Titel: | Rechts-Schau. |
Autor: | Eckstein |
Fundstelle: | Band 331, Jahrgang 1916, S. 146 |
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Rechts-Schau.
Rechts-Schau.
Der Einfluß des Unterganges des Aufstellungsortes bei dem
Maschinenlieferungsvertrag. Eine Fabrik bestellt Maschinen, die in den
Fabrikgebäuden verwandt werden sollen, ehe es aber zur Lieferung kommt, brennt die
Fabrik ab. Die Rechtsfolgen eines solchen Ergebnisses sind verschiedenartig, je nach
dem, welchem rechtlichen Charakter der Lieferungsvertrag unterliegt.
Am einfachsten ist die Rechtslage beim gewöhnlichen Kauf, bei dem der Lieferant nur
die Lieferung selbst übernimmt, und eine Montierung nicht nötig ist, oder nicht
Bestandteil des Vertrages wird, vielleicht weil der Fabrikant die Montierung selbst
vornimmt, oder einem anderen Unternehmer überträgt. Der Untergang des
Aufstellungsortes hat bei dem Lieferungsvertrag gar keinen Einfluß. Der Vertrag
besteht nur darin, daß die Maschine geliefert wird, die Abnahme besteht in der
bloßen Entgegennahme. Beides ist nach wie vor möglich, und die Wirkung des
Unterganges des Aufstellungsortes ist nur die, daß der Besteller an der Maschine
kein Interesse mehr hat. Der bloße Fortfall des Interesses aber rechtfertigt weder
einen Rücktritt, noch hat er sonst einen Einfluß, eine clausula rebus sie stantibus
kennt das Gesetz nicht, würde wohl auch schwerlich auf solche Fälle zur Anwendung
kommen können. Der Unternehmer kann also Abnahme und Bezahlung verlangen.
Der entgegengesetzte Fall ist der, daß es sich um einen reinen Werkvertrag handelt;
z.B. eine maschinelle Anlage ist speziell für diese Fabrik auszuführen, und das Wesentliche der
Leistung liegt in der Herstellung der Anlage an Ort und Stelle, für die allein die
Anlage bestimmt ist.
Für diesen Fall kommt der § 645 BGB zur Anwendung: „Ist das Werk vor der Abnahme
infolge eines Mangels des von dem Besteller gelieferten Stoffes oder infolge
einer von dem Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung untergegangen,
verschlechtert oder unausführbar geworden, ohne daß ein Umstand mitgewirkt hat,
den der Unternehmer zu vertreten hat, so kann der Unternehmer einen der
geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und Ersatz der in der
Vergütung nicht mit einbegriffenen Auslagen verlangen. Eine weitergehende
Haftung des Bestellers wegen Verschuldens bleibt unberührt.“
Es dürfte auf den ersten Blick seltsam erscheinen, diese Bestimmung auf den
vorliegenden Fall anzuwenden, da ein Untergang des Aufstellungsortes doch nicht ein
Mangel des von dem Besteller gelieferten Stoffes ist. Man muß aber berücksichtigen,
daß das Gesetz für unseren Fall keine Vorsorge getroffen hat, daß in
wirtschaftlicher Beziehung dieser Fall dem gesetzlich geregelten völlig gleich
steht, da auch hier der Unternehmer zur Leistung unvermögend wird, ohne daß doch die
Unmöglichkeit in seiner Sphäre ihren Grund hat. Das Gesetz will in § 645 eine
Ausnahme treffen von dem allgemeinen Grundsatz, daß jeder die Unmöglichkeit der
Leistung bis zum Uebergang der Gefahr zu tragen und folglich keinen Ersatzanspruch
hat, wenn vorher die Leistung unmöglich wird, und man muß darum annehmen, daß diese
Ausnahme überall gelten soll, wo die gleichen Voraussetzungen in wirtschaftlicher
Beziehung zutreffen. Man kann allerdings nicht den vom Besteller herzugebenden Ort
als einen von ihm zu gebenden Stoff ansehen, aber hier ist das Wort „Stoff“
nur etwas unglücklich gewählt, der Ort ist vom Besteller genau so herzugeben, wie in
anderen Fällen der Stoff, und darum ist die ausdehnende Gesetzesinterpretation
gerechtfertigt.
Das wird in Literatur und Rechtsprechung auch allgemein anerkannt, daß beim
Bauvertrag der Untergang des Baugrundes als Untergang des Werkes infolge eines vom
Besteller zu liefernden Stoffes anzusehen ist (vgl. Staudinger, § 645 I 1a und Oberlandesgericht Stettin im Recht 1906 S.
180), und ob nun auf dem Baugrund ein Gebäude oder eine maschinelle Anlage errichtet
wird, ist rechtlich gleich.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß die Frage selbst in der Rechtswissenschaft noch
nicht völlig geklärt ist. In neuerer Zeit wird der Versuch gemacht, diesen Fall nach
anderen Grundsätzen zu behandeln, und hier überhaupt nicht von Unmöglichkeit der
Leistung, sondern von Unmöglichkeit der Mitwirkung zu sprechen, da die zur
Verfügungstellung des Baugrundes, des Aufstellungsortes, dem Besteller obliegt. Da
die Rechtsprechung diesen Gedanken aber bisher noch nicht aufgenommen hat, so
erübrigt sich ein weiteres Eingehen an dieser Stelle. Diese Anschauung selbst würde
übrigens zu Ergebnissen führen, die für den Lieferanten günstiger sind als die
Behandlung der Rechtsfrage analog nach § 645 BGB.
Der Unternehmer kann also einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der
Vergütung verlangen, und außerdem die nicht darin enthaltenen Auslagen. Wie schon
dieser Wortlaut ergibt, geht das Gesetz offenbar von Voraussetzungen aus, die bei
Maschinenbauaufträgen nicht ganz zutreffen, weil hier die „Arbeit“ garnicht
so wesentlich ist, und die Schwierigkeiten mehren sich noch, wenn man
berücksichtigt, daß die juristische Auffassung des Entschädigungsanspruchs noch
heute strittig ist; teils spricht man von einer gesetzlich bestimmten billigen
Entschädigung, teils von einer Verteilung der Gefahr (vgl. Staudinger § 645 II 1a) und je nach dem würde sich die Berechnung recht
verschieden ergeben.
Ein Beispiel für eine solche Berechnung: Der Gesamtvertrag geht auf 3000 M. Der
Unternehmer verbraucht für 1000 M Materialien, und hat bereits 600 M verbaut; die
Arbeitslöhne für Ingenieure, Monteure, Arbeiter usw. bemessen sich auf 600 M, von
denen 300 M bereits ausgegeben sind, außerdem sind noch 200 M für Transport,
Versicherung usw. in Rechnung zu stellen. Nach dem Untergang haben die Materialien,
die nicht vernichtet sind, noch einen Wert von 100 M.
Das Nächstliegende ist zu rechnen: 300 M Lohn, 600 M abzüglich 100 M Material und 200
M sonstige Auslagen, also insgesamt 1000 M.
Aber ich glaube, daß das dem Willen des Gesetzes nicht entspricht. Material ist nicht
dasselbe wie Auslagen; wenn das Gesetz von solchen Auslagen spricht, dann sind die
gewöhnlichen Auslagen gemeint, die hinter dem Wert der Werkleistung zurücktreten. In
unserem Fäll kann man überhaupt nicht Arbeit und Auslagen usw. trennen, die 3000 M
sind vielmehr unzweifelhaft Gesamtvergütung, und bei der Kalkulation kann man nicht
den Betrag, der über die wahren Unkosten hinausgeht, als Gewinn betrachten; darin
steckt vielmehr noch eine Vergütung für das allgemeine Risiko, für die
Geschäftsunkosten im allgemeinen, Werbekosten usw.
Das Gesetz will, daß der Unternehmer, je nach dem Maß, in dem er geleistet hat, einen
Teil seiner Vergütung erhält, also eine Vergütung nicht nur für die „Arbeit“
im engen Sinne, sondern eine Vergütung für die Gesamtheit seiner Leistungen, die nur
zum Teil aus Arbeit und Aufwendungen, zum Teil auch, wie oben ausgeführt, aus Risiko
und sonstigen Momenten bestehen.
Es muß also nach freiem Ermessen geschätzt werden, in welchem Maße die gesamte
Leistung erfüllt war, und dabei ist nicht nur das Verhältnis der geleisteten zu der
noch etwa zu leistenden, sondern auch das Verhältnis der bereits verbrauchten Werte
zu dem noch zu verbrauchenden (was mit den „Auslagen“ durchaus nicht
übereinzustimen braucht), das Verhältnis der Gefahr, die der Unternehmer schon
getragen hat, zu der, die er noch hätte tragen müssen, zu berücksichtigen. Es kann
fast vollständig erfüllt sein, wenn auch nur ein geringer Teil der zu leistenden
„Arbeit“ geleistet ist. Zum Beispiel der Unternehmer hat sich von anderen
Unternehmern die einzelnen erforderlichen Teile bestellt und nach dem Baugrundstück geschafft,
hat also das Risiko der Kalkulation und der vorteilhaften Bestellung im hohen Maße
getragen, während die Arbeit nur in dem Einbauen besteht. Und umgekehrt kann die
geleistete Arbeit überwiegend geleistet sein, und doch die Erfüllung des Vertrages
noch in ihrem Anfangsstadium sein, zum Beispiel, wenn das Einbauen einer
maschinellen Anlage in mühevoller Weise vorbereitet ist, und die Bestellung der
einzelnen Teile der Anlage noch aussteht, während die Montierung mühelos sein
würde.
So kommt man meines Erachtens zu billigeren Ergebnissen als bei einer abstrakten
Zahlenrechnung.
Wann nun ein Kaufvertrag und wann ein Werkvertrag vorliegt, kann im einzelnen Fall
schwer zu entscheiden sein. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich in den Fällen, in
denen sich der Vertrag aus einem Kauf- und einem Werkvertrag mischt, wenn zum
Beispiel die Lieferung verhältnismäßig selbständige Bedeutung hat, der Unternehmer
aber die Einmontierung mit übernimmt. Liegt hier ein Lieferungsgeschäft vor oder ein
Werkvertrag, oder vielleicht die Summe von zwei verschiedenen zusammengefaßten
Verträgen oder ein einheitlicher Vertrag, der zu einem Teil als Kauf, zu einem Teil
als Werkvertrag anzusehen ist, und ist hier eine qualitative oder eine zeitliche
Teilung geboten?
Das alles sind noch juristisch ungeklärte Fragen. Die Rechtsprechung, deren
Ergebnisse aber von der Theorie vielfach angegriffen werden, will den Wert der
Leistung entsprechend sein lassen, und den ganzen Vertrag, je nach dem, was an Wert
überwiegt, ausschließlich als Werkvertrag ansehen. Jedoch ist hier nicht der Ort,
auf diese höchst schwierigen Fragen näher einzugehen.
Dr. jur. Eckstein.