Titel: Rechts-Schau.
Autor: Eckstein
Fundstelle: Band 332, Jahrgang 1917, S. 295
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Rechts-Schau. Rechts-Schau. Wie weit unterstehen die Nebenbetriebe den Polizeivorschriften des Berggesetzes? Zum Schütze der Sicherheit der in Bergbetrieben beschäftigten Personen haben die Berggesetze eine Reihe von bergpolizeilichen Bestimmungen aufgenommen, so insbesondere über die Zulässigkeit des Betriebes nur auf Grund eines Betriebsplanes und der Uebertragung der Betriebsleitung an Personen mit Befähigungsnachweis und Anzeige der mit der Leitung der Aufsicht usw. beauftragten Person an die Bergbehörde (vgl. im einzelnen §§ 67 ff. des Preuß. Allg. Berg-Ges.). Mit gutem Grunde kann man die Ansicht vertreten, daß sich diese bergpolizeiliche Bestimmung nur auf den Bergbetrieb im engeren Sinne bezieht, nicht dagegen auf Nebenbetriebe, die nicht unmittelbar der Erzeugung und Förderung der Bergprodukte dienen. Das Gesetz ist ein Berggesetz, und nichts wäre näherliegend als die Annahme, daß sich alle Bestimmungen, die nicht offensichtlich weiter greifen, sich auf den Bergbau im engeren Sinne beschränken. Ein Bergwerk, das sich in einem Nebenbetriebe mit der Erz Verarbeitung, der Kokerei, der Erzeugung von Elektrizität zum Betriebe der bergtechnischen Anlagen usw. usw. befaßt, treibt insoweit doch nicht Bergbau. Wenn auch im § 196 Pr. A. B.-Ges. Angestellte usw. auch der Nebenbetrieb einer Bergpolizeiaufsicht unterworfen werden, so rechtfertigt das noch nicht zum Rückschluß auf die allgemeinen Bestimmungen des Berggesetzes. Auch vom technischen und wirtschaftlichen Standpunkt aus wäre eine einschränkende Auslegung des Gesetzes sehr wohl zu rechtfertigen, ja zu wünschen. Es ist jedem unbenommen, den Nebenbetrieb selbst zu betreiben oder im Wege der Veräußerung, der Verpachtung, der Gründung einer selbständigen Gesellschaft usw., von dem Bergwerk loszulösen und wenn das geschieht, so ist kein Zweifel, daß dieser selbständig gewordene Nebenbetrieb nicht den bergpolizeilichen Vorschriften untersteht, sondern den für solche Anlagen besonders gegebenen Vorschriften des Gewerbe- und Polizeirechts. Und wenn nach dieser Richtung hin keine besonderen Anforderungen an die Befähigung der Leiter usw. gestellt werden, so erscheint es unbillig, daß durch die bloße Verbindung mit dem Bergwerk Vorschriften zur Anwendung kommen sollen, die für Betriebe dieser Art nicht zugeschnitten sind, und für deren Anwendung gar kein praktisches Bedürfnis besteht. Es ist auch bezeichnend, daß die erste Autorität auf dem Gebiete des Bergrechts, Brassert, ständig diese Meinung vertreten hat, wenngleich er im einzelnen zu weit gegangen sein mag (so würden zum Beispiel Drahtseilbahnen wohl eher als Bestandteile des Bergwerksbetriebes, nämlich der Förderung der Bergprodukte, anzusehen sein und nicht als bloßer Nebenbetrieb!). Trotz dieser schwerwiegenden Bedenken steht Literatur und Praxis jetzt überwiegend auf einem anderen Standpunkt, und zwar mit Rücksicht auf die Unterstellung der Nebenbetriebe unter die Bergpolizeiaufsicht nach § 196 und mit Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes (die aber für die Auslegung nicht entscheidend sein sollte!) und – eine etwas seltsame Begründung – mit Rücksicht auf die Schwierigkeit, die sonst die Frage der Scheidung zwischen Bergbetrieb und Nebenbetrieb machen würde (als ob nicht jede Scheidung rechtserheblicher, tatsächlicher Begriffe Schwierigkeiten macht, die durch die herrschende Auslegung unseres Falles nur verschoben aber keineswegs aufgehoben werden; jetzt besteht die Schwierigkeit eben in der Scheidung von Nebenbetrieb und selbständigem Betrieb, während sie früher in der Scheidung zwischen eigentlichem Bergbetrieb und Nebenbetrieb bestanden hat). Vergleiche Brassert-Gottschalk Komm. § 67, 2, Klostermann Komm. § 67, 2, und Urteil des Kammergerichts Zeitschrift für Bergrecht 52, 143/5 und 56, S. 276. Jedenfalls muß trotz der unzureichenden Begründung damit gerechnet werden, daß die Praxis auf diesem Standpunkt stehen bleibt. Es ist daher die Befolgung der bergpolizeilichen Vorschriften für sämtliche Nebenbetriebe geboten, bis die Rechtsprechung ihren bisherigen Standpunkt noch einmal revidiert. Dr. jur. Eckstein.