Titel: Rechts-Schau.
Autor: Eckstein
Fundstelle: Band 331, Jahrgang 1916, S. 358
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Rechts-Schau. Rechts-Schau. Wann ist die industrielle Ausnutzung einer Erfindung ein Patenthindernis? Wird eine Erfindung in der Weise verwertet, daß sie schlechthin offenkundig wird, so kann sie nach § 2 PG nicht mehr als patentfähig angesehen werden. Diese Fälle liegen insbesondere dann vor, wenn die Erfindung selbst aus dem vertriebenen Gegenstande hinreichend erkannt werden kann. In Fällen dieser Art wird aber entweder von vornherein auf den Patentschutz verzichtet, oder aber es wird mit der industriellen Verwertung zurückgehalten, bis das Patent erteilt ist. Anders dann, wenn die Erfindung selbst industriell verwertet werden kann, ohne daß die Produkte die Erfindung offenkundig machen, insbesondere bei Fabrikationsmethoden, Fabrikationsmaschinen usw. Dann braucht der. Fabrikant nicht damit zu rechnen, daß die Erfindung durch ihre industrielle Verwertung preisgegeben wird. Andererseits wird sie auch nicht in der Weise geheim zu halten sein, daß nicht wenigstens mit der Gefahr der Preisgabe zu rechnen wäre, und dann kann es im einzelnen Fall leicht zweifelhaft sein, ob eine offenkundige Vorbenutzung im Sinne des § 2 vorliegt, die die Patentierbarkeit hindert. Offenkundigkeit ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein unbestimmter Kreis von unbeteiligten Personen von der Erfindung durch ihre industrielle Verwertung Kenntnis nehmen kann. Wenn zum Beispiel eine Baggermaschine so benutzt wird, daß das Publikum und damit jeder Sachverständige Zutritt hat, so ist an der Offenkundigkeit kein Zweifel, dann ist die Benutzung nicht nur offenkundig, sondern sogar öffentlich. Aber die Oeffentlichkeit ist überhaupt nicht das wesentliche Moment dabei. Wenn in einem Fabrikbetriebe jeder Interessent nicht nur Zutritt hat, sondern mit dem Zutritt auch Gelegenheit, als Sachverständiger das Wesen der Erfindung aufzunehmen, so ist die Erfindung nicht öffentlich und dennoch offenkundig benutzt, und zweifelhaft ist in solchen Fällen nur, ob schon mit der Möglichkeit, daß Dritte von der Erfindung Kenntnis nehmen, die Offenkundigkeit herbeigeführt wird oder erst mit der Tatsache der Kenntnisnahme (vgl. Isay, Patentgesetz § 2 Anm. 15). Die Grenze zwischen Offenkundigkeit und „Vertraulichkeit“ wird solange noch nicht überschritten, als nur gewisse Einzelne den Zutritt erlangen und aus der Art der Erlaubnis zu schließen ist, daß von vornherein mit einer Geheimhaltung der Erfindung zu rechnen ist, daß also in der Erlaubnis an Einzelne nicht die Absicht der Preisgabe des Geheimnisses der Erfindung liegt. Erhält jeder Beliebige Zutritt, so wird die Offenkundigkeit nur ausgeschlossen, wenn auch jedem besonders Stillschweigen auferlegt wird, und zwar in so nachdrücklicher Weise, daß auch mit der Geheimhaltung zu rechnen ist (vgl. Gareis Patentamtliche Entscheidungen Bd. 8 S. 238). Ein bloßes Plakat würde dann wohl kaum genügen, wenn kritiklos jeder zugelassen wird, also nichts zur Sicherung der Befolgung der Geheimhaltungspflicht getan wird. In ähnlicher Weise würde ein Verbot des Zutritts Unbeteiligter die Geheimhaltung sichern, selbst wenn die Möglichkeit besteht, daß sich jemand über das Verbot hinwegsetzt (so auch mit Recht Isay § 2 Anm. 17). Das Verbot muß aber auch hinreichend deutlich und nachdrücklich gehalten werden und die dauernde Unterlassung jeder Kontrolle würde einer stillschweigenden Duldung des Zutritts unbeteiligter Dritter gleichkommen (vgl. Gareis Bd. 13 S. 30, Bd. 12 S. 28, Bd. 11 S. 58). Ob dagegen die Verletzung der Geheimhaltungspflicht durch den einen oder anderen, der durch Vertrauen Kenntnis erhalten hat, die Benutzung offenkundig macht, ist eine höchst bestrittene Frage, die ich in anderem Zusammenhange eingehender darzustellen gedenke. Während die Kenntnis von dem Erfindungsgeheimnis gegenüber Dritten in das Belieben des Erfindungsbenutzers gestellt ist, der jedem den Zutritt gestatten oder verweigern oder ihn an die Bedingung der Geheimhaltung knüpfen kann, ist er gegenüber den Angestellten in dieser Richtung machtlos. Die Angestellten, die beruflich mit der Fabrikation usw. zu tun haben, müssen auch Kenntnis von der Erfindung erlangen. Die bloße Tatsache, daß die Angestellten in der Regel nicht sachverständig genug sind, kann zu einer grundsätzlichen Entscheidung der Frage, ob die Kenntnis der Angestellten die Erfindungsbenutzung offenkundig macht, nicht herangezogen werden, denn einmal haben ja auch die technisch vorgebildeten Angestellten, Werkmeister, Techniker, Zeichner usw. den Zutritt, und dann braucht die Erfindung ja nicht so kompliziert zu sein, daß besondere Sachkunde dazu gehört, sie in ihrer Eigenart geistig zu erfassen. Da der Kreis der Angestellten hinreichend groß zu sein pflegt und oft genug wechselt, so wird man die Möglichkeit, in der Kenntnis der Angestellten eine Offenkundigkeit zu erblicken, nicht verneinen können. Die Rechtsprechung hat daher auch früher vielfach die Offenkundigkeit in diesem Falle angenommen, wenn nicht den Angestellten eine ausdrückliche Verschwiegenheilspflicht auferlegt worden ist (vgl. Entscheidung des Reichsgerichts in Gewerblicher Rechtsschutz Bd. 9 S. 299 und Entscheidung des Patentamts in Markenschutz und Wettbewerbe Bd. 8 S. 114). Mit Recht wird aber angenommen, daß in jedem industriellen Betriebe mit der Anstellung eines Arbeiters oder Technikers mit der Uebertragung eines Reparaturauftrages usw. die selbstverständliche Uebernahme der Verpflichtung zur Geheimhaltung der Betriebs- und Fabrikationsgeheimnisse verbunden ist (so auch Isay § 2 Anm. 16 und Reichsgericht vom 10. 3. 1915 Entscheidungen Bd. 86 S. 315), Mit Recht wird vom Reichsgericht auch Gewicht darauf gelegt, daß eine ausdrückliche Hinweisung der Arbeiter auf das Geheimnis gerade die umgekehrte Wirkung habe und die Arbeiter zu einem Vertrauensbruch verleiten könne. Allerdings besteht dann das eine Bedenken, das das Reichsgericht zu übersehen scheint: Wenn der Angestellte die Tatsache des Geheimnisses nicht kennt und gutgläubig weitere Kenntnis gibt, dann wird die Offenkundigkeit schwerlich verneint werden können. Ob dagegen die Preisgabe des Geheimnisses unter Vertrauensbruch die Benutzung offenkundig macht, ist streitig (für die Offenkundigkeit die Rechtsprechung, angeführt bei Warneyer, Jahrbuch der Entscheidungen Bd. 3 S. 382; dagegen mit beachtenswerten Gründen Isay § 2 Anm. 16). Dr. jur. Eckstein.