Titel: Ueber die Anfahrbeschleunigung bei Koepefördermaschinen.
Autor: K. Moegelin
Fundstelle: Band 333, Jahrgang 1918, S. 211
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Ueber die Anfahrbeschleunigung bei Koepefördermaschinen.Diese Arbeit ist die preisgekrönte Lösung der von der Bergbauabteilung der Kgl. Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg für das Jahr 1918 gestellten Preisaufgabe. Von K. Moegelin, Bergbaubeflissener, Berlin-Charlottenburg. MOEGELIN: Ueber die Anfahrbeschleunigung bei Koepefördermaschinen. 1. Einleitung, Für die Koepeförderung ist wesentlich die Anwendung der Koepe- oder Treibscheibe, an welcher als Uebertragungsmittel der von der Fördermaschine erzeugten Kräfte die Reibung benutzt wird, und zwar die Reibung des Förderseiles in der Nut der Treibscheibe. Die Größe dieser Kraftübertragung ist bedingt durch die Größe der Reibung. Nach ihr wird sich wieder die Förderleistung richten, da andernfalls die Kraftübertragung versagen und das Seil auf der Treibscheibe gleiten wird. Die Anfahrbeschleunigung übt nun einen großen Einfluß auf das Krafterfordernis im Förderbetriebe aus, denn außer den zum Heben der unausgeglichenen Gewichte nötigen Kräften treten die Beschleunigungskräfte auf. Die Beschleunigung darf daher nur so weit vergrößert werden, daß der dadurch bedingte Kraftaufwand die Größe der Reibung nicht übersteigt. Der Grenzwert der Anfahrbeschleunigung, d.h. der Wert, bei dem die Beschleunigungskräfte gerade die Grenze der Reibungsübertragung an der Koepescheibe erreichen, ist die höchstmögliche Anfahrbeschleunigung p, aus der sich durch Einfühlung einer Sicherheitszahl die zulässige Anfahrbeschleunigung pz ergibt: p_{\mbox{z}}=\frac{p}{\frakfanily{S}} Die rechnerische Auswertung dieser Anfahrbeschleunigung ist in der technischen Literatur verschiedentlich angestrebt worden, immer aber sind dabei Schwierigkeiten in der zahlenmäßigen Erfassung verschiedener Größen aufgetreten. Und wenn nun auch im Laufe der Zeit Versuche und Erfahrungen eine Abschätzung dieser Größen ermöglicht haben, so können die erzielten Ergebnisse doch nicht völlig befriedigen, da die von verschiedenen Seiten angestellten Versuche Abweichungen voneinander aufweisen. Diese verschiedenen Ergebnisse sollen im Folgenden einer vergleichenden und kritischen Durchsicht unterzogen werden. An erster Stelle will ich die für die zulässige Anfahrbeschleunigung aufgestellten Formelausdrücke entwickeln. 2. Die für die Anfahrbeschleunigung auf gestellten Formelausdrücke. Als Abkürzungen seien in den folgenden Abschnitten verwendet: G1 wirksames Seilgewicht am Nutzlastende, G2 wirksames Seilgewicht am Totlastende; d.h. Seilgewicht in Länge der Teufe (Hängebank-Füllort) bei Flurförderung, in Länge der Teufe + Höhe des Fördergerüstes bei Turmförderung, G' Gewicht des Seilstückes zwischen Treibscheibe und je einer Seilscheibe, Su quadratisch auf den Umfang bezogenes Seilscheibengewicht (Flurkoepeförderung), Lu quadratisch auf den Umfang bezogenes Leit- oder Führungsscheibengewicht (Turmkoepeförderung), R1 Schachtwiderstand am zu hebenden, R2 am zu senkenden Förderseilende, wobei der Ausdruck Schachtwiderstand gebraucht wird als Sammelbegriff für die beim Treiben auftretenden Kraftverluste durch Luft- und Führungsreibung des Korbes, durch Luft- und Lagerreibung der Seilscheiben, sowie durch Seilsteifigkeit, der innere Widerstand der Fördermaschine bleibt also außer Betracht, N Gewicht der Nutzlast, T Gewicht der Totlast, die sich an jedem Förderseilende zusammensetzt aus je einem Förderkorb und den auf den Förderkorb kommenden leeren Wagen, s1 Seilspannung am Nutzlastende, s2 Seilspannung am Totlastende, beide gemessen an den Ablaufstellen des Seiles von der Treibscheibe, p höchstmögliche Anfahrbeschleunigung, pz zulässige Anfahrbeschleunigung, v Fördergeschwindigkeit, V Wettergeschwindigkeit, F Fläche beider Körbe senkrecht zur Bewegungsrichtung, S1 Gewicht der Endbelastung am Nutzlastende, S2 Gewicht der Endbelastung am Totlastende, S = S1 + S2 Gesamtbelastung. Nebenstehende Skizze (Abb. 1) gibt ein Schema einer Koepeförderanlage in der gebräuchlichsten Form. Bei dieser Art der Anlage findet die Fördermaschine neben dem Fördergerüst in Flurhöhe Aufstellung, und sie soll daher als Flurkoepeförderung bezeichnet werden. Wir haben bei K die Koepescheibe, bei S' und S'' die Seilscheiben. Der Verlauf des Förderseiles geht vom Korb auf der Fördersohle über S', K und S'' zum Korb an der Hängebank. Im Schacht hängend schließt sich, von der Mitte der Bodenfläche des einen Korbes zur Mitte der Bodenfläche des anderen geführt, das zum Seilgewichtsausgleich benutzte Unterseil an. Die von der Koepescheibe über die Seilscheiben in den Schacht hinabhängenden Förderseilenden weisen an den Ablaufstellen Spannungen s1 und s2 auf, die für den Fall gleichförmiger Bewegung von den Belastungen und der Größe des Schachtwiderstandes abhängig sind. Für die Nutzlastseite ergibt sich die Spannung als die Summe der genannten Größen, also s1 = T + N + G1 + R1. Auf der Totlastseite ist der Vektor des Förderwiderstandes dem Endbelastungsvektor entgegengesetzt, so daß s2 = T + G2 – R2 anzusetzen ist. Dabei halten nämlich die von den Seilscheiben das eine Mal bis zur Koepescheibe, das andere Mal bis zum Schachtmundloch herabhängenden Seilstücke einander angenähert das Gleichgewicht. Während der Beschleunigung ändern sich die Spannungen, und zwar in Abhängigkeit von der Größe der Beschleunigung p, um einen Betrag, der dem Widerstände gleich kommt, den die zu beschleunigenden Massen dem Uebergange in die beschleunigte Bewegung entgegensetzen. Als zu beschleunigende Massen kommen hier nicht nur die als Endbelastung wirkenden Massen in Betracht, sondern auch die auf den Umfang bezogenen Massen der Seilscheiben, sowie die Masse der Seilstücke zwischen Treibscheibe und je einer Seilscheibe, die bei gleichförmiger Bewegung als annähernd ausgeglichene Gewichte die Spannung kaum beeinflussen. Es wird danach unter Berücksichtigung der Vektorrichtungen s_1=T+N+G_1+\frac{T+N+G_1}{g}\,p+\frac{G'+S_{\mbox{u}}}{g}\,p+R_1 s_2=T+G_2-\frac{T+G_2}{g}\,p-\frac{G'+S_{\mbox{u}}}{g}\,p-R_2. Die Gleichungen werden übersichtlicher, wenn ich setze: T + G2 = P, T + N + G1 = Q. Alsdann wird s_1=Q+\frac{p}{g}\,(Q+G'+S_{\mbox{u}})+R_1 . . . . . (I) s_2=P-\frac{p}{g}\,(P+G'+S_{\mbox{u}})-R_2 . . . . . (II) Die Werte s1 und s2 ändern sich mit p offenbar so, daß die Differenz s1 – s2 mit wachsendem p ebenfalls wächst. In dieser Differenz haben wir zugleich die Größe der aufzuwendenden Förderkräfte, die also ebenfalls mit der Beschleunigung beständig zunehmen. Die höchstmögliche Anfahrbeschleunigung p, d.h. die Beschleunigung, bei der die zur Förderung aufgewendeten Kräfte gerade an die Grenze der Reibungsübertragung herankommen, wird erreicht, sobald die Werte s1 und s2 der bekannten Eytelweinschen Seilreibungsungleichung s1 < s2 ∙ eμα . . . . . (III) nicht mehr genügen. Hierin bedeuten e die Grundzahl der natürlichen Logarithmen, μ die Reibungszahl zwischen dem Seil und der Seilrillenfütterung an der Treibscheibe, α den Umschlingungswinkel zwischen Seil und Treibscheibe. Aus den Gleichungen (I) bis (III) errechnet sich, unter Einführung einer Sicherheitszahl \frakfamily{s}, die größer als Eins ist, p_{\mbox{z}}=\frac{e^{\mu\,\alpha}\,.\,(P-R_2)-(Q+R_1)}{e^{\mu\,\alpha}\,.\,(P+S_{\mbox{u}}+G')+Q+S_{\mbox{u}}+G'}\,\frac{g}{\frakfamily{S}} . . . . . (1) Wir haben damit den allgemeinen Formelausdruck für die zulässige Anfahrbeschleunigung bei Flurkoepeförderanlagen.Er findet sich zuerst bei Kaufho1d, Ueber Hauptschachtförderung mit Koepescheibe. D. p. J. Bd. 322, S. 753 bis 756, 1907. Vgl. auch Hütte II, S. 452 bis 453, 1029, 21. Aufl. 1911, ferner Wallichs, Berechnung der Hauptschachtfördenmaschinen, Fördertechnik 1912, Heft 1 bis 5, und Bansen, Die Bergwerksmaschinen III, S 87. Neben Flurkoepeförderungen finden sich in neuerer Zeit Koepeanlagen, wo die Fördermaschine in den Turm des Fördergerüstes gesetzt ist. Sie sollen nach einem Vorschlag von Herrn Geheimen Bergrat Jahnke als Turmkoepeförderungen bezeichnet werden. Abb. 2 gibt eine schematische Darstellung. Der wesentliche Unterschied gegenüber den Flurförderanlagen liegt in der Aufstellung der Antriebseinrichtung. Während bei der vorher besprochenen Flurförderanlage die Koepescheibe neben dem Schacht in Flurhöhe aufgestellt ist, baut man sie bei Turmförderungen über dem Schacht in den oberen Teil des Schachtgerüstes ein. Seilscheiben kommen bei dieser Ausführung nicht zur Anwendung, vielmehr läuft das eine Förderseilende über der Mitte des einen Fördertrums unmittelbar von der Koepescheibe ab, während das andere mit Hilfe einer Lenk- oder Führungsscheibe über die Mitte des anderen Trums geleitet wird. Textabbildung Bd. 333, S. 212 Abb. 1. Textabbildung Bd. 333, S. 212 Abb. 2. Diese Abänderung in der Anlage, im besonderen das Ausscheiden der zwei Seilscheiben aus dem Arbeitssystem und die einseitige Einordnung der Lenkscheibe führen zu einer Abänderung in der Entwicklung des Formelausdruckes für pz. Im Zustande gleichförmiger Bewegung sind zunächst die Seilspannungen wiederum s1= T + N + G1+ R1, s2 = T + G2R2. Beim Uebergang in beschleunigte Bewegung aber verändern sich s1 und s2 hier in anderer Weise als in dem Falle der Flurförderung. Als zu beschleunigende Masse kommt hier neben den als Seilendbelastung wirkenden Größen allein die Lenkscheibe in Betracht. Eine solche ist nur an dem einen Förderseilende angeordnet, und da dieses bald Nutzlast-, bald Totlastende wird, so ergeben sich für die Einstellung der Spannung an den beiden Seilenden zwei Möglichkeiten, je nachdem die Beschleunigungskraft für die Lenkscheibe 1. auf das Nutzlastende, 2. auf das Totlastende wirkt. Danach müssen bei der Entwicklung des Ausdrucks für pz ebenfalls zwei Fälle unterschieden werden. Fall 1: die Lenkscheibe befindet sich auf der Nutzlastseite. Als Seilspannung ergibt sich für die Nutzlastseite s_1=Q+\frac{Q\,.\,p}{g}+\frac{L_{\mbox{u}}\,.\,p}{g}+R_1 . . . . . (I') für die Totlastseite s_2=P-\frac{P\,.\,p}{g}-R_2 . . . . . (II') Diese Spannungen müssen der Ungleichung genügen: s1 < s2 ∙ eμα . . . . . (III') Aus diesen Gleichungen errechnet sich die zulässige Anfahrbeschleunigung als: p_{\mbox{z}_1}=\frac{e^{\mu\,\alpha}\,.\,(P-R_2)-(Q+R_1)}{e^{\mu\,\alpha}\,.\,P+(Q+L_{\mbox{u}})}\,\frac{g}{\frakfamily{S}} . . . . . (2') Fall 2: die Lenkscheibe befindet sich auf der Totlastseite. Dann wird: s_1=Q+\frac{Q\,.\,p}{g}+R_1 . . . . . (I'') s_2=P-\frac{P\,.\,p}{g}-\frac{L_{\mbox{u}}\,.\,p}{g}-R_2 . . . . . (II'') s1 < s2 ∙ eμα . . . . . (III'') Daraus ergibt sich p_{\mbox{z}_2}=\frac{e^{\mu\,\alpha}\,.\,(P-R_2)-(Q+R_1)}{e^{\mu\,\alpha}\,.\,(P+L_{\mbox{u}})+Q}\,.\,\frac{g}{\frakfamily{S}} . . . . . (2'') Ein Vergleich der Werte p_{\mbox{z}_1} und p_{\mbox{z}_2} läßt unschwer erkennen, daß, gleiche Sicherheitszahlen vorausgesetzt, p_{\mbox{z}_1}\,>\,p_{\mbox{z}_2} ist. Es ist nämlich – bei positiven Werten für μ und α, wie sie für uns immer nur in Betracht kommen, – eμα > 1; daher ist der Nenner in (2'') größer als der Nenner in (2'). Da nun der Zähler in (2') gleich dem Zähler in (2'') ist, so folgt p_{\mbox{z}_1}\,>\,p_{\mbox{z}_2}. Diese Erkenntnis zieht ohne Weiteres den Schluß nach sich, daß von den beiden errechneten Werten p_{\mbox{z}_1} und p_{\mbox{z}_2} der kleinere Wert p_{\mbox{z}_2} als allgemein gültig für die zulässige Anfahrbeschleunigung bei Turmkoepeförderungen anzusetzen ist, da in ihm die ungünstigsten Förderverhältnisse Berücksichtigung gefunden haben. Wir erhalten als zulässige Anfahrbeschleunigung bei Turmförderungen den Ausdruck: p_{\mbox{z}}=\frac{e^{\mu\,\alpha}\,.\,(P-R_2)-(Q+R_1)}{e^{\mu\,\alpha}\,.\,(P+L_{\mbox{u}})+Q}\,.\,\frac{g}{\frakfamily{S}} . . . . . (2) In den für die zulässige Anfahrbeschleunigung aufgestellten Gleichungen (1) und (2) sind die Werte von P, Q, Su, Lu, G' und α für jede Förderanlage als bekannt anzusehen, e und g sind die bekannten Konstanten e = 2,72, g = 9,81 m/sek2. Unsicher bleiben die Schachtwiderstandsgrößen R1 und R2 und die Seilreibungszahl μ, die sich bisher nicht genau haben bestimmen lassen, sowie die Sicherheitszahl \frakfamily{s}. Die hierauf bezüglichen Untersuchungen will ich jetzt einer Besprechung unterziehen. Ich gehe zunächst auf den Schachtwiderstand ein. 3. Der Schachtwiderstand R. I. Ursachen des Schachtwiderstandes. Der Schachtwiderstand R = R1 + R2 setzt sich zusammen aus 1. der Lagerreibung der Seilscheiben bzw. der Lenkscheibe, 2. der Seilsteifigkeit, 3. dem Luftwiderstand der Seilscheiben, des Korbes und des Seiles, 4. der Reibung an den Spurlatten. Von diesen Widerständen wird dem Luftwiderstand zusammen mit der Spurlattenreibung im allgemeinen ausschlaggebende Bedeutung für die Gesamtwerte des Schachtwiderstandes beigelegt, während Lagerreibung und Seilsteifigkeit untergeordnet bewertet werden. Die Werte der einzelnen Komponenten und damit der Gesamtwert des Schachtwiderstandes sind nun, je nach den örtlichen Verhältnissen, beträchtlichen Schwankungen unterworfen. Bei der Spurlattenreibung wird dies besonders auffällig. Zur Spurlattenreibung können die verschiedensten Umstände Veranlassung geben: a) Mangelnde lichte Weite der Spurlatten: Diese Erscheinung tritt bei alten Schächten auf und weiterhin überall da, wo der Schacht unter Gebirgsdruck steht. Der sich ergebende Widerstand kann beträchtliche Größe annehmen. b) Schiefstehen des Schachtes: Der Reibungswiderstand ist hier abhängig von der seitlichen Druckkomponente und der Reibungszahl zwischen den reibenden Teilen. Ist der Neigungswinkel des Schachtes gegen die Senkrechte nur gering, so wird die die Reibung verursachende Druckkomponente klein, und damit auch der auf sie entfallende Widerstand. c) Schwingungen des Korbes: Veranlassung zu diesen gibt zunächst der Seildrall. Das durch ihn hervorgerufene Kräftepaar läßt den Korb Torsionsschwingungen ausführen, die ihn gegen die Spurlatten pressen. Gleichzeitig führt das Förderseil infolge seiner Elastizität Längsschwingungen und infolge beständigen Schiagens Querschwingungen aus. Alle diese Schwingungen führen zu Stößen gegen die Spurlatten und geben dadurch zu Reibungsverlusten Anlaß. Bei gleichmäßigen Förderbewegungen, wie sie dem elektrischen Betrieb eigen sind, sind die Schwingungen und damit die Reibungsverluste verhältnismäßig gering; Schwankungen in der Förderbeschleunigung aber, wie sie im Dampfförderbetriebe unvermeidlich sind, verstärken die Schwingungsstöße und vermehren dadurch die Energieverluste beträchtlich. d) Unsymmetrische Aufhängung und Belastung des Korbes: Hierbei entsteht ebenfalls ein Kräftepaar, das den Korb gegen die Spurlatten drückt, jedoch ist anzunehmen, daß die wirkenden Kräfte nicht allzu groß sind. Die Größe des Spurlatten-Reibungswiderstandes schwankt also zunächst mit der Größe der die Reibung veranlassenden Kräfte, ferner aber auch mit der Größe der Reibungszahl zwischen den sich reibenden Teilen. In großen Zügen möchte ich ferner auf die Veränderlichkeit des Luftwiderstandes hinweisen: Sein Wert ist in erster Linie abhängig von der Größe der Boden- bzw. Deckfläche und – wie im allgemeinen angenommen wird – von dem Quadrat der relativen Geschwindigkeit des Korbes gegen die Wettergeschwindigkeit; er verändert sich auch noch mit der Form dieser Flächen und mit der Größe des freien Schachtquerschnittes. Diese kurzen Ausführungen sollen zeigen, daß eine den jeweiligen Verhältnissen Rechnung tragende, allgemein gültige Festlegung des Schachtwiderstandes nur unter Berücksichtigung einer ganz beträchtlichen Zahl von veränderlichen Größen zu erreichen wäre. Selbst unter der Voraussetzung, daß es möglich wäre, alle diese Variablen in ihrem Einfluß auf den Schachtwiderstand festzulegen, so würde doch der formelmäßige Schachtwider-Standsausdruck dadurch eine Gestalt annehmen, die ihn wegen seiner Unübersichtlichkeit jeder Bedeutung für die Praxis enthöbe. Wenn nun in der technischen Literatur doch Versuche gemacht werden, Formeln auszuprägen, die den Schacht Widerstands wert allgemein gültig zum Ausdruck bringen, so liegt diesen Versuchen das Bestreben zugrunde, zunächst nur Verhältnisse auf Schachtanlagen zu erfassen, die eine gewisse Norm in der Anlage erkennen lassen, und dann diese Verhältnisse nur unter Berücksichtigung der ausschlaggebenden Faktoren formelmäßig festzuhalten. Spurlattenreibung infolge von mangelnder lichter Weite der Führungen oder infolge von Schiefstehen des Schachtes, sowie andere anormale Komponenten des Schachtwiderstandes finden in diesen Formeln keinen expliziten Ausdruck. II. Hauers Hypothese. Die erste Aeußerung nun über Schachtwiderstände, die Bedeutung gewonnen hat, rührt, so weit ich aus der Literatur ersehen habe, von dem k. k. Oberbergrat und Professor an der k. k. Bergakademie zu Leoben, Julius Ritter v. Hauer her, der in seinem Werk: Die Fördermaschinen der Bergwerke,3. Aufl., Leipzig 1884, A. Felix, S. 270. über den Schachtwiderstand, oder, wie er ihn nennt, die Nebenwiderstände, folgendermaßen schreibt: „Letztere (die Nebenwiderstände) können der Gesamtbelastung beider Seile proportional, und zwar zu 4 v. H. derselben angenommen werden, welche Annahme stets genügt und andererseits nicht auf merklich zu große Dimensionen führen kann.“ Er selbst stellt dann allgemein den Wert des Schachtwiderstandes gleich 0,04 (q + G + 2 F) fest, wobei: q = Gewicht der Nutzlast, G = Gewicht des gesamten Seiles, F = Gewicht des Fördergefäßes mit leeren Wagen zu setzen ist. Seine Angabe bezieht sich auf Dampfförderanlagen, da ja elektrischer Betrieb erst später in Aufnahme gekommen ist, sie ist reine Hypothese und entbehrt der versuchsmäßigen Begründung. v. Hauer folgt bei Aufstellung seines Ausdrucks lediglich einem durch lange Praxis erworbenen technischen Gefühl. Seine Annahme hat bis in die neueste Zeit hinein in technischen Schachtwiderstandsberechnungen auch bei elektrischen Betrieben weite Verbreitung gefunden. Aus der Folgezeit sind zwei weitere Hypothesen zu erwähnen, die in Grundlage und Aufbau mit der Hauerschen viele Berührungspunkte haben; es sind das: der v. Reichesche Ausdruck für den Schachtwiderstand, der in dem Reicheschen Werk: Berechnung und Konstruktion der wichtigsten Werkzeugdampfmaschinen, 1883, S. 69 ff., veröffentlicht wurde, und die Hypothese Hrabaks, wie sie im Berg- und Hüttenmännischen Jahrbuch der Oesterreichischen Bergakademie, Wien 1886, S. 250 ff., aufgestellt worden ist. III. Reiches Hypothese. Der Rciche'sche Ausdruck für den Schachtwiderstand lautet in den Bezeichnungen des Verfassers: 0,04 (Q + S + 2 T) + 0,122 Avf2, wo Q = Gewicht der Nutzlast, S = Gewicht des gesamten Seils, T = Totlastgewicht, A = Horizontalprojektion des Förderkorbes, vf = Fördergeschwindigkeit gesetzt ist. Die Begründung führt v. Reiche folgendermaßen durch: „Nun nimmt man an (ob mit Recht oder Unrecht, und auf Grund welcher Experimente weiß ich nicht), daß bei Seiltransmissionen (mit einem Seil ohne Ende und nur zwei Seilscheiben) der Effektverlust höchstens 0,03 beträgt. Das auf Fördermaschinen angewandt, ergibt, da wir auch hier für jedes Seil eine Seilscheibe und eine Seiltrommel (also rund zwei Seilscheiben) haben, eine Vermehrung des Widerstandes um 0,03 der absoluten Seilspannung, also um 0,03 (Q + S +2 T) Die gleitende Reibung des Fördergestells an den Schachtführungen zu berechnen, ist erst recht unmöglich. Dieser Reibungswiderstand würde gleich Null sein, falls der Schacht mit all seinen Elementen genau senkrecht wäre (was niemals der Fall ist), und wenn der Schwerpunkt des Förderkorbes samt Füllung genau unter dem Aufhängepunkt des Seiles läge. Das Letztere auch nur annähernd zu erzielen, ist nun ebenfalls (bei der Hast, mit welcher gearbeitet wird), gerade so unmöglich, wie die Bestimmung des Schwerpunktes; und demnach bleibt auch hier nichts anderes übrig als zu schätzen. Dabei wird man nicht sehr fehl gehen, wenn man bei vollkommen seigerem Schacht diesen Widerstand proportional schätzt dem exzentrisch geladenen Gewicht (Förderwagen + Füllung). Der Einfachheit halber aber, und um einer geringen Neigung des Schachtes Rechnung zu tragen, setzen wir ihn proportional der Gesamtbelastung beider Seile, und zwar = 0,01 (Q + S + 2 T), so daß obige beide Widerstände zusammen = 0,04 (Q + S + 2 T) sind, ein Wert, welchen v. Hauer annimmt. Der Luftwiderstand in kg kann gesetzt werden (Hardingsche Formel für den Widerstand eines Eisenbahnzuges, s. Georg Meyer in Hensingers Hdbch. f. spez. Eisenbahn-Technik III, Leipzig 1875, S. 71) für einen Förderkorb =0,061 Avf2, also für beide = 0,122 A vf2, wenn A die Horizontalprojektion des Förderkorbes in m2 und vf die Fördergeschwindigkeit in m/sek. ist, und demnach ist die Summe aller Nebenwiderstände = 0,04 (Q + S + 2 T) + 0,122 Avf2.“ An der Reicheschen Formel ist bemerkenswert, daß sie zum ersten Male einer Veränderlichkeit des Schachtwiderstandes in Abhängigkeit von der Fördergeschwindigkeit Rechnung zu tragen sucht, v. Reiche bringt damit einen ganz neuen Gesichtspunkt in die Betrachtung der Schachtwiderstandsverhältnisse hinein, dem in der Folgezeit eine immer größere Beachtung geschenkt worden ist. IV. Hrabaks Hypothese. Hrabak setzt den Förderwiderstand auf 0,05(Q + 2Q0 + Gx) + 0,6 fV2 an, und nimmt dabei: Q = Gewicht der Nutzlast, Q0 = Gewicht der Totlast, Gx = wirksames Seilgewicht, f = Größe der zur Bewegungsrichtung normal gelegenen Stirnfläche des Korbes, V = Fördergeschwindigkeit. Er bildet sich diesen Ausdruck auf Grund folgender Ueberlegungen: „Bewertung der passiven Widerstände, und zwar a) des Reibungs- und Seilsteifigkeitswiderstandes, b) des Luftwiderstandes. Der unter a) angeführte Reibungs- und Seilsteifigkeitswiderstand kann der Gesamtbelastung, resp. der summarischen Anspannung der beiden Seile proportional und während eines Aufzuges als konstant angenommen werden. Wir schätzen diesen Widerstand am Trommelumfang bei großen Förderapparaten (mit v. Hauer) auf 4 v. H., bei kleinen Apparaten auf 6 v. H., durchschnittlich auf 5 v. H. der Gesamtbelastung. (Wenn die durchschnittliche Schätzung auf 5 v. H. etwas zu hoch erscheint, so ist die hiermit geschehene Unterschätzung des Wirkungsgrades des Förderapparates doch nur mäßig.) Der unter b) angeführte Luftwiderstand ist bei der Förderung mit großer Geschwindigkeit durchaus nicht ohne Bedeutung; bei dem Eisenbahnwesen wird derselbe schon längst als eine Komponente der auszuübenden Lokomotivkraft in Betracht gezogen. Die dort üblichen Fahrgeschwindigkeiten von 8 bis 10 m/sek. (bei Personenzügen) werden bei der Schachtförderung häufig erreicht; der Umstand aber, daß ein Eisenbahntrain in freier Luft verkehrt, diese somit allseitig frei ausweichen kann, während ein Fördergestell im geschlossenen Schachtraum verkehrt, die Luft sonach meist nur einseitig und durchaus nicht frei ausweichen kann – dieser Umstand bewirkt, daß der Luftwiderstand bei flotter Förderung sogar in einem relativ bedeutend größeren Maße sich geltend machen muß, als selbst auf den Eisenbahnen. Der Verfasser hat hierfür aus der wirklichen Anwendung sprechende Beweise. Behufs entsprechender Bewertung des Luftwiderstandes ist zunächst der Druck, welchen die ebene Stirnfläche eines in der freien Luft mit der Geschwindigkeit V sich bewegenden Körpers (Bodenfläche eines Fördergestells) erfährt, durch die Größe f\,.\,\frac{V^2}{2\,g}\,.\,\gamma gegeben; hierin bezeichnet f die Größe jener (zur Bewegungsrichtung normal gelegenen) Stirnfläche, g die Beschleunigung der Schwere, ϒ das spezifische Gewicht (Gewicht der Volumeneinheit der Luft). Wenn f in m2, V in m eingesetzt wird, so hat man g = 9,81 m/sek2 und annähernd (eigentlich von dem Barometerstande und der Temperatur abhängig) ϒ = 1,25 kg/m3; somit ist für Metermaß der Luftdruck auf eine ebene Stirn- resp. Vorderfläche in kg = 0,064 fV2. Bei einem in der Luft bewegten, vorn ebenflächigen ganzen Körper kommt zu jenem Vorderoder Stirndruck der Widerstand an der Hinterfläche, welchen man sich am besten dadurch erklären kann, daß daselbst durch die Bewegung ein luftverdünnter Raum entsteht, welcher eine Bewegungshinderung in ganz ähnlicher Weise, jedoch mit minderer Intensität bewirkt, als die (komprimierte) Vorderluft. Durch diesen Hinterluftwiderstand wird der obige Koeffizient 0,064 des Luftwiderstandes selbst bei den Eisenbahnzügen (in freier Luft) der Größe 0,1 nahegebracht, so daß diesfalls der gesamte Luftwiderstand nahezu mit 0,1 fV2 kg bewertet werden kann. Für ein in geschlossenem Schachtraum sich bewegendes Fördergestell dürfen wir den Luftwiderstand mit dem Dreifachen des obigen Betrages = 0,3 fV2 in Rechnung nehmen; denselben Widerstand erfährt aber auch das andere (entlastende) Gestell, wonach wir den Luftwiderstand (indem wir durch obige Verdreifachung des Koeffizienten zugleich dem Luftwiderstand der Seilscheiben und der Trommelarme Rechnung getragen wissen wollen) im Ganzen mit 0,6 fV2 bewerten können.“ Wir sehen hier bei Hrabak wieder das Glied, das die Veränderlichkeit des Schachtwiderstandes mit der Fördergeschwindigkeit zum Ausdruck bringt, jedoch fällt Hrabaks Schätzung der Wertigkeit dieses Gliedes wesentlich größer aus als bei v. Reiche. Der Erörterung der drei weiteren Schachtwiderstandsformeln möchte ich zunächst voraus schicken, daß sie der neuesten Zeit entstammen. Sie sind unter dem Zeichen der Elektrotechnik entstanden; die es mit ihren verfeinerten Meßmethoden ermöglicht, die tatsächlichen Schachtwiderstandsverhältnisse mit großer Genauigkeit zu verfolgen, und weisen gegenüber den vorher besprochenen Ausdrücken, die sich auf Dampfförderung beziehen, wesentliche Unterschiede auf. V. Philippis Hypothese. Die Annahme, die Oberingenieur Prof. Philippi von den S. S. W. für den Schachtwiderstand elektrischer Betriebe macht, läßt einen Vergleich mit den vorher mitgeteilten Ausdrücken in keiner Weise zu. PhilippiVgl. Hütte II, Abschnitt: Elektrische Fördermaschinen, 22 Aufl. S. 1005. Vgl. auch Philippi, Elektrische Kraftübertragung, Leipzig 1905, Hirzel, S. 230. bringt den Schachtwiderstand weder in Abhängigkeit von den Seilspannungen, noch in Abhängigkeit vom Luftwiderstande; er macht ihn vielmehr lediglich zu einer Funktion der Nutzlast und setzt ihn = 12 v, H. derselben. In dieser Fassung verliert der Schachtwiderstandswert seine Veränderlichkeit in Abhängigkeit von der Fördergeschwindigkeit und wird zu einer konstanten Größe. Der Philippi sehe Wert entbehrt der versuchsmäßigen Grundlage, ist aber offenbar – wie sich des Näheren weiter unten ergeben wird – an der Handreicher Erfahrungen aus der modernsten Fördermaschinentechnik aufgestellt. Den Vorzug der versuchsmäßigen Grundlage weisen allein die zwei Ausdrücke auf, die an letzter Stelle Erwähnung finden sollen; sie sind aufgestellt: der eine von Dipl. Ing. Johannes Ruths, der andere von Oberingenieur Dr. J. Havlicek. Die Versuchsergebnisse beider sind veröffentlicht im Jahre 1910. VI. Ruths Hypothese. RuthsRuths, Versuche zur Bestimmung der Widerstände an Förderanlagen. Mitteilungen über Forschungsarbeiten, Heft 85, S. 1 bis 32, Berlin 1910, J. Springer hat seine grundlegenden Versuche angestellt im Oktober und November 1906 auf dem Gräfl. Larisch-Mönnich'schen Tiefbauschacht in Karwin an einer Ilgner-Förderanlage der österreichischen S. S. W. Die hierbei erzielten Ergebnisse führen ihn auf die Schachtwiderstandsausdrücke: r = 0,3 F (v2 + V2) für v > V und r = 0,6 FvV für v < V, wobei F = Fläche der beiden Schalen senkrecht zur Bewegungsrichtung des Korbes, v = größte Fördergeschwindigkeit, V = Wettergeschwindigkeit zu setzen ist. Ruths bringt also den Schachtwiderstand allein in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit, und zwar von der relativen Geschwindigkeit der Körbe im Wetterstrom des Schachtes; er nimmt die Berechtigung dazu aus seinen Versuchsergebnissen, die ihm die Ueberzeugung aufzwingen, daß der einzige maßgebliche Einfluß auf die Schachtwiderstandsgröße von dem Luftwiderstande ausgeübt wird, daß diesem gegenüber alle anderen Komponenten des Schachtwiderstandes, auch die Spurlattenreibung, zu untergeordneter Bedeutung herabsinken. VII. Havliceks Hypothese. Im Gegensatz zu Ruths berücksichtigt HavlicekOesterr. Zeitschrift f. d. Berg- und Hüttenwesen 1910, S.281 bis 284. in seinem Schachtwiderstandsausdruck neben dem Luftwiderstande weiter die Spurlattenreibung, indem er seine Versuchsergebnisse in folgende Form prägt: 0,012 (q + G + 2 T) + 4 S ∙ v1,275. Hierin ist q = Gewicht der Nutzlast, G = Seilgewicht, T = Gewicht einer Schale, S = Standfläche der beiden Schalen, v = größte Fördergeschwindigkeit zu setzen. Jedoch auch Havlicek verfehlt nicht darauf hinzuweisen, daß „die eigentliche Schachtreibung gering ist, den größeren Anteil an den Widerständen die Luftreibung der Schale ergibt“. (Schluß folgt.)