Titel: | Rohnaphthalin als Teerölersatz ohne Feuersgefahr zu schmelzen. |
Autor: | Arnold Irinyi |
Fundstelle: | Band 330, Jahrgang 1915, S. 42 |
Download: | XML |
Rohnaphthalin als Teerölersatz ohne Feuersgefahr
zu schmelzen.
Von Ingenieur Arnold Irinyi in
Hamburg-Altrahlstedt.
IRINYI: Rohnaphthalin als Teerölersatz ohne Feuersgefahr zu
schmelzen
Mein Aufsatz zur Verwendung des heimischen Rohnaphthalins als Ersatz für das zu
Kriegszeiten nötige Teeröl (vgl. D. p. J. Bd. 329, S. 569) hat nicht nur im ganzen
Lande, sondern auch in den benachbarten Ländern: Oesterreich-Ungarn und Holland bei
den beteiligten Kreisen die erhoffte Wirkung erreicht. Zahlreiche Briefe beweisen,
daß in vielen hunderten von Fällen Rohnaphthalin bei Oelfeuerungen anstatt Teeröl
Eingang gefunden hat. Wie bei jeder neuen Sache, wo Brennstoffe verwendet werden,
war zu erwarten, daß, bis die Verbraucher die nötigen Erfahrungen sammeln, etwaige
Fehler begangen werden können, Soweit es vorauszusehen war, habe ich in meinem
Aufsatz auf einige besondere Vorsichtsmaßregeln hingewiesen, die bei den
Sondereigenschaften des Naphthalins zu beachten waren und nicht jedermann geläufig
sein konnten. Nur ein einziger Fall ist mir bekannt geworden, bei welchem eine ganz
gehörige Unvorsichtigkeit ein Schadenfeuer dadurch verursacht hat, daß Rohnaphthalin
– entgegen meinen Vorschlägen – auf offenem Feuer geschmolzen wurde. Eine bekannte
deutsche Teerproduktenfirma schreibt mir eben folgendes:
„Durch Zufall hörten wir heute, daß bei der . . . . in . . . ., welcher Firma wir
infolge Ihres Artikels „Rohnaphthalin als Teerölersatz“ in den
Fachzeitschriften . . . . . ein größeres Quantum Rohnaphthalin verkauft hatten,
ein Schadenfeuer ausgebrochen sei, dessen Ursache darin zu suchen ist, daß das
Naphthalin beim Schmelzen Feuer gefangen hätte. Es dürfte daher zweckmäßig sein,
wenn Sie in einem weiteren Aufsatz gefl. darauf hinweisen möchten, daß das
Naphthalin nicht durch offenes Feuer, sondern durch Dampfheizschlangen bis auf
90° C erwärmt und flüssig gehalten werden soll. Hierdurch wird jede Feuersgefahr
vermieden, namentlich, wenn dafür gesorgt wird, daß die sich entwickelnden
Dämpfe unschädlich abgeführt bzw. verbrannt werden.“
Bezüglich letzteren Vorschlages betreffend Verbrennen der Dämpfe will ich im
weiteren mich noch äußern. Ich kann dieses Vorgehen im allgemeinen nicht empfehlen.
Aus diesem Schreiben ist jedenfalls zu erraten, daß die betreffende Firma eine
größere Menge Rohnaphthalin am offenen Feuer geschmolzen hat, was ein großer Fehler
war. Das Schmelzgefäß scheint auch offen gewesen zu sein, so daß Dämpfe entstiegen,
mutmaßlich im Raume abkühlend, durch Sublimation in kleinen Naphthalinflocken
schwebend, sich mit Luft vermengt durch den Schornsteinzug zum Feuer ansaugen ließen
und auf solche Weise eine Entzündung verursachten. Da außer dem oben zitierten
Schreiben mir alle Einzelheiten über den Vorfall fehlen, so muß ich mir den Vorgang
nun in dieser Weise durch Vermutung selbst vorstellen. Der ganze Vorfall ist aber so
natürlich, daß er anders gar nicht ablaufen konnte. Bei nur einigermaßen sachgemäßem
Vorgehen dürfen solche Fehler gar nicht begangen werden. Es darf nicht vorkommen,
daß ein Brennstoff in solcher Weise einer unbeabsichtigten Entzündung ausgesetzt
wird, ganz gleichgültig, ob dieser Brennstoff Teeröl, Rohnaphthalin, Erdöl, Spiritus
oder sonst eine andere Flüssigkeit oder ein anderer schmelzbarer Stoff ist. Eine
Entzündung wäre auch dann entstanden, wenn im Kessel statt Naphthalin Steinkohlen
erwärmt worden wären. Der ganze Vorfall hat daher mit irgend einer besonderen
Eigenschaft des Rohnaphthalins oder mit einer besonderen Feuersgefahr des
Rohnaphthalins nichts zu tun.
Um diesen vorzüglichen heimischen Brennstoff, der in Zukunft geeignet erscheint,
einen großen Teil des vom Ausland eingeführten flüssigen Brennstoffes zu ersetzen,
und dessen Verwendung zu Feuerungszwecken die beteiligten heimischen Gewerbe
gewinnbringender, im allgemeinen den Preis der heimischen flüssigen Brennstoffe
billiger machen kann, muß man schon jetzt mit allem Nachdruck dahin wirken, daß
selbst solche vereinzelte Fälle in Zukunft vermieden werden.
Derselbe Fall wäre in ganz ähnlicher Weise eingetreten, wenn anstatt Rohnaphthalin
Steinkohlenteeröl oder dickflüssige Petroleumrückstände wie Masut, Pacura usw.
verwendet worden wären. Es ist bekannt, daß bei den Zentrifugalzerstäubern für
Heizöl, die auch auf den Kriegsschiffen sämtlicher Nationen verwendet werden, das
dickflüssige Oel ebenfalls, auf etwa 80 bis 90° C erwärmt wird. Es ist aber bisher
noch niemandem eingefallen, zu diesem Zwecke offenes Feuer und offene Gefäße zu
verwenden. Wäre dies jemals der Fall gewesen, so wäre eine Entzündung, wie in dem
obenangeführten Briefe beschrieben, unvermeidlich gewesen.
In meinem Aufsatze empfahl ich „ganz besonders das Schmelzen des Naphthalins durch
Heißwasser, also im Wasserbad oder durch Dampfröhren durchzuführen. Auf Grund
praktischer Erfahrungen bin ich sehr gern bereit, jedermann diesbezüglich
weitere Vorschläge, eventuell kleine Skizzen auf Anfragen kostenlos zur
Verfügung zu stellen, wie auch jede weitere Auskunft zu erteilen.“
In dem Aufsatze, der allerdings in manchen Fachzeitschriften nur im Auszuge
wiedergegeben wurde, habe ich auch diejenigen besonderen Winke, die hierbei zu
beachten sind, angegeben. Man muß daher annehmen, daß diese Ratschläge jedem genügt
haben, der sich nicht noch besonders brieflich an mich oder an andere Spezialisten
gewandt hat.
Bei der entsprechenden Sorgfalt wird Rohnaphthalin auch in Friedenszeiten zu
Oelfeuerungen und Motorbetrieb gern verwendet werden. Die Verwendung von Naphthalin
und besonders von Rohnaphthalin für Heizzwecke und Motorenbetrieb ist schon sehr
lange bekannt und nur nicht aus den engsten Fachkreisen in die weitere
Oeffentlichkeit gedrungen. Wer sich über dieses Thema weiter unterrichten will, lese
vielleicht das Werk von Lunge und Köhler: Steinkohlenteer und Ammoniak, Band I, Absatz: Rohnaphthalin,
ferner die vielen älteren Aufsätze von Rispler in der
Chem. Zeitung. Auch ist bekannt, daß z.B. die Deutzer Naphthalin-Motoren schon seit
Jahren eingeführt sind. Diese Motoren haben anfangs Reinnaphthalin verwendet, später
sind die Deutzer erfolgreich auf Rohnaphthalin übergegangen, wobei sie allerdings
eine ganz kleine Destillationsanlage an den Motor angebaut haben.
Ich wiederhole hier nochmals: wer sich selbst die Schmelzanlage für Rohnaphthalin
anlegen will, wird am besten tun, wenn er eine Heißwasser- oder Wasserdampfheizung
vorsieht. Bei solcher Einrichtung läßt sich die gewünschte Temperatur gut
einstellen. Beim Wasserbad ohne Druck wird sie die 100° C überhaupt nicht
überschreiten können. Eine Feuersgefahr wird daher ausgeschlossen sein. Für die
Erwärmung des Naphthalins von 10° bis 90° eventuell 100° C werden bei einer
spezifischen Wärme von rund 0,5 WE für das kg nur 40 bis 45 WE und an Schmelzwärme
35,5 WE, insgesamt also rund 80 WE nötig sein. Mit der Verdampfungswärmevon 1
kg Abdampf kann man also rund 7 kg Naphthalin schmelzen.
Mit 1 kg Steinkohlen kann man daher 40 kg Naphthalin schmelzen, auch in dem Falle,
wenn die Feuerung mit einem Nutzeffekt von höchstens 45 v. H. arbeitet. Vermutlich
sind bei der in Brand geratenen Anlage mindestens ein paar hundert Kilogramm
Naphthalin in dem Schmelzkessel gewesen, und da man unter einem großen Schmelzkessel
auch wahrscheinlich ein tüchtiges Feuer angelegt hat, so hat man keinesfalls 4 bis 5
kg Kohlen, sondern möglicherweise das Zehnfache dazu verwendet, so daß dann die
Folgen schon aus diesen Zahlen leicht denkbar wären.
Wird eine Heißwasserzirkulation zum Schmelzen eingerichtet und kühlt sich das Wasser
im Naphthalinschmelzer (Schlangen- oder Mantelheizung) von 90° nur auf 50° C ab, so
werden 2 kg zirkulierenden Wassers die zum Erwärmen und Schmelzen von 1 kg
Rohnaphthalin nötige Wärme zuführen. Jeder Heizungsfachmann ist daher in der Lage,
die dem jeweiligen Sonderbedarf entsprechende Schmelzanlage anzulegen, wobei zwecks
Vermeidung von Verstopfungen noch folgendes zu beachten ist, worauf ich ganz
besonders aufmerksam mache. Das Rohr, welches das geschmolzene Naphthalin zur
Brennerdüse zuführen soll, darf keiner Abkühlung ausgesetzt werden. Meine
Erfahrungen haben gezeigt, daß es nicht genügt, wenn eine solche Röhre z.B. durch
Asbestschnüre oder andere Isolierung geschützt wird, da ein Abkühlen des
geschmolzenen Naphthalins immer noch stattfinden wird, wodurch dann Verstopfen der
Leitung und Versagen der ganzen Feuerung eintritt. Die Schmelzwärme des Naphthalins,
35,5 WE für 1 kg, ist nämlich so gering, daß schon eine leichte Abkühlung den
Uebergang in den festen Zustand verursacht. Man kann aber in jedem Falle tadellos
und sicher arbeiten, wenn man das Rohr selbst vom Naphthalinbehälter bis zur Düse
durch Warmwasser ständig beheizt. Das Rohr, das den Zulauf des Naphthalins versieht,
in ein zweites Rohr hineinzulegen und in diesem zweiten Rohr Heißwasser zirkulieren
zu lassen, verursacht gar keine Schwierigkeiten. Beim Inbetriebsetzen wird man
allerdings die Brennerdüse durch leichtes Beheizen mit einer Oellampe usw. in Stand
setzen müssen, da sich die Bohrungen des Brenners beim Erkalten des darin noch
zurückbleibenden Naphthalins durch deren Festwerden verstopfen. Das Auftauen kann
selbstredend auch durch Uebergießen mit heißem Waßer oder Eintauchen in heißes
Wasser erfolgen. Man kann auch einige Minuten vor dem Abstellen den Brenner mit
etwas flüssigem Brennstoff, eventuell Teeröl oder Petroleum usw. ausspülen, wodurch
dann das Auftauen überflüssig wird. Dort, wo ununterbrochener Betrieb vorhanden ist,
wird diese Sicherungsvorkehrung auch nicht nötig sein. Um durch eventuelle
Verunreinigung eine Verstopfung der Düse zu verhindern, ist im
Naphthalinschmelzgefäß ein Drahtsieb anzuordnen.
Bei Verwendung von Druckluftzerstäuberdüsen ist die Luft vorzuwärmen, damit keine
Abkühlung des Naphthalins an der Austrittsöffnung der Düse stattfindet. Bei Gewerbeöfen ist diese
Maßnahme leicht durchführbar. Die meisten Schmelzöfen usw. arbeiten schon ohnehin
mit vorgewärmter Luft. (Bei den Irinyi-Brennern für
Teeröl und Naphthalin ist diese Vorkehrung überflüssig).
Die entstehenden Dämpfe der Feuerung zuzuführen, empfehle ich nicht. Die
Zuleitungsröhre wird sich sogar bei ziemlicher Isolierung durch Sublimation der
Naphthalindämpfe verstopfen; bei genügender Warmhaltung der Röhren wird nur eine
Verflüssigung eintreten. In jedem Falle müßte am Ende des Rohres ein eigener Brenner
angebracht werden, um die richtige Verbrennung zu erreichen, und auch ein
Rückschlagsventil, um ein etwaiges Rückschlagen der Flamme in das Rohr und den
Behälter zu vermeiden, was zu Anfang, solange von der Beschickung noch Luft im
Behälter vorhanden ist, explosionsgefährlich wäre. Das beste Mittel zur Vermeidung
der Dämpfe bei solchen eigen gebauten Anlagen liegt in der Begrenzung der Temperatur
durch Vermeidung der direkten Feuerbeheizung. Bei höchstens 100° C entstehen im
geschlossenen Gefäß so wenig Dämpfe, daß diese schon durch einen nicht isolierten
Mantel und Deckel des Naphthalinbehälters genügend zurückgekühlt werden.
Wohl läßt sich Naphthalin auch mit unmittelbarer Beheizung leicht und gefahrlos
schmelzen, aber nur, wenn man eine sachgemäße Anlage besitzt, bei der die leichte
Ueberhitzungs- und Zersetzungsmöglichkeit erwärmter Oele, wie Teeröl, Naphthalin
usw. genügend berücksichtigt wird. Ueber dieses Thema habe ich auf Grund meiner
Forschungsergebnisse mehrere Vorträge gehalten und Fachartikel veröffentlicht. Das
Verfahren zur Verhinderung der Zersetzungen durch das von mir festgestellte
Eintreten der Leidenfrostschen Erscheinung habe ich zum
D. R. P. angemeldet. Bei der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit und der
verhältnismäßigen Neuheit wäre ich mangels eigener Fabrikation und weil meine
Monteure ins Feld gerufen wurden, doch nicht in der Lage gewesen, alle Interessenten
mit solchenverhältnismäßig kleinen Schmelzapparaten rasch zu versehen. Ich habe
deshalb in meinen früheren Veröffentlichungen hiervon auch nicht die leiseste
Andeutung gemacht.
Eine Schmelzeinrichtung mit Heißwasser oder Dampfheizung wird sich aber jeder leicht
selbst anlegen können. Es wäre zu empfehlen, wo es möglich ist, mit der Arbeit einen
Heizungsingenieur, insbesondere Firmen, die sich mit Einrichtung von Heizungsanlagen
befassen, zu betrauen. Der Umstand, daß schon seit Ausbruch des Krieges bisher viele
hunderttausend Kilogramm Naphthalin als Ersatz für Teeröl zur Zufriedenheit
verwendet worden sind, wird hoffentlich dazu beitragen, die Verwendung dieses
Brennstoffes fortan noch mehr einzuführen. Diejenigen Firmen, die Naphthalin
erzeugen, sollten nicht verfehlen, den Verbrauchern die weiteren nötigen Weisungen
und Vorsichtsmaßregeln einzuschärfen, auf diese Weise werden in Zukunft solche
Vorfälle zu vermeiden sein.
Rohnaphthalinbetrieb ist bedeutend billiger als Benzinbetrieb, der Bau von
Rohnaphthalinmotoren sehr einfach, die Umänderung bestehender Anlagen auch nicht
kostspielig. Unsere Motorenfabrikanten dürften sich dieser Frage mit der Teilnahme
zuwenden, die die Wichtigkeit der Frage verdient. Wie ich unterrichtet bin, wird
ihnen das heimische Teergewerbe hierbei kräftig zur Seite stehen.
Rohnaphthalin hat aber noch ein anderes Verwendungsgebiet, welches sehr zukunftsreich
ist, nämlich als Ersatz des wegen seines Geruches hierzu nicht verwendbaren Teeröls
bei Heizungen und Warmwasseranlagen in Eigenhäusern usw., besonders wo kein Gas zur
Verfügung steht und man eine, ständige Bewachung nicht erfordernde Beheizung haben
will. Dieses Gebiet wird mit der Zeit die dankbarste Aufgabe des Rohnaphthalins
sein.
Wie mir nachträglich mitgeteilt wird, ist die betr. Firma, wo durch unrichtiges
Schmelzen des Rohnaphtalins ein Feuerbrand entstanden ist, mit der Verwendung von
Rohnaphthalin als Ersatz für Teeröl sehr zufrieden. Sie hat vorher 150 t
Rohnaphthalin gekauft und seither für weitere 400 t abgeschlossen.