Titel: | Der Kriegsdienst der Luftfahrt. |
Autor: | Paul Béjeuhr |
Fundstelle: | Band 330, Jahrgang 1915, S. 61 |
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Der Kriegsdienst der Luftfahrt.
Von Paul Béjeuhr in
Charlottenburg.
BEJEUHR: Der Kriegsdienst der Luftfahrt.
Es ist eine längst erwiesene Tatsache, daß die auf den ersten Blick grausamste
Kriegführung: „Den Feind schnell und gründlich zu vernichten“ in Wirklichkeit
die menschenfreundlichste ist, weil sie den Krieg abkürzt und dadurch den Segnungen
des Friedens wieder Geltung verschafft. Aus diesem Bestreben heraus werden daher von
den kriegführenden Mächten Riesenheere aufgestellt, um möglichst schnell einen
entscheidenden Schlag zu führen. Derartig große Heere mit Frontlängen von mehreren
Hundert Kilometern einheitlich zu leiten, ist für den Heerführer aber nur möglich,
wenn er die gesamte aufgerollte Schlachtfront ständig „sieht“ und wenn er
fortlaufend mit jedem einzelnen Punkt „sprechen“ kann. Letzteres vermittelt
in erster Linie die Feldtelegraphie und -Telephonie mit und ohne Draht, weiter
die Flieger, Autos und Radfahrer sowie die Meldereiter; ersterem Zweck dienen die
Kavallerie- und Infantriepatrouillen und als eigentliches „Auge“ ist im
modernen Feldzug das Luftfahrtwesen hinzugekommen. Vermag der Flugdienst schon für
die Befehlsübermittlung in ganz schwierigen Fällen, wenn wegen Zerstörung der
Straßen kein Auto, kein Radfahrer und kein Meldereiter mehr durchkommt, wenn kein
Funker und kein Draht mehr zur Verfügung steht, außerordentlich wichtige Dienste zu
leisten, so ist das „Sehen“ im modernen Feldzug ohne die
Luftfahrtorganisationen überhaupt nicht mehr möglich.
Einen außerordentlich charakteristischen Beweis hierfür und auch für die im vorigen
Aufsatzs. D. p. J. 1914, Bd.
329. S. 693. hervorgehobene Wichtigkeit der zweckmäßigen
Organisation liefert der Feldzug im Osten. Unmittelbar vor Beginn des Krieges und
namentlich auch bei den großen Schlachten um Lemberg arbeiteten die russischen
Flieger zahlreich und – den strategischen Maßnähmen nach zu schließen –
mitgutem Erfolge. Mitte November jedoch gelang es Hindenburg, seine Maßnahmen völlig vor den Russen zu verschleiern und sie,
die ihn im Zurückziehen glaubten, nach einer meisterhaft ausgeführten Umgehung in
der rechten Flanke empfindlich zu schlagen. Diese Verschleierung wäre bei genügender
Aufklärung aus der Luft unmöglich gewesen; daß dieser Erkundungsdienst auf
russischer Seite aber nicht mehr so gut ist wie am Anfang, hat seine Ursache darin,
daß Rußland mit dem Ersatz beschädigter Apparate und mit dem Nachschub neuer
Flugzeuge vom Ausland abhängig ist, das natürlich heute versagt, weil es entweder
feindlich ist, oder aber – sofern verbündet – seine Produktion selbst benötigt.
Betrachten wir nun zunächst einmal die Aufgaben der Luftfahrt, so fällt die
Nachrichtenübermittlung lediglich den schnellbeweglichen Flugzeugen zu. Wie schon
vorhin ausgeführt, bilden sie für den Heerführer häufig das letzte noch verwendbare
Mittel der Verständigung mit sonst völlig abgeschlossenen Stellungen; z.B. konnte an
der österreichischen Front einer von den Russen umzingelten, hart bedrängten Stadt
auf diese Weise der herannahende Entsatz angekündigt werden, wodurch sich die Stadt
in österreichischem Besitz hielt.
An der zweiten, jetzt wichtigsten Aufgabe: der Erkundung beteiligen sich alle
Luftfahrzeuge. Die Nahaufklärung, besonders der Feuerbeobachtungsdienst für die
Artillerie wird von Fesselballonen, und Flugzeugen erledigt. Freiballone, die noch
im 70ger Krieg die berühmte Flucht Gambettas aus Paris
vermittelten, finden wegen ihrer Abhängigkeit von den Windverhältnissen jetzt kaum
noch Verwendung, wenn sie natürlich auch von jeder Festungsluftschifferabteilung für
äußerste Fälle vorrätig gehalten werden und außerdem im Belagerungsdienst
aushilfsweise als Fesselballon herangezogen werden. Fesselballone nach der
Drachenbauart Parseval-Sigsfeld
sind dagegen
namentlich zur Artilleriefeuerbeobachtung sehr beliebt. Sie haben den Vorteil,
infolge ihrer langgestreckten Bauart mittels Drachenwirkung ihrer Bauchfläche großen
Auftrieb zu gewähren, wegen der Anordnung der Segel und des wulstartigen
Luftballonetschwanzes keine Winddallen zu bilden und auch bei erheblichen
Windstärken ruhig zu stehen sowie endlich durch ein Telephonkabel ständige (evtl.
sogar lautsprechende) Verständigung mit ihrer Batterie zu ermöglichen. Da sie
natürlich ein gutes Schußobjekt sind, gehören sie in den Schutz der eigenen
Stellung; feindlichen Fliegerangriffen entzieht man sie durch Bergung in einer
Waldlichtung. Die bis zu 1140 m3 Inhalt
hergestellten Drachenballone erfordern wegen des Gasnachschubes einen immerhin
umständlichen Apparat, daher werden sie mehr für stationäre Artillerietätigkeit
(Belagerungsdienst usw.) verwendet; die kleinen, nach dem gleichen Prinzip gebauten
bis zu 108 m3 großen, als Antennenträger für
drahtlose Telegraphie verwendeten Drachenballone sind dagegen sehr beweglich und
folgen den Funkerabteilungen überall hin. Auch für ihren Schutz wird mit Vorliebe
die Walddeckung angewendet.
Als besonders wichtig für die Nahaufklärung haben sich die Flugzeuge ergeben. Sofern
sich diese auf die Feuerbeobachtung und Zielerkundung für Artillerie erstreckt, sind
bei den Franzosen vielfach die kleinen Einsitzer in Gebrauch, die schnell hinter der
Front aufsteigen, kurz beobachten und dann mit ihrer Meldung zur Batterie
zurückkehren. Diese kleinen Flugzeuge sind recht schnell, da sie nur kurze Flugdauer
benötigen; ob aber die Beobachtungsergebnisse gut sind, darf bezweifelt werden, da
es sicher eine schwierige Aufgabe ist, über dem feindlichen Feuer einen Apparat zu
steuern und gleichzeitig so genaue Beobachtungen zu machen, daß danach
Schußkorrekturen vorgenommen werden können. Infolgedessen ist man bei uns von Anfang
an dazu übergegangen, auch für den Beobachtungsdienst des Artilleriefeuers
zweisitzige Flugzeuge zu verwenden, die auch gestatten, der jeweiligen Aufgabe
entsprechend einen Artilleriespezialisten, einen Pionieroffizier oder einen
Generalstäbler als Beobachter mitzunehmen.
Das zweisitzige Flugzeug hat noch einen anderen Vorzug. Beim Einsitzer kann der
Führer seine Beobachtung erst nach der Landung übermitteln, wenn er nicht zu
verabredeten Zeichen mit der Leuchtpistole greift oder mittels des Rußapparates
telegraphiert. Letzterer besteht aus einem mit Ruß gefüllten Behälter, der mittels
der Luftpumpe unter 1 at Druck gehalten wird. Oeffnet man eine Klappe, so strömt Ruß
aus, der sich zusammenhängend etwa zwei Minuten in der Luft erhält. Infolge der
Eigenbewegung des Flugzeuges ergeben kurze Oeffnungen der Klappe Punktwölkchen,
lange dagegen Striche, so daß sich hiermit unmittelbar morsen läßt. Ob der
vielbeschäftigte Flieger dies im feindlichen Geschoßregen zuverlässig macht, ist zu
bezweifeln. Der mit der Steuerung nicht beschäftigte Beobachter kann sich mit viel
mehr Muße dieser Verständigungsmittel bedienen, er kann Meldungen schreiben und
abwerfen (wenngleich dies fürSchußkorrekturen auch sehr umständlich ist) ihm
steht die drahtlose Telegraphie zur Verfügung und er kann sich endlich der
Signallampe bedienen, bei der eine mit Ueberspannung in einem besonders evakuierten
Gasraum glühende Spirale ihre durch geschickte Optik verstärkten Blitze so grell
aussendet, daß sie im hellsten Sonnenlicht deutlich sichtbar sind.
Ueber der eigenen Feuerbeobachtung ist die Zielerkundung eine wichtige Aufgabe der
Nahaufklärung, die eine große Reihe Flugerfahrungen verlangt, weil die Truppenführer
es in ausgezeichneter Weise gelernt haben, ihre Formationen den Blicken von oben zu
entziehen. Wer zuerst über dem Feinde fliegt, sieht überhaupt nichts Verdächtiges.
Erst allmählich lernt er, Rübenhaufen als Schützengräben, harmlose Gebüsche als
gedeckte Geschütze, Strohdiemen als Maschinengewehre erkennen, erst allmählich
schließt er aus ein paar vereinzelt herumstehenden Radgestellen auf eine im Wald
versteckte Kolonne und erst durch viele Flüge vermag er in den Geländefalten die
sich bei möglichster Bewegungslosigkeit in ihren wenig sich abhebenden Uniformen
kaum erkennbaren Truppen zu unterscheiden. Denn beim Herannahen feindlicher Flieger
ist erstes Gebot, jede Geschlossenheit der Truppe und jede Bewegung zu vermeiden.
Gelingt es dem Beobachter infolge des schwierigen Geländes gar nicht, den Gegner zu
erkennen, dann muß zunächst in geringere Höhen herabgegangen werden, um das Gebiet
besser zu beobachten; bleibt der Gegner dann noch immer verborgen, dann muß als
letztes, gefährlichstes Mittel versucht werden, ihn durch weiteres Tiefergehen zum
Feuern zu verlocken. Es ist eben für die Soldaten ein gar zu verführerisches Ziel,
wenn ein Flugzeug in wenigen hundert Meter Höhe über ihnen kreist, da geht ein Schuß
trotz des Verbotes leicht einmal los und ist der erste Schuß gefallen, dann ist die
feindliche Linie sofort durch eine Reihe weißer Wölkchen dem Beobachter offenbar
gemacht. Und nun heißt es, sich durch schnelles Steigen dem Feuer entziehen; Motor
und Propeller müssen alles hergeben und alles hängt davon ab, ob weder an der
Maschinenanlage noch an der Betriebsstoffzuleitung eine Schußverletzung vorliegt.
Kommt es nur darauf an, einen in Sicht, jedoch geschickt verdeckt liegenden Gegner
genau zu bezeichnen, so wird über dem Ziel eine Rauchbombe oder ein Meldewimpel
fallen gelassen, auf den sich die eigene Batterie dann schnell einschießt.
Die Fernaufklärung wird von Luftschiffen und Flugzeugen
gemeinsam erledigt. Letztere werden ähnlich wie bei der Nahaufklärung, jedoch mit
wesentlich größeren Betriebsstoffmengen ausgerüstet. Die Meldung geschieht in diesem
Fall ausnahmslos nach der Rückkehr des Apparates durch persönlichen Vortrag des
Beobachtungsoffiziers unter Vorlage des unterwegs angefertigten Krokis. Dies wird in
der Regel unter Zugrundelegung der abrollbaren Karte an Bord mit Blei gezeichnet, um
im Notfall alle Eintragungen im letzten Moment vernichten zu können, damit sie nicht
in feindliche Hände fallen.
Die Luftschiffe bringen den Vorteil mit sich, daß sie längere Fahrten gestatten mit
gleichzeitig mehreren Beobachtern obachtern, die außerdem sofort drahtlos ihre Meldung
zurückgeben können, so daß die Zeit des Rückweges erspart wird. Je nach der
Entwicklung der Schlacht kann das Luftschiff von der Heeresleitung sofort an eine
andere Stelle geleitet werden, so daß sich die Beobachtungen aneinander reihen.
Durch alle diese Eigenschaften teilen sich die Aufgaben der Fernaufklärung auf die
beiden Luftfahrzeuge derart, daß den Luftschiffen die umfangreichen Nachtfahrten
weit in Feindesland hinein zufallen, bei denen sie sich leichter dem feindlichen
Feuer entziehen können, während die Flugzeuge die Tageserkundung übernehmen.
Natürlich ist es auch bei Luftschiffen erwünscht, den Abstand des Luftschiffhafens
von der Front und dem aufzuklärenden Gebiet so gering wie möglich zu erhalten, daher
müssen neben unseren an der Grenze liegenden Häfen und den von uns in Feindesland
besetzten Hallen noch eine Reihe transportabler Hallen möglichst der Frontlinie
folgen, wenngleich das Anlegen eines Luftschiffhafens wegen des Gas- und
Betriebsmittelnachschubes eine recht umständliche Sache ist. Da nun diese Hallen für
den Gegner heißumstrittene Angriffsobjekte sind, so müssen sie durch richtigen
Abstand nicht nur dem feindlichen Geschützfeuer, sondern durch geschickte Auswahl
des Geländes auch den Angriffen feindlicher Flieger entzogen werden. Da ferner die
Luftschiffe durch kleinere Verletzungen häufig in havariertem Zustande zum Hafen
zurückkehren, so muß der Platz möglichst leicht anzusteuern sein, kann doch ein
verhältnismäßig leichter Bodenwind, eine verschwindende Ueberbelastung nahe der Erde
ein stolzes Schiff vernichten, das in der freien Luft Windstärken von 20 m/Sek. und
Regenüberlastungen von mehreren hundert Kilogramm getrotzt hat.
Den Luftschiffen kommt in der Fahrt der große Vorteil zu, daß sie kleine Schäden am
Schiff und an den Motoren in der Luft ausbessern können, hat doch letzthin ein
gewandter Monteur sogar einen Propellerschaden behoben. Hiermit sind wir schon auf
den zweiten Teil übergegangen, auf die Gefahren, die den Luftfahrzeugen drohen.
Diese gliedern sich in die rein militärischen und die technischen. Militärisch sind
alle Luftfahrzeuge der Gefahr des Beschießens ausgesetzt, der sich die Luftschiffe
durch Nachtfahrten, die Flugzeuge durch Fliegen in 1700 bis 2000 m Höhe bei
Infantrie- und Maschinengewehrfeuer, in 2500 m Höhe bei Geschützfeuer entziehen. In
dieser Höhe werden sie natürlich auch noch von den Geschützen erreicht, aber die
Treffsicherheit ist gering, zumal wenn der Flieger durch scharfe Kurven ganz
regellose Bahnen beschreibt. Der Aufenthalt und die Erkundungsarbeit ist in diesem
Fall allerdings recht unangenehm. Gefährliche Gegner sind die Ballonabwehrgeschütze,
die entweder zur Verteidigung wichtiger Kunstbauten drehbar auf Sockeln oder aber
auf Kraftwagen aufgebaut sind, um schnell an gefährdete Orte eilen zu können. Sie
haben großes Richtvermögen, hohe Feuergeschwindigkeit und ein besonders schnelles
Einschießen gewährleistendes Schießverfahren. Während Infantriefeuer nur in
seltensten Fällen schwere Beschädigungen verursacht, (die Schußlöcher der Tragflügel
und des Rumpfeswerden sorgfältig verklebt und bilden dann, mit dem Datum
versehen, Ehrennarben) haben die Geschütze schon manchen Flieger herabgeholt.
Natürlich suchen sich die Insassen bei Verletzungen des einen zu ersetzen und schon
manches Flugzeug ist, vom Beobachter notdürftig gesteuert, glücklich zur Erde
gebracht. Auch Schüsse in die Steuerung sind nicht so schlimm; die Verwindung
ersetzt dann Höhen- und Seitensteuer, und umgekehrt. Sogar Motor- und
Propellertreffer und Kühler- sowie Benzingefäßbeschädigungen haben noch durch lange
Gleitflüge ausgeglichen werden können.
Gefährlicher ist schon der Luftgegner selbst. Am besten auszurüsten ist ja ein
Luftschiff und auch am sorgfältigsten schießen läßt sich von dort aus. Gondeln und
Plattform bieten gute Aufstellungplätze. Da unseren Luftschiffen und Flugzeugen
diese gefährlichen Luftfeinde noch nicht begegnet sind, dürfen wir wohl annehmen,
daß sich diese Waffe hauptsächlich in unseren Händen befindet. Vom Flugzeug aus
greift man in der Regel mit Handfeuerwaffen an; den Selbstladewaffen gebührt wegen
der Kürze der Angriffszeit der Vorzug. Da von oben herab der Gegner am
empfindlichsten zu treffen ist, so beruht die Angriffs- und Verteidigungstaktik
darin, den Gegner möglichst zu überhöhen. Das bringt den weiteren Vorteil mit sich,
im Falle einer Verletzung die verfügbare Höhe im steilen Gleitflug in
Geschwindigkeit umsetzen und dem Gegner entfliehen zu können. Weil die kleinen
Einsitzer nur schlecht eine Verteidigung vornehmen können, sind in Frankreich,
scheinbar unter englischer Hilfe, besondere Angriffsflugzeuge gebaut, die die
kleinen Einsitzer beschützen und den Gegner verscheuchen sollen. Diese mit starken
Motoren ausgerüsteten Apparate haben gute Bewaffnung, zum Teil Maschinengewehre an
Bord; sie steigen und fliegen recht schnell und sind beachtenswerte Gegner. Daß
unsere Flieger sich trotzdem gar nicht in ihrer Tätigkeit stören lassen, ist ein
Zeichen ihrer Unerschrockenheit. Weitere Verteidigungsmittel sind die Wurfpfeile und
Bomben. Erstere (wie kleine spitze Durchschläge, 120 mm lang, 8 mm im Durchmesser,
20 g schwer, hinten kreuzförmig ausgefräst) haben sich scheinbar nicht bewährt; sie
sollten in Riesenmengen mit den Händen ausgeschüttet werden und beim senkrechten
Auftreffen alles durchschlagen; wegen ihrer geringen Treffergebnisse ist man von
ihnen abgekommen. Besser sind die Brandpfeile, deren Cer-Eisen-Zünder sich beim
leichtesten Aufschlag (also schon bei einem Tragdeck, einer Ballonhülle) entzündet,
und deren Feuermasse alles irgend Brennbare in Brand setzt. Weil die Masse ihren zum
Verbrennen nötigen Sauerstoff bei sich führt, brennt sie auch im Wasser. Weniger zur
Verteidigung in der Luft dienen die Sprengstoffbomben, die in allen Größen gebaut
werden bis zur Bombe für starke Kunstbauten.
Damit nun alle diese Waffen sich nur gegen die Feinde, nicht aber gegen eigene
Luftfahrzeuge richten, sind zur Erkennung der Flugzeuge besondere Zeichen auf den
Flächen und Steuern angebracht, (bei uns das schwarze „eiserne“ Kreuz, bei
den Franzosen die dreifarbige Kokarde, bei den Russen die blauen Ringe im weißen Felde) die aber bei
ungeeigneter Belichtung schlecht erkennbar sind. Daher werden in neuerer Zeit nur
Apparate einheitlicher Typen verwendet, deren Silhouette sich den Truppen schnell
einprägt.
Die schlimmste Gefahr droht den Insassen der Luftfahrzeuge, wenn sie durch eine
Notlandung im feindlichen Gebiet zur Verteidigung gezwungen werden. Ist ein Aufstieg
nicht in kürzester Zeit wieder möglich, so ist die Verteidigung wohl nutzlos, wie
verschiedene Fälle (unter denen die feigen Franktireurexzesse die betrübendsten
sind) zeigen, sonst ist nur durch geschickte Verwendung geachteter Personen als
Geisel eine Flucht möglich. Aber auch weit vorgeschobene Fliegerposten können
plötzlich durch versprengte Truppen angegriffen werden.
Die technischen Gefahren bestehen für alle Luftfahrzeuge in der Notwendigkeit,
ungeachtet jeder Witterung ihre Tätigkeit auszuüben. Da kann ein Luftschiff leicht
große Ueberbelastungen durch Regen und Schnee erhalten, Temperaturschwankungen
können den Zustand noch verschlimmern und heftige Böen ein Abfangen des Schiffes vor
der Landung unmöglich machen. Es können weiter Schäden der Motoren hinzukommen,
wenngleich diese, wie oben erwähnt, eher zu beheben sind. Diesen technischen
Gefahren kann man bei Luftschiffen am besten dadurch begegnen, daß man ein möglichst
dichtes Netz von Luftschiffhallen für sie bereit hält. In den meisten Fällen wird es
dann dem Führer gelingen, den Hafen noch gut anzusteuern und das Schiff mittels der
Bergungsvorrichtung in Sicherheit zu bringen. Für die Bergung, sowie für Gas- und
Betriebsstoffnachschub, für Aus-besserungs- und Ueberholungsarbeiten ist dem Schiff
ein Luftschifftrupp beigegeben, der sich aus den Hallen- und technischen Offizieren,
dem technischen Personal und den Hallenmannschaften sowie der Fahrkolonne
zusammensetzt, und dessen Ausrüstung so beschaffen ist, daß das Schiff nur bei
größeren Schäden die Werft anzulaufen braucht.
Um die technischen Gefahren kennen zu lernen, die den Flugzeugen drohen, werfen wir
schnell einen Blick auf die Feldflugorganisation. Bestimmend ist die
Einheitlichkeit; Motoren und Flugzellen werden für sich von besonderen Offizieren
abgenommen, nach dem Zusammenbau in den Fliegerersatzabteilungen militärisch
ausgerüstet und zu Feldfliegerabteilungen zusammengestellt. Das Flieger- und
Beobachterpersonal wird den Militärfliegerschulen entnommen. Diese
Feldfliegerabteilungen zu sechs Apparaten nebst einem Reserveapparat werden den
Stäben zugeteilt und möglichst nahe an die Front gebracht. Zu diesem Zweck sind sie
mit einer Fahrkolonne schneller starker Wagen, die bei großer Wendigkeit jedes
Gelände beherrschen, ausgerüstet. Schnell sind die Zelte aufgeschlagen, das
Bureau-Auto wird an die Feldtelephonleitung angeschlossen, und der Dienst kann
beginnen. Bei den großen Fronten und den riesigen Formationen moderner Heere ist die
Armeestaffel etwa 25 bis 30 km tief; der Flugplatz liegt also hinter der
eigentlichen Front 30 km zurück. Ist nun irgend eine Erkundungsaufgabe zu
lösen,so muß der Flieger erst 30 km über eigenen Truppen, ebensoviel über dem
Feinde in gerader Linie zurücklegen kann dann erst mit den Erkundungsschleifen
beginnen und hat endlich denselben Rückweg zu erledigen. Die Flüge erstrecken sich
daher fast stets über 150 km, so daß bei der nötigen Reserve Betriebsstoffe für drei
bis vier Stunden mitzunehmen sind. Da nun die Plätze nicht immer gut ausgesucht
werden können, da weiter bei jeder Witterung und jeder Tageszeit geflogen werden
muß, so stellt schon der Start hohe Anforderungen an Flieger und -Apparate.
Hindernde Gräben, die nicht aus-gefüllt werden können, werden durch Fahnen und
Lichter gekennzeichnet, reicht der Anlauf vor dem Graben nicht, den Apparat zum
Fliegen zu bringen, dann reißt man ihn kurz hoch, springt über den Graben und rollt
dann weiter. Vielfach fällt der Erkundungsflug in so späte Abendstunden, daß die
Rückkehr erst bei völliger Dunkelheit erfolgt. Dann wird der Platz durch ein Feuer
erleuchtet oder durch ein Landungslicht und äußere Begrenzungslichter markiert. Da
die Plätze sehr beschränkt sind, werden stets Schwanzlandungen ausgeführt; beim
Landungslicht nähert man sich dem Platz, reißt den Apparat vorn hoch, so daß er mit
dem Schwanz aufsetzt, die angehobenen Tragflächen die Fahrt schnell bremsen und dann
erst das Fahrgestell den Boden berührt. Diese Landungen setzen einen kräftigen Rumpf
und robustes Fahrgestell voraus, brauchen dann aber nur kurzen Auslauf.
Sehr verschärft treten alle diese Gefahren auf, wenn ein einzelner Flieger zu irgend
einer Sonderaufgabe (Artillerieerkundung usw.) abgeordnet wird. Lediglich durch
einen Kavallerietrupp beschützt, ohne Zelt- und Gerätewagen tritt er seine Fahrt an;
wird nicht geflogen, so steht das Flugzeug im Freien, allen Unbilden der Witterung
ausgesetzt; der Platz ist größtenteils noch schlechter, Personal steht nicht zur
Verfügung, da muß der Fliegeroffizier gleichzeitig Flugzeug- und Motoringenieur
sein, muß alles selbst prüfen, überholen, ausbessern und außerdem gegebenenfalls
seinen Apparat mit der Waffe in der Hand verteidigen. Freuen wir uns, daß unsere
Offiziere durch ihre Ausbildung allen diesen vielseitigen Anforderungen gewachsen
sind.
Für größere Reparaturen sind neben den Feldfliegerabteilungen die Flugzeugparks
eingerichtet, die in technischer Beziehung noch vollkommener ausgerüstet sind.
Können auch diese den Schaden nicht beheben, so geht der Apparat an die Fabrik
zurück, nachdem die Ersatzabteilung die Lücke durch eine neue Maschine ersetzt
hat.
Aehnliche Aufgaben wie beim Landheer hat das Marineluftfahrzeug zu lösen; jedoch
kommt hier noch die Erkundung unter Wasser hinzu. Es hat sich nämlich gezeigt, daß
von oben die Vorgänge unter der Wasserfläche bis in erhebliche Tiefen deutlich zu
erkennen sind, weshalb die Luftfahrzeuge nicht nur gefürchtete Gegner der
Unterwasserboote werden, sondern auch Minen gut aufspüren können. Man hat freilich
gesagt, daß wiederum der Führer des U-Bootes durch die Anwesenheit eines Flugzeuges
auf die Nähe von Kriegsschiffen schließen könne, aber das trifft nicht zu, denn
erstlich können moderne Wasserflugzeuge durch ihren großen Aktionsradius sehr wohl ganz unabhängig
von Schiffen operieren, und dann wird der U-Bootführer wegen des kleinen
Sichtwinkels des Periskops ein Fahrzeug auf dem Wasser viel eher finden als eines in
der Luft.
Die überraschend guten fahrtechnischen Eigenschaften der Luftfahrzeuge mußten von
selbst dazu führen, aus dem Erkundungsmittel eine Angriffswaffe zu entwickeln. Wir
haben weiter oben die Ausrüstung für diese Zwecke unter den Verteidigungsmitteln
schon besprochen. Ob es zweckmäßig ist, die Fahrzeuge lediglich für Angriffszwecke
auszubauen, muß die Erfahrung lehren, vorläufig scheint es besser, auch auf die
Erkundungstätigkeit keineswegs zu verzichten. Luftschiffe sind den Flugzeugen durch
ihre große Tragkraft außerordentlich überlegen; sie können neben der Ausrüstung mit
Maschinengewehren und neben Brandbomben für Gebäude, Strohdiemen, Heuschober usw.
noch Sprengbomben für die stärksten Kunstbauten mitführen, weshalb sich die Angst
der Londoner verstehen läßt, die sie zu den ungeheuerlichsten Utopien hinreißt, wie
nachfolgende Notiz zeigt:
Die Zeppelinfurcht.
Berlin, 27. Okt. (W.T.B.). Aus London wird der „Frkf. Ztg.“ gemeldet: Die
Phantasie der Bevölkerung beschäftigt sich mit den abenteuerlichsten Geschichten
über neue deutsche Luftschiffe, die zur Beschießung Londons bereit seien. Sie seien
mit Gas, das fünfzehnmal leichter als Wasserstoff, und
mit Metall, das stahlhart, aber dreimal leichter als
Aluminium sei, ausgerüstet.
Daß man auch die Bombenwürfe der deutschen Flieger sehr fürchtet, beweist am besten,
welchen Schrecken der Sammelname „Taube“ verbreitet, der alle deutschen
Apparate, Doppeldecker und Eindecker umfaßt. Was 1870 der „Ulan“ war, ist
1914 die „Taube“. Und bei der gesteigerten Entwicklung, die man den
Flugzeugen als Angriffswaffe zuteil werden läßt, bei der wachsenden Erfahrung
unserer Flieger, diese Waffe richtig auszunutzen, und bei dem bewährten Können
unserer Heerführer, das neue Kampfmittel richtig einzusetzen, dürfen wir den zu
erwartenden Ergebnissen mit großer Zuversicht entgegenblicken.