Titel: Die Maschinenanlage im Flugzeug.
Autor: Paul Béjeuhr
Fundstelle: Band 330, Jahrgang 1915, S. 104
Download: XML
Die Maschinenanlage im Flugzeug. Von Dipl.-Ing. Paul Béjeuhr in Charlottenburg. BEJEUHR: Die Maschinenanlage im Flugzeug. Wer heute im Felde eins unserer Heeresflugzeuge beim Abflug beobachtet', wer sieht, mit wie vielen Kontrollapparaten und Instrumenten die Plätze der Insassen ausgestattet sind, welch starke militärische Ausrüstung mitgenommen wird und wie außerdem die warm und schwer eingekleideten Offiziere noch Bordtaschen, photographische Apparate und dergleichen zu sich stecken, der wird sich mit einem gewissen Vergnügen des Jahres 1909 erinnern, wo wir vor einem Aufstieg sorgsam Schlüsselbund, Portemonnaie usw. als entbehrlichen Ballast abgaben. Mehr noch als diese rein äußerliche Beobachtung wird für den Fachmann der gewaltige Fortschritt im Flugzeugbau charakterisiert durch die immer schärfere Betonung der geschlossenen Maschinenanlage. Während in der ersten Zeit der Flugtechnik das Flugzeug eine Vereinigung der verschiedensten Einzelapparate, der verschiedensten Fertigfabrikate war, für die alle möglichen Firmen verantwortlich zeichneten, die dann je nach Erfahrung und Geschmack vom Flugzeugbauer zusammengesetzt wurden, ohne daß er ihnen innerlich nahe stand und ohne daß er daran dachte, für ihr gutes Zusammenarbeiten eine Verantwortung zu übernehmen, gelangten durch allmähliches Eintreten der Ingenieure an Stelle der Sportsleute auch die maschinenbaulichen Grundsätze mehr zur Geltung. Man wurde sich klar darüber, daß man sich bei Wettbewerben nicht mit vielerlei Einzelfabrikanten betreffs der Leistungen der Flugzeuge auseinander setzen könne, und nannte daher den Flugzeugerbauer als den Verantwortlichen, mußte aber doch sehr bald neben der Flugzeugfirma auch die Motorenfabrik mit aufzählen, weil sich sonst überhaupt keine Vergleiche ermöglichen ließen. Damit änderte sich aber sofort das Bild: Der Motorkonstrukteur, dem bisher gute Leistungen seines Fabrikats auf dem Bremsstand völlig genügt hatten, d.h. Leistungen, die der Motor erzielte, gänzlich losgelöst von seinem späteren Verwendungszweck, unter wesentlich anderen Verhältnissen, teilweise sogar mit ganz verschiedenen Zubehörapparaten; derselbe Motorkonstrukteur fühlte sich von diesem Augenblick an auch für die Leistungen des Flugzeuges mit verantwortlich, er prüfte den Einbau seines Motors in den Flugapparat, er kontrollierte dessen Arbeitsverhältnisse, sah sich das Funktionieren der Nebenapparatean und spürte allen sich ergebenden Anständen gründlich nach. Und auf Grund aller dieser Nachprüfungen machte sich bei ihm derselbe Wunsch geltend, den wir im Bootsbau, im Schiffbau usw. schon erfüllt finden: möglichste Konzentrierung der Maschinenanlage, scharfe Trennung vom Flugzeug hinsichtlich des leichten Ueberblicks, sonst aber weitestgehende Anpassung an den Flugzeugkörper. Also die gleiche Entwicklung wie im übrigen mobilen Maschinenbau, nur ungleich schneller, besonders da wir jetzt durch den Krieg und den großen Flugbetrieb außerordentlich rasch Erfahrungen sammeln. Für den Abnehmer haben die Bestrebungen der Motorenfirmen außer den ihnen innewohnenden technischen Vorteilen, auf die wir gleich eingehen, den großen Vorzug, daß er nur noch mit wenigen Fabrikanten zu tun hat, mit denen er bei etwaigen Mißständen sehr bald ins Reine kommen kann. Und nun die technischen Vorteile: Der Verbrennungsmotor für sich ist schon eine recht komplizierte Maschine, die außer den in der Motorenfabrik hergestellten Zubehörteilen und Einzelmaschinen zum Laufen unbedingt der Magnetapparate, der Zündkerzen und des Kühlers bedarf, die alle drei in Sonderfabriken gebaut werden. Die ersten beiden wird man zweckmäßig auch in Zukunft der Sonderfabrikation überlassen, sie sind organisch dem Motor angefügt und genügen schon heute der Forderung nach einer geschlossenen Anlage. Anders der Kühler. Er gehört nach den bisherigen Anschauungen nicht zum Motor, wird daher vom Flugzeugkonstrukteur je nach Geschmack beschafft und der Form des Flugzeugkörpers mit Rücksicht auf wenig Luftwiderstand möglichst elegant angepaßt. Dabei kommt aber häufig der Motor zu kurz; die Kühlfläche soll wenig Luftwiderstand geben, das Wasser soll aber trotzdem alle Wärme an die Luft abführen; Kühler und Wasserinhalt soll wenig wiegen, folglich muß schnelle Zirkulation des Kühlwassers angestrebt werden, trotzdem sollen die Rohrabmessungen möglichst klein bleiben – kurzum, es ist eine Reihe widerstreitender Forderungen zu erfüllen, es müssen Kompromisse geschaffen werden, die aber vom Flugzeugbauer meist zu Gunsten des geringen Gewichts und kleinen Luftwiderstandes auf Kosten des Motors entschieden werden. Das kommt meist erst zur Geltung, wenn der Motor schlecht läuft, sich leicht erhitzt, mangelhaft zündet. Wird alles genau untersucht, dann findet man Luftsäcke in der Leitung, die kein Entlüftungshahn beseitigt, weil er nicht am höchsten Punkt sitzt; findet Querschnittsverengungen auf die Hälfte, stumpfe Rohranschlüsse statt sanfter Uebergangsbogen; findet Saughöhen für die Wasserpumpe, die stets nur drücken soll und dergleichen mehr. Alle hierdurch hervorgerufenen Versager fallen dem Motor zur Last, der natürlich ganz schuldlos ist. Da ist die einzige Hilfe: Der Kühler wird von der Motorfirma mitgeliefert (mag er auch anderswo gebaut sein) möglichst geschlossen dem Motor angepaßt, weil sich dadurch kurze Leitungen und gute Uebersicht ergeben, und schon mit dem Motor bei der Prüfung abgenommen. Weiter gehört zum Motor der Benzinvorrat, aber doch schon der Feuersgefahr wegen nicht zur geschlossenen Anlage. Im Gegenteil, der Benzinvorrat als das veränderliche Gewicht während des Fluges muß derart im Flugzeug untergebracht werden, daß seine Gewichtsveränderung auf die Fluglage keinen Einfluß ausübt. Aehnliches gilt für den Oelbehälter. Wohl mit Sicherheit wird aber in absehbarer Zeit zum Motor der Auspufftopf gehören, der eine hinlängliche Dämpfung der Auspuffgeräusche erzwingt, ohne jedoch Wärmestauung im Zylinder herbeizuführen und zuviel Leistung aufzuzehren. Auch dieser Schalltopf, dem vielleicht analog dem Automobil eine Auspuffklappe vorzusetzen ist, gehört geschlossen zum Motor, auch er ist bereits am Bremsstand mit abzunehmen. Und endlich könnte man noch daran denken, die Luftschraube als zur Maschinenanlage gehörig, an den Motor anzuschließen. Das geht mit einer sinngemäßen Erweiterung sofort, und zwar ist es gleichgültig, ob die Schraube direkt gekuppelt ist oder aber mittels Gestänge in einiger Entfernung vom Motor angetrieben wird. Im letzteren Fall gehört eben das Gestänge mit zum Maschinenbauressort. Allerdings zur Abnahme am Bremsstand ist die Schraube im späteren Flugzeug nicht zuverwenden. Ihre Abmessungen (Steigung und Durchmesser) sind ja für die Fluggeschwindigkeit berechnet, am Stand (bei der Geschwindigkeit 0) würde der Motor daher unter seiner normalen Umdrehungszahl bleiben. Für die Prüfung muß daher ein entsprechend beschnittener Propeller benutzt werden, mit dem der Motor gerade seine Normaltouren macht. Aber auch für den eigentlichen Flugbetrieb wird, so lange wir keine verstellbaren Propellerflügel verwenden, niemals eine und dieselbe Schraube ausreichen. Das ist eben der große Unterschied gegen die Wasserschiffahrt. Die Luft ist ein von Temperatur, Feuchtigkeit und Barometerstand außerordentlich abhängiges Gas; eine Schraube, die bei 15°C am trocknen Morgen ausgezeichnet arbeitet, versagt im kalten Nebel völlig und die hierfür zweckmäßig gefundene ist wieder bei klarem Frost durchaus unbrauchbar u.s.f. Folglich gehören zu einer Maschinenanlage für die verschiedenen Wetterlagen auch verschiedene Propeller; aber mit dieser Einschränkung bleibt die Anlage für sich doch geschlossen. Werden diese Wege, auf denen erst einige Motorenfabriken die ersten Schritte tun, allgemein begangen, dann bieten sich weite Entwicklungsmöglichkeiten. Die Maschinenanlage des Flugzeuges kann durch Einkapselung, Jalousien usw. bei allen Wetterlagen unter annähernd gleichen Verhältnissen arbeiten, womöglich unter ständiger Kontrolle des Maschinisten. Es lassen sich mehrere starke Anlagen vereinigen, wie dies für Verkehrszwecke nötig ist. Durch beide Maßnahmen werden die Motoren wesentlich geschont, was einer besseren Wirtschaftlichkeit zugute kommt. Von selbst gliedert sich dann die weitere Entwicklung in das leichte Sportflugzeug, das ähnlich dem Kraftwagen, vom Führer auch hinsichtlich der Maschine beaufsichtigt wird, und in das starke Verkehrsflugzeug, bei dem die Führung und die Aufsicht über die Maschinenanlage grundsätzlich getrennt und von verschiedenen Personen ausgeübt wird.