Titel: Ueber das Nacheilen der zwangläufigen Geschwindigkeitsmesser.
Autor: Wilhelm Heyn
Fundstelle: Band 332, Jahrgang 1917, S. 329
Download: XML
Ueber das Nacheilen der zwangläufigen Geschwindigkeitsmesser. Von Dr.-Ing. Wilhelm Heyn in Charlottenburg. HEYN: Ueber das Nacheilen der zwangläufigen Geschwindigkeitsmesser. Die Gruppe der sogenannten zwangläufigen Geschwindigkeitsmesser, wie sie beispielsweise unter den Namen Haushälter – Geschwindigkeitsmesser, Tel-Apparat der Firma Hasler in Bern, Geschwindigkeitsmesser von Flaman, Geschwindigkeitsmesser Protektor usw. in den Handel gebracht werden, ist zu einer großen mechanischen Vollkommenheit gelangt und wird hauptsächlich bei Lokomotiven und Kraftwagen zur Messung der Fahrtgeschwindigkeit benutzt. Gegenüber den kraftschlüssigen Geschwindigkeitsmessern, die teils auf den Gesetzen der Fliehkraftregler beruhen, teils auch elektrische oder magnetische, mitunter auch pneumatische Kräfte verwenden, oder durch Einschaltung eines Reibungsgetriebes mit veränderlichem Uebersetzungsverhältnis nur teilweise Zwangläufigkeit aufweisen, werden die obengenannten Geschwindigkeitsmesser als vollkommen zwangläufig bezeichnet. Ihr Antrieb und die Uebertragung auf die Zeigervorrichtung erfolgt durch ausschließliche Vermittlung fest ineinander greifender. Teile, die jede andere als die gewünschte Bewegung ausschließen, so daß nur durch Bruch irgend eines der Uebertragungsteile eine Störung der Messung eintreten kann. In dem Getriebe ist daher eine große Sicherheit gegen Stöße, Temperaturschwankungen und Einflüsse, die von Beschaffenheit von Reibungsflächen ausgehen, vorhanden. Die Genauigkeit ihrer Anzeige dagegen ist, ebenso wie bei den kraftschlüssigen Geschwindigkeitsmessern, nur in bedingtem Maße vorhanden. Eine nähere Untersuchung der zur Messung benutzten Getriebeverbände lehrt, daß der allen zwangläufigen Geschwindigkeitsmessern gemeinsame Grundgedanke sich nur auf der Messung gleichförmiger Geschwindigkeit aufbaut. Bei ungleichförmiger Geschwindigkeit, wie sie insbesondere bei Kraftwagen die Regel ist, bedingen die kinematischen Beziehungen eine Fehlanzeige, deren Größe von der. herrschenden Beschleunigung oder Verzögerung abhängt, sich aber in verhältnismäßig einfacher Weise berechnen läßt. Diese Fehlanzeige ist vor allem bei größerer zeitlicher Veränderung der zu messenden Geschwindigkeit, also beim Anfahren oder Bremsen stark augenfällig beobachtet und als Nacheilen in der Anzeige bezeichnet worden. Die kurze Beschreibung eines zwangläufigen Geschwindigkeitsmessers, wozu wir das beim bekannten Haushälter-Apparat benutzte Getriebe wählen, soll zunächst dazu dienen, den der Messung zugrunde liegenden Gedankengang aufzufinden und anschaulich zu machen. Die für den Meßvorgang und die Anzeige in Betracht kommenden Teile des Haushälterapparates sind aus Abb. 1 zu entnehmen. Die zu messende Geschwindigkeit wird zwangläufig der Welle a in Form einer Winkelgeschwindigkeit mitgeteilt und durch das darauf befestigte Zahnrad b auf das am Umfang mit feinen in die Zahnlücken von b passenden Rillen versehene Fallstück c übertragen, so daß es durch eine Drehung von b auf der senkrecht stehenden Welle d, mit welcher es durch Feder und Nut verbunden ist, angehoben wird. Da die Welle d von einem Uhrwerk e unter Vermittlung von Vorgelegen f in gleichmäßige Drehung versetzt wird, somit auch das Fallstück c durch die erwähnte Feder mit Nut an dieser gleichmäßigen Umdrehung teilnehmen muß, so wird nach je einer Umdrehung des Fallstückes in gleichen zeitlichen Zwischenräumen eine am äußeren Umfange von c eingefräßte Nut o, deren Breite größer ist als diejenige des Antriebrades b, den Eingriff zwischen b und c unterbrechen. Das Fallstück wird jetzt durch die Schwerkraft aus der angehobenen Stellung, in die es durch den Eingriff mit b gehoben wurde, wieder in die Anfangsstellung zurückfallen, worauf das Spiel von neuem beginnt. Je größer die zu messende Geschwindigkeit ist, je schneller also sich das Antriebrad b dreht, um so höher wird das Fallstück während einer Umdrehung von d steigen. Der Hub des Fallstückes bildet daher ein Maß für die Geschwindigkeit. Textabbildung Bd. 332, S. 329 Abb. 1. Eine Umdrehung des Fallstückes entspricht einem vollständig in sich abgeschlossenen Meßvorgang. Die Messung ist nicht ununterbrochen fortlaufend, sondern zeitweise unterbrochen. Die Anzeige erfolgt durch einen um eine Achse g drehbaren Zeiger h, welcher mittels eines Zahnsegmentes und einer parallel zur Welle d gelagerten Zahnstange i bewegt wird. Die eigentliche Einstellung besorgt ein Anschlagstift k, den die Zahnstange auf der dem Fallstück zugekehrten Seite trägt. Der Anschlagstift spielt zwischen einem am oberen Ende des Fallstückes aufgesetzten ringförmigen Anschlag l und einem steilen Schraubengang m, dessen Steigung durch die größte vom Instrument zu messende Geschwindigkeit bestimmt ist. Der Schraubengang schließt nicht dicht an den Anschlagring an, läßt vielmehr einen dem Durchmesser des Stiftes k entsprechenden Spalt n frei. Seine Lage ist so ermittelt, daß der Stift k eben hindurch gegangen ist, wenn das Fallstück mit dem Zahnrad b außer Eingriff kommt und zu fallen beginnt. Bei gleichförmiger Geschwindigkeit findet keine Verstellung des Zeigers statt, da die Hubhöhe des Fallstückes für jeden Meßvorgang sich gleich bleibt und der Anschlagstift k ohne Lagenänderung durch den Spalt n hindurchgehen kann. Bei zunehmender Geschwindigkeit dagegen wird der Anschlagring l den Stift k nach oben mitnehmen, bei abnehmender Geschwindigkeit der Schraubengang m den Stift k nach unten drücken, so daß durch die Lage des Spaltes n die Einstellung des Zeigers immer am Ende eines Meßvorganges vollzogen ist. Aus der Beschreibung läßt sich folgender Gedankengang herausschälen. Voraussetzung ist, daß die zu messende Geschwindigkeit entweder selbst eine Winkelgeschwindigkeit ist oder durch Abwicklung des Weges, wie es bei Landfahrzeugen der Fall ist, sich in eine solche verwandeln läßt. Diese dem Getriebe des Geschwindigkeitsmessers mitgeteilte Geschwindigkeit wird zwangläufig auf ein Schaltstück c übertragen. Die Verbindung des letzteren mit dem Uebertragungsgetriebe und damit mit der zu messenden Geschwindigkeit wird nach Verstreichen eines durch ein Uhrwerk geregelten Zwischenraumes, weiterhin mit Δt bezeichnet, unterbrochen, so daß es in seine Anfangsstellung zurückkehren kann. Nach einem weiteren Zeitraum Δt1 wird die Verbindung zwischen Schaltstück und zu messender Geschwindigkeit wieder hergestellt und so ein neuer Meßvorgang eingeleitet. Dieser Gedankengang ist allen zwangläufigen Geschwindigkeitsmessern mit zeitweise unterbrochener Messung gemeinsam, auch solchen, bei denen, wie zum Beispiel beim Hans Dahl-Apparat, an Stelle des in der Beschreibung erwähnten Fallstückes ein sich drehendes und unter Federbeeinflussung in die Anfangslage zurückkehrendes Glied tritt. Der Meßvorgang selbst besteht darin, daß innerhalb eines durch ein Uhrwerk gegebenen Zeitabschnittes Δt der Weg des Schaltstückes (durch Einstellung des Stiftes k beim Haushälter-Apparat oder ähnlicher Vorrichtungen bei anderen Instrumenten) bestimmt wird. Da die einzelnen Zeitabschnitte Δt für jeden Meßvorgang gleich groß sind, so sind die gemessenen Weglängen Δs den innerhalb des zugehörigen Zeitraumes herrschenden mittleren Geschwindigkeiten vm proportional, geben also ein Maß für diese ab. Die Gleichung v_m=\frac{\Delta\,s}{\Delta\,t} . . . . . . . (1) spiegelt den Grundgedanken der Messung wieder und läßt ohne weiteres erkennen, daß eine genaue Anzeige nur bei gleichförmiger Geschwindigkeit eintreten kann; bei ungleichförmiger Geschwindigkeit dagegen muß die Anzeige, die proportional der mittleren Geschwindigkeit ist, nach unten oder oben abweichen, je nachdem es sich um eine beschleunigte bzw. verzögerte Bewegung handelt. Die Bestimmung der mittleren Geschwindigkeit ist ein in sich geschlossener Meßvorgang. Durch unmittelbare Aneinanderreihung aufeinander folgender Messungen kann zwar, wenn die Zeitabschnitte Δt sehr klein gewählt werden, eine gute Annäherung an den wirklichen Geschwindigkeitsverlauf erzielt werden, eine genaue Bestimmung der in jedem Augenblick herrschenden Geschwindigkeit v ist jedoch nicht möglich, da diese bei dem gegebenen Aufbau des Getriebes nur als Grenzwert unter Benutzung unendlich kleiner Zeitelemente d t bzw. Wegelemente d s gemäß der Gleichung v=\underset{\Delta\,t=0}{\mbox{lim}}\,\frac{\Delta\,s}{\Delta\,t}=\frac{d\,s}{d\,t} . . . . . . (2) gemessen werden könnte, was schon allein mit Rücksicht auf die nach unten begrenzte mechanische Teilbarkeit nicht mehr ausführbar ist. Die Genauigkeit der Messung einer veränderlichen Geschwindigkeit ist daher bei den zwangläufigen Geschwindigkeitsmessern begrenzt und bedingt immer eine Fehlanzeige, nämlich den Unterschied zwischen v und vm. Oben wurde festgestellt, daß während des Zeitraumes Δt dem Schaltstück die zu messende Geschwindigkeit v zwangläufig mitgeteilt wird. Das durch die Uebertragung gegebene Umsetzungsverhältnis sei mit k und der vom Schaltstück zurückgelegte Weg, von der Ausgangsstellung ab gerechnet, mit σ bezeichnet. So lange die Einschaltung besteht, also während des ganzen Zeitraumes Δt, gilt dann die Gleichung \frac{d\,\sigma}{d\,t}=k\,v . . . . . . (3) Die Länge des Zeitabschnittes Δt erstreckt sich von t1 bis t2 Δt = t2– t1 . . . . . . (4) wenn unter t1 und t2 die absoluten Zeiten, gerechnet vom Beginn des zu messenden Bewegungsvorganges ab, verstanden werden. Für diesen Zeitraum ergibt dann die Integration von Gleichung (3): \sigma_2-\sigma_1=k\,\int_1^2\,v\,d\,t\ .\ .\ .\ .\ . (5) Entsprechend t1 und t2 sollen mit s1 und s2 die in diesen Zeiträumen von der Geschwindigkeitsquelle zurückgelegten Wege benannt werden. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß jeder Meßvorgang mit einer Bewegung des Schaltstückes von der Nullage σ1 = 0, aus beginnt, während selbstverständlich die zeitliche Begrenzung des Meßvorganges auf die Größe des von der Geschwindigkeitsquelle zurückgelegten Weges keinen Einfluß hat, demnach für σ1 = 0 der Weg s1 einen beliebigen Wert haben kann. Es geht Gleichung (5) über in σ2 = k (s2 – s1) (6) wofür wir auch schreiben können \sigma_2=k\,\Delta\,t\,.\,\frac{s_2-s_1}{\Delta\,t}=k\,.\,\Delta\,t\,v_m . (7) Diese Gleichung stimmt sinngemäß mit Gleichung (1) überein, wenn wir uns Δs durch \frac{\sigma_2}{k} ersetzt denken. Die Messung liefert das Ergebnis, daß am Ende des Zeitabschnittes Δt, d.h. nach der Zeit t2, die vom Schaltstück zurückgelegte Wegestrecke σ2 zu der innerhalb des Zeitraumes Δt sich ergehenden mittleren Geschwindigkeit proportional ist. Unter σ'2 wollen wir weiterhin diejenige Wegestrecke verstehen, die sich ergeben würde, wenn die tatsächlich am Ende der Meßzeit Δt herrschende Geschwindigkeit v2 und nicht die mittlere Geschwindigkeit vm angezeigt würde. Dann muß sich σ'2 zu σ2 wie v2 zu vm verhalten. \sigma'_2=\sigma_2\,\frac{v_2}{v_m} . . . . . . . . (8) Unter Zuziehung von Gleichung (7) folgt σ'2= k ∙ Δt v2 . . . . . . . (9) Wir können v2 auch durch die Geschwindigkeit v1 zu Beginn des Zeitraumes Δt und durch die während Δt herrschende Beschleunigung b ausdrücken. Der Unterschied der Wegstrecken σ'2 und σ2 ergibt den gesuchten Fehlbetrag der Messung. \sigma'_2-\sigma_2=k\,.\,\Delta\,t\,\left[v_1+\int_1^2\,v\,d\,t-v_m\right] . (10) Aehnlich wie für v2 können wir auch für vm unter Zuhilfenahme von Gleichung (5) die Beschleunigung b einführen. \sigma_2=k\,\int_1^2\,d\,t\,\int\,b\,d\,t . . . . . . (11) Dies in Gleichung (10) eingesetzt, liefert das Endergebnis \sigma'_2-\sigma_2=k\,.\,\Delta\,t\,\left[v_1+\int_1^2\,b\,d\,t-\frac{1}{\Delta\,t}\,\int_1^2\,d\,t\,\int\,b\,d\,t\right] (12) Hiermit ist der Fehlbetrag in der Messung lediglich als abhängig von der zu messenden veränderlichen Geschwindigkeit sowie den durch die Anordnung des Getriebes gegebenen Werten k und Δt eindeutig bestimmt. In dieser Gleichung ist auch der Fall enthalten, daß bei Beginn des Meßvorganges im Zeitabschnitt Δt zunächst die Geschwindigkeit gleichförmig ist und erst innerhalb Δt in eine ungleichförmige Geschwindigkeit übergeht \int_1^2\,b\,d\,t hat dann zunächst den Wert Null und nimmt erst im Augenblick der Geschwindigkeitsänderung einen reellen Wert an. Es erscheint also, wenn t1 bis tx den Zeitraum der gleichförmigen Bewegung bedeutet, in der Gestalt: \int_1^2\,b\,a\,t=\int_1^{x}\,b\,d\,t+\int_{x}^2\,b\,d\,t=o+\int_{x}^2\,b\,d\,t . (13) Eine zahlenmäßige Auswertung von Gleichung (12) kann nur dann stattfinden, wenn das Gesetz, nach welchem sich die zu messende Geschwindigkeit ändert, bekannt ist. Handelt es sich um Messung einer gleichförmig beschleunigten oder verzögerten Bewegung, ist also b ein unveränderlicher Wert, dann lassen sich die Integrale ohne weiteres auswerten und Gleichung (12) nimmt die Gestalt an: \sigma'_2-\sigma_2=k\,\Delta\,t\,b\,\left[t_1+(t_2-t_1)-\frac{{t_2}^2-{t_1}^2}{2\,\Delta\,t}\right]=\frac{k\,b}{2}\,\Delta\,t^2 (14) Sie läßt den überwiegenden Einfluß, den die Größe von Δt auf die Genauigkeit der Messung ausübt, erkennen und zeigt, daß der Wert des Fehlbetrages während der Dauer der gleichförmigen Beschleunigung sich immer gleich bleibt. Es empfiehlt sich deshalb für den Entwurf neuer Meßapparate Δt so klein zu halten, als es die Abmessungen und die beim Ein- bzw. Auskuppeln des Schaltstückes auftretenden Beschleunigungskräfte im Getriebe gestatten. Das durch Gleichung (12) gefundene Bewegungsgesetz gilt zunächst nur für das Schaltstück, und zwar für den Augenblick der Entkupplung am Ende des Meßabschnittes Δt. Da aber hierbei gleichzeitig der Zeiger, der während der übrigen Zeit unabhängig vom Schaltstück ist und in der Regel nur durch Reibungsschluß, der durch besondere Bremsung vergrößert wird, seine Lage beibehält, ebenfalls zwangläufig eingestellt wird, so gilt Gleichung (12) auch für die Zeigerspitze. Es muß dann nur noch das weiterhin mit γ bezeichnete Umsetzungsverhältnis zwischen dem Weg σ des Schaltstückes und dem Weg bzw. abgewickelten Bogen y der Zeigerspitze berücksichtigt werden. Sinngemäß gilt dann y'2– y2= γ (σ'2σ2) . . . (15) oder y'_2-y_2=\gamma\,k\,.\,\Delta\,t\,\left[v_1+\int_1^2\,b\,d\,t-\frac{1}{\Delta\,t}\,\int_1^2\,d\,t\,\int\,b\,d\,t\right] . (16) Die Anwendung der Gleichung (12) auf die Zeigerspitze bedingt nur den Hinzutritt des unveränderlichen Faktors v. Wie eben erwähnt, erhält der Zeiger im Augenblick der Entkupplung, d.h. im Augenblick der Beendigung eines Meßvorganges die für den Zeitabschnitt Δt maßgebende Stellung und verharrt hierauf bis zu weiterer Beeinflussung im nächstfolgenden neuen Meßabschnitt in Ruhe. Nur bei Beginn der Messung von der Geschwindigkeit v = 0 aus, aber nicht bei Beginn eines beliebigen Meßvorganges, wird während des ganzen ersten Zeitabschnittes Δt die Bewegung des Zeigers vom Schaltstück geregelt. Im nächstfolgenden Meßabschnitt steht der Zeiger bereits auf der der mittleren Geschwindigkeit vm des ersten Zeitabschnittes entsprechenden Stellung, wird also erst nach Erreichung des zugehörigen Schaltweges σ1 vom Schaltstück weiterbewegt werden. (Schluß folgt.)