Titel: Rechts-Schau.
Autor: Eckstein
Fundstelle: Band 331, Jahrgang 1916, S. 291
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Rechts-Schau. Rechts-Schau. Sind unausführbare Patente vogelfrei? Wie weit die Ausführbarkeit einer Erfindung und ihre gewerbliche Verwertbarkeit den Patentanspruch als solchen beeinflussen, in wie weit ein Patent versagt werden, wie weit einem Anspruch auf Patentvernichtung wegen Unausführbarkeit stattgegeben werden muß, ist eine Frage, die scharf zu scheiden ist von der Rechtswirkung des erteilten Patentes auf eine unausführbare Erfindung. Gewiß spielt die Ausführbarkeit einer Erfindung im urheberrechtlichen Schutzrecht eine wichtige Rolle, es darf aber nicht übersehen werden, daß der Kern des Patentschutzes doch der Schutz der Idee ist, ein Schutz der abhängig sein kann von ihrer Verwertbarkeit, der aber nicht dahin mißverstanden werden darf, als ob der Patentschutz nur ein Schutz des fertigen industriellen Erzeugnisses oder der in die praktische Verwertung umgesetzten Erfindung sei. Das geistige Eigentum besteht an der Idee, und wenn diese Idee nicht oder nicht voll praktisch verwertbar ist, so ist doch jedenfalls für das erteilte Patent ein Substrat vorhanden, auf daß sich der Schutz bezieht. Dieser Gedanke ist darum von größter praktischer Bedeutung, weil mit dem Schutz der Idee der Schutz ein viel weiter reichender ist als mit dem bloßen Schutz einer bestimmten industriellen Verwertung dieser Idee. Es handelt sich hier um das sogenannte Problem der patentrechtlichen Aequivalenz. Jede praktische Lösung des Erfindungsgedankens, die durch die patentrechtlich geschützte mehr oder weniger unzureichende Lösung vorweg genommen, wenn auch nicht voll erkannt ist, fällt unter den erteilten Erfindungsschutz, und es kann niemand den Erfinder nur dadurch um die unerkannte Lösung der Aufgabe und um die Früchte seiner Lösung bringen, daß er die Idee des Erfinders einfach in praktisch verwertbarer Weise aufnimmt, wiederholt und sie somit der Technik erst praktisch zuführt. Das wird auch vom Reichsgericht (Entscheidungen Bd. 70 S. 319) treffend hervorgehoben in einem Verletzungsstreit, in dem der glückliche Erfindungsausbeuter gegenüber dem nicht glücklichen wirklichen Erfinder mit dem Einwand auftrat, das tatsächlich und zu unrecht erteilte Patent sei in Wirklichkeit ein Wegelagererpatent, da die eigentliche Erfindung die Aufgabe nicht praktisch löse, seine, des „Nacherfinders“ Entlehnung aber die praktische Lösung enthalte. Das Reichsgericht erklärt diesen Einwand für unerheblich, ein Wegelagererpatent gebe es nicht, höchstens ein Nichtigkeitsverfahren gegenüber dem zu Unrecht erteilten Patent, läßt aber auch dieses dahingestellt, weil ja die Erfindung tatsächlich das Problem gelöst und es nur an der Form der praktischen Verwertung gefehlt hat. Die Anmeldung einer unpraktischen Erfindung ist natürlich ein zweischneidiges Schwert. Die Erfindung zurückzuhalten, bis die praktisch völlig befriedigende Lösung oder vielmehr Ausführungsform der bereits geglückten Lösung gefunden ist, bedeutet, sich durch die Möglichkeit einer früheren Anmeldung der Erfindung durch einen anderen der Gefahr des Verlustes aussetzen; sie durch die vorzeitige Erwirkung des Patentes der Oeffentlichkeit preisgeben heißt: andern noch den Weg weisen, auf dem die endgültige Lösung zu suchen ist, die Erfindung vogelfrei werden lassen und sich um die Chancen des Geheimnisses bringen. Diese letzte Furcht ist aber ungerechtfertigt: Ist die Erfindung eine wirkliche Erfindung, deren praktische Ausführung nur noch unvollkommen ist, so mag sie praktisch den Wert einer Erfindung auf dem Papier haben, aber die Idee wird geschützt und der Schutz für die noch zu suchende praktische Ausführungsform so vorweg genommen. Das gilt natürlich nur dann, wenn wirklich die Erfindung ihre Verwertung auch enthält und es nicht noch eines neuen erfinderischen Gedankens bedarf, um aus der unvollkommenen Erfindung erst eine vollkommene zu machen. Beispiel: Wird zu einer Erfindung ein Stoff verwendet, der den fertigen Gegenstand so wenig haltbar macht, daß die Erfindung dadurch wertlos wird, und kann dieser eine Stoff, und zwar für den Fachmann ohne besondere erfinderische Tätigkeit, durch einen anderen verwandten ersetzt werden, so würde es sich um eine Wegnahme des erfinderischen Gedankens handeln, wollte ein anderer die Erfindung in der naheliegenden praktisch verwertbaren Form ausführen. Fehlt es aber an einem solchen naheliegenden ersetzbaren Stoff und wird von einem anderen erst ein Ersatz durch erfinderische Tätigkeit gefunden, so kann von einer Wegnahme der Erfindung nicht die Rede sein, und je nachdem, ob trotz der schlechten Verwertbarkeit die Lösung des ersten Erfinders eine Lösung bleibt, z.B. durch die Entdeckung eines besonderen Mischungsverhältnisses, oder ob sie in nichts zerfällt, kann der zweite Erfinder die Vernichtung des ersten Patentes und, wenn seine Erfindung gegenüber der ersten so hervorragend ist, daß sie völlig selbständige Bedeutung erhält, auch ohne diese Vernichtung (vgl. die in der Zeitschrift für Industrierecht Bd. 5 S. 222 abgedruckte Reichsgerichtentscheidung) die alleinige Patentierung seiner Idee oder aber die Erlangung eines Abhängigkeitspatentes erwirken (vgl. auch Isay Patentgesetz § 4 Anm. 9). Dr. jur. Eckstein.