Titel: Rechts-Schau.
Autor: Eckstein
Fundstelle: Band 332, Jahrgang 1917, S. 64
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Rechts-Schau. Rechts-Schau. Grundsätze des Bundesrats über die Warenumsatzsteuerpflicht in der Technik. Zur Lösung der zahlreichen durch das Warenumsatzsteuergesetz bedingten Rechtsfragen hat der Bundesrat Auslegungsbestimmungen erlassen, die zwar an sich nicht den rechtlichen Charakter eines Gesetzes haben, sondern nur eine Meinungsäußerung des Bundesrats sind, die aber doch für die Auslegung des Gesetzes von einschneidenster Bedeutung, insbesondere für die Technik sind. Die Grundsätze führen aus: „Bildet den Gegenstand des Werkvertrages die Herstellung, Veränderung oder Ausbesserung von Sachen, so liegt eine der Warenlieferung gleichzustellende Lieferung vor, wenn die Sachen vom Unternehmer aus oder mit von ihm zu beschaffenden Stoffen herzustellen, zu ändern oder auszubessern sind, und es sich hierbei nicht bloß um Zutaten oder Nebensachen handelt. Unter die Herstellung von Sachen, die als Lieferung aus Werkverträgen anzunehmen sind, fällt die Herstellung von Sachen auch dann, wenn in Ausführung des Werkvertrages die hergestellte Sache mit dem Grund und Boden als wesentlicher Bestandteil fest verbunden wird. Dem Umsatzstempel unterliegen hiernach zum Beispiel die vertragsmäßige Errichtung von Gebäuden oder Brücken, der Bau von Wasser- oder Gasleitungen, Ueberlandzentralen und Talsperren. Dem Umsatzstempel unterliegen gleichfalls die Lieferungen auf Neu- und Umbauten wie zum Beispiel des Zimmerwerks der Türen, Fenster und Schlösser, der Oefen, der Parkettfußböden. Ob sich der vom Unternehmer zur Ausführung des Werkes zu beschaffende Stoff als Zutat oder Nebensache darstellt, richtet sich nach seinem Verhältnis zu dem übernommenen Werk. Ist der Stoff hiernach nicht als Nebensache anzunehmen, so wird er es auch nicht dadurch, daß das aus oder mit ihm hergestellte Werk mit dem Grund und Boden oder mit einer anderen beweglichen Sache als wesentlicher Bestandteil verbunden wird und im Verhältnis zum Grund und Boden oder zu der anderen Sache als Nebensache anzusehen ist. Hiernach sind zum Beispiel beim Einbau von durch den Unternehmer hergestellten Maschinenersatzteilen in eine Maschine des Bestellers oder von durch ihn hergestellten Karosserien in Kraftwagen des Bestellers die Ersatzteile und die Karosserien nicht als Nebensachen anzusehen.“ Es scheint aber mehr als zweifelhaft, ob diese Grundsätze geeignet sind, die Rechtsfrage zu lösen, ob sie nicht vielmehr zu den Schwierigkeiten, die das Gesetz schon enthält, noch neue hinzufügen, die durch die Auslegungsgrundsätze gegeben sind. Schon der ganze Ausgangspunkt des Bundesrats fordert zum Widerspruch heraus. Das Gesetz will den Warenumsatz der Steuer unterwerfen, daraus geht hervor, daß Werkverträge nicht steuerpflichtig sind – Werklieferungsverträge sind es auch nur auf Grund besonderer gesetzlicher Bestimmung -, und statt daß nun der Bundesrat von den Grundbegriffen der Verträge ausgeht und prüft, welches das Merkmal des Werkvertrages und das des Lieferungsvertrages ist, wird nur untersucht, wo sich in einem Vertrage irgendwie eine Lieferung verdeckt, um wie eine übereifrige Steuerbehörde nach weiteren Besteuerungsmöglichkeiten zu fahnden. Das Gesetz selbst spricht mit unzweideutigen Worten aus, daß die Zahlungen steuerpflichtig sind, die ein Gewerbetreibender für die im Betriebe seiner gewerblichen Niederlassung gelieferte Ware erhält. Mit Rücksicht darauf, daß es wirtschaftlich gleichgültig ist, ob eine zu liefernde Ware schon fertig im Handel ist, oder erst für den Besteller besonders hergestellt werden muß, werden auch die Werklieferungsverträge, die auch nach bürgerlichem Recht im wesentlichen dem Kaufrecht unterstellt werden, mit unter den Begriff der Warenlieferung gebracht. Geht man von diesem klaren Wortlaut des Gesetzes aus, so ist kein Zweifel, daß jeder reine Werkvertrag nicht steuerpflichtig ist. Es ist also zu prüfen, wo die Grenze zwischen dem reinen Werkvertrage und dem Lieferungsvertrage liegt. Den richtigen Gesichtspunkt hierfür gibt nicht nur die wirtschaftliche Beurteilung des Vertrages, sondern auch das bürgerliche Recht, das wie erwähnt, mit gutem Grunde nur den Lieferungsvertrag dem Kaufvertrag gleichstellt. Das Wesen des Werkvertrages ist die Bewirkung eines Erfolges, während das des Lieferungs- und Werklieferungsvertrages eben in der Lieferung besteht. Wie zweifelhaft die Ansicht des Bundesrats über die Werkverträge ist, zeigen gerade die Beispiele des Bauvertrages. Liefert der Maurer Bausteine, der Zimmerer Balken? Oder stellen nicht vielmehr der Maurer und der Zimmerer Teile eines Gebäudes her, wobei sie Baumaterialien verbrauchen? Und wohin führt eine unbeschränkte Anwendung der Grundgedanken des Bundesrats? Was vom Maurer und Zimmerer gilt, müßte auch vom Maler gelten, der zum Anstreichen eines Gebäudes auch Farbe verbraucht. Vielleicht läßt sich der Bundesrat von dem Gedanken leiten, daß in vielen Fällen die verwendeten Materialien wertvoller sind als die aufgewendete Arbeit; aber auch das müßte unter Umständen vom Maler gelten, wenn er besonders wertvolle Farben verbraucht. Doch auch dieser Gedanke ist irreführend. Die Aufwendungen können sehr wohl den Wert der Arbeit übersteigen, ohne dem Rechtsverhältnis den Charakter des reinen Werkvertrages zu nehmen. Man braucht nur an den Fall zu denken, daß ein Zahnarzt eine Goldplombe legt. Der ganze Gesichtspunkt der Haupt- und Nebenleistungen ist nicht geeignet, die Frage überhaupt zu klären. Auch für die Technik muß daher daran festgehalten werden, daß ein Werkvertrag niemals ein Lieferungsvertrag ist. Handelt es sich um die Veränderung, Ausbesserung, Erweiterung usw. eines bestehenden Gegenstandes, eines Grundstücks, eines Gebäudes, einer Maschine, einer technischen Anlage usw., so können die Aufwendungen an technischen Bestandteilen in keiner Weise anders behandelt werden, als der Aufwand des Malers an Farben, des Maurers an Steinen, des Zimmerers an Balken. Nach einer Richtung nur enthalten die Auslegungsgrundsätze des Bundesrats einen beachtenswerten Gesichtspunkt. Es kann ein Vertrag ein reiner Werkvertrag sein und trotzdem in wirtschaftlichem Sinne eine Lieferung enthalten, dann nämlich wenn fertige technische Teile gleichzeitig zu liefern und einzufügen sind. Ist zum Beispiel für eine Fabrik ein Dampfkessel einzubauen, so wird der Dampfkessel in fertigem Zustande geliefert, und erst an die Lieferung knüpft sich die Einfügung. Juristisch handelt es sich auch hier um einen Werkvertrag, wirtschaftlich dagegen bleibt der Kessel eine selbständige Sache, wenngleich er sich mit dem Gebäudeeigentum zu einer Einheit verbindet, und dann wird man nicht von einer Arbeit an einem Grundstück oder von einer teilweisen Bauerrichtungsarbeit sprechen können, sondern vielmehr von einem Vertrage, der wirtschaftlich teilweise als Lieferungsvertrag anzusehen ist. Hier handelt es sich nicht um Materialien, sondern um einen fertigen Gegenstand. Selbst bei einzelnen Teilen von Maschinen, maschinellen Anlagen usw. wird man noch den gleichen Standpunkt vertreten können, zum Beispiel wenn es sich um die Lieferung eines Schwungrades zu einer fertigen Maschine handelt, denn auch hier bleibt der zu liefernde Teil eine im wirtschaftlichen Sinne – wenn auch nicht juristisch – selbständige Sache, die jederzeit wieder ausmontiert und damit selbständig werden kann. Sobald dagegen die Lieferung aufgeht in die Verarbeitung, in die Hineinarbeitung in andere Gegenstände oder Gebäude und die zu liefernden Bestandteile ihren selbständigen Charakter völlig verlieren, handelt es sich um gewöhnliche Arbeiten an einem Gegenstande oder Gebäude und somit um reine Werkverträge, nicht um Lieferungen, sondern um Aufwendungen. In diesen Fällen wird eine Umsatzsteuer nicht geschuldet, selbst dann nicht, wenn die Materialien usw. dem Besteller selbständig in Rechnung zu stellen sind. Durch diese Form der Abrechnung wird nicht etwa der einheitliche Vertrag zerlegt in einen Werkvertrag und einen Lieferungsvertrag, sondern es wird nur die Berechnung des einheitlichen Preises in besonderer Weise vereinbart. Dr. jur. Eckstein.