Titel: Die Berechnung des Drahtziehens.
Autor: Samuel Marschik
Fundstelle: Band 331, Jahrgang 1916, S. 388
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Die Berechnung des Drahtziehens. Von Dr. techn. Samuel Marschik, K. K. Professor in Brunn. MARSCHIK: Die Berechnung des Drahtziehens. Die Herstellung dünner Drähte ist bekanntlich nur durch einen wiederholten Ziehvorgang möglich, weil der Ziehwiderstand die Zerreißfestigkeit des gezogenen Drahtes nicht übersteigen darf. Nach Demuth (Mech. Technologie der Metalle und des Holzes) ist der Ziehwiderstand von der Härte des zu ziehenden Drahtes (die darauf bezügliche Ziffer nennt er k), von der Reibung in der Lochwandung (die darauf bezügliche Ziffer ist f) und von der Querschnittsverminderung abhängig, welch letztere ({d_0}^2-d^2)\,\frac{\pi}{4} ist, wenn d0 die Dicke des zu ziehenden, d die Dicke des gezogenen Drahtes bedeutet und ein Draht von kreisrundem Querschnitt vorausgesetzt wird. Der Ziehwiderstand P ist sonach P=(k+f)\cdot({d_0}^2-d^2)\,\frac{\pi}{4} . . . . . (1) Die Zerreißfestigkeit des gezogenen Drahtes beträgt, wenn wir die spezifische Zerreißfestigkeit, auf die Flächeneinheit bezogen, z nennen: Z=z\cdot\frac{d^2\pi}{4} . . . . . . . . (2) Der Ziehwiderstand muß kleiner als die Zerreißfestigkeit sein, d.h. P<Z, woraus (k+f)\,({d_0}^2-d^2)\,\frac{\pi}{4}<Z\cdot\frac{d^2\pi}{4} (k+f)\,{d_0}^2<(k+f+z)\,d^2 \frac{d}{d_0}>\sqrt{\frac{k+f}{k+f+z}} . . . . . . . . (3) Die Querschnittsverminderung ist sonach an gewisse Grenzen gebunden, weshalb man das Verhältnis \varphi=\frac{d}{d_0} . . . . . . . (4) als das Verdünnungsmaß oder das Verdünnungsverhältnis bezeichnet und bei der Herstellung der Drähte berücksichtigen muß. Dieses beträgt nach Ledebur durchschnittlich bei weichem Eisen 0,90 Stahl 0,95 Messing und Kupfer 0,925 Silber 0,85 für das Ziehen im kalten Zustande. Setzen wir daher das Verdünnungsmaß als bekannt voraus, so läßt sich nicht bloß die Dicke des Drahtes nach dem Ziehen aus der Dicke des in das Zieheisen eingeführten Drahtes berechnen, sondern man ist auch in der Lage, die Anzahl der Durchzüge bzw. der anzuwendenden Zieheisen, welche zur Erzeugung eines Drahtes von gewünschter Dicke aus einem Draht von gegebener Dicke erforderlich ist, durch Rechnung zu bestimmen; andererseits kann man, wenn die Anzahl der Durchzüge bekannt und gegeben ist, daraus das zugehörige Verdünnungsmaß ermitteln und die Lochweiten der aufeinanderfolgenden Zieheisen nachrechnen bzw. nachprüfen, ob diese richtig bemessen sind. Bezeichnet man die Anzahl der Durchzüge mit n und die aufeinanderfolgenden Drahtdicken mit d1, d2, d3 usw., so ergibt sich: d_1=\varphi\cdot d_0,\ d_2=\varphi\cdot d_1=\varphi^2\cdot d_0,\ d_n=\varphi^n\,d_0 . . . (5) Die Drahtdicken nehmen also nach einer geometrischen Progression ab, deren Quotient eben das Verdünnungsverhältnis φ ist. Die Gleichung (5) stellt somit die allgemeine Beziehung zwischen der Dicke des als Ausgangsprodukt gewählten Walzdrahtes, der Dicke des zu erzeugenden Feindrahtes, dem Verdünnungsmaß und der Anzahl der Durchzüge dar und gestattet sowohl die Berechnung der Anzahl n der Durchzüge, als auch des Verdünnungsmaßes φ. Durch Logarithmieren von (5) erhält man: n=\frac{\mbox{log}\,d_n-\mbox{log}\,d_0}{log\,\varphi} . . . . . (6) \varphi=\mbox{num}\,\frac{\mbox{log}\,d_n-\mbox{log}\,d_0}{n} . . . . . (7) Die Gleichungen (5), (6) und (7) setzen uns also in den Stand, alle für das Drahtziehen wichtigen Größen auf Grund bekannter Erfahrungswerte zu berechen, wie in nachstehenden Beispielen gezeigt werden soll. Zu Beispiel 1. Textabbildung Bd. 331, S. 388 Durchzug; Drahtdicke in mm; Drahtnummer Zu Beispiel 2. Textabbildung Bd. 331, S. 388 Durchzug; Drahtdicke in mm; Drahtnummer Zu Beispiel 3. Textabbildung Bd. 331, S. 388 Durchzug; Drahtdicke in mm; Drahtnummer 1. Beispiel: Ein Walzdraht aus weichem Eisen von 5 mm Dicke soll auf 1 mm Dicke gezogen werden; das Verdünnungsmaß sei 0,9; wie viel Durchzüge sind erforderlich und welches sind die aufeinanderfolgenden Drahtnummern? d0 = 5 mmdn = 1    „φ  = 0,9 „ n=\frac{\mbox{log}\ 1-\mbox{log}\ 5}{\mbox{log}\ 0,9}=\frac{-\ 0,69897}{0,95424-1} =\frac{-\ 0,69897}{-\ 0,04576}\sim 15. Die Aufeinanderfolge der Drahtdicken und Drahtnummern nach der Deutschen Millimeter-Drahtlehre enthält die oben an erster Stelle stehende Zahlentafel. 2. Beispiel: Ein 5 mm Stahldraht soll auf 1 mm Dicke gezogen werden; das Verdünnungsmaß beträgt hierfür 0,95; es ist auch hier die Anzahl der Durchzüge und der Aufeinanderfolge der Drahtdicken zu ermitteln (vgl. die obenstehende Zahlentafel). d0 = 5  mmdn = 1     „φ  = 0,95 „ n=\frac{\mbox{log}\,d_n-\mbox{log}\,d_0}{\mbox{log}\,\varphi}=\frac{-\ 0,69897}{0,97774-1} =\frac{-\ 0,69897}{-\ 0,02226}=31,4\sim 31. 3. Beispiel: Nach Demuth (s. o. S. 137) ist ein Weicheisendraht zwölfmal zu ziehen, um von 5 mm auf 1 mm gebracht zu werden; wie groß ist das Verdünnungsmaß und welches ist die Aufeinanderfolge der Drahtdicken? (vgl. die obenstehende Zahlentafel.) d0 = 5 mmdn = 1    „n  = 12  „ \mbox{log}\,\varphi=\frac{\mbox{log}\,d_n-\mbox{log}\,d_0}{n}=\frac{-\ 0,69897}{12}= 0,94175-1,\ \varphi=0,875.