Titel: Ueber Temperaturmessungen bei Verdampfungsversuchen.
Autor: M. R. Schulz
Fundstelle: Band 330, Jahrgang 1915, S. 25
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Ueber Temperaturmessungen bei Verdampfungsversuchen. Von M. R. Schulz, öffentlich bestellter und beeideter Sachverständiger, Braunschweig. SCHULZ: Ueber Temperaturmessungen bei Verdampfungsversuchen Ich schließe dem Aufsatze in dieser Zeitschrift Heft 33 vom 15. August folgendes an: In der Zeitschrift für Dampfkessel- und Maschinenbetrieb Nr. 33 vom 14. August d. J. erschien unter der Ueberschrift „Eine Dreiflammrohrkesselanlage“ ein Aufsatz, in dem der Beweis geführt werden sollte, daß trotz guten Nutzeffektes der Kesselanlage ein Greenscher Abgasvorwärmer bei Abgastemperaturen von 300° das Wasser um 74° erwärmt hat. Soweit die Zahlen des Abnahmeversuchs Interesse haben, lasse ich sie nachstehend folgen: Im Betrieb befindlich: 4 Kessel à 155 m2 620 m2 Abgasvorwärmerheizfläche, System Green 576 m2 Verdampfte Wassermenge pro Stunde 15300 l Bruttoverdampfung 6,85 Temperaturerhöhung im Abgasvorwärmer    117–43 74 ° C Ueberhitzung 288 ° C Wärmeinhalt des Dampfes bei 288° u. 11,6 at 713 WE Gesamtwärmeaufnahme pro kg Wasser    713–43 670 WE Durchschnittswert der Kohle 6050 WE Beanspruchung pro m2 Heizfläche und Stunde 24,6 WE Rauchgastemperatur, wahrscheinlich beim    Abgasvorwärmereintritt 303 ° C Obschon ich mehrfach in technischen Zeitschriften bewiesen habe, daß es ganz ausgeschlossen ist, daß ein Abgasvorwärmer, möge es ein System sein, welches es wolle, bei Rauchgastemperaturen von 300° C Wasser um 70° erwärmen kann, hat die Firma Green wieder garantiert, daß ihr Vorwärmer imstande sein soll, 19375 ; bei 300° C von 40 auf 110° C zu erwärmen, d.h. der Vorwärmer soll für 1 m2 Heizfläche und Stunde 2350 WE aufnehmen können. Ein Greenscher Abgasvorwärmer bringt es höchstens auf 1500 bis 1600 WE. Die so allgemein abgegebenen Garantien, Wasser um 70° zu erwärmen, können überhaupt nur erreicht werden, wenn die Gase bei 300° C mit höchstens 7 v. H. CO2 in das Vorwärmegehäuse eintreten, also unter Verhältnissen, bei denen die Dampfkesselanlage so schlecht ist, wie man sie kaum noch heute in der Praxis, vor allen Dingen nicht bei einem Versuche, findet. Im Protokoll des Abnahmeversuches heißt es, daß nur 15300 l um 74° C erwärmt sind. Dieses würde für 1 m2 Heizfläche eine Wärmeaufnahme von 1960 WE bedeuten, mithin hätte der mit der Untersuchung beauftragte Ingenieur schon festgestellt, daß die Garantie bei weitem nicht erreicht ist. Ich werde jetzt beweisen, daß im Abgasvorwärmer das Wasser aber nicht um 43 auf 117, also um 74° C erwärmt sein kann, sondern daß die Austrittstemperatur des Wassers aus dem Vorwärmer falsch, und zwar zu hoch gemessen sein muß, denn die Gase enthalten, selbst wenn man die Rauchgastemperatur, die mit 303° beimVorwärmeeintritt gemessen sein soll, rechnerisch der Wirklichkeit entsprechend auf etwa 400° C einsetzt, überhaupt nicht soviel Wärme, um das Wasser um 74° C erwärmen zu können. Der Fehler kommt daher, daß das Austrittsthermometer zuviel angezeigt hat, weil es sich an einer Stelle befand, die absolut nicht einwandfrei zum Messen der Speisewassertemperaturen ist. Textabbildung Bd. 330, S. 25 Auf S. 518 dieser Zeitschrift deutete ich schon an, weshalb Thermometer falsch anzeigen können. Um der Sache aber genau auf den Grund zu gehen, habe ich an einem Greenschen Abgasvorwärmer eingehende Versuche gemacht, und zwar habe ich neben dem Thermometer mit Einsteckhülse in eine angegossene Warze, die mit Oel und Quecksilber gefüllt war (s. Abb.), ein zweites Thermometer hineingesteckt, weil ich diese Art und Weise, Temperaturen zu messen, schon an verschiedenen gußeisernen Abgasvorwärmern gesehen habe. Außerdem brachte ich ein Thermometer in einer Entfernung von 5 m hinter dem Abgasvorwärmer an, also an einer Stelle, die als einwandfrei zu bezeichnen ist. Hierbei stellte ich fest, daß die Temperaturunterschiede zwischen den drei Thermometern ganz erheblich waren. Die höchste Temperatur zeigte stets das Thermometer in der angegossenen Warze an, eine weit niedrigere Temperatur das Thermometer mit dem Eintauchrohr, und die niedrigste das Thermometer in einer Entfernung von 5 m. Je höher die Rauchgastemperatur beim Vorwärmereintritt, um so größer war die Temperatur des in der Warze befindlichen Thermometers. Hieraus ist ohne weiteres ersichtlich, daß man mit dem in der Warze befindlichen Thermometer nicht die Temperatur des Wassers, sondern die mittlere Temperatur des Eisens des Gußkörpers, der direkt mit den heißesten Gasen in Berührung kommt, gemessen hat. Das zweite Thermometer zeigt deshalb zuviel an, weil es mit seinem Eintauchrohr genau über der letzten Rohrreihe eines einzelnen Rohres saß. Es zeigte also, da der Apparat 380 Rohre hat, streng genommen die Temperatur des 380sten Teiles Wasser an, das durch den Abgasvorwärmer von unten nach oben geströmt ist, und zwar aus der allerheißesten Zone, wo außerdem noch das Thermometer von der Wärme des umgebenden Gußkörpers beeinträchtigt wurde. Das dritte Thermometer, in der Entfernung 5 m vom Vorwärmer, zeigte richtige Temperaturen an, und zwar 10 bis 20° weniger als das Thermometer in der eingegossenen Warze. Jeder Besitzer eines Greenschen oder gußeisernen Vorwärmers kann dieses ohne weiteres nachprüfen. Beim Greenschen Vorwärmer sind die Differenzen am allergrößten, am geringsten beim Zirkulationsvorwärmer. Wenn man nun hier und da immer noch Versuche veröffentlicht findet, bei denen es heißt, die Schaltung spiele keine Rolle, so wird man sehr bald zu einem anderen Resultat kommen, wenn man in dem von mir angeregtem Sinne Messungen vornimmt. Green hat, wie ich nachstehend auch berechnen werde, das Wasser nicht um 74°, sondern höchstens um 60° erwärmt, und nicht bei 300° C, sondern bei viel höherer Abgastemperatur: Laut Protokoll des Abnahmeversuchs betrug der Gesamtnutzeffekt 76 v. H. und der Schornsteinauftrieb einschl. Strahlungsverlusten in den Kesseln, Ueberhitzern, Abgasvorwärmern usw. somit 24 v. H. Wenn für Strahlung, Leitung und Ruß 10 v. H. abgehen, so bleiben für Schornsteinauftrieb 14 v. H., und dies entspricht einer Rauchgastemperatur von 240° C. Wenn also die Eintrittstemperatur 303° C und die Austrittstemperatur 240° C betragen haben, so haben, 10 v. H. Kohlensäure bei 76 v. H. Nutzeffekt angenommen, die Gase rd. 173 WE enthalten, während der Abgasvorwärmer laut Versuchsprotokoll 506 WE aufgenommen haben soll. Der Apparat hätte somit dreimal soviel Wärme aufgenommen als ihm zur Verfügung stand. Wenn nun auch der Vorwärmer, wie schon vorher auseinandergesetzt, das Wasser nicht um 74°, sondernvielleicht nur um 60° erwärmt hat, so läßt sich die Abgastemperatur beim Vorwärmereintritt mit mindestens 350 bis 360° ermitteln, und der Vorwärmer hätte dann für 1 m2 Heizfläche und Stunde rd. 1600 WE aufgenommen, was sich genau mit der graphischen Darstellung der Versuche deckt. Garantien wie vorstehend, für eine Wärmeaufnahme dreimal so groß, als die Gase überhaupt Wärme enthalten, kann man täglich sehen, und wenn ich Vertreter von Lieferanten gußeiserner Ekonomiser befrage, weshalb man fortgesetzt solche Garantien abgibt, so wird mir geantwortet, daß man es machen muß, um sich der Konkurrenz Green zu erwehren. Es dürfte doch endlich an der Zeit sein, wenn man diesen Machenschaften der rein englischen Firma Green vor aller Oeffentlichkeit begegnet; es wundert mich nur immer, daß diese Firma noch Abnehmer findet, die sich so gröblich täuschen lassen. Ich hoffe, daß diese Zeilen dazu beitragen werden, solchen Herren, die Versuche mit Abgasvorwärmern zu machen haben, die Augen zu öffnen. Der ganze Artikel „Eine Dreiflammrohrkesselanlage“ kennzeichnet sich als weiter nichts als ein Reklameartikel für die Firma Green. Diese Firma scheint in Deutschland trotz der zunehmenden Antipathie für das englische Volk in technischen Kreisen noch so große Gönner zu haben, daß man in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure unter Zeitschriftenschau, S. 365, lesen kann: das Speisewasser wird in einem Vorwärmer „Bauart Green“ auf 110° erhitzt, Ergebnis des Abnahmeversuchs.