Titel: Ueber die Selbsterhitzung von Getreide und anderen Nährstoffen.
Autor: J. F. Hoffmann
Fundstelle: Band 333, Jahrgang 1918, S. 64
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Ueber die Selbsterhitzung von Getreide und anderen Nährstoffen. Von Professor J. F. Hoffmann †, Berlin. HOFFMANN: Ueber die Selbsterhitzung von Getreide und anderen Nährstoffen. I. Einleitung. Die Ueberschrift könnte vermuten lassen, daß der hier behandelte Gegenstand eigentlich besser in eine landwirtschaftliche Zeitschrift paßt. Wie man aus dem Inhalt erkennen wird, ist dieses nicht der Fall, sondern es werden mathematische und physikalische Dinge behandelt, die mehr den Ingenieur interessieren. Die Grundlagen der Selbsterhitzung, welche hier besprochen werden, beziehen sich nicht allein auf Getreide, sondern zum Beispiel auch auf Steinkohlen. Einzelne Unterschiede sind natürlich vorhanden. So fehlt den Steinkohlen die in der Atmung gebotene Wärmequelle. Dafür sind aber gemäß den Entstehungsbedingungen der Steinkohle ungesättigte Kohlenwasserstoffe vorhanden, auch Wasserstoff im aktivierten Zustande, der sich besonders leicht oxydiert. Diese Stoffe liefern durch ihre Oxydation die hauptsächlichste Wärmequelle für die Selbsterhitzung der Steinkohle. Stark befördert wird die Oxydation durch Staubbildung, weil 1 kg feiner Bestandteile eine viel größere Oberfläche besitzt als ein festes Kohlenstück von 1 kg Gewicht, und weil die Oxydation mit der Zunahme der Oberfläche wächst. Die Schwefelverbindungen haben für die Kohlenlagerung im allgemeinen keine Bedeutung. Es gibt aber auch Steinkohlen mit beträchtlichem Schwefelgehalt; ist Wasser vorhanden, dann oxydiert der Schwefel verhältnismäßig rasch unter entsprechender Wärmeentwicklung. Dieser Beitrag kann die Selbsterhitzung des Kohlenhaufens zur Katastrophe führen. Für den Ingenieur hat der vorliegende Gegenstand auch insofern Interesse, als die Selbsterhitzung sich in den meisten Fällen in Speichern und Scheunen vollzieht, bei welchen die Lüftungs- und Grundwasserverhältnisse, der Baustoff, die innere Einrichtung und anderes von Einfluß sind. Im einzelnen ist dieser Einfluß meist gering, aber ihr Zusammenwirken kann den Gefahrzustand entsprechend erhöhen. Was nun die Stoffe anbetrifft, über die wir hier zu sprechen haben, so hat die Erwärmung ihre Grundlage in der Atmung der Pflanzen und Pflanzenteile und ferner in der Mitwirkung der Mikroben (Bakterien und Schimmelpilze).Die Versuche des Verf., die sich auf den vorliegenden Gegenstand beziehen, sind im Institut für Gärungsgewerbe, Berlin, ausgeführt worden. Die Atmung, wodurch die Reservestoffe verbraucht werden, erfolgt entweder mit oder ohne Zutritt des Luftsauerstoffes. Im ersteren Falle haben wir es mit einer vollkommenen Verbrennung zu tun, welche der Hauptsache nach zur Bildung von Wasser und Kohlensäure führt, während die unvollkommene (innere, intramolekulare) Atmung, welche zum Beispiel bei der Gärung von Zuckerlösungen eine wesentliche Rolle spielt, zu einem großen Teil mit weniger abgebauten Stoffen endet. In der Wirklichkeit laufen beide Vorgänge nebeneinander her. Die Hefe absorbiert mit großer Gewalt den Sauerstoff, sobald sie ihn nur zu erlangen vermag, und in diesem Falle wird der durch die intramolekulare Atmung erzeugte Alkohol zum Teil weiter oxydiert, während die Hefe eine raschere Vermehrung zeigt. Die intramolekulare Atmung erzeugt aus der Gewichtseinheit der gebotenen Nährstoffe erheblich weniger Wärme als die vollkommene Atmung, trotzdem besitzt erstere für die Selbsterhitzung die maßgebendere Bedeutung. 1 kg. nasses Getreide liefert nämlich im Innern des Häufchens nur eine geringe Temperaturerhöhung; sind dagegen viele Zentner des Getreides im nassen Zustande 10 oder 20 m hoch aufgeschüttet, so wird es wahrscheinlich in Flammen aufgehen, wenn man es nicht rechtzeitig abräumt. Der scheinbare Widerspruch, daß bei guter Verteilung des Materials wegen der stärkeren Oxydation mehr Wärme erzeugt wird, während bei aufgehäuftem Material, trotz, geringerer Wärmeentwicklung in der Gewichtseinheit, höhere Temperaturen auftreten, hängt damit zusammen, daß die Wärmeentwicklung mit dem Körperinhalt, also mit der dritten Potenz des Radius, die Sauerstoffeinwirkung dagegen nur mit der Körperoberfläche der betrachteten Masse, also mit dem Quadrat des Radius wächst. Entwickelt die Raumeinheit einer Kugel vom Radius r je eine Wärmeeinheit in der Zeiteinheit, dann müssen im stationären Zustande durch die Einheit der Oberfläche die Wärmemengen. \frac{J}{O}=\frac{4/3\,r^3\,\pi}{4\,r^2\,\pi}=\frac{r}{3}\,W\,E. entweichen. Die durch die Oberflächeneinheit entweichende Wärmemenge wächst also mit dem Radius; die Oberfläche muß infolgedessen bei gleichbleibenden Außenverhältnissen eine umso höhere Temperatur annehmen, je größer der Kugelradius ist. Infolge des hierbei bestehenden Temperaturgefälles muß die Temperatur des Mittelpunktes der Kugel gleichfalls umso höher sein, je größer der Radius ist. Das Temperaturgefälle hängt von verschiedenen Bedingungen ab. Eine besondere Verwicklung wollen wir ausschalten durch die Annahme, daß Kugeln verschiedenster Größe eine Oberflächentemperatur von 0° C haben, indem vorausgesetzt wird, daß die betr. Heu- oder Getreidehaufen sich in Räumen oder auch im Freien von entsprechend kühler Umgebungstemperatur befinden. Für die Praxis sind Heu- und Getreidehaufen als die wichtigsten, zur Selbsterhitzung neigenden Nährmaterialien zu betrachten. Während das erstere hoch aufgehäuft im Freien lagert und fast immer einen erwünschten Selbsterhitzungsprozeß erleidet, welcher in der Regel bald vorüber ist, wird das Getreide meist frühzeitig in Scheunen und, wenn es ausgedroschen ist, in Speicher übergeführt. In den Speichern lagert das Getreide in kantigen oder zylindrischen Behältern, deren Inhalt vielfach in die hunderte, zuweilen sogar in die tausende von m3 geht. Diese Behälter sind in der Regel unten mit einem Trichter versehen, mit dessen Hilfe das Getreide leicht entfernt werden kann. Sie werden Silozellen oder Siloschächte oder auch einfach Silos genannt, haben eine Höhe bis zu 30 m, einen Durchmesser bis über 10 m und stehen gewöhnlich in größerer Anzahl nebeneinander, so daß vielfach Getreidemassen von mehr als 10000 t, zuweilen auch bis zu 100000 t in Frage kommen. In solchen großen Schächten können leicht Selbsterhitzungen auftreten, wenn das Getreide zu feucht eingelagert ist, oder zu lange Zeit lagert, ohne umgearbeitet zu werden. Die Nachricht von Selbsterhitzungen in amerikanischen Speichern veranlaßt regelmäßig große Beunruhigungen an den amerikanischen Getreidebörsen, woraus ohne weiteres zu schließen ist, daß sehr bedeutende Schäden in Frage kommen können. Das beste Mittel, die Selbsterhitzung des Getreides zu verhindern oder wenigstens zu verzögern, ist die künstliche Trocknung vor dem Einlagern. Dem Verfasser sind verschiedene Fälle der Selbsterhitzung bekannt geworden. In einem Falle, der näher studiert werden konnte, betrug der später festgesetzte Schaden etwa 40000 M, wobei es sich um ein verhältnismäßig kleines Kornhaus handelte.Den Schaden, welchen die deutsche Ernte durch Atmung, Muffigwerden und Selbsterhitzung erleidet, besprechen wir in einer landwirtschaftlichen Zeitschrift. Die nachfolgende Berechnung soll zeigen, welche Temperaturerhöhungen bei der Selbsterhitzung großer Getreidemassen auftreten können. Auch fernerhin werden wir der Einfachheit wegen Kugeln betrachten, deren Oberfläche die Temperatur von 0° C hat. 2. Die Temperaturgleichung. Die Inhaltseinheit einer Kugel vom Radius R soll in der Zeiteinheit die Wärmemenge w entwickeln. Im stationären Zustande wird für die Kugelschicht mit den Radien r und r + dr im Innern der Kugel die Gleichung gelten \frac{4}{3}\,r^3\,\pi\,w=-4\,\pi\,k\,r^2\,\frac{d\,T}{d\,r}, wo k das innere Wärmeleitungsvermögen und T die Temperatur der betrachteten Kugelschicht bedeutet. Aus der Gleichung d\,T=-\frac{w}{3\,k}\,r\,d\,r . . . . (1) folgt durch Integration T_0-T_{\mbox{R}}=-\frac{w}{3\,k}\,\left[\frac{r^2}{2}\right]_{\mbox{R}}^0=\frac{w}{6\,k}\,R^2 . . (2) Die Temperatur der Kugeloberfläche TR ist hier = 0, diejenige des Mittelpunktes = T0 gesetzt. In der Wirklichkeit liegen die Verhältnisse bedeutend verwickelter, als durch Gl. (2) zum Ausdruck gebracht wird, weil sowohl die Wärmeerzeugung als auch das innere Wärmeleitungsvermögen mit der Temperatur wächst. Wird eine lineare Zunahme vorausgesetzt, dann haben wir w = w0(1 + aT), k = k0(1 + bT). Dann nimmt Gl. (1) die Form an d\,T=-\frac{w_0}{3\,k_0}\,\frac{1+a\,T}{1+b\,T}\,r\,d\,r . . . (3) Aus dieser Gleichung läßt sich der Durchmesser einer Kugel berechnen, wenn die Temperatur des Mittelpunktes gegeben ist und die übrigen Größen bekannt sind; schwieriger ist die Aufgabe, aus dem gegebenen Radius das Temperaturmaximum zu berechnen. Aus Gl. (3) wird r\,d\,r=-\frac{3\,k_0}{w_0}\,\frac{1+b\,T}{1+a\,T}\,d\,T . . . (4) Man erhält für 1 + aT = y: r\,d\,r=-\frac{3\,k_0}{w_0}\,\frac{1+\frac{b}{a}\,(y-1)}{y}\,\frac{d\,y}{a} . . . (5) Hiermit wird \frac{r^2}{2}=-\frac{3\,k_0}{w_0}\,\frac{b}{a^2}\,\int\,\left[\left(\frac{a}{b}-1\right)\,\frac{d\,y}{y}+d\,y\right] . (6) für r = 0 ist T = T0 und y = 1 + aT0, für r = R ist T = TR = 0 und y = 1. Die Integration zwischen diesen Grenzen gibt \left[\frac{r^2}{2}\right]_{\mbox{R}}^0=-\frac{3\,k_0}{w_0}\,\frac{b}{a^2}\,\left[\left(\frac{a}{b}-1\right)\,ln\,y+y\right]_1^{1+\mbox{a\,T}_0} (7) und \frac{R^2}{2}=\frac{3\,k_0}{w_0}\,\frac{b}{a}\,\left[\left(\frac{1}{b}-\frac{1}{a}\right)\mbox{ ln }(1+a\,T_0)+T_0\right] (8) In der Regel wird man die Gleichung wohl am besten in der Form verwenden \frac{R^2\,w_0\,.\,a}{6\,N\,k_0\,b}=Q=\mbox{ln }(1+a\,T_0)+\frac{T_0}{N} . . (9) wo noch N=\frac{1}{b}-\frac{1}{a} gesetzt ist. 3. Die Wahl der Eigenschaftsgrößen. a) Das innere Wärmeleitungsvermögen k0 kann für wasserfreie Pflanzennähr- und Futterstoffe bei etwas Luftgegenwart mit 0,1 angenommen werden; d.h. ein Würfel von 1 m Kantenlänge würde an zwei entgegengesetzten Flächen, wenn senkrecht zu ihnen in der Stunde 0,1 WE hindurchtreten, einen Temperaturunterschied von 1° C aufweisen. Die Temperatursteigerung erhöht das Wärmeleitungsvermögen, und es kann angenommen werden, daß bei 500° C Temperatursteigerung eine Verdoppelung des inneren Wärmeleitungsvermögens stattfindet. In Gl. (8) wäre also b = 0,002 zu setzen. Ferner wird das Leitungsvermögen durch den Wassergehalt des Materials beeinflußt. Getreide mit 12 v. H. Wasser kann im allgemeinen als haltbar bezeichnet werden, d.h. es kann in mäßig großen Siloschächten längere Zeit lagern, ohne muffig, schimmlig oder warm zu werden. Wird das Leitungsvermögen des Wassers zu 0,5 gesetzt (Hütte 1915 S. 386), dann ist diejenige des Getreides \frac{12\,.\,0,5+88\,.\,0,1}{100}=0,15. Das deutsche Getreide hat einige Zeit nach der Ernte in der Regel einen Wassergehalt von 18 bis 19 v. H. Eine große Menge Getreide ist erheblich wasserreicher, und man findet nicht selten ausgedroschene Getreideposten von 25 v. H. Wassergehalt hoch aufgestapelt. Diese drei Wassergehalte wollen wir berücksichtigen und finden k0(12) = 0,15, k0(18) = 0,17 und k0(25) = 0,20. Für verschiedene Temperaturen setzen wir infolgedessen entweder k(12) = 0,15 (1 + 0,002 T) oder k(18) = 0,17 (1 + 0,002 T), oder k(25) = 0,20 (1 + 0,002 T). b) Die Wärmeerzeugung w hängt von der Temperatur und vom Wassergehalt ab. Nach unseren Atmungszahlen, welche sich auf die Bestimmung der Kohlensäure- und Wasserdampfabgabe von Gersten beziehen, müssen wir annehmen, daß eine Temperatursteigerung von 10° C fast eine Verdoppelung der ausgeatmeten Kohlensäuremenge veranlaßt. Hiernach würden wir in die Beziehung w = w0 (1 + aT) den Wert a = 0,1 einzuführen haben. In noch höherem Maße als von der Temperatur hängt die Wärmeentwicklung vom Wassergehalt ab. Nach unseren Kohlensäurezahlen können wir annehmen, daß 1 m3 Getreide abgerundet folgende Wärmemengen entwickelt: Bei 12 v. H. Wassergehalt 1 WE, bei 18 bis 19 v. H. Wasser 10 WE und bei 25 v. H. Wasser 100 WE Setzt man diese Werte in Gl. (9) ein, dann erhält man bei wasserarmem Material für kleinere Kugeln, deren Temperatur im Mittelpunkt 100° C nicht übersteigt, Werte, welche mit jenen der Praxis im Durchschnitt einigermaßen im Einklänge stehen. Für größere Kugeln gelangen wir jedoch besonders bei nassem Material zu fabelhaft hohen Temperaturen, von welchen nicht anzunehmen ist, daß sie den Vorgängen in der Praxis entsprechen. Die Ursache der mangelnden Uebereinstimmung liegt in der Wasserverdunstung bei höheren Temperaturen. Durch die Temperaturerhöhung wird nicht nur das infolge der kapillaren Kräfte festgehaltene Wasser verdunstet, sondern durch den Atmungsprozeß und durch die Mikrobenvermehrung wird auch eine Menge neues Wasser erzeugt, welches gleichfalls verdunstet. Eine weitere Verringerung der Temperatursteigerung wird dadurch veranlaßt, daß infolge des intramolekularen Atmungsprozesses Alkohole, Säuren und andere Stoffe erzeugt und abgegeben werden. Wie schon bemerkt, entwickeln sich hierbei geringere Wärmemengen, als wenn der völlige Abbau zu Kohlensäure und Wasser erfolgt. Dagegen tritt eine Beschleunigung der Wärmeerzeugung auf, wenn die Temperatur in irgend einem Teile der Kugel nach der Austrocknung bei etwa 130 bis 150° C angelangt ist; dann beginnen nämlich die Eiweißstoffe zu zerfallen und die Fette zeigen eine starke Begier, den Sauerstoff zu absorbieren. Damit beginnt eine stärkere Steigerung der Temperatur, welche besonders rasch weitersteigt, wenn bei etwa 200° C die Kohlenhydrate in Kohle und Wasser zerfallen. Hierbei können theoretisch Temperatursteigerungen von mehr als 500° C auftreten.Das Versuchskornhaus und seine wissenschaftlichen Arbeiten S. 243. Paul Parey, Berlin. Die infolge dieses Umstandes entstehende Kohle absorbiert mit großer Begierde Sauerstoff, der in den Haufen eindringt und die Temperatur so weit steigern kann, daß ein Flammenausbruch erfolgt. Ist die Kugel klein genug, dann erfolgt dieser Flammenausbruch nicht und die Kugel kühlt sich verhältnismäßig rasch ab. Aus diesen Erörterungen geht hervor, daß der Wert von a sehr wechselt, indem er beeinflußt wird durch Wärme bindende und durch Wärme erzeugende Vorgänge. Es ist daher unmöglich, in Gl. (9) einen zutreffenden Mittelwert für a einzusetzen. Um aber in dem für uns wichtigsten Falle dem Einfluß der Verdunstung und anderer Wärme bindender Vorgänge Rechnung zu tragen, wollen wir als Mittelwert a = 0,01 setzen. Man wird dann ziemlich sicher sein können, daß die von uns berechneten Temperaturen eher zu niedrig als zu hoch sein werden. Nur in dem folgenden, für 100° C geltenden Beispiel soll des Vergleichs wegen auch a = 0,1 angewendet werden. 4. Anwendungsbeispiele. a) Beispiele für T = 100° C. R wird gesucht. In Gl. (9) ist für a = 0,1 N = 490; für a = 0,01 ist N = 400; ferner setzen wir in allen Fällen b = 0,002; damit wird folgende Aufstellung erhalten: Wassergehalt 0 12 18 25 v. H. Wärmeerzeugung w0 0 1 10 100 WE/m3 Wärmeleitung k0 0,1 0,15 0,17 0,2 WE (m st ° C) Radius R (a = 0,1) 4,79 1,61 0,553 m Radius R (a = 0,01) 8,24 2,77 0,950 m Vergleichen wir diese Zahlen mit den Erfahrungen der Praxis, so haben wir den Eindruck, als ob für frisches Getreide etwa a = 0,1, für künstlich getrocknetes Getreide mit dem gleichen Wassergehalt a = 0,01 in Frage kommen wird. Zwischen diesen beiden Werten wird das a für natürlich ausgetrocknetes, gelagertes Getreide liegen. Denn frisches Getreide ist infolge des Vorganges der Nachreife und infolge der stärkeren Tätigkeit (Virulenz) der auf ihm befindlichen Bakterien und Schimmelpilze mehr zur Erwärmung geneigt, als längere Zeit gut gelagertes und gut gelüftetes Getreide. Das künstlich getrocknete Getreide hat an seiner Oberfläche nur noch wenig Mikroben, und die Samenruhe ist durch den Trocknungsprozeß früher und vollständiger eingetreten. Nachfolgend geben wir eine Abbildung und eine Aufstellung, aus welcher bei gegebener Temperatur zu T [ln (1 + aT) +\frac{T}{400}= = Q] R2 R 1 + aT 5 0,04879   0,0125 0,06129   4,477   2,12 10 0,09531   0,025 0,12031   8,660   2,94 1,1 20 0,18232   0,05 0,23232   16,73   4,09 1,2 30 0,26236   0,075 0,33736   24,29   4,93 1,3 40 0,33647   0,1 0,43647   31,43   5,61 1,4 50 0,40547   0,125 0,53047   38,19   6,18 1,5 60 0,47000   0,15 0,62000   44,64   6,68 1,6 70 0,53063   0,175 0,70563   50,81   7,13 1,7 80 0,58779   0,2 0,78779   56,71   7,53 1,8 90 0,64185   0,225 0,86685   62,41   7,90 1,9 100 0,69315   0,25 0,94315   67,90   8,24 2,0 120 0,78845   0,30 1,08845   78,38   8,85 2,2 140 0,87546   0,35 1,22546   88,22   9,39 2,4 160 0,95551   0,40 1,35551   97,59   9,88 2,6 180 1,02961   0,45 1,47961 106,5 10,32 2,8 200 1,09861   0,5 1,59861 115,1 10,73 3,0 400 1,60944   1,0 2,60944 187,9 13,71 5,0 800 2,19822   2,0 4,19722 302,1 17,88 9,0 1000 2,39790   2,5 4,89790 352,6 18,78 11,0 10000 4,61512 25 29,61512 213,4 46,2 101,0 ersehen ist, welche Radien die betreffenden Getreidekugeln haben werden, um eine bestimmte Temperatur des Mittelpunktes zu erreichen. Angenommen ist ein Wassergehalt von 12 v. H. Wir sehen aus dieser Aufstellung, daß in einer Kugel von 5 m Halbmesser eine Temperatur von etwa 30° C und in einer Kugel von 10 m Halbmesser eine Temperatur von etwa 160° C, auftreten kann. Uns will im Einklang mit den vorstehenden Erörterungen scheinen, daß diese Temperaturen für Getreide passen, welches künstlich getrocknet worden ist. Hervorzuheben ist noch, daß der stationäre Zustand um so später erreicht wird, je größer der Haufen ist. Aus der Praxis liegen leider nur wenig Angaben vor, und man erfährt eigentlich von Selbsterhitzungen erst dann, wenn, wie im folgenden Falle, bedeutende Schädigungen eingetreten sind, und die Feuerversicherungen haftbar gemacht werden sollen. Textabbildung Bd. 333, S. 66 b) Ueber die Selbsterhitzung eines Haferpostens. Eine der neuesten Mitteilungen, die Verfasser erhielt, bezog sich auf die Selbsterhitzung eines ungedroschenen Haferpostens, der 7 m Höhe, 6 m Breite und 9,9 m Tiefe aufwies. Da der Hafer im Halm lagerte, so war sein Gewicht pro m3 erheblich geringer, als wenn ausgedroschene Ware in Frage gekommen wäre. Für die Temperatursteigerung ist im wesentlichen die geringste Entfernung von der Oberfläche maßgebend, und wir denken uns in dem betrachteten Haufen eine Kugel mit 3 m Halbmesser. Den Wassergehalt können wir mit 25 v. H. annehmen. Was nun die Wärmeentwicklung anbetrifft, so haben wir oben für 25 v. H. Wassergehalt w0 = 100 angenommen. Nun ist allerdings Hafer wegen seines hohen Fettgehaltes zur Erhitzung besonders geneigt, dagegen ist die Masse pro m3 geringer, weil der Hafer im Halm lagerte; ferner besitzt der Halm infolge seiner chemischen Zusammensetzung eine geringere Neigung zur Selbsterhitzung; infolgedessen wollen wir w0 = 80 setzen. Eine niedrigere Zahl wählen wir schon deshalb nicht, weil der Halbmesser mit 3 m etwas zu gering ist. Wie bisher ist k(25) = 0,2 für 25 v. H. Wassergehalt, ferner ist a = 0,01 angenommen, weil sehr bedeutende Wassermengen zur Verdunstung gelangen. Aus diesen Werten ergibt sich Q = 7,5 und aus unserer Tafel erkennen wir, daß für diesen Wert von Q die Temperatur zwischen 1000 und 10000° C liegen muß. Durch Proportionsbildung erhalten wir nach obenstehender Abbildung \frac{T_{\mbox{x}}-T_1}{T_2-T_1}=\frac{Q_{\mbox{x}}-Q_1}{Q_2-Q_1} . . . . (10) Hier gelten Q2 und T2 für 10000° C, Q1 und T1 für 1000° C, Qx und Tx für die gesuchte Temperatur. Verbindet man die Punkte QxTx mit Q2T2, dann geht diese Linie nicht durch QxTx. Wird demnach Qx = 7,5 gesetzt, so erhält man für Tx nicht den wahren gesuchten Wert, sondern einen Annäherungswert. Mit Hilfe der Gl. (10) und indem Qx = 7,5 gesetzt wird, erhalten wir also den Annäherungswert T_{\mbox{x}}=\frac{9000\,.\,2,602}{24,717}+1000=1947^{\circ}\mbox{ C}. Diesen Wert setzen wir in Gl. (9) ein und finden Q=\mbox{ln }(1+19,47)+\frac{1947}{400}=7,8866. Da Q zu groß geworden ist, so wissen wir jetzt, daß auch der Annäherungswert T = 1947 zu groß ist. Infolgedessen setzen wir in Gl. (9) den niedrigeren Wert T = 1800° C ein und erhalten aus dieser Gleichung Q=\mbox{ln }(1+18,00)+\frac{1800}{400} den Wert Q = 7,444, also einen Wert, der schon sehr nahe an 7,5 liegt, so daß die gesuchte Temperatur ganz in der Nähe und etwas über 1800° liegen muß. Mit Hilfe dieses Wertes und der Gl. (10) können wir eine neue Proportion bilden, in welcher T1 = 1800, Q1 = 7,444, T2 = 1947, Q2 = 7,8866, ferner Qx = 7,5 gesetzt wird. Diese Proportion ergibt: \frac{T_{\mbox{x}}-1800}{1946-1800}=\frac{7,5-7,444}{7,8866-7,444} und Tx = 1818° C. Setzen wir diesen Wert in Gl. (9) ein, dann erhalten wir Q = 7,5. Die gesuchte Temperatur ist also in der Tat 1818° C. Die einfache Proportionsbildung ist nur zweimal vorgenommen worden und hat dann schon zum richtigen Ergebnis geführt, so daß man das Verfahren als einfach ansehen kann. Der Mathematiker ist jedoch damit nicht zufrieden und wählt ein anderes, konkreteres Verfahren, wobei die folgende bekannte Gleichung gewählt wird: \mbox{ln }(y+z)=\mbox{ln }y+2\,\left[\frac{z}{2\,y+z}+\frac{1}{3}\,\left(\frac{z}{2\,y+z}\right)^3+\frac{1}{5}\,\left(\frac{z}{2\,y+z}\right)^5+\ .\ .\ .\ .\ .\right] . (11) Diese Reihe gilt in den Grenzen -1\,<\,\frac{z}{2\,y+z}\,<\,+1\mbox{ oder }0\,<\,y\,<\,\infty und ist stark konvergent. Die vorstehende Gleichung läßt sich natürlich auch in der Form verwenden, daß z = 1 gesetzt wird. In Gl. (9) können wir 1 + 0,01 T = y + z setzen. Ist hierin 0,01 T gegenüber 1 und y gegenüber z groß, dann ist y = 0,01 T oder T = 100 y angenähert gleich der gesuchten Temperatur. Oben wurde durch Proportionsbildung der angenäherte Wert 1947° gefunden, den wir auf 2000° abrunden, so daß y = 20 wird. Da nun y + z = 0,01 T + 1 und 2 y + z = 1 + 0,01 T + y ist, wird der Bruch \frac{z}{2\,y+z}=\frac{(1+0,01\,T)-y}{(1+0,01\,T)+y} oder mit dem Annäherungswert y = 20: \frac{z}{2\,y+z}=\frac{0,01\,T-19}{0,01\,T+21}. Durch Einsetzen dieses Wertes erhält Gl. (9) die Form Q=7,5=\frac{T}{400}+ln\,20+2\,\left[\frac{0,01\,T-19}{0,01\,T+21}+\frac{1}{3}\,\left(\frac{0,01\,T-19}{0,01\,T+21}\right)^3+\ .\ .\ .\ .\right]. Die Reihe müßte nun daraufhin ausprobiert werden, welche Glieder der eckigen Klammer zu berücksichtigen sind. Betrachtet man die Gleichungen a) 7,5=\frac{T}{400}+\mbox{ln }20 b) 7,5=\frac{T}{400}+\mbox{ln }20+2\,\left[\frac{0,01\,T-19}{0,01\,T+21}\right] c) 7,5=\frac{T}{400}+\mbox{ln }20+2\,\left[\frac{0,01\,T-19}{0,01\,T+21}+\frac{1}{3}\,\left(\frac{0,01\,T-19}{0,01\,T+21}\right)^3\right] usw., so sieht man, daß a) linear ist, b) quadratisch, c) biquadratisch usw. Die Gl. (c) verursacht bereits Schwierigkeiten, welche bei der Berücksichtigung weiterer Klammerglieder sich im entsprechenden Maße steigern. Führt man die Rechnung durch, so ergibt sich aus Gleichung (a) T = 1801,7, (b) T = 1818,4, (c) T = 1818,4. Hieraus folgt, daß in der eckigen Klammer bereits das zweite Glied vernachlässigt werden kann, während das erste Glied, je nach den Ansprüchen, zu berücksichtigen ist. Multipliziert man Gl. (b) mit 400, dann wird 3000=T+400\mbox{ ln }20+800\,\frac{(0,01\,T-19)}{0,01\,T+21}. Um bequemere Zahlen zu erhalten, setze man 0,01 T – 19 = x, also 0,01 T + 21 = x + 40 und T = 100 x + 1900, dann wird 30=x+19+4\mbox{ ln }20+\frac{8\,x}{x+40}. Hieraus ergibt sich die quadratische Gleichung             x2 + (48 + 0,9829) x = – 40 . 0,9829, oder     x2 + 48,9829 x = 39,316. Die Ausrechnung gibt                     x = – 24,50 ± √560,9 oder             x = – 0,82, x2 = – 47,18. Da x = 0,01 T – 19 und für den Annäherungswert T = 2000 der Wert x ungefähr 1 ist, so kommt nur der Wert x1 = – 0,82 in Frage, während x2 = – 47,18 für uns keine Bedeutung hat. Infolgedessen wird – 0,82 = 0,01 T – 19 und T = 1900 – 82 = 1818° C. Das ist der gleiche Wert, den wir auch nach dem anderen Verfahren gewonnen haben. Was nun die Temperatur von rund 1800° C anbetrifft, so ist man gegenwärtig außerstande zu beurteilen, ob sie in Wirklichkeit hätte erreicht werden können. Vor der Hand ist es nicht möglich, für die Konstanten zuverlässigere Werte einzusetzen. Andererseits muß mit der Möglichkeit einer hohen Temperatur gerechnet werden; denn die dem Verfasser zugegangene Mitteilung weist darauf hin, daß die Abräumung des erhitzten Hafers durch die Feuerwehr erfolgen mußte, weil mit einem Brandausbruch gerechnet wurde. Dieser ist durch die sorgfältige Handhabung vermieden worden. Hier hat der Wind, selbst in geschlossenen Räumen, einen wichtigen Einfluß. Hätte man das Abräumen nur noch kurze Zeit hinausgeschoben, dann wäre ein Brandausbruch unvermeidlich gewesen. Die Temperatur ist infolge des rechtzeitigen Abräumens nicht so weit gestiegen, wie sie unter den vorliegenden Bedingungen hätte steigen können. –––––––– Anmerkung der Schriftleitung: Der Verfasser, der vor kurzem verstorben ist, hat eine Korrektur des Aufsatzes nicht mehr lesen können.