Titel: | Weltformate oder metrische Formate? |
Autor: | W. Porstmann |
Fundstelle: | Band 330, Jahrgang 1915, S. 443 |
Download: | XML |
Weltformate oder metrische Formate?
Von W. Porstmann in Großbothen i.
Sa.
PORSTMANN: Weltformate oder metrische Formate?
Zu dem Angriff W. Speisers auf die metrischen Formate (D. p.
J. S. 366 d. Bd.) ist folgendes zu bemerken: Der Unterschied zwischen den beiden Flachformatreihen besteht in der Art des Anschlusses an
das Metersystem. Selbstverständlich kommt es letztenendes auf die Seitenlängen an.
Es sind unbedingt für die Norm zwei Bestimmungen nötig. Die eine wird durch die
Forderung der geometrischen Aehnlichkeit gewonnen, indem das Verhältnis der Seiten
gleich 1\,:\,\sqrt{2} sein soll. Daraus folgt aber nicht, daß nun
die andere Bestimmung notwendig die Angabe einer Seite selbst sein müsse. Vielmehr
stehen als zweite Bestimmung unzählig viele andere Möglichkeiten gleichberechtigt
zur Verfügung, unter andern auch die Angabe einer Seitenlänge unmittelbar. Das
Anschlußprinzip soll helfen. Das Flachformat ist in erster Linie eine Fläche, also
kommt das Quadratzentimeter zur Anwendung. Das Seitenverhältnis und die Flächengröße
sind daher die beiden Ausgangsbestimmungen für die beiden Seiten der metrischen
Norm. Durch diesen Anschluß werden in keiner Weise „Maßeinheiten“ geschaffen.
Unsere Flächenmaße sind vielmehr Quadrate, die nach dem Zentesimalsystem wachsen.
Die Flachformate dagegen sind Rechtecke, die nach Potenzen von Zwei wachsen. Weder
die Weltformate noch die metrischen sind folglich Maßeinheiten. Die Fläche dient
folgerichtig zur Gewinnung der Norm bei den metrischen Formaten, sie spielt
praktisch ebensowenig eine Rolle wie etwa die Raumeinheit bei unseren
Gewichten.Aber der Anschluß der Gewichte an das Metersystem kann analog nicht
anders als durch die Raumeinheit geschehen, insbesondere nicht durch Längen- oder
Flächeneinheit. Der Hinweis auf Maßeinheiten wie Gramm usw., der nach Speiser
„verfehlt“ ist, stammt nicht von mir, sondern von Wilhelm Ostwald. Dieser rechnet konsequenterweise Formatnormen zu den
Normen unseres wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens überhaupt. Ob wir mit
den Normen messen, wägen, bezahlen oder sie sonst zur Vereinfachung unseres
Wirtschaftslebens benutzen, ist ganz und gar nebensächlich. Dieser Hinweis hat sich
im Gegenteil, wie aus all diesem und dem folgenden hervorgeht, als äußerst fruchtbar
erwiesen. Der Unterschied zwischen den Weltraumformaten und den metrischen ist weit
tiefgreifender. W. Ostwald baut seinen Versuch zur
Gewinnung von Normen für räumliche Gegenstände restlos auf das Verdoppelungsprinzip
auf. Dies ist eine Möglichkeit. Es entsteht dadurch eine Raumformatreihe, die drei
verschiedene geometrische Formen aufweist. Je drei aufeinanderfolgende Formate haben
grundverschiedene geometrische Form. War bei den Flachformaten eine Zwiespältigkeit
in der Reihe (vgl. Abb. 1 S. 363 d. Bd.) ohne weiteres ein Grund zu ihrer Ablehnung,
so ist es für die noch weniger übersichtlichen Raumformate eine Dreispaltigkeit
nicht weniger. Mit anderen Worten, W. Ostwald hat das
Aehnlichkeitsprinzip, das allen unseren Normensystemen bisher instinktiv zugrunde
gelegt worden ist, übersehen und vernachlässigt. Alle Normen für Längen-,
Flächen-, Raummessung, für Gewichte, für Münzen und Hohlmaße, für Flachformate usw.
sind einander geometrisch ähnlich. Das Aehnlichkeitsprinzip bringt erst die
erwünschte Einheitlichkeit und Harmonie in ein System. Die Ostwaldschen Raumformate übergehen es aber vollständig, obwohl Wilhelm Ostwald eben vorher die Forderung der
Aehnlichkeit zum ersten Male grundsätzlich bei den Flachformaten verwendet hat.
Diese Disharmonie ist auch der Grund, weshalb die Weltraumformate immer nur recht
stiefmütterlich bisher behandelt worden sind. Die metrischen Raumformate dagegen
benutzen zum Anschluß an das Metersystem die Raumeinheit und fordern die
Aehnlichkeit aller Normen auf Grund des Aehnlichkeitsprinzips.
Zusammenfassend muß also festgestellt werden, daß durchaus kein Grund vorliegt,
die metrischen Formate zu verlassen. Sie sind eine normale Weiterentwicklung der von
Ostwald angeregten Gedankengänge und bilden in ihrer
Gesamtheit ein ebenso logisch wie harmonisch in sich geschlossenes „metrisches
Formatsystem“, vergleichbar z.B. unserem metrischen Gewichtsystem. An den
Grundlagen des metrischen Formatsystems läßt sich ebenso wenig rütteln wie an denen
des Metersystems überhaupt. Wenn die Weltformate schon eine gewisse Verbreitung
haben – die früheren Maß- und Gewichtsysteme hatten diese auch, bevor das metrische
System aufgestellt wurde.