Titel: | Naphthalinmotoren. |
Autor: | F. Georgius |
Fundstelle: | Band 330, Jahrgang 1915, S. 65 |
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Naphthalinmotoren.
Von Dr. F. Georgius in
Lichterfelde.
GEORGIUS: Naphthalinmotoren.
Auf dem Gebiete der flüssigen Brennstoffe für Feuerungs- und Motorzwecke ist es
uns seit einer Reihe von Jahren durch Benutzung des Teeröls, des Hauptprodukts der
Teerdestillation, gelungen, eine größere Unabhängigkeit vom Auslande zu erreichen.
Das Teeröl hat dem mineralischen Rohöl mit seinen Verarbeitungsprodukten, bei dem
wir zur Hauptsache auf das Ausland angewiesen sind, auf den erwähnten Gebieten
erheblich Konkurrenz gemacht. Dieser Umstand kommt uns während des augenblicklichen
Kriegszustandes, wo höchstens noch auf eine ganz beschränkte Zufuhr von Mineralölen
aus Rumänien zu rechnen ist, zu gute. Das Interesse des Reiches, insbesondere der
Marineverwaltung an dem Teeröl zeigte sich auch darin, daß zu Beginn des Krieges die
Teerölbestände für Heereszwecke reserviert wurden und für den freien Handel nur in
beschränktem Maße zu haben sind. Trotzdem das Deutsche Reich über einen Ueberfluß an
Steinkohlen verfügt, kann Teeröl nicht ohne weiteres in den Mengen hergestellt
werden, wie es dem Bedarf entspricht, denn da das Teeröl ein Begleitprodukt des
Kokses ist, so ist es in seiner Produktion an dessen Absatzmöglichkeit gebunden.
Hierbei sei daran erinnert, daß aus 1000 kg Steinkohle rund 700 kg Koks, 300 m3 Gas und 50 kg Teer, also entsprechend weniger
Teeröle, gewonnen werden. Die prozentuale Ausbeute an diesem flüssigen Brennstoff
ist demnach verglichen mit dem neu gewonnenen festen Brennstoff, dem Koks, nur sehr
gering. Eine erhöhte Gewinnung von Teeröl setzt daher eine erhebliche Steigerung des
Koksverbrauches voraus. Erfreulicherweise bricht sich in der technischen Welt mehr
und mehr die Erkenntnis Bahn, daß es wirtschaftlicher ist, die Kohle unter Gewinnung
aller wertvollen Bestandteilezu vergasen, als sie unter Verzicht auf diese
Ausnutzung durch das abgekürzte Verfahren der Rostfeuerung zu verbrauchen. Die rein
technischen Vorteile, die der Koks als Brennstoff in Feuerungen mit sich bringt und
auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, sind ganz erheblich; es seien
unter anderen erwähnt Rauchlosigkeit, keine oder nur geringe Verschlackung des
Rostes, funkenfreies Arbeiten bei Lokomotiven, keine Selbstentzündung bei der
Lagerung. Um während des Krieges den Koksverbrauch zu steigern, ist auch die
Staatsbahn dazu übergegangen, in den Lokomotiven diesen Brennstoff zu verfeuern und
zwar in Mischung mit Kohle zu etwa gleichen Teilen.
Als Ersatz für das Teeröl in Motoren und Feuerungen ist in neuester Zeit das als
Nebenprodukt bei der Teerdestillation gewonnene Naphthalin, und zwar Rohnaphthalin,
vorgeschlagen worden (vgl. D. p. J. 1914, S. 569). Naphthalin, das sich von selbst
aus dem Teeröl ausscheidet oder durch Schleudern aus diesem gewonnen wird, ist bei
gewöhnlicher Temperatur fest und schmilzt bei etwa 75 bis 80°; es hat einen Heizwert
von etwa 9400 WE. Da das Naphthalin bislang ein nicht sehr begehrtes Produkt war, so
haben sich nicht unerhebliche Bestände angesammelt, die Irinyi auf etwa 60000 t schätzt. Die Bestrebungen, Naphthalin in Motoren
zu verwenden, sind schon älter. Die Gasmotorenfabrik
Deutz sowie Benz & Co. haben schon seit
einigen Jahren Motoren für Reinnaphthalin gebaut. Es handelt sich hierbei um
Explosionsmotoren. Bei Dieselmaschinen können, wie Versuche nach Mitteilung von Bruhn ergeben haben, nur geringe Zusätze von Naphthalin
zum Teeröl in Frage kommen, da sich beim großen Naphthalinzusatz explosionsartige Zündungen
und Stöße in der Maschine bemerkbar machen. Die Verflüssigung des Naphthalins bei
Motoren erfolgt entweder durch die Abgase oder durch das Kühlwasser. Bei der
Benutzung der Abgase ist jedoch zu beachten, daß keine Ueberhitzung des Brennstoffes
eintritt, da die Abgase eine bedeutend höhere Temperatur besitzen, als die
Schmelzung des Brennstoffes erfordert. Man benutzt daher meist Zwischenkörper in
Form von Wassermänteln zur Wärmeübertragung von den Abgasen auf den Brennstoff. Bei
Verwendung der Kühlwasserwärme verlängert sich dagegen die Anlaßbetriebszeit, also
die Zeit, während der der Hilfsbrennstoff, meist Benzol, zum Anlassen benutzt werden
muß, da das Kühlwasser sich schwerer erhitzt. In rohem Zustande enthält Naphthalin
zu viele Unreinigkeiten, um unmittelbar mit dauerndem Erfolge in Motoren verwendet
werden zu können. Wenn man der Motoranlage unmittelbar Rohnaphthalin zuführen will,
so hat man daher dafür Sorge zu tragen, daß eine Reinigung dieses Brennstoffes vor
Eintritt in den Vergaser erfolgt. Nach dieser Richtung insbesondere bewegt sich auch
die Weiterentwicklung dieser Motorgattung, wie aus den folgenden Ausführungen, die
eine Uebersicht über die neuesten Typen enthalten, hervorgeht.
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Abb. 1.
Die Gasmotorenfabrik Deutz hat die Einrichtung getroffen,
daß das Rohnaphthalin zunächst durch einen Destillationsprozeß unter Benutzung der
Abgas wärme in gereinigte flüssige Form übergeführt wird. Nach Durchleitung der
Dämpfe durch die Destillationsschlange wird die Flüssigkeit – in einem Behälter
aufgefangen, der durch Kühlwasser oder durch dessen Dampf beheizt wird. Eine
derartige Motoranlage ist in der Abb. 1 dargestellt.
Das Naphthalin wird in den Behälter H eingebracht, wo
es durch die aus dem Rohr i zugeleiteten Abgase
geschmolzen und bei etwa 210 bis 230° verdampft wird. Der Dampf tritt durch das Rohr
g und die Rohrschlange f in den Behälter C, der in dem
Kühlwasserraum B untergebracht ist. Bei der
Temperaturverminderung auf etwa 100° wird das Naphthalin in der Rohrschlange f oder dem Behälter C niedergeschlagen und sammelt sich
somitin gereinigtem flüssigem Zustande in diesem Behälter. Durch das Rohr d wird es zur Maschine abgeführt. Dieses Rohr d ist von einem Dampfraume umgeben, um ein Erstarren
des Naphthalins zu verhüten. Ein zum Rohstoffbehälter führendes Ueberlaufrohr q sorgt dafür, daß eine bestimmte
Flüssigkeitshöchstgrenze im Behälter C innegehalten
wird. Das Rohr q ist ebenfalls mit einem Dampfmantel
versehen. Bei Abstellung des Motors wird der Rest des flüssigen Naphthalins wieder
in den Behälter H durch eine Leitung s übergeführt. Beim Anlassen kann daher keine
Verstopfung in der Anlage eintreten. Zum Zwecke der Inbetriebsetzung wird in den
Behälter C Benzol gebracht. Um den Anlaßbetrieb mit
diesem teureren Brennstoff möglichst zu verkürzen, kann man in den Behälter C außer dem Benzol etwas festes gereinigtes Naphthalin
bringen, das sich im Benzol löst. Nach Verbrauch dieses Hilfsbrennstoffes ist die
Maschine soweit in Betrieb, daß die Abgase den Rohstoff im Behälter H verdampfen können. Dieser ist mit einem abgeteilten
Raume t versehen, in den das Ueberlaufrohr q und Rücklaufrohr s
münden. Der Raum t ist auf diese Weise mit einem
kleinen Vorrat von reinem Naphthalin gefüllt, das durch einen Hahn a entnommen werden kann. Der bei gefülltem Behälter t überlaufende Brennstoff gelangt in den Behälter H. Der unverbrennliche Rückstand des Rohstoffes wird
durch einen Hahn v abgelassen.
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Abb. 2.
Eine andere Motoranlage, die ebenfalls die Verwendung von Rohnaphthalin durch
vorherige Verdampfung ermöglicht, ist von Lion angegeben
worden. Der Rohstoff wird hierbei zunächst bei mittlerer Temperatur in einem durch
die Motorabgase beheizten Behälter a (Abb. 2) geschmolzen und gelangt darauf in einen
Behälter a, wo er verdampft wird. Die Einrichtung ist
dabei so getroffen, daß aus dem Behälter f entweder
Naphthalin allein oder mit Naphthalindampf angereicherte Luft durch den Motor
angesaugt werden kann. Der Hauptbehälter a zur Aufnahme
des Rohstoffes ist an seiner einen Seite mit einer Doppelwand versehen, durch die
Abgase zur Beheizung geleitet werden. Durch ein Schwimmerventil e ist das Gefäß a mit dem
Behälter f verbunden, in dem der Naphthalinspiegel
immer in gleicher Höhe gehalten wird. Ein Heizmantel g
dieses Gefäßes wird in Richtung g1, g2 von den Abgasen durchströmt, während ein zweiter
Mantel h wiederum den Mantel g umgibt und zur Luft-vorwärmung dient. Wenn der Motor kurze Zeit mit dem
Anlaßbrennstoffe gearbeitet hat, werden die Abgase bei der punktierten Stellung des
Schiebers u1 vom
Stutzen o aus durch den Heizmantel g des Gefäßes f und darauf
durch den Heizraum b des Behälters a geleitet, so daß das Naphthalin in f zum Verdampfen und in a
zum Schmelzen gebracht wird. Ein Temperaturregler m, p
bekannter Art sorgt dadurch, daß er auf die Klappe u1 einwirkt, dafür, daß eine bestimmte Temperatur in
dem Gefäß f nicht überschritten wird. Durch Einstellen
einer Feder p3 am
Regler kann die jeweils gewünschte Temperatur im Gefäß verändert werden. Die
Naphthalindämpfe werden aus dem Gefäß f durch das Rohr
k1 zum Motor
geführt. Um dieses Rohr bei Beginn des Betriebes anzuwärmen und dadurch ein
Niederschlagen von Brennstoffdämpfen in dem Rohr zu verhüten, wird beim Anlassen die
durch die Oeffnung k3
in den Mantel h eingesaugte Luft über das Ventil r2 (bei
geschlossenen Ventilen r und r1) durch das
Rohr k1 zur Maschine
geleitet. Man kann den Motor darauf, wie oben schon erwähnt, auf zweierlei Weise
betreiben. Entweder führt man dem Motor durch Naphthalindampf karburierte Luft zu
dadurch, daß man die durch den Mantel h und das Rohr
k zuströmende Luft durch das Rohr k2 innerhalb
der Brennstoffmasse austreten läßt und darauf das Gemisch durch das Rohr k1 bei geöffnetem
Ventil r1 und
geschlossenem Ventil r2 ableitet, oder man führt bei geschlossenen
Ventilen r und r2 durch k1 Reinnaphthalindampf zum Motor ab.
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Abb. 3.
Unter den neuen Motoranordnungen, die auf eine Reinigungsvorrichtung für das
Rohnaphthalin verzichten, die also mit gereinigtem Naphthalin oder mindestens mit
solchem Brennstoff dieser Gattung arbeiten müssen, diemöglichst wenig
Verunreinigungen enthält, ist die von Koch zu erwähnen. Der Rohstoffbehälter wird
durch die Abgase erhitzt, ist jedoch, um eine Ueberhitzung zu vermeiden, mit einem
Wassermantel versehen. Von der Auspuffleitung a (Abb. 3) zweigt sich die Leitung m ab, die die Abgase in einer durch die Klappe c regelbaren Menge durch den Brennstoffbehälter d führt, in dem das Naphthalin auf einem Rost o untergebracht ist. Unter dem Roste sammelt sich der
verflüssigte Brennstoff, der alsdann durch ein Rohr e
dem Verdampfer des Motors zugeleitet wird. Durch den Mantelraum p des Brennstoffbehälters fließt dauernd Wasser, so daß
eine übermäßige Temperatur in dem Behälter nicht auftreten kann. Durch Einstellen
des Wasserdurchflusses ist die Temperatur zu regeln. Der obere Teil der Abgasleitung
im Behälter ist mit einem Mantelrohr h versehen, das
verhindern soll, daß das Schmelzen schon im oberen Teil des Raumes beginnt.
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Abb. 4.
Eine zweckmäßige Vereinigung der beiden Erhitzungsmittel, Kühlwasser und Abgase, zur
Verflüssigung des Brennstoffes hat Hennicke getroffen.
Der Behälter d (Abb. 4)
für den Brennstoff ist in dem Dampfraum eines Behälters a untergebracht, in dem sich die Kühlflüssigkeit des Motors sammelt. Die
Flüssigkeitsergänzung erfolgt also durch Zuführung von Kühlwasser. Außerdem kann der
Flüssigkeitsstand durch eine besondere Zuleitung e mit
Schwimmer in bestimmter Höhe gehalten werden. Der Behälter a wird von unten durch die Abgase bespült. Unmittelbar nach dem
Ingangsetzen des Motors durch den Hilfsbrennstoff bringen die Abgase den Inhalt des
Behälters a zum Sieden. Der erzeugte Dampf bringt daher
bald einen Teil des Naphthalins zum Schmelzen, so daß der normale Betriebzustand
verhältnismäßig schnell erreicht wird. Der in dem Schwimmerbehälter h und der Leitung g
zurückgebliebene Brennstoff wird ebenfalls sofort durch den Dampf verflüssigt.
Gleichzeitig werden diese Teile soweit vorgewärmt, daß der Betriebsbrennstoff ohne
die Gefahr der Erstarrung dem Motor zufließen kann.