Titel: | Polytechnische Rundschau. |
Fundstelle: | Band 330, Jahrgang 1915, S. 210 |
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Polytechnische Rundschau.
Polytechnische Rundschau.
Ein neuer Schlagwetterprüfer. In der letzten Zeit ist
von verschiedenen Seiten die schwierige Aufgabe in Angriff genommen worden, Apparate
zu schaffen, die es dem Bergmann ermöglichen, zu jeder Zeit die ihn umgebende
Grubenluft auf ihren Gehalt an Methan (Grubengas) zu prüfen und das Auftreten von
schlagenden Wettern rasch und zuverlässig zu erkennen. Im Jahre 1913 wurde von
Professor Haber ein Apparat konstruiert, mit dem der
Methangehalt der Grubenluft auf physikalisch-akustischem Wege ermittelt werden kann,
und der deshalb den Namen „Schlagwetterpfeife“ erhielt. Nun berichtet
Professor Beckmann in der Chemiker-Zeitung 1915 S. 3 bis
6 über von ihm in Gemeinschaft mit C. Steglich
ausgeführte Untersuchungen über den Gehalt der Luft an brennbaren Stoffen, die
ebenfalls zur Konstruktion eines bzw. mehrerer Apparate zur Untersuchung der
Grubenluft führten. Bei diesem neuen Schlagwetterprüfer wird der Methangehalt der
Luft auf chemischem Wege ermittelt, und zwar durch Verbrennung eines bestimmten
Volumens der Grubenluft und durch Beobachtung der hierbei auftretenden
Druckveränderung innerhalb des Verbrennungsgefäßes.
Der erste der von Beckmann und Steglich konstruierten Apparate ist ein Explosionsvorprüfer, eine
Vorrichtung, die den Zweck hat, festzustellen, ob die Luft so viel Methan enthält,
daß eine Explosion eintreten kann. Dieser Apparat, dem die Verfasser die Bezeichnung
„Schlagwetterpistole“ beilegen, ist ganz aus Metall gefertigt und besteht
aus einer kleinen Luftpumpe, einem Manometer und einer Zereisenzündung. Durch
Herausziehen des Pumpenkolbens wird Grubenluft in den Pumpenzylinder eingesaugt,
dann wird der Hahn am Lufteintrittkanalgeschlossen und das im Zylinder
eingeschlossene Methan-Luftgemisch mit Hilfe der Zündung zur Explosion gebracht. Der
Eintritt einer Reaktion macht sich durch Erwärmung des Metallzylinders, bei höherem
Methangehalt durch eine Druckerhöhung am Manometer bemerkbar; dieses ist so
eingerichtet, daß sein Zeiger auf dem erreichten Höchstdruck stehen bleibt. Eine
Sperrvorrichtung verhindert, daß die Zündung des Gasgemisches erfolgt, bevor der
Apparat von der Außenluft abgesperrt ist; hierdurch wird eine Fortpflanzung der
Explosion nach außen wirksam verhütet. Eine Entzündung tritt bei diesem Apparat nur
ein bei einem Methangehalt der Luft von 7 bis 10,3 v. H.
Da die Feststellung eines Methangehaltes von 1 bis 7 v. H., gelegentlich auch von
mehr als 10 v. H. im Bergwerkbetrieb von besonderer Bedeutung ist, war die
Konstruktion eines weiteren Apparates erforderlich, der auch geringe Methangehalte
zahlenmäßig festzustellen gestattet. Bei diesem „Schlagwettermesser“ wird das
Gasgemisch durch eine zur Rotglut erhitzte Platinspirale verbrannt. Bei der
vollkommenen Verbrennung des Methans entstehen als Verbrennungsprodukte Kohlensäure
und Wasserdampf, die beide leicht absorbiert werden können. Nach der Absorption
dieser Verbrennungsprodukte wird also in dem Explosionsgefäß ein Unterdruck
entstehen, durch dessen Messung der Methangehalt des verbrannten Gases mit einer für
die Praxis hinreichenden Genauigkeit ermittelt werden kann. Das Explosionsgefäß
dieses Apparates ist ebenfalls aus Metall gefertigt und in seinem unteren Teile mit
etwa 100 g Aetzkali gefüllt; der darüber befindliche Gasraum faßt etwa 140 ccm. Mit
Hilfe einer Saugdruckpumpe wird das Metallgefäß mit dem zu verbrennenden Gasgemisch gefüllt. Wenn
nach mehrmaligem Durchpumpen das Gasgemisch alle Luft aus dem Gefäß verdrängt hat,
wird der Gaszuführungshahn abgesperrt, und die unter dem Deckel des Gefäßes
angebrachte Platinspirale durch zwei Akkumulatorenzellen zur Rotglut erhitzt. Auch
hier ist wieder durch eine besondere Vorrichtung dafür gesorgt, daß der Strom erst
dann eingeschaltet werden kann, wenn das Explosionsgefäß nach außen abgesperrt ist.
Das Verbrennungsgefäß ist mit einem Quecksilbermanometer verbunden, das die während
der Verbrennung des Methans eintretenden Druckveränderungen anzeigt. Durch die
Erwärmung des Gasgemisches tritt zuerst ein Ueberdruck auf, der jedoch in dem Maße,
wie die Verbrennungsprodukte durch das Aetzkali gebunden werden, einem Unterdruck
weicht. Die Verbrennung des Methans ist nach zwei Minuten beendet, weshalb der die
Platinspirale erhitzende elektrische Strom nach Verlauf von zwei Minuten selbsttätig
wieder unterbrochen wird. Nach einer weiteren Minute ist der Apparat schon so weit
abgekühlt, daß der Manometerstand abgelesen werden kann. Das Manometer kann in der
Weise geeicht werden, daß man den Methangehalt in Prozenten ohne weiteres an ihm
ablesen kann; auch kann es mit einer Alarmvorrichtung verbunden werden, die bei
einem bestimmten Methangehalt der Luft in Tätigkeit tritt. Je größer die
Explosionsgefahr ist, um so rascher wird sie von dem Apparat angezeigt; dies ist ein
besonderer Vorzug des neuen Prüfungsverfahrens. Der am Manometer abgelesene
Unterdruck war schon bei 0,5 v. H. Methan 8 mm, bei 3 v. H. schon 46 mm und bei 6 v.
H., der unteren Explosionsgrenze, 100 mm. Die einzelnen Teile des Apparates samt den
beiden Akkumulatoren lassen sich bequem in einen tragbaren Kasten einbauen.
Eine vereinfachte Bauart dieses Apparates, die Verfasser als „Wettermeßlampe“
bezeichnen, ist statt mit der metallenen Saugdruckpumpe mit einem Gummiballgebläse
ausgestattet und ferner mit einer elektrischen Glühlampe versehen, so daß der
Apparat auch als Grubenlampe verwendet werden kann. Der Hauptprüfer kann in
einfacher Weise mit einer Registriervorrichtung versehen werden und kann dann zur
selbsttätigen fortlaufenden Untersuchung von Methan-Luftgemischen verwendet werden.
Außer zum Nachweis von Methan kann der Apparat auch zur Bestimmung von Leuchtgas,
Wasserstoff und anderen brennbaren Gasen in der Luft dienen.
Sander.
Textabbildung Bd. 330, S. 211
Abb. 1.
Die Gasentropietafeln von Stodola und ihre Anwendung. Von
wesentlicher Bedeutung für die Berechnung aller Arten von Gasmotoren sind die von
Prof. Stodola der vierten Auflage seines Werkes „Die
Dampfturbinen“ beigefügten Gasentropietafeln. Zu deren Verständnis sei die
Erklärung eines Grundbegriffes der Wärmelehre wiederholt. Unter einem
Kilogramm-Molekül versteht man eine Gasmenge von so viel Gewichtseinheiten, wie das
Molekulargewicht des betreffenden Gases Einheiten besitzt. Wird einem
Kilogramm-Molekül während der Temperatur T die
Wärmemenge d
W zugeführt, so ist nach dem zweiten Hauptsatz der
Wärmelehre d
W = T d
S, wobei d
S die Entropiezunahme darstellt. Es ist ferner d
W = cv
d T + A p d
V, wenn cv die spezifische Wärme bei gleichem Volumen, V das Volumen eines Kilogramm-Moleküls, A das Wärmeäquivalent und p den spezifischen Druck bedeuten. cv ist nach Versuchen gleich 4,67 + b T. Hierbei stellt b eine
Konstante dar, die von der Zusammensetzung der verbrennenden Gase abhängt, p ist nach der Zustandsgleichung
=\frac{\frakfamily{R}\,T}{\frakfamily{B}}. Hierin ist R die Gaskonstante bezogen auf 1 kg-Mol. = 845. Es
wird somit
d\,\frakfamily{S}=\frac{d\,\frakfamily{W}}{T}=4,67\,\frac{d\,T}{T}+b\,d\,T+A\,\frakfamily{R}\,.\,\frac{d\,\frakfamily{V}}{\frakfamily{v}},
woraus durch Integration zwischen bestimmten Grenzen folgt
\frakfamily{S}-\frakfamily{S}_0=4,67\,l\,n\,\frac{T}{T_0}+b\,(T-T_0)+A\,\frakfamily{R}\,l\,n\,\frac{\frakfamily{V}}{\frakfamily{V}_0}.
Um W als Fläche zu erhalten, trägt man, wie Abb. 1 zeigt, zunächst die Summe des ersten und
dritten Gliedes als Abszisse in ein Koordinatensystem ein. Hierzu addiert man das
zweite Glied, dessen Wert mit der Zusammensetzung der Mischung schwankt. Es
empfiehlt sich, eine beliebige Richtung der Ordinatenachse für den Wert b = 0 zu wählen, z.B. die Richtung O Y. Durch wagerechtes Abtragen von b T erhält man die Ordinatenachse O X für den vorliegenden Wert von b. Eine Parallele zu O X
durch den Anfangspunkt A der Zustandsänderung liefert
unmittelbar b . (T – T0).
Textabbildung Bd. 330, S. 212
Abb. 2.
Die Konstruktion ist für V und
p = konst. durchgeführt. Auf der linken Seite der
Abb. 1 kann man die Wärmemengen als Strecken
abgreifen. Sofern die Wärme Wv bei gleichem Volumen zugeführt wird, gilt
\frakfamily{W}_{\mbox{v}}=\int_{\mbox{t}_0}^{\mbox{t}}\,c_{\mbox{v}}\,d\,T=\int\,(a+b\,T)\,d\,T=\left(a\,T+\frac{b}{2}\,T^2\right)-\left(a\,T_0+\frac{b}{2}\,{T_0}^2\right)=\frakfamily{W}_{\mbox{b}}-\frakfamily{W}_{\mbox{a}},
wobei a = 4,67 ist. Man trägt nun Wv wagerecht in Höhe
der entsprechenden Temperatur ein. Die entstehende Wärmekurve wird eine Parabel, und
für eine bestimmte Zustandsänderung ist Wv = der Differenz zweier Strecken. Die bei gleichem
Druck zugeführte Wärmemenge Wp ist = ∫ (cv + A
R) d T = Wv + A
R (T – T0) = Wc – Wap. Zu ihrer
Darstellung trägt man das Glied A R (T – T0) links von
der Senkrechten in O an. Es ergibt sich die schräge
Richtungslinie A
R
T. Als Beispiel für die Anwendung der Gasentropietafeln
diene die Betrachtung desProzesses im Dieselmotor. Man bestimmt zunächst unter
bestimmten Annahmen für das Luftverhältnis und den Heizwert eines kg mit
Berücksichtigung eines gewissen Rückstandes, der sich mit der neuen Ladung
vereinigt, die Zahl der auf 1 kg Rohöl kommenden kg-Mol. und die Wärmetönung, d.h.
den Heizwert bezogen auf 1 kg-Mol. Bei Feststellung der wirksamen Wärmetönung W1 ist die Abkühlung
zu berücksichtigen. Es sei W1 = 7600 WE/kg-Mol. Die Konstante b ist durch die Zusammensetzung des Gases gegeben.
Nimmt man eine Kompression auf 35 at an, so liegt die Verdichtungslinie A B fest (Abb. 2). Die
Verbrennung erfolge bei konstantem Druck gemäß B C. Der
Endpunkt C ergibt sich mit Hilfe einer Wagerechten
durch C1. Der Punkt C1 ist der Schnittpunkt
der Wärmekurve mit einer im Abstand W1 rechts von B1 gezogenen Parallelen zur Richtung A
R
T. Der Linienzug wird durch die Adiabate C D und die V-Linie durch
A geschlossen. Die während der Zustandsänderung D A abgeführte Wärme W2 ergibt sich durch Ziehen einer
Wagerechten durch D und einer Senkrechten durch A', wie leicht einzusehen ist. Der thermische
Wirkungsgrad ηt ist
gleich
\frac{\frakfamily{W}_1-\frakfamily{W}_2}{\mbox{Wärmetönung}}=\frac{7600-3900}{9500}=0,39.
Der wirtschaftliche Wirkungsgrad ergibt sich durch Multiplikation mit dem
mechanischen Wirkungsgrad 0,72 zu 0,287. Die nutzbare Wärme ist W1 – W2 = 3700 WE/kg-Mol.
Durch Division mit V = 25,35 erhält man die nutzbare
Wärme eines m3 zu 146 WE. Wird eine Nutzleistung
von 1850 PS verlangt, so ergibt sich das sekundliche Kolbenvolumen Vk aus der Beziehung
V_{\mbox{k}}=\frac{75\,.\,1850}{146\,.\,427\,.\,0,72}. Die
Brennstoffmenge β für 1 PS folgt aus der Gleichung
\eta_{\mbox{w}}=0,287=\frac{75\,.\,60\,.\,60}{10110\,.\,427\,.\,\beta}.
Hierin ist 10110 der Heizwert eines kg. Man erhält β =
0,217 kg/PS-Std. Der gesamte sekundliche Brennstoffverbrauch wäre
0,217\,.\,\frac{1850}{3600}=0,1116\mbox{ kg}/\mbox{Sek}. Der
Luftbedarf ist, da auf 1 kg Brennstoff 28,7 kg Luft kommen sollen, bei einem Volumen
von 0,88 m3/kg gleich 0,1116 . 28,7 . 0,88 = 2,82
m3/Sek. Schlägt man hierzu 10 v. H.
Rückstände, so ergibt sich entsprechend den obigen Ausführungen wiederum ein
sekundliches Kolbenvolumen von 0,3 m3/Sek. Die
Berechnung der Zylinderabmessungen kann nunmehr leicht erfolgen. (Vgl. Ostertag, Entropiediagramme der Verbrennungsmotoren.)
Schmolke.
Turbinenschiffe mit Zahnrädergetrieben. In England und
auch in Amerika hat, besonders in der Handelsflotte, die Verwendung von
Zahnradübersetzungen für den Schiffsschraubenantrieb mittels Dampfturbinen eine
große Verbreitung gefunden. In England hat die Gesamtleistung solcher in Betrieb
oder im Bau befindlichen Schiffsanlagen zurzeit bereits 1000000 PS erreicht. Das
größte bisher mit Zahnrädergetrieben ausgerüstete Schiff ist der große
Doppelschrauben-Dampfer „Transylvania“ der Cunard-Linie. Größte Länge des
Schiffes ist 172 m, größte Breite 20,3 m, der Tiefgang beträgt 14,7 m. Der Dampfer
hat bereits im Oktober seine Probefahrten mit Erfolg ausgeführt. Die zwei
Schraubenwellen werden mittels Zahnradgetrieben mit einem Uebersetzungsverhältnis
von 12,5: 1 bei einer Umlaufzahl von 130 in der Minute durch je eine Hochdruck- und
eine Niederdruck-Parsonsturbine von 1630 Umdrehungen in der Minute angetrieben. Die
Gesamtleistung der Dampfturbinen beträgt bei einer Schiffsgeschwindigkeit von 16,5
kn 9400 PS. Das Schiff kann etwa 2500 Fahrgäste aufnehmen.
Die Lindholmens Verksted in Gothenburg hat einen Dampfer
mit turbo-elektrischem Antrieb gebaut, der mit gutem Erfolge seine Probefahrten
erledigt hat. Dieses Turbinenschiff „Mjölner“ ist ein Schwesterschiff zu dem
Dampfer „Mimer“, der auf derselben Werft erbaut wurde und als Antriebmaschine
eine Kolbenmaschine mit den Zylinderabmessungen 450, 813 und 1320 × 840 mm erhielt.
Auf diese Weise lassen sich einwandfreie Betriebsergebnisse mit beiden Antriebarten
sammeln. Die Wasserverdrängung beider Schiffe beträgt 2225 t, bei 68,6 m
Gesamtlänge, 11 m Breite und 4,5 m Tiefgang. Bei 11 Knoten Fahrt ist eine
Maschinenleistung von etwa 900 PS notwendig. Die vollständig gleich ausgeführten
Schiffe besitzen auch die gleiche Schiffsschraube. Die neuartige Maschinenanlage des
Dampfers „Mjölner“ besteht aus zwei Elektro-Dampfturbinen, welche für zwei
Dreiphasenmotoren, die mittels eines Zahnradgetriebes die Schraubenwelle antreiben,
den notwendigen Strom liefern.
Die Dampfturbinen mit je 400 KW Leistung erzeugen bei 2700 Umdrehungen in der Minute
Dreiphasenstrom von 500 V Spannung. Die Motoren haben eine Umdrehungszahl von etwa
900 in der Minute und treiben durch ein Zahnradgetriebe mit einem
Uebersetzungsverhältnis von 10 : 1 die Schraubenwelle mit 90 Umdrehungen in der
Minute an.
Die Geschwindigkeitsänderung des Schiffes erfolgt durch Ein- und Ausschalten von
Widerständen im Stromkreise, die Umsteuerung durch Umwechseln der Pole. Die Turbinen
erhalten Dampf von 15,46 at Spannung und einer Temperatur von 350° C. Die
Dampfkessel besitzen künstlichen Zug, Bauart Howden, und
Ueberhitzer, Bauart Schmidt. Der Schub der Schraubenwelle
wird von einem Kugellager aufgenommen. Es ist aber auch ein gewöhnliches
Wellendrucklager vorgesehen, das dann wirksam wird, wenn das Kugellager versagt.
Diese neue Maschinenanlage beansprucht weniger Platz als eine Kolbenmaschine. Die
dreistündige Probefahrt hat einen Kohlenverbrauch von 0,4 kg für 1 PS/Std. ergeben,
das ist um 35 v. H. weniger als bei dem Schwesterschiffmit Kolbenmaschine.
(Schweizer Bauzeitung 1915 S. 20 und Schiffbau 1915 S. 165.)
W.
Textabbildung Bd. 330, S. 213
Abb. 1.
Falsche und richtige Verwendung von Meßdosen. Bei sachgemäßer Behandlung und Verwendung ist die Meßdose ein
handliches und zuverlässiges Kraftmeßwerkzeug. Sie besteht bekanntlich aus einem
Zylinder mit einem druckaufnehmenden Kolben und einer Flüssigkeit, die den Druck auf
ein Manometer überträgt (vgl. D. p. J. Bd. 329 S. 297). Zwischen Kolben und
Flüssigkeit befindet sich eine Membran aus Metall oder Gummi. Diese hat den Zweck,
einen Flüssigkeitsverlust durch den Ringspalt zwischen Kolben und Zylinder zu
vermeiden. Zugleich kommen die Unzuträglichkeiten in Fortfall, die bei einem
eingeschliffenen oder abgedichteten Kolben bezüglich der Reibung entstehen würden.
Da die Gummimembran eine weit größere Durchbiegung als die Metallmembran verträgt,
so können mit ersterer versehene Meßdosen für höhere spezifische Drücke eingerichtet
werden, was zur Verkleinerung des Kolbens und gedrungenerer Bauart führt. Der
Angriffspunkt der Last muß möglichst tief liegen. Auch schaltet man, um jedes Ecken
zu vermeiden, ein einstellbares Gehänge mit Kugelzapfen oder eine ähnlich wirkende
Vorrichtung zwischen Kolben und Last ein. Die Kraftmessung erfolgt durch ein
Röhrenmanometer, bei dem die Formveränderung der Feder durch ein Zahngetriebe mit
Kuppelstange, Segment und Gegenfeder auf einen Zeiger übertragen wird. Durch die
Gegenfeder soll das ständige Anliegen der Trieblingszähne an die Segmentzähne
erreicht werden. Bei stoßweiser Belastung tritt der Uebelstand auf, daß die ganze
Trägheit des Zeigers und der Uebertragungsglieder zur Wirkung kommt. Man versucht,
die Stöße zu mildern, indem man z.B. einen Windkessel unterhalb des Manometers
anbringt. Null- oder Endanschläge werden nicht vorgesehen. Die Feststellung der
Nullage erfolgt vielmehr durch Vorbelastung mit dem Gewicht des
Uebertragungsgehänges oder dergleichen. Sollen stark wechselnde Drücke gemessen
werden, so empfiehlt es sich, für eine regelbare Vorspannung bis 25 v. H. der
größten Last zu sorgen. Natürlicherweise beeinträchtigt die Vorspannung und der
Zuschlag für Schwingungen die Genauigkeit des Messens. Eine weitere Quelle für
Unrichtigkeiten ist die unfreie Kraftübertragung, die in dem durch Abb. 1 dargestellten Falle stattfindet. Spannt man
nämlich in das abgebildete Stichelhaus einer Hobelmaschine einen normalen seitlich
angeschliffenen Stahl, so übt die senkrecht zur Hobelrichtung auftretende Komponente
des Schnittdruckes auf die um den Bolzen a drehbare
Klappe einen Seitendruck aus, so daß das Manometer nur den Druck in der
Hobelrichtung vermindert und den Reibungsbetrag des Seitendruckes anzeigt. Weit besser ist die
durch Abb. 2 gekennzeichnete Lagerung eines
Drehbankmeßsupports, wie man ihn im Versuchsfeld für Werkzeugmaschinen der
Technischen Hochschule zu Berlin findet. Auch die Verwendung von
Vielfachschreibapparaten, die es gestatten, die Summe mehrerer gleichzeitiger Drücke
aus einem Schaubild abzugreifen, ist empfehlenswert. Demgegenüber findet man
vielfach Meßeinrichtungen, die zwar eine größere Einfachheit aufweisen, deren
Zuverlässigkeit indessen viel zu wünschen übrig läßt. (Werkstattstechnik 1915 Heft
7.)
Textabbildung Bd. 330, S. 214
Abb. 2.
Schmolke.
Ueber Gasbeleuchtung in Schutzhäusern berichtet Prof. Dr.
C. Arnold. Von den verschiedenen Leuchtgasen kommen für
Schutzhäuser nur Blaugas, Luftgas oder Azetylen in Betracht. Ein Blaugasapparat
besteht aus einem mit verflüssigtem Oelgas gefüllten Stahlzylinder, der 1,6 m3 Gas liefert. Der Stahlzylinder befindet sich in
einem verschließbaren Blechschrank, der zusammen mit dem Gasbehälter auf einem
Gestell befestigt ist; ferner ist noch ein Druckreduzierventil angebracht. 1 kg
flüssiges Blaugas liefert etwa 400 l Gas und kostet 1,30 M, 1 m3 kostet demnach 3,25 M und erfordert (ein
Stahlzylinder mit 4 kg flüssigem Gas wiegt 30 kg) den Transport von 20 kg und den
Rücktransport von 17,5 kg. Dem Vorteil der einfachen Handhabung des Apparates stehen
als Nachteile die hohen Transportkosten für die Stahlzylinder gegenüber sowie die
Notwendigkeit, den Apparat außerhalb des Hauses aufzustellen.
Luftgas ist ein Gemenge von Dämpfen leichtflüchtiger benzinartiger Kohlenwasserstoffe
mit Luft. Die Luft wird entweder unter Druck durch die Flüssigkeit gepreßt, oder die
Flüssigkeit wird in einem luftverdünnten Raum verdunstet, worauf Luft zugemischt
wird. Dies geschieht mit Hilfe eines Gewichtswerkes, das sich beim Anzünden der
Brenner selbsttätig in Bewegung setzt und sich beim Auslöschen ebenso abstellt. Die
Apparate müssen in einem besonderen Raum mit möglichst gleichmäßiger Temperatur
aufgestellt werden. Ein weiterer Nachteildieser Beleuchtungsart ist die
Feuergefährlichkeit des Gasolins, das auch auf der Bahn nur mit den sogenannten
Feuerzügen befördert wird. Andererseits ist der Preis des Luftgases viel niedriger
als der des Blaugases, denn 1 m3 Luftgas kostet
nur etwa 14 Pf.
Als zweckmäßigste Beleuchtung für Schutzhäuser empfiehlt Verfasser die
Azetylenbeleuchtung mit den vom Karbidwerk Deutsch-Matrei in den Handel gebrachten Beagidapparaten. Zu ihrem
Betrieb dient ein imprägniertes Karbid in Walzenform, das eine Gasentwicklung nur
nach Maßgabe des Verbrauchs ermöglicht und Nachvergasungen fast ausschließt. Der
Beagidapparat ist in seinem Wesen dem Kippschen Apparat
vergleichbar; er ist im Original durch zwei Skizzen veranschaulicht. Das Azetylen
strömt durch zwei kleine Trockenzylinder, zwischen denen ein mit Reinigungsmasse
gefüllter größerer Zylinder zur chemischen Reinigung des Gases eingeschaltet ist.
Die Beagidkörper werden in luftdicht verschließbaren Blechtrommeln versandt und
aufbewahrt; 1 kg dieser Beagidkörper kostet rund 40 Pf. und liefert etwa 260 l
Azetylen, so daß sich also 1 m3 Gas auf etwa 1,60
M stellt. Eine derartige Anlage wurde an dem Kaiserin-Elisabeth-Schutzhaus auf dem
Becher (Tirol) eingerichtet. Sie besteht aus zehn Hängeglühlichtflammen von je 65 HK
und einem Gaskocher; zu ihrem Betrieb sind zwei Beagidapparate in den Außenmaßen 75
× 28 × 28 cm erforderlich, die in der Küche des Schutzhauses aufgestellt wurden.
(Zeitschrift Oesterr. Azetylen-Vereins 1914 S. 57 bis 59.)
Sander.
Rauchgasprüfer. Seitdem die Verbrennungskraftmaschinen und
vor allem die Dieselmaschinen sich mit Erfolg als Betriebsmaschinen auch für große
Leistungen bewährt haben, ist man bestrebt, die Dampfkraftanlagen noch weiterhin zu
verbessern. Die Dampfkolbenmaschinen und die Dampfturbinen selbst haben aber bereits
einen hohen Grad der Vollkommenheit erreicht, so daß hier wohl kaum noch wesentliche
Verbesserungen gemacht werden können. Aber es sind noch viele Dampfkesselanlagen
vorhanden, die mit einem Wärmeverlust von 30 bis 40 v. H. betrieben werden. Die
Feuerungsanlagen der Kessel zu verbessern und sie sachgemäß zu bedienen, dürfte der
nächste Schritt zur Verringerung solcher Wärmeverluste sein.
Bei Landkesselanlagen ist man meistens zufrieden, wenn durch Versuche eine achtfache
Verdampfung festgestellt wird. Bei größeren Kesselanlagen werden wohl Zugmesser
verwendet, die die Stellung des Rauchschiebers bestimmen, um so die Wärmeverluste
möglichst zu verkleinern. Für jede Kesselbelastung wird die richtige Zugstärke durch
Versuche festgestellt, so daß die Rauchgase etwa 14 v. H. Kohlensäure enthalten.
Diese Vorrichtung gewährleistet aber nicht für alle Fälle die vollkommene
Verbrennung der auf den Rost gegebenen Kohle.
Wenn es möglich wäre, der Kohle nur so viel Sauerstoff zuzuführen, um eine
vollkommene Verbrennung zu erhalten, so würde man entsprechend dem Sauerstoffgehalt der Luft in den
Rauchgasen 21 v. H. CO2
erhalten. Diese Zahl kann im Betriebe nicht erreicht werden, es muß vielmehr mit
einem gewissen Luftüberschuß gearbeitet werden. Wird zu wenig Luft zugeführt, so
wird nicht aller Kohlenstoff verbrannt, es tritt dann Rußbildung ein. Wird jedoch zu
viel Luft zugeführt, dann kühlen sich die Heizgase zu stark ab. Die Zuführung von
großen Luftmengen wird aber oft verwendet, um Rauchbildung weniger sichtbar zu
machen. Ein schwach sichtbarer Rauch ist somit nicht immer ein Zeichen dafür, daß
die Kohle auf dem Rost gut verbrannt wird.
Textabbildung Bd. 330, S. 215
Der Wärmeverlust V, der durch unrichtige Luftzuführung
entsteht, kann nach der Siegertschen Formel berechnet
werden:
V=0,65\,\frac{T-t}{C\,O_2\mbox{ = Gehalt in Vol. v.
H.}}.
Dabei bedeutet T die Temperatur
der abziehenden Rauchgase und t die Lufttemperatur.
Nimmt man für T – t = 270° an, so ergeben sich folgende
Werte:
Vol. v. H. CO2
Wärmeverluste in v. H.
4
44
5
35
6
29
7
25
8
22
9
19
10
17,5
11
16
12
14,7
13
13,5
14
12,5
15
11,7
Es ist also notwendig, die Feuerungseinrichtung und deren Bedienung so zu gestalten,
daß der CO2-Gehalt
möglichst hoch und nahezu 15 v. H. wird. Die Größe T –
t hat keinen großen Einfluß auf den Wirkungsgraddes Dampfkessels, da
die Temperatur der abziehenden Rauchgase nur wenig schwankt. Daraus geht hervor, daß
die Beurteilung, ob der Brennstoff möglichst gut ausgenutzt wird, nur durch die
Bestimmung des CO2-Gehaltes der Rauchgase möglich ist.
Wie bereits in dieser Zeitschrift ausgeführt wurde (D. p. J. Bd. 329 S. 430), hat die
Firma Julius Pintsch A.-G. in Frankfurt a. M. einen
Rauchgasprüfer (s. Abb.) in den Handel gebracht, der selbsttätig in kurzen
Zeitabständen die Rauchgasanalyse vornimmt. Durch einen Rauchgasprüfer, der dauernd
im. Betriebe ist, können große Ersparnisse an Brennstoff erreicht werden, wie dies
das folgende Beispiel zeigt. Bei einer sehr großen Dampfkesselanlage, bei der Kessel
und Feuerungen in Ordnung waren, und die Heizer gut arbeiteten, betrug der
monatliche Kohlenverbrauch 1650 t. Bei Verwendung eines Rauchgasprüfers sank der
Kohlenverbrauch auf 1300 t. Bei einem Kohlenpreise von 15 M die Tonne ergibt dies
eine jährliche Ersparnis von 63000 M. Das in Frage stehende Werk hat allerdings, wie
dies auch bei manchen anderen Werken der Fall ist, eine Belohnung der Heizer bei
Kohlenersparnissen eingeführt, so daß hier sicher danach gestrebt wird, den Kohlen
Säuregehalt der Rauchgase möglichst zu vergrößern.
W.
Holzkohlenfilter für die Abgase bei der Herstellung von
schwefelsaurem Ammoniak. Die Abgase der Ammoniumsulfatfabrikation, die in
der Hauptsache aus Kohlensäure und Schwefelwasserstoff bestehen, dürfen bekanntlich
wegen ihres höchst unangenehmen Geruches nach der Vorschrift der Gewerbeinspektionen
nicht ohne weiteres in die Atmosphäre geleitet werden. Sie werden in der Regel
zunächst in Luft- oder Wasserröhrenkühlern abgekühlt, dann durch Eisenoxydreiniger
geleitet und schließlich verbrannt und durch den Schornstein abgeführt. Im Gaswerk I
der Stadt Leipzig sah man bisher mangels einer Feuerstätte in der Ammoniakfabrik von
der Verbrennung der Abgase ab und leitete sie nach dem Verlassen des Reinigers in
einem über Dach geführten eisernen Rohr ins Freie. Klagen der Anwohner über
Geruchsbelästigung zwangen jedoch das Gaswerk, die Abgase noch weitergehend von
ihren schlechtriechenden Bestandteilen zu befreien. Bei den Versuchen, die in diesem
Zusammenhange angestellt wurden, stellte es sich nun heraus, daß die Abgase fast
ganz geruchlos werden, wenn man sie über Holzkohle leitet. Auf Grund dieser
Erkenntnis wurde alsbald ein Holzkohlenfilter für die Abgase gebaut, und zwar wurden
in die Abgasleitung hinter den Eisenoxydreiniger zwei senkrechte Röhren von je 4 m
Länge und 35 cm 1. W. eingebaut, die mit je 75 kg Holzkohle gefüllt wurden. Nach
einer Betriebsdauer von sechs Wochen wurde die Holzkohle zum erstenmal
herausgenommen und durch dreistündiges Ausglühen in einem Retortenofen der
Gasanstalt regeneriert; der Abbrand betrug hierbei etwa 20 v. H. Bei einer
jährlichen Verarbeitung von etwa 12000 m3
Gaswasser auf schwefelsaures Ammoniak belaufen sich die Kosten für den Betrieb der
Filteranlage auf nur etwa 100 M. Durch den Einbau eines Dampfstrahlgebläses in das
senkrechte, zum Dach hinausführende Ableitungsrohr wurde ferner die ganze
Abgasleitung unter eine Saugwirkung gestellt. Auf diese einfache Weise ist es, wie
Direktor Reinhard im Journal für Gasbeleuchtung 1915 S. 64 mitteilt, gelungen, die
unangenehmen Abgase der Ammoniakfabrik zur völligen Zufriedenheit des Gaswerkes wie
der Nachbarschaft zu beseitigen.
Sander.
Deutsche Wellblech-Normalprofile. Der Verein deutscher Eisenhüttenleute hat auf Anregung
beteiligter Kreise und nach eingehenden Verhandlungen mit allen deutschen
Wellblechwerken eine Liste der deutschen Wellblechnormalprofile aufgestellt. Die
Liste enthält außer den eigentlichen Profiltafeln die allgemeinen, ebenfalls von
sämtlichen Firmen gebilligten Lieferungsbedingungen und als Anhang noch
Berechnungsformeln für freitragende Wellblechdächer (von Professor Siegmund Müller-Charlottenburg). Die Liste ist vom Verlag
Stahleisen G. m. b. H., Düsseldorf, zu beziehen. (Einzelpreis 0,20 M, 100 Stück 5,–
M.)
Leistungsweigerung und Verzug bei Lieferung von Maschinen und
Anlagen. Der § 326 des Bürgerlichen Gesetzbuches bestimmt, daß der
Gläubiger bei dem Verzüge des Schuldners ihm erst eine angemessene Frist zur
nachträglichen Bewirkung der Lieferung bestimmen muß mit der Erklärung, daß er nach
dem Ablauf der Frist die Annahme der Leistung ablehne, um von seinem Rechte des
Rücktritts oder des Schadenersatzes wegen Nichterfüllung Gebrauch machen zu können.
Das Gesetz will durch diese Bestimmung den Schuldner vor einer zu harten
Rechtswahrnehmung des Gläubigers schützen, will ihn insbesondere dagegen schützen,
daß seine Aufwendungen, seine Anstrengungen zur möglichst rechtzeitigen Erfüllung
seiner Verpflichtungen nicht durch Willkür des Gläubigers gegenstandslos gemacht
werden.
So ist es ein Recht des Schuldners, den bereits vor dem Verzug entstandenen Schaden
dadurch möglichst wieder auszugleichen, daß er nachträglich seine Verpflichtung
erfüllt.
Diese Bestimmung enthält für den Gläubiger natürlich jauch einen großen Nachteil. Er
muß riskieren, daß durch die Setzung einer Nachfrist der Zeitraum bis zur Leistung
erweitert, der durch den Verzug entstandene Schaden vergrößert wird, ohne daß er
doch mit Sicherheit auf die Erfüllung des Vertrages durch den anderen Teil rechnen
kann.
Bei Maschinen- und ähnlichen Bestellungen kommt es nun gelegentlich vor, daß der
Lieferant sich für berechtigt hält, die Lieferung der bestellten Maschine oder
Anlage zu verweigern, weil vielleicht über die Vertragserfüllung zwischen ihm und
dem Besteller Differenzen entstanden sind, daß aber nachher der Lieferant seinen
Standpunkt doch für zweifelhaft hält oder daß er einen langwierigen Prozeß vermeiden
will und sich doch zur Erfüllung entschließt. Kann er dann von dem Besteller die
Abnahme verlangen, falls ihm dieser noch keine Nachfristgesetzt hat. oder war
dieser berechtigt, den ganzen Vertrag für aufgehoben anzunehmen?
Stellt man sich auf den Standpunkt des Bestellers, der Anlaß hat, die
Leistungsverweigerung des Lieferanten für vertragswidrig zu halten, so fordert es
wohl das Rechtsgefühl, daß er in einem solchen Fall das Vertragsverhältnis mit dem
Augenblick des Fälligkeitszeitpunktes für erledigt ansehen kann und daß er, nachdem
der Fälligkeitstermin eingetreten ist, vielleicht schon vorher, und damit die
Absicht des Schuldners auf Nichtlieferung verwirklicht ist, sogleich seine Rechte
wegen Leistungsverzugs des Schuldners geltend machen kann und nicht erst
verpflichtet ist, eine völlig aussichtslos und gegenstandslos scheinende Nachfrist
zu setzen, die nur dann Sinn hätte, wenn er annehmen könnte, daß der Lieferant von
seinem einmal eingenommenen Standpunkt wieder abgeht.
Die Rechtsprechung hat sich allerdings zum Teil auf einen anderen Standpunkt gestellt
und zu Gunsten der Lieferanten entschieden. So haben die Oberlandesgerichte Posen
und Breslau (Rechtsprechung der OLG B. 3 S. 9 B. 4 S. 13) den § 326 BGB für
schlechthin zwingendes Recht erklärt und gemeint, daß das Gesetz in allen Fällen
eine Nachfrist verlange und daß darum auch bei Leistungsverweigerung des Schuldners
eine Nachfrist gesetzt werden muß, wenn es auch überflüssig erscheint.
Diese Entscheidungen sind aber vom juristischen Standpunkt aus nicht unbedenklich und
haben den Widerspruch der beteiligten Interessentenkreise erregt.
Wenn das Gesetz im § 326 BGB dem Schuldner Gelegenheit zur nachträglichen Lieferung
geben will, so will es, wie gesagt, den Schuldner gegen eine zu rücksichtslose
Rechtswahrnehmung des Gläubigers in Schutz nehmen. Das Gesetz hat demnach, wie der
Sinn des Gesetzes zweifellos ergibt, den leistungswilligen Schuldner im Auge. Ist
ein Schuldner aber nicht leistungswillig, mag sein Verhalten auch von seinem
Standpunkt aus erklärlich erscheinen, so würde für einen solchen Fall die
Nachfristsetzung sinnlos sein. Die Erfüllungsbereitschaft des Schuldners soll
geschützt werden, nicht aber sollen dem Gläubiger durch den § 326 BGB nur Nachteile
auferlegt werden.
Aus diesem Grunde ist der § 326 dahin auszulegen, daß eine Nachfrist nur dem
erfüllungsbereiten Schuldner zu gewähren ist, daß anderenfalls dagegen nur die
allgemeinen Grundsätze zur Anwendung kommen, wie es auch beim Fixgeschäft (§ 361
BGB) vorgesehen ist, daß bereits mit der Fälligkeit auch der Verzug des Schuldners
mit allen seinen Wirkungen eintritt.
Ein zweiter Gesichtspunkt führt zu dem gleichen Resultat. Wenn ein Schuldner erklärt,
eine Verbindlichkeit nicht erfüllen zu wollen, so liegt in dieser Erklärung daß er
sich der Rechtsfolgen dieser Erklärung bewußt ist, es liegt darin eine Erklärung der
Absicht, weder jetzt noch später zu erfüllen, wenngleich natürlich die entfernte
Möglichkeit besteht, daß der Schuldner seine Absicht ändert.
Man kann darin schon einen Verzicht auf die Setzung einer Nachfrist erblicken und ein
Einverständnis, daß der Besteller sofort, – also nicht einmal erst beim Ablauf der ursprünglichen
Lieferungsfrist – seine Rechte aus dem Verzüge geltend machen könne.
In neuerer Zeit hat auch das Reichsgericht sich auf diesen Standpunkt gestellt und in
verschiedenen Entscheidungen, im Gegensatz zu den früheren
Oberlandesgerichtsentscheidungen, zum Ausdruck gebracht, daß bei
Erfüllungsverweigerung eine Nachfrist nicht gesetzt zu werden braucht
(Reichsgerichtsentscheidungen Bd. 50 S.347, Bd. 52 S. 152, Bd. 53 S. 13).
Nur bei einer klaren Leistungsweigerung darf der Gläubiger von einer Nachfrist
absehen. Geht aus der Erklärung des Schuldners nicht strikte hervor, daß er nicht
erfüllungsbereit ist, sondern liegt seiner Erklärung nur die Aeußerung zu Grunde,
daß er über die Auslegung des Vertrages, über das Verhalten des Bestellers usw.
anderer Meinung ist als der Besteller und sich zur Leistungsverweigerung für
berechtigt hält, so würde daraus zu entnehmen sein, daß er bereit ist, erst noch
über diese Frage mit dem Gläubiger in Verhandlungen einzutreten, und man würde noch
nicht notwendig darin eine strikte Leistungsverweigerung erblicken können.
Ebenso wäre es, wenn der Lieferant nicht seine mangelnde Leistungsabsicht erklärt,
sondern vielleicht nur seine Leistungsunmöglichkeit mitteilt. Man stelle sich etwa
vor, seine Fabrik ist abgebrannt, ein Streik ist ausgebrochen usw., und es gelingt
ihm nicht, die laufenden Aufträge weiter zu geben. Darin liegt nur eine Mitteilung
der Erfüllungsunmöglichkeit, und es wäre zum mindesten zweifelhaft, ob der Gläubiger
nicht noch eine Leistungsnachfrist setzen muß, zumal da die Möglichkeit besteht,
vielleicht doch noch im letzten Augenblick einen anderen Unternehmer zu finden, der
die fraglichen Aufträge für den ersten Unternehmer ausführt, so daß dieser doch
noch, wenn auch vielleicht mit Verspätung, liefern kann. Erklärt er etwa nur seine
Erfüllungsunmöglichkeit, so ist die Frage zum mindesten zweifelhaft.
So hat auch das Reichsgericht (Entscheidungen Bd. 66 S. 405) eine Erklärung des
Schuldners, nicht zahlen zu können, nicht für ausreichend angesehen, um den
Gläubiger von der Setzung einer Nachfrist zu entbinden.
Dr. jur. Eckstein.
Hochbahngesellschaft Berlin. Dem Geschäftsbericht für das
Jahr 1914 der Gesellschaft für elektrische Hoch- und Untergrundbahnen in Berlin
entnehmen wir folgendes:
Bis zum Ausbruch des Krieges hat sich der Verkehr auf dem Bahnnetz, namentlich auch
auf den im Jahre 1913 neu eröffneten Linien, in befriedigender Weise weiter
entwickelt.
Nach der Mobilmachung trat eine Aenderung sowohl in den Verkehrs-, als auch in den
Betriebsverhältnissen ein. Der größte Teil des Personals wurde zur Fahne einberufen;
es war aber möglich, für die Einberufenen in dem Maße Ersatz zu schaffen, daß der
Betrieb im allgemeinen, dem Verkehrsbedürfnis entsprechend, aufrecht erhalten werden
konnte.
Den Familien ihrer zum Kriegsdienst eingezogenen Angestellten hat die
Gesellschaft ihre besondere Fürsorge zugewendet.
Die Einnahme betrug im Jahre 1914 10104404,15 Mark gegen 9383248,79 M im Jahre 1913.
Befördert wurden 77027513 Fahrgäste im Jahre 1914 und 71525370 Fahrgäste 1913.
Die Durchschnittseinnahme auf einen Fahrgast betrug 13,12 Pf. wie im Vorjahre. Der
größte Tagesverkehr fiel auf Freitag, den 2. Januar, mit 328679 Fahrgästen und 43035
M Einnahme, der geringste auf Sonntag, den 13. September, mit 107462 Fahrgästen und
14643 M Einnahme.
Im Berichtsjahr wurden auf den Linien 4352265 Zugkilometer mit Zügen bis sechs Wagen
gefahren. Der Wagenpark bestand Ende 1914 aus 400 Wagen, und zwar 226 Motorwagen und
174 Anhängewagen. Vor der Mobilmachung waren im Betriebe etwa 2700 Angestellte und
Arbeiter beschäftigt.
Für die Verbindungslinie vom Gleisdreieck über den Nollendorfplatz zum
Wittenbergplatz, die die Durchführung der jetzt am Gleisdreieck endenden Ostzüge
nach dem Kurfürstendamm vermitteln soll, wurden die vorbereitenden Bauausführungen
in Angriff genommen. Mit der Stadtgemeinde Berlin-Schöneberg wurde ein Bau- und
Betriebsvertrag geschlossen, nach welchem ein zweigeschossiger Untergrundbahnhof am
Nollendorfplatz auf gemeinsame Kosten ausgeführt wird, und die Schöneberger Züge
dann auf unserer Ostlinie weitergeführt werden sollen.
Zur Durchführung des im Anschlußverkehr mit unserer Bahn stehenden
Auto-Omnibusunternehmens wurde die Hochbahn – Omnibusgesellschaft m. b. H.
begründet, die im Mai des Berichtsjahres folgende Linien eröffnete:
A I: Neukölln (Hermannplatz)–Stettiner Bahnhof.
A II: Tempelhof (Hohenzollernkorso)–Stettiner Bahnhof.
B: Neukölln (Ringbahnhof Hermannstraße)–Ringbahnhof Prenzlauer
Allee.
Der Verkehr auf diesen Linien entsprach den Erwartungen; ihr Betrieb wurde aber bei
Ausbruch des Krieges eingestellt, da sämtliche Auto-Omnibusse der Heeresverwaltung
zur Verfügung gestellt werden mußten.
Nach Beschluß der Generalversammlung vom 24. März 1914 ist das Aktienkapital der
Gesellschaft um 20000000 M durch Ausgabe 5-prozentiger Vorzugsaktien erhöht
worden.
In dem vorerwähnten Vertrage über den Bau des Gemeinschaftsbahnhofes Nollendorfplatz
hat sich die Stadtgemeinde Berlin-Schöneberg verpflichtet, ein hypothekarisches
Darlehen von 3000000 M zu gewähren. Von diesem Darlehen wurden rund 1000000 M im
Betriebsjahr gezahlt.
Für Kriegsunterstützungen sind dem Fonds für außergewöhnliche Ausgaben im Betriebe
300000 M entnommen.
Der Aufsichtsrat schlägt 5 v. H. bzw. 4½ v. H. Dividende vor.
v. L.