken Vergrößerung auszurüsten wie die Prismenfernrohre. Auch
werden sie bei stärkeren Vergrößerungen unhandlicher als entsprechende
Prismenfernrohre.
Vergleich der optischen Daten eines Marineprismendoppelfernrohres
und eines Galileiglases.
Ver-Größerung
Objektiv-öffnung
Austritts-pupille
relativeHelligkeit
Gesichts-feld
spez.Plastik
Prismenfern-rohr
6 ×
30 mm
5 mm
25
150 m
1,95
Galilei'schesFernrohr
6 ×
39 „
6,3 „
39,7*)
77,4 „
1
*) Nur in der Mitte des Gesichtsfeldes.
Ein weiterer großer Vorteil der Prismenfernrohre ist der, daß bei ihnen im Bildfelde
ein Fadenkreuz oder eine andere Marke angebracht werden kann, welche gleichzeitig
mit dem Bild des Objektes scharf gesehen wird. Das ist bei den Galileischen Fernrohren nicht ohne weiteres möglich. Diese sind daher
nicht als Zielfernrohre oder Meßinstrumente zu benutzen.
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Abb. 5. Scherenfernrohr mit zehnfacher Vergrößerung und 0,700 m Basis. Durch
Zusammenklappen der beiden Schenkel kann die Länge auf die Hälfte verkürzt
werden.
Vielfach wird als Vorzug der Galileischen Fernrohre
angeführt, daß sie in der Mitte des Gesichtsfeldes eine sehr große Helligkeit
besitzen, und daß sie daher als Nachtgläser besonders geeignet wären. Es ist
allerdings zutreffend, daß die Galileischen Fernrohre,
damit sie überhaupt ein ausreichendes Gesichtsfeld bekommen, eine sehr starke
Helligkeit haben müssen, die aber, wie bereits gesagt, nach dem Rande des
Gesichtsfeldes hin sehr schnell abfällt. Auch absorbieren sie wegen ihrer einfachen
Bauart weniger Licht, als die Prismenfernrohre.
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Abb. 6. Schema des Verlaufs der Lichtstrahlen in einem Sehrohr.
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Abb. 7. Längsschnitt durch ein Sehrohr.
Neuerdings werden aber auch Prismenfernrohre mit einer so
großen Austrittspupille gebaut, wie sie der Pupille des menschlichen Auges bei
starker Dämmerung entspricht. Darüber hinaus zu gehen hat natürlich keinen Zweck, so
daß also für den praktischen Gebrauch die Helligkeit in der Mitte des Gesichtsfeldes
bei Prismenfernrohren nicht viel kleiner als bei den Galileischen Fernrohren ist, während nach dem Rande hin die Helligkeit des
Prismenfernrohres dieselbe wie in der Mitte bleibt und hier derjenigen der Galileischen Fernrohre bei weitem überlegen ist.
Neuerdings werden für die Marine Prismenfernrohre gebaut, die bei siebenfacher
Vergrößerung eine Austrittspupille von 7 mm besitzen. Der einzige Nachteil, den
die Prismenfernrohre gegenüber den Galileischen
Fernrohren besitzen, ist ihr höherer Preis, der aber durch die größere Leistung voll
gerechtfertigt ist.
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Abb. 8. Rundblicksehrohr. Mit Hilfe der Kurbel unterhalb des Okulars kann die
Eintrittsöffnung innerhalb der Glaskugel herumgedreht werden. Das ganze Sehrohr
ist natürlich vollkommen wasserdicht gebaut.
Werden stärkere Vergrößerungen für die Beobachtung gewünscht, so empfiehlt es sich,
nicht mehr die Instrumente als Handfernrohre auszuführen, da alle Bewegungen der
Hand sich, proportional der Vergrößerung verstärkt, auf das Bild übertragen, und
dieses daher sehr unruhig wird. Man rüstet infolgedessen diese Instrumente mit
Stativen, also als Standfernrohre, aus. Hierdurch wird ein weiterer Vorzug der
Prismenfernrohre, der bei dem Handfernrohr noch nicht so ins Gewicht fällt, sehr
gesteigert, das ist die Möglichkeit der vergrößerten Tiefenwahrnehmung bzw. die
gesteigerte Plastik des Bildes. Die Umkehrprismen bieten nämlich die Möglichkeit,
durch zweckmäßige Anordnung, ohne daß die Zahl der optischen Teile vermehrt wird,
die Eintrittsöffnungen des Fernrohres erheblich weiter auseinander zu rücken als die
Okulare. Infolgedessen bietet sich dem Beobachter das Bild so dar, als wenn es mit
einem Augenabstand gleich dem Abstand der Eintrittsöffnungen betrachtet würde.
Da der stereoskopische Eindruck eines Bildes von der Größe des Abstandes abhängt, den
die beiden Eintrittsöffnungen besitzen (beim Sehen mit unbewaffnetem Auge von dem
Abstand der Augen), so ist die Steigerung der Plastik eines solchen
Prismenfernrohres proportional dem Verhältnis zwischen Abstand der
Eintrittsöffnungen und Abstand der Okulare.Vgl.
„Fernoptik“, S. 51 bis 53.Miethe: Moderne Handfernrohre, Prometheus 7, S. 21
bis 23, 1895. Derartige Prismen-fernrohre werden in der Form
eines Querrohres gebaut, in dessen Mitte sich die beiden Okulare befinden, und zwar
so, daß die Okularachsen senkrecht zu der Achse des Rohres stehen, während sich an
den Enden die Eintrittsöffnungen befinden, ebenfalls so, daß die Lichtstrahlen
senkrecht zur Rohrachse in das Instrument eintreten (Stangen- und Scherenfernrohre
vgl. Abb. 4 und 5).
Solche Fernrohre werden mit einem Abstand der Eintrittsöffnung (mit einer Basis) bis
zu 2 m und darüber gebaut. Da der Augenabstand eines erwachsenen Menschen und damit
der Okularabstand des Fernrohres im Mittel 65 mm beträgt, ergibt sich eine ganz
erhebliche Steigerung der Plastik (vgl. Tabelle). Dem Artillerieoffizier wird
hiermit ein willkommenes Hilfsmittel an die Hand gegeben, auf große Entfernungen die
Lage der Aufschläge zum Ziel mit hinreichender Sicherheit beurteilen zu können. Auch
bei der Navigation werden Stangenfernrohre mit Vorteil verwendet.
Optische Daten.
Basis
Ver-größerung
Austritts-pupille
spez.Plastik
Scherenfernrohr
0,700 m
10 ×
5 mm
11
Stangenfernrohr
0,600 „1,700 „
10 ×20 ×
4 „ 4 „
926
Bei Unterseebooten bieten die optischen Instrumente die einzige Möglichkeit, in
untergetauchtem Zustande einen Ausblick über Wasser zu erlangen. Das Fahren unter
Wasser ist überhaupt erst möglich geworden, nachdem es gelungen war, brauchbare
Sehrohre (Periskope) für das Unterseeboot herzustellen.Vgl. F. Weidert.
Entwicklung und Konstruktion der Unterseeboots-Sehrohre. Jahrbuch der
Schiffbautechn. Gesellschaft 1914, S. 174 bis 227 und D. p. J. Bd. 329,
S.417 bis 420.
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Abb. 9. Das in einem Ringbildsehrohr gesehene Bild. In der Mitte des
ringförmigen Bildes ist der in der Blickrichtung liegende Ausschnitt der
Landschaft in stärkerer Vergrößerung sichtbar.
Diese Sehrohre (vgl. Abb. 6 und 7) haben in erster Linie den Zweck, dem Beobachter
ein Bild der Außenwelt in natürlicher Größe darzubieten, wie er es im freien Sehen
mit unbewaffnetem Auge erblicken würde, d.h. ohne eine scheinbare Vergrößerung. Man
müßte eigentlich annehmen, daß dieses der Fall wäre, wenn man dem Sehrohr die
Vergrößerung 1, also gar keine Vergrößerung gäbe. Es hat sich aber herausgestellt,
daß in diesem Fall, nämlich bei dem Fernrohr mit der Vergrößerung 1, der Beobachter
den Eindruck hat, als wenn das Bild kleiner wäre als im freien Sehen. Diese optische
Täuschung ist darauf zurückzuführen, daß der Mensch gewohnt ist, bei freiem Sehen
durch keine künstliche Blende zu blicken. Sieht man durch ein Rohr, so hat man, weil
die erwartete Vergrößerung fehlt, den Eindruck einer Verkleinerung des Bildes. Erst
bei einer stärkeren Vergrößerung wird für den Beobachter wieder der Eindruck der
natürlichen Größe des Bildes geschaffen, infolgedessen haben alle Sehrohre, die nur
mit einer Vergrößerung ausgerüstet sind, eine 1½-fache
Vergrößerung, wenn sie für einäugige Beobachtung eingerichtet sind; während bei
binokularen Sehrohren bereits eine etwa 1,25-fache Vergrößerung genügt, um den
Anschein natürlichen Sehens zu erwecken. Bei einer derartigen Vergrößerung ist
infolgedessen eine Entfernungsschätzung der Objekte, wie beim freien Sehen möglich.
Um auch eine scharfe Beobachtung auf größere Entfernungen zu ermöglichen, gibt man
dem Sehrohr häufig eine zweite stärkere Vergrößerung, die entweder durch Vorschalten
eines zweiten Okulars oder durch einen Objektivwechsel (bifokale Sehrohre) erreicht
wird.
Will man mit einem einfachen Sehrohr den gesamten Horizont beobachten, so muß der
Beobachter das Instrument um seine Längsachse um 360° herumdrehen und mit dem Instrument
herumgehen, damit er immer ins Okular sehen kann. Dies ist ein Nachteil, zumal da im
Unterseeboot die Raumverhältnisse sehr beschränkt sind. Aus diesem Grunde werden die
Sehrohre auch so hergestellt, daß man nur die Eintrittsöffnung dreht, während das
Okular an seinem Orte bleibt. Man sieht dann also im Okular gewissermaßen ein
Panoramabild der Außenwelt am Auge vorüberziehen (Panorama- oder Rundblick-Sehrohr,
Goerz-Patent, vgl. Abb.
8).
Eine Möglichkeit, den ganzen Horizont auf einmal zu übersehen, besteht darin, daß man
in einen entsprechenden Glaskörper am oberen Ende des Sehrohres (Ringspiegellinse)
das Licht von allen Seiten hineinfallen läßt, so daß man im Gesichtsfeld ein
ringförmiges Bild der Außenwelt erblickt (Ringbild-Sehrohr vgl. Abb. 9). Der große Nachteil einer derartigen
Ausführung ist der, daß das Bild der äußeren, scheinbar auf einer Kugelfläche
liegenden Landschaft stark verkleinert und naturgemäß sehr verzeichnet ist, da
es in einer Ebene liegt. Diese letztere Art der Sehrohre wird daher als optische
Merkwürdigkeit zu betrachten sein, während für den praktischen Gebrauch unbedingt
das Panorama-Sehrohr zu empfehlen ist.
Bei langanhaltender Beobachtung mit einem Auge tritt unter Umständen eine Ermüdung
des Auges ein. Damit dieses vermieden wird, baut man Sehrohre mit zwei Okularen. In
diesem Fall hat die binokulare Betrachtungsweise nicht den Vorteil, daß man ein Bild
von gesteigerter Plastik erhält, da nur eine
Eintrittsöftnung beibehalten wird, sondern sie hat lediglich den Zweck, eine
Benutzung beider Augen, wie es beim freien Sehen üblich ist, zu ermöglichen.
(Fortsetzung folgt.)