Titel: Rechts-Schau.
Autor: Eckstein
Fundstelle: Band 332, Jahrgang 1917, S. 164
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Rechts-Schau. Rechts-Schau. Wie weit kann die Gewährleistung für Maschinen- und technische Aufträge beschränkt werden? Die Lieferung von Maschinen und die Ausführung technischer Anlagen ist von vornherein mit einem ganz ungewöhnlich großen Risiko verknüpft, einem Risiko, das den Maschinenlieferanten oder technischen Unternehmer doppelt schwer treffen kann, da er selbst oft an den Schäden schuldlos ist, weil vielleicht, von zahllosen anderen Möglichkeiten abgesehen, sein Lieferant schlecht geliefert hat, und er selbst den Schaden nicht hat feststellen können, und bedenkt man, wie häufig der Maschinenlieferant und technische Unternehmer mit seinem Anspruch auf Bezahlung gefährdet ist, so ist es begreiflich, daß er vertraglich seine Haftung so weit einschränkt, als es nur möglich ist. Wie weit kann seine Haftung überhaupt vertraglich eingeschränkt werden? Eine solche Einschränkung dürfte schlechthin unzulässig sein, die mit dem Wesen des Vertrages in Widerspruch steht. Es kann niemand sich eine unbedingte Zahlung der Gegenleistung vorbehalten, ohne die Haftung für seine eigene Leistung zu übernehmen. Hat jemand mangelhaft geliefert, so steht dem Vertragsgegner das Recht zu, den Vertrag zu wandeln (rückgängig zu machen) oder den Lieferungspreis zu mindern. Eines von beiden Rechten kann sehr wohl vertraglich ausgeschlossen werden, nicht aber beide; denn die Leistung des Empfängers ist stets als eine Gegenleistung für die Leistung des Lieferanten anzusehen; und wird diese Gegenleistung nur für die Lieferung geschuldet, so kann der Lieferant sich nicht vollständige Zahlung ausbedingen, wenn er selbst nicht vollständig liefert. Wohl aber ist es zulässig, daß er zunächst einen Anspruch auf vollständige Zahlung haben soll, damit der Empfänger nicht mit mehr oder weniger haltlosen Reklamationen ihm den Lieferungspreis vorenthalten kann. Hat er aber unvollständig oder mangelhaft geliefert, so muß er nachträglich einen Teil des Preises zurückzahlen, und diese Pflicht kann nicht vertraglich ausgeschlossen werden. Der Kernpunkt der hier aufgeworfenen Rechtsfrage liegt aber auf anderem Gebiete. Wenn der Maschinenlieferant oder technische Unternehmer alle sonstigen Rechte des Bestellers auf Schadensersatz wegen mangelhafter Lieferung, Leistungsverzug usw. ausschließt, so fragt es sich, ob ein solcher Vertrag nicht als sittenwidrig und darum als nichtig anzusehen ist. Ein solcher Vertrag war kürzlich bei Gelegenheit einer Maschinenlieferung abgeschlossen worden; der Lieferant hatte eine zwölfmonatliche Garantie gewährt, die Verwendung des besten Materials zugesichert, und die Hebung etwaiger Mängel auf berechtigte Reklamation hin übernommen, aber alle weitergehenden Ansprüche, Vergütung für Schäden, Arbeitslöhne, Verzugsstrafen usw. ausgeschlossen. Das Oberlandesgericht München hat den Einwand der Sittenwidrigkeit dies Vertrages nicht als durchgreifend angesehen und in dem Rechtsstreit zwischen Lieferanten und Empfänger zugunsten des Lieferanten entschieden. (Entscheidung vom 5. November 1912, 1718/11.) Man wird diese Entscheidung nur billigen können. Sittenwidrig ist ein Vertrag nur dann, wenn er seinem Inhalte nach wider die guten Sitten verstößt. Ein solcher Verstoß gegen die guten Sitten ist bei dem Ausschluß der Haftung nicht gegeben, sofern dieser Haftungsausschluß durch irgend ein Interesse der Parteien gerechtfertigt ist. Es ist richtig, daß durch einen solchen Vertrag der Lieferant außerordentlich begünstigt ist gegenüber dem Besteller (falls es sich nicht nur in Hinsicht auf die Niedrigkeit des Preises usw. um eine bloße scheinbare Begünstigung handelt). Aber dadurch, daß die eine Partei gegenüber der anderen besonders günstig gestellt ist, wird der Vertrag noch nicht sittenwidrig. Es kann allerdings ein auffallendes Mißverhältnis zwischen dem Wert der Leistung und Gegenleistung dann einen Vertrag sittenwidrig machen, wenn der überlegene Teil die wirtschaftliche Schwäche des anderen ausnutzt. Wucherverträge, Halsabschneiderverträge, wie sie bei Dienstverhältnissen, Mietverträgen, ständigen Bezugsverträgen usw. gelegentlich vorkommen, sind allerdings sittenwidrig und darum nichtig; nicht aber darum, weil die Leistungen in einem Mißverhältnis stehen, sondern weil der Vertrag dazu dient, daß der eine Teil die wirtschaftliche Not- oder Zwangslage des anderen ausnutzt, um sich zu bereichern. Von einer solchen Rechtslage kann aber bei einem Vertrag, der eine, selbst sehr weitgehende, Ausschließung der Haftung des einen Vertragsteiles zum Gegenstande hat, nicht die Rede sein. Nur dann würde die Nichtigkeit solcher Verträge geltend gemacht werden können, wenn nachgewiesen wird, daß es sich um einen Ausnutzungsvertrag der erwähnten Art handelt. Haftungsausschließungs – Vereinbarungen sind aber ihrem Wesen nach in ihrer Wirksamkeit begrenzt. Nach § 276 BGB hat bei Vertragsverhältnissen der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im voraus erlassen werden. Wenngleich diese Bestimmung nur die eigentliche Vertragsleistung zum Gegenstande hat, muß man doch annehmen, daß auch die weitergehenden Haftungspflichten davon betroffen werden. Liefert also ein technischer Unternehmer wissentlich Maschinen oder Anlagen minderer Qualität, so muß er nicht nur eine Minderung des Kaufpreises gegen sich gelten lassen, sondern er hat auch den weitergehenden Schaden zu ersetzen, selbst dann, wenn er den Schaden nicht vorausgesehen hat, und er kann sich nicht auf eine vertragliche Haftungsausschließung beziehen. Aber auch in Hinsicht auf eine bloße Fahrlässigkeit ist die Wirksamkeit einer Haftungsausschließung zum mindesten zweifelhaft. Leichte Fahrlässigkeit wird man wohl ohne weiteres der Schuldlosigkeit gleichstellen. Wenn etwa ein Maschinenlieferant, der den Alleinvertrieb einer Spezialmaschine hat, die von seiner Fabrik stets in der gleichen guten Qualität und Ausführung geliefert worden ist, diese Maschine ungeprüft weiterliefert, und wenn dann durch die Unverwertbarkeit oder Mängel der Maschine ein Schaden entsteht, daß etwa der Empfänger an der ordnungsmäßigen Fortführung seines Betriebes gehindert ist, so hat der Zwischenhändler nur geringe Schuld, indem er die Maschine ungeprüft weiterbeförderte. In solchen Fällen fordert das Rechtsgefühl, daß es zulässig sein muß, die Haftung auszuschließen, wie bei schuldloser mangelhafter Leistung. . Wäre dagegen auch für grobe Fahrlässigkeit ein Ausschluß der Fahrlässigkeit schlechthin zulässig, so würde das für den Lieferanten ein Recht begründen, mit der größten Leichtfertigkeit den Empfänger in Gefahr zu bringen. In solchen Fällen würde aber neben der Vertragshaftung noch die Haftung wegen unerlaubter Handlung in Frage kommen. Jedermann ist seinen Mitmenschen gegenüber die im Verkehr erforderliche Sorgfalt schuldig, und wer diese Sorgfaltspflicht verletzt, der haftet auf Schadensersatz unabhängig davon, ob zugleich ein Vertragsverhältnis besteht oder nicht, dieser Schadensanspruch ist ein gesetzlicher Anspruch, der nicht vertraglich beseitigt werden kann. Eine gewöhnliche Fahrlässigkeit bei Vertragserfüllung würde noch nicht als ein Verstoß der allgemeinen Pflicht zur Schadensverhütung anzusehen sein, wohl aber eine grobe Fahrlässigkeit. Wenn ein technischer Unternehmer, Installateur oder dergleichen eine elektrische Anlage von einem Angestellten ausführen läßt, ohne sie zu prüfen, und sich dann damit abfindet, daß die Anlage schon brauchbar genug sein würde, so würde darin eine Fahrlässigkeit liegen, die über die bloße Vertragsverletzung hinausgeht, und eine Schadensersatzpflicht aus unerlaubter Handlung begründet. In solchen Fällen würde eine vertragliche Haftungsausschließung dem technischen Unternehmer nicht zugute kommen. Wenn übrigens vertragliche Vereinbarungen über die Ausschließung einer Haftung in sich schon diese Schranken haben, so ist das um so mehr ein Grund, um die Rechtsgültigkeit solcher Vereinbarungen zu bestätigen. Denn wenn von Gesetzes wegen schon für die äußersten Fälle die Interessen des Vertragsgegners geschützt sind, so wird durch eine solche vertragliche Vereinbarung dieses Interesse in keinem Falle in dem Maße beschnitten, daß man hierauf die Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit der ganzen Vereinbarung gründen könnte. Dr. jur. Eckstein.