Titel: Ueber die Anfahrbeschleunigung bei Koepefördermaschinen.
Autor: K. Moegelin
Fundstelle: Band 333, Jahrgang 1918, S. 221
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Ueber die Anfahrbeschleunigung bei Koepefördermaschinen. Von K. Moegelin, Bergbaubeflissener, Berlin-Charlottenburg. (Schluß von S. 215 d. Bd.) MOEGELIN: Ueber die Anfahrbeschleunigung bei Koepefördermaschinen. VIII. Vergleich der sechs Hypothesen. Wir haben damit sechs verschiedene Ausdrucksformen für die Schachtwiderstandsgröße gewonnen, die ich nachstehend zur besseren Uebersicht mit einheitlich gewählten Abkürzungen, wie sie zu Beginn der Arbeit eingeführt sind, zusammenstellen möchte. Die Schachtwiderstandsausdrücke lauten dann nach: v. Hauer:  R = 0,04 S, v. Reiche: R = 0,04 S + 0,061 Fv2, Hrabak:    R = 0,05 S + 0,3 F ∙ v2, Philippi:   R = 0,12 N, Ruths:      R = 0,3 F (v2 + V2) für v > V,                R = 0,6 F (Vv) für v < V, Havlicek: R = 0,012 ∙ S + 4 ∙ F ∙ v1,275. Wie stellen sich nun die zahlenmäßigen Auswertungen dieser Ausdrücke zueinander? Eine Klärung dieser Frage möchte ich an der Hand von Zahlenmaterial herbeiführen, wie es sich bei Anwendung der obigen Schachtwiderstandsausdrücke auf die Zahlenverhältnisse verschiedener Förderanlagen ergibt. In Tafel 1 sind zunächst Schachtwiderstandswerte bei höchster Fördergeschwindigkeit angeführt, ferner die prozentualen Vergrößerungen der Nutzlast, denen die Schachtwiderstände gleich gesetzt werden müssen, und endlich die zugehörigen errechneten Schachtwirkungsgrade. Dabei ist unter Schachtwirkungsgrad das Verhältnis der nutzbaren zur tatsächlichen Schachtleistung zu verstehen, also \eta_{\mbox{Schacht}}=\frac{N}{N+R} (vgl. auch. S. 222). Wie man sieht, fallen die Ergebnisse der einzelnen Formeln sehr verschieden aus. In den Angaben über Herkules V tritt dies besonders stark hervor. Hier entspricht die Bewertung des Schachtwiderstandes nach Hrabak einer Vergrößerung der Nutzlast um 60 v. H., während Philippi nur 12 v. H. in Rechnung setzt. Es erhebt sich also die Frage: Welcher Ausdruck liefert Ergebnisse, die die tatsächlichen Verhältnisse mit größter Annäherung erfassen? Tafel 1. Carmerschacht. Textabbildung Bd. 333, S. 221 Hauptförderung; Nebenförderung; Deutschlandgrubel; Friedrichshall; Herkules V; Hrabak; v. Reiche; v. Reiche; v. Hauer; Havlicek; Ruths; Philippi. Den Einfluß der Schachtwiderstandswerte auf die höchstmögliche Anfahrbeschleunigung soll Tafel 3 veranschaulichen, die die Ergebnisse enthält, zu denen der allgemeine Formelausdruck für die höchstmögliche Anfahrbeschleunigung unter Berücksichtigung der verschiedenen in Tafel 1 zusammengestellten Schachtwiderstandswerte auf Carmerschacht, Friedrichshall und Deutschlandgrube, und mit Benutzung der Angaben in Tafel 2 führt, μ ist hierbei gleich 0,20 gesetzt. Tafel 2 Carmerschacht Deutsch-land-grube I Fried-richshall I Haupt-förderung Neben-förderung Richtung des Wetter-   zuges im Schacht einziehend einziehend einziehend einziehend Wettergeschwindigkeit   im Schacht 3,3 m/sec 3,3 m/sec 2,08 m/sec 3,5 m/sec Gewicht eines Korbes   mit Zwischengeschirr 6,62 t 3,05 t 4,92 t 3,6 t Größe der Grundfläche   eines Korbes 2,94 m2 1,56 m2 2,755 m2 1,58 m2 Gewicht eines leeren   Wagens 375 kg 375 kg 350 kg 350 kg Zahl der Wagen für   den Korb 8 4 4 4 Teufe 412 m 295 m 238,6 m 500 m Höhe d. Fördergerüstes   (bis Seilscheibenlager) 39,2 m 39,2 m 24 m 33 m Seilgewicht für 1 m   Förderseil 11,8 kg 5,7 kg 6,8 kg 7 kg Seilgewicht für 1 m   Unterseil 12,8 kg 5,7 kg 6,8 kg 7,7 kg Nutzlast 4,0 t 2,0 t 2,6 t 2,8 t Entfernung der Treib-   scheibe vom Schacht 29,4 m 29,8 m (Turmkoepe) 44 m Umschlingungswinkel   zwischen Seil u. Treib-   scheibe 184° 194,5° 221,5° 183,9° Auf den Umfang be-   zogenes Seilscheiben-   gewicht etwa 3,4 t 3,4 t 1,4 t 2,4 t Größte Förderge-   schwindigkeit 11 m/sec 13 m/sec 15 m/sec 11 m/sec IX. Rechnerische Auswertung des Schachtwiderstandes für einzelne Anlagen. Jetzt zur Behandlung der Frage: Welcher Schachtwiderstandsausdruck liefert angenähert richtige Werte? Als Unterlage für die Beantwortung dieser Frage dienen Versuche der S, S. W., die die Ermittlung der Schachtwirkungsgrade zum Zweck hatten. Untersucht wurden von den S. S. W. die Anlagen: Carmerschacht, Deutscher Kaiser VI, Alma V und Krügershall. Ueber die Deutschlandgrube, deren Maschinenanlage von der A. E. G. ausgeführt ist, liegen leider keine diesbezüglichen Versuche vor. Tafel 3. Carmerschacht Friedrichs-hallp m/sec2μ = 0,20 Deutsch-landgrubep m/sec2μ = 0,20 Haupt-förderungp m/sec2μ = 0,20 Neben-förderungp m/sec2μ = 0,20 Hrabak 1,3 1,0 1,1 1,5 v. Reiche 1,4 1,2 1,1 1,8 v. Hauer 1,4 1,2 1,2 1,8 Havlicek 1,5 1,2 1,3 1,7 Philippi 1,6 1,3 1,4 2,0 Ruths 1,6 1,4 1,5 2,0 Die Ergebnisse dieser Versuche sind in Tafel 4Daß die Werte für R in Tafel 4 mit denen in Tafel 1 nur angenähert übereinstimmen, liegt an der Verschiedenheit der für v und S1S2 zugrunde gelegten Werte. unter ηSchacht angeführt, zusammen mit den den Versuchen zugrunde gelegten Werten für v und für S1 – S2. Aus diesen Versuchsergebnissen sind unter Benutzung der schon vorher (S. 221) erwähnten Gleichung \eta_{\mbox{Schacht}}=\frac{N}{N+R} die Werte für den Schachtwiderstand rechnerisch ermittelt und unter Rerrechnet in Tafel 4 zusammengestellt. Zum Vergleich sind ferner die aus den verschiedenen Schachtwiderstandsformeln sich ergebenden Schachtwiderstandswerte für die entsprechenden Verhältnisse beigefügt. Ohne für die nach den Versuchsergebnissen errechneten Werte von R den Anspruch auf ganz genaue zahlenmäßige Erfassung des Schachtwiderstandes erheben zu wollen, geben sie doch einen Anhalt für seine tatsächliche Größe. Werden die unter Rerrechnet in Tafel 4 angeführten Ergebnisse unter diesem Gesichtspunkt in den Kreis der Betrachtungen gezogen, so ergibt sich folgende Bewertung der verschiedenen Schachtwiderstandsausdrücke. Tafel 4. Name der untersuchtenSchachtanlage v m/secbei denVersuchs-fahrten S1S2t η Schacht Rerrechnetkg RRuthskg RPhitippikg RHavlicekkg RHauerkg RReichekg RHrabakkg Carmerschacht (Nebenförd.) 12 4,4 0,85 780 270 530   960 1350 1400 1940 Deutscher Kaiser VI   3  6  91215 4,64,64,64,64,6 0,940,930,920,870,81   290  350  400  6901040   30  80170290440 550550550550550   540  670  83010301230 14601460146014601460 14701480150015001550 18501900200021002260 Alma V   21614 5,05,05,0 0,910,880,89   500  680  860   30480370 600600600   59013301260 176017601850 176018501920 220026502660 Krügershall   6  9131619 1,51,51,51,51,5 0,980,970,950,920,90     30    50    80  130  170   50120250380540 180180180180180   370  490  690  8501020   560  560  560  560  560   570  580  610  640  670   750  820  95010801240 Anmerkung: Die S. S. W. waren so liebenswürdig, mir die Versuchsergebnisse auf Krügershall auch für Fördergeschwindigkeiten unter 6 m/sec mitzuteilen. Merkwürdigerweise steigen in diesen Fällen die Werte für ηSchacht auf über 1,00, so daß es dringend erwünscht wäre, die Versuche auf Krügershall zu wiederholen. Eine Annäherung an die Verhältnisse, wie sie sich aus den Versuchen ergeben, dürften hiernach die Ausdrücke von Ruths und von Havlicek darstellen, und zwar so, daß die Ruths'schen Werte eine untere Grenze für die Schachtwiderstandsgröße liefern, während Havlicek's Werte als Grenze nach oben angesehen werden können. Die Unterschiede zwischen den beiden Werten sind dabei recht beträchtlich, wie aus den Tafeln 1 und 4 hervorgeht. Zurückzuführen ist das wahrscheinlich auf die besonderen Verhältnisse der Versuchsschächte, von denen Ruths und Havlicek bei der Aufstellung ihres Schachtwiderstandsausdrucks ausgegangen sind. Ruths hebt vom Larisch-Mönnich'schen Tiefbauschacht hervor, daß er außerordentlich genau ausgebaut und sehr naß sei. Wir können also annehmen, daß seinen Versuchsergebnissen besonders günstige Verhältnisse zugrunde liegen, während Havliceks Resultate sich scheinbar auf eine Anlage mit weniger günstigen Verhältnissen beziehen. Jetzt zur Formel Philippis! Sie nimmt eine Sonderstellung ein: Da sie die Veränderlichkeit des Schachtwiderstandes in Abhängigkeit von v unberücksichtigt läßt, verliert sie den Anspruch auf Gleichwertigkeit mit den Formeln von Ruths und Havlicek. Trotzdem wird man sie als eine Art Faustformel bewerten können, die für die üblichen Fördergeschwindigkeiten die Größe des Schacht Widerstandes im allgemeinen richtig wiedergeben dürfte. Die Formelausdrücke, wie sie durch v. Hauer, v. Reiche und Hrabak geprägt sind, passen sich den tatsächlichen Verhältnissen auf elektrischen Förderanlagen wohl schwerlich an. Dieses Urteil verschiebt sich allerdings etwas zu ihren Gunsten für den Fall, daß diese drei Formeln neben den eigentlichen Schachtwiderständen auch den inneren Widerstand der Fördermaschine erfassen sollten, was bei den genannten Verfassern nicht ganz klar zum Ausdruck kommt. Bei den übrigen Formeln wird ausdrücklich von der inneren Reibung in der Maschine abgesehen. Hrabaks Ausdruck liefert Werte, die die aus den Versuchen errechneten Schachtwiderstandsgrößen um ein Beträchtliches übersteigen. Die Formeln Hauers und Reiches verhalten sich gegenüber Schachtwiderständen bei kleineren Fördergeschwindigkeiten ebenso, mit wachsender Geschwindigkeit aber macht sich eine gewisse Annäherung bemerkbar. Havlicek kommt auf Grund seiner Versuche sogar zu dem Ergebnis, daß bei großen Fördergeschwindigkeiten Hauers Werte hinter der tatsächlichen Schachtwiderstandsgröße zurückbleiben. Eine Bekräftigung dieses Ergebnisses kann vielleicht aus der Entstehung der drei Ausdrücke herausgelesen werden: Nachdem sich Hauers Werte in der Praxis bei den im Laufe der Zeit vergrößerten Geschwindigkeiten auf Dampfförderanlagen als nicht ausreichend erwiesen hatten, verwendet v. Reiche den Hauerschen Ausdruck mit einem kleinen Zuschlag, den Hrabak später um ein Beträchtliches vergrößert. Die Unzulänglichkeit der drei zuletzt genannten Ausdrücke liegt in der unzutreffenden Bewertung der Hauptanteile des Schachtwiderstandes: Spurlattenreibung und Luftwiderstand, über deren Einfluß folgendes zu sagen ist: Abgesehen von besonders schlecht angelegten Schächten und älteren, stark unter Gebirgsdruckstehenden Anlagen fällt der wesentliche Einfluß dem Luftwiderstande zu, während die Spurlattenreibung zurücktritt. Diese Tatsache geht daraus hervor, daß bei kleinen Fördergeschwindigkeiten der Schachtwirkungsgrad sich im allgemeinen stark dem Werte 1,0 nähert, während er andererseits mit wachsendem v rasch abfällt. Betrachten wir danach an der Hand der Tafel 5 die Bewertung, die den beiden Komponenten – von denen die Spurlattenreibung in dem statischen, die Luftreibung in dem dynamischen Gliede zum Ausdruck kommt – in den Formeln von Reiche, Hrabak und Hauer zu teil wird, so findet sich bei Reiche und Hrabak gerade das umgekehrte Verhältnis, während Hauer sogar so weit geht, das dynamische Glied gegenüber dem statischen völlig zu unterdrücken. Als den tatsächlichen Verhältnissen besser angepaßt kann wohl die Havliceksche Formel angesehen werden, jedoch ist in ihr sicherlich die obere Grenze des Wertverhältnisses \frac{\mbox{Spurlattenreibung}}{\mbox{Luftwiderstand}} festgelegt. Die Spurlattenreibung zu vernachlässigen, wie Ruths es in seiner Formel tut, scheint nach den Untersuchungsergebnissen über Schachtwirkungsgrade im allgemeinen nicht angebracht, wenn man von besonders günstigen Fällen absieht. Ruths kommt auf Grund seiner sorgfältigen Untersuchungen auf dem Larisch-Mönnich'schen Tiefbauschacht wohl mit Recht zu diesem Ergebnis, und ebenso darf man aus den Untersuchungsergebnissen auf Krügershall (s. Tafel 4) vielleicht denselben Schluß ziehen. Hier liegen eben besonders günstige Verhältnisse vor. Von dem Larisch-Mönnich'schen Tiefbauschacht ist schon erwähnt, daß er außerordentlich genau ausgebaut und sehr naß ist, und auch die Untersuchungen auf Krügershall sind vorgenommen bei großer Nässe in einem erst kurze Zeit in Förderung stehenden Schacht. Infolge der großen Feuchtigkeit ist also beide Male die Reibungszahl zwischen Korbschuh und Spurlatte auf einen geringen Wert herabgesetzt, und der besonders gute Schachtausbau trägt zur weiteren Verminderung der Spurlattenreibung bei. Tafel 5. Carmerschacht Textabbildung Bd. 333, S. 223 Hauptförderung; Nebenförderung; Friedrichshall; Deutschlandgrube; v. Hauer; v Reiche; Hrabak; Havlicek; Ruths; Philippi. Anfügen möchte ich hier noch, daß Ruths bei der exakten Auswertung seiner Versuchsergebnisse wohl zu einem statischen Gliede kommt, indem er ansetzt: R = 44 + 0,3 F (v2+ V2). Nachdem er aber eine Veränderlichkeit dieses Gliedes mit der Summe der Seilspannungen nicht hat feststellen können, vernachlässigt er es in dem allgemein gültigen Formelausdruck für den Schachtwiderstand, und die geringe Größe des Gliedes berechtigt ihn dazu. Woher kommt es aber, daß die Veränderlichkeit des statischen Gliedes in Abhängigkeit von der Größe der Seilspannungen nicht in die Erscheinung tritt? Das liegt vermutlich daran, daß sich bei der kleinen Spurlattenreibungszahl die Schwankungen des statischen Gliedes auf der genannten Anlage innerhalb der Versuchsfehlergrenzen vollziehen. Nach den vorangegangenen Erörterungen kann zusammenfassend gesagt werden, daß den größten Anspruch auf Berücksichtigung wohl der Ruths sehe und der Havliceksche Ausdruck erheben dürften. Zusatzbemerkungen. 1. Welchen Wert für R abhängig von v legen wir den Berechnungen von pz zugrunde? Um auch die ungünstigsten Verhältnisse zu erfassen, den größtmöglichen, d.h. den Wert, der sich bei Berücksichtigung der höchsten Fördergeschwindigkeit ergibt. 2. Wie sich die Schachtwiderstandsverhältnisse bei Dampfförderung im Vergleich zur elektrischen Förderung gestalten, darüber lassen sich angesichts der Schwierigkeit exakter Messungen bei Dampfbetrieb im Augenblick keinerlei quantitative Angaben machen; sie dürften sich aber aus Versuchen ableiten lassen, die Geheimer Bergrat Jahnke neuerdings zur Messung der bei Dampf- und bei elektrischem Betrieb auftretenden, tatsächlichen Förderbeschleunigung angestellt hat. 3. Die in den Formeln für pz auftretenden Teilschachtwiderstände R1 und R2 errechnen sich bei v. Hauer, v. Reiche, Hrabak und Havlicek aus den Ausdrücken für R, indem statt der Summe der Seilspannungen die Teilspannungen S1 und S2 und an Stelle der Summe der Grundflächen beider Körbe F die Grundfläche je eines Korbes in Rechnung gesetzt wird. Dagegen setzt Ruths bei einziehenden Schächten R1 = 0,3 F (v + V)2, R2 = 0,3 F (v – V)2; bei ausziehenden Schächten R1 = 0,3 F (v – V)2, R2 = 0,3 F (v+ V)2, wobei F die Grundfläche je eines Korbes bedeutet. Nach Philippi ist R1 = R2 = 0,06 N. 4. Die Reibungszahl μ. Die zweite Größe, deren Bewertung in den für pz aufgestellten Formeln Schwierigkeiten bereitet, ist die Reibungszahl μ. Leider sind die Reibungsverhältnisse trotz ihrer großen Bedeutung für den Koepetrieb noch wenig geklärt. Zwar liegen von zwei Seiten Ergebnisse von Versuchen vor, die sich mit der Reibung am Umfang der Koepescheibe beschäftigen, jedoch erhalten wir aus ihnen nur ein sehr unvollkommenes Bild der tatsächlichen Verhältnisse. Da sie die einzige Quelle darstellen, aus der Aufschlüsse über die Wertigkeit von μ zu schöpfen sind, so möchte ich der Erörterung der Reibungsverhältnisse einen Bericht über diese Versuche vorangehen lassen. Sie rühren von Baumann und von Koettgen her. Dipl.-Ing. Baumann veröffentlicht seine Ergebnisse unter dem Titel: Untersuchungen über die Förderung mit Treibscheibe in der Zeitschrift f. d. Berg–, Hütten- u. Salinenwesen 1883, S. 173. Ueber seine Versuche sagt er folgendes: „Um eine genauere Kenntnis des auf der Treibscheibe zu erzielenden Reibungswiderstandes zu erhalten, veranstaltete der Verfasser eine Reihe von Versuchen zur Ermittlung der Reibungskoeffizienten für Förderseile auf Eichenholz, Leder und Gußeisen. Mit Rücksicht auf die Zuverlässigkeit einer Fördereinrichtung erscheint es unerläßlich, daß auch ein frisch und überreichlich geschmiertes Seil genügende Sicherheit gegen Gleiten bietet, und daß auch die etwa durch Anstoßen des Förderkorbes eingeleitete Gleitung von selbst überwunden wird, sobald die Veranlassung hierzu aufgehört hat. Aus diesem Grunde wurde Seil und Seilkimme wiederholt geschmiert und vornehmlich der Reibungswiderstand für den Zustand der Bewegung zu ermitteln gesucht. Bei den Versuchen wurde die Seilscheibe gegen Drehung geschützt. Die Gewichtsschalen an beiden Seiten wurden zuerst gleichmäßig, dann die eine allmählich zunehmend weiterbeschwert, bis die jedesmal versuchsweise eingeleitete Bewegung sich von selbst fortsetzte. Die mehr belastete Schale wurde nach jedem Niedergange wieder in ungefähr gleiche Höhe mit der anderen gebracht. Die Seilkimme war in allen Fällen so weit, daß die Seele sie nur mit ihren Unterkanten berührte, und ein Festklemmen vollständig ausgeschlossen blieb. Bei den Versuchen mit Holzbelag wurden die Seile über einen mit Eichenholz belegten Seilkorb in eine durch jahrelangen Betrieb eingefahrene Seilrinne rechtwinklig zur Faserrichtung des Belagholzes gelegt. Als Schmiermaterial diente die sogenannte Seilschmiere. Vor Beginn jeder Versuchsreihe wurde Seil und Seilrinne gründlich geschmiert. Verwendet wurden Rundseile von 16 bis 32 mm. Nach 292 Versuchen stellte sich der Reibungskoeffizient im Mittel auf μ = 0,158 ein. Leder wurde untersucht, indem man die Seilkimme 1. mit flach hineingelegten, 2. mit hochkantig gestellten Treibriemen ausfütterte, die mit Fett durchtränkt waren; während die Versuchsanordnung im übrigen der vorhergehenden analog blieb. Im Mittel von 296 Versuchen ergab sich μ = 0,163.“ Die Versuche über die Reibungszahl bei Gußeisen interessieren für unsere Zwecke nicht, da Gußeisen als Seilrillenfütterung nicht in Anwendung kommt. Baumann faßt seine Ergebnisse folgendermaßen zusammen: „Die Reibung der Seile ist auf Gußeisen am geringsten, größer auf Holz, noch etwas größer auf Leder, namentlich, wenn dieses hochkantig steht, μ vermindert sich mit zunehmendem Durchmesser der Seile (die dünneren Seile verursachen wohl tiefere Eindrücke in die Unterlage) und mit zunehmender Belastung (der Einfluß der Seilsteifigkeit fällt bei geringerer Belastung mehr in die Wage). Bei schnell aufeinander folgenden Versuchen nahm der Reibungswiderstand meist ab, während er durch frisches Schmieren und nach Pausen wuchs. Der Grund hierfür liegt wohl in der Erwärmung des Schmiermaterials durch die Gleitung. Zum Teil wird auch das Glattwerden der Kimme bei hartem Holz und Gußeisen die Reibungswiderstände verringern, während bei Leder die Widerstände nach öfterem Gleiten zunehmen. Da im Betriebe die Verhältnisse wohl nie so ungünstig werden können, wie sie bei den Versuchen absichtlich herbeigeführt wurden, so wird man genügend sicher gehen, wenn man die gefundenen Durchschnittswerte den Berechnungen für die Praxis zugrunde legt.“ Die Versuche von Oberingenieur Koettgen beziehen sich auf die Reibungsverhältnisse an Koepescheiben unter Verwendung von Flachseilen, seine Ergebnisse sind veröffentlicht in der Z. d. V. d. I. 1902 in dem Artikel: „Elektrisch betriebene Hauptschachtfördermaschinen“, in Form von Diagrammen, die in Abb. 3 bis 6 wiedergegeben sind. Koettgen äußert sich dazu folgendermaßen: „Aus den Diagrammen geht hervor, daß für die Fütterung der Koepescheibe verschiedene Stoffe gewählt worden sind, und zwar Pappelholz, Eichenholz, Weißbuchenholz und Leder. Außerdem wurden die Reibungsversuche mit vollständig trockenem Seil ausgeführt, alsdann mit einem Seil, das mehr oder weniger stark mit Seilschmiere eingefettet war, und zum Schluß mit einem Seil, welches außerdem noch angefeuchtet war. Aus den Kurven ersieht man, daß das Material an sich einen großen Einfluß auf den Reibungskoeffizienten nicht ausübt. Die Verwendung von Leder wurde hauptsächlich deshalb versucht, um die Abnutzung der Reibfläche bei gleitendem Seil nach Möglichkeit zu verringern. Es hatte sich nämlich gezeigt, daß das als Hirnholz aufgebrachte Holzfutter verhältnismäßig stark absplitterte, sobald Gleiten des Seiles eintrat. Bei der Lederfütterung war diese Abnutzung so gut wie nicht vorhanden, da eben die Fasern des Leders bedeutend zäher sind als die Holzfasern. Textabbildung Bd. 333, S. 225 Abb. 3. Aus den Kurven ist weiter ersichtlich, daß der Zustand des Seiles: ob trocken, ob mit Seilschmiere eingefettet oder ob mit Wasser begossen, einen großen Einfluß auf den Reibungskoeffizienten ausübt. Man sieht, daß die Verwendung von trockenen Seilen, die zur Verhinderung des Röstens verzinkt sind, bei Koepeförderungen eine sehr große Sicherheit gewährleisten, andererseits aber zeigen auch die Versuche, daß selbst bei geschmiertem Seil die Reibung immer noch genügend groß ist.“ Textabbildung Bd. 333, S. 225 Abb. 4. Von Bedeutung sind beide Arbeiten, insofern sie uns eine Vorstellung von der ungefähren Größe der Reibungszahl verschaffen. Koettgens Versuche, die sich allerdings nur auf Bandseile beziehen, zeigen außerdem, daß der Wert von μ Veränderungen innerhalb recht weiter Grenzen – 0,1 bis 1,0 – unterliegt, je nach den Verhältnissen, unter denen die Reibung stattfindet. Weiterhin aber kann eine Bewertung beider Versuchsreihen nur dahin gegeben werden, daß der Gültigkeitsbereich beider Versuchsergebnisse ein sehr eng begrenzter ist. Baumann kommt es, wie er selbst hervorhebt, nur darauf an, den Wert der Reibungszahl bei geschmiertem Seil zu ermitteln, und Koettgen beschränkt sich darauf, seine Untersuchungen für Bandseile anzustellen. So greifen beide Verfasser aus der Fülle von Einflüssen, unter denen sich der Wert von μ einstellt, gewisse Gruppen heraus, um sie näher zu beleuchten, während sie die Verhältnisse im Ganzen ungeklärt lassen. Hinweisen möchte ich hier auf Widersprüche, die sich in beiden Arbeiten zeigen. 1. In bezug auf ihre Stellungnahme gegenüber Seilschmiere: Während Baumann hier zu dem Resultat kommt, daß risches Schmieren den Reibungswiderstand vergrößert, ergeben Koettgens Versuche, daß durch Schmierung der Wert der Reibungszahl herabsinkt. 2. Betr. die Reibungszahlen bei Verwendung von geschmiertem Seil auf Leder, und dann auf Eichenholz. Hier räumt Koettgen dem Eichenholz die erste Stelle ein, während nach den Versuchen Baumanns sich das umgekehrte Verhältnis ergibt. Textabbildung Bd. 333, S. 225 Abb. 5. Welches sind nun überhaupt die Elemente, von denen μ im einzelnen Falle abhängt? An der Hand der Versuchsergebnisse und unter Zuhilfenahme praktischer Erfahrungen lassen sich die hier in Betracht kommenden Umstände etwa zu folgenden drei Gruppen zusammenfassen: 1. Material des Seiles, 2. Material der Seilrillenfütterung, 3. Zustand von Seil und Seilrillenfütterung. Textabbildung Bd. 333, S. 225 Abb. 6. Für die Praxis kämen hier im Einzelnen in Betracht aus der ersten Gruppe: a) das für das Seil verwendete Material im engeren Sinne, also die verschiedenen Metallsorten; b) die Art der Ausführung des Seiles, als Band- oder Rundseil, wobei ferner die verschiedenen Flechtarten und der Durchmesser zu berücksichtigen wären. Aus der zweiten Gruppe: a) das zur Fütterung verwendete Material im engeren Sinne, also: Leder und die verschiedenen Holzarten, von denen neben Weißbuche, Eiche, Pappel vor allen Dingen Ulme in Betracht kommt; b) die Art des Einbaues der Fütterung. – Lederfütterung besteht in der Praxis im allgemeinen aus aneinander geleimten Lederscheiben, die nach Art der Skizze (Abb. 7) profiliert und hochkantig in hölzerne Seilkränze eingebaut werden. – Bei Holzfütterung bringt man die einzelnen Segmente des Seilkranzes entweder als Kopfholz oder abwechselnd als Kopf- und Langholz ein, wobei die Langholzklötze auch hin und wieder durch Lederfütterungen ersetzt werden. Aus der dritten Gruppe: a) Der Zustand von Seil und Fütterung, was Feuchtigkeitsverhältnisse anlangt. Diese sind abhängig in erster Linie von den Wasserverhältnissen im Schacht, neben denen allerdings auch den Witterungsverhältnissen, zumal bei Flurförderanlagen, ein gewisser Einfluß eingeräumt werden muß. – Besonders hervorheben möchte ich hier, daß von den Witterungsverhältnissen sich vor allem Rauhreif in der Praxis unangenehm bemerkbar macht. b) Die Schmierung und die Verzinkung des Seiles, mit deren Hilfe man es gegen die Einflüsse der Außenluft zu schützen sucht. Berücksichtigt werden müßten auch die verschiedenen Sorten von Seilschmiere, die zur Verwendung kommen. In welchem Umfange nun die Faktoren im einzelnen den Wert von μ beeinflussen, darüber ließe sich nur an der Hand eingehender Versuche vollständige Klarheit gewinnen. Die in der Technik gebräuchlichen Zahlen für μVergl. Bansen, Die Bergwerksmaschinen III S. 88, Berlin 1913, J. Springer. sind in der Hütte angegeben zu μ = 0,16 bis 0,25. Jedoch werden diese Grenzen sowohl nach der einen, wie nach der anderen Seite überschritten. Beispielsweise legt Koettgen in dem schon vorher erwähnten Aufsatz: „Elektrisch betriebene Hauptschachtfördermaschinen“ die Reibungszahl 1/7 = 0,143, allerdings für Flachseile, seinen Berechnungen zugrunde, während Kaufhold in D. p. J. 1907 S. 754 als praktischen Höchstwert den Wert 0,3 angibt und mit ihm seine Berechnungen durchführt. Die in der Technik verwendeten Werte von μ sind also mehr oder weniger dem Belieben jedes Einzelnen anheimgestellt; selten sucht man in ihnen der Abhängigkeit der Reibungszahl von den jeweiligen praktischen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Textabbildung Bd. 333, S. 226 Abb. 7. Wohl als gebräuchlichste Zahl in der Technik hat sich μ = 0,20 herausgebildet, ein Wert, der nach den Baumannschen und den Koettgenschen Versuchen bei einigermaßen günstigen Verhältnissen an Seil und Treibscheibe im allgemeinen hinter der tatsächlichen Größe von μ zurückbleibt. Beachten wir nun an der Hand von Tafel 6, wie stark jede Vergrößerung des Zahlenwertes von μ in gleichem Sinne auf die errechnete höchstmögliche Anfahrbeschleunigung einwirkt, so ergibt sich, daß bei Verwendung von μ = 0,20 für Berechnungen von p in vielen Fällen die Reibungsübertragung an der Koepescheibe um ein Beträchtliches unterschätzt wird. Erwünscht wäre es nunmehr, die Werte der höchstmöglichen Anfahrbeschleunigung durch Versuche zu bestimmen. Dadurch würde es möglich, mit Hilfe der Formeln für p, unter Berücksichtigung der mitgeteilten Schachtwiderstandswerte, einen Schluß auf die tatsächliche Größe der Reibungszahl für die betreffenden Förderanlagen zu ziehen. Solche Versuche sind unter Leitung des Geh. Bergrats Jahnke angestellt und werden zurzeit noch fortgesetzt. Tafel 6. Carmerschacht Textabbildung Bd. 333, S. 226 Hauptförderung; Nebenförderung; Friedrichshall; Deutschlandgrube; v. Hauer; v. Reiche; Hrabak; Philippi; Ruths; Havlicek. 5. Die Sicherheitszahl \mbox{S}. Die rechnerisch ermittelten Werte für die höchstmögliche Anfahrbeschleunigung werden in der Praxis unter Einschaltung einer gewissen Sicherheit verwendet, um die für den Betrieb zulässige Anfahrbeschleunigung pz zu erhalten. Eine nähere Angabe über diese Sicherheit findet sich nur bei Philippi,Hütte II, 22. Aufl. der sie für elektrische Koepeanlagen auf 1,25 bis 1,43 schätzt. Um eine Vorstellung von dem Verhältnis: \frac{\mbox{höchstmögliche Anfahrbeschleunigung}}{\mbox{zulässige Anfahrbeschleunigung}}=\frac{p}{p_{\mbox{z}}}=\frakfamily{S} zu ermöglichen, habe ich in Tafel 7 mit den Werten für pz wie sie sich aus den Karlik-Diagrammen ergeben, die rechnerisch ermittelten höchstmöglichen Werte von p (bei μ = 0,20) für einige Förderanlagen zusammengestellt und die daraus folgenden Sicherheitszahlen \frakfamily{S} beigefügt. Tafel 7. (p = 0,20) Anlage pz Phi-lippip Ruhtsp Havli-cekp Phi-lippi\frakfamily{S} Ruths\frakfamily{S} Havli-cek\frakfamily{S} Carmerschacht H.-F. ∞ 0,60 1,63 1,56 1,53 2,7 2,6 2,52 Carmerschacht N.-F. ∞ 0,90 1,33 1,36 1,20   1,48 1,5 1,33 Deutschlandgrube I ∞ 0,80 1,99 1,98 1,70 2,5 2,5 2,15 Durch die Liebenswürdigkeit von Herrn Professor Philippi bei den S. S. W. bin ich in der Lage, noch eine Tafel anfügen zu können, die die Sicherheitszahlen für eine Reihe von Anlagen aus neuester Zeit enthält (Tafel 8). Tafel 8. Name der Anlage Berechn.Beschleu-nigungp GewählteBeschleu-nigungpz Sicherheit\frakfamily{S} Gewerkschaft Wilhelmshall 0,97 m/sec2 0,85 m/sec2 1,14 Gewerkschaft Bonifazius 1,086   „ 0,75     „ 1,45 Menzelschacht (v. Donnersmarck-      sche Verwaltung) 1,74     „ 0,80     „ 2,17 Gew. Marie und Marie Luise 2,41     „ 1,00     „ 2,41 Gew. Glückauf Sondershausen 1,55     „ 0,80     „ 1,94 Gew. Deutscher Kaiser 1,38     „ 0,72     „ 1,92 Zeche Emscher Lippe 0,992   „ 0,74     „ 1,38 6. Schluß. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß sowohl die Schachtwiderstandswerte als auch die Reibungswerte an der Koepescheibe weiterer Aufklärung durch Versuche bedürfen. Für die Erkenntnis der Schachtwiderstandsverhältnisse wäre es notwendig, genaue Untersuchungen auf einer größtmöglichen Zahl von Förderanlagen anzustellen, damit Material für Vergleichszwecke gewonnen würde. Die Klärung der Reibungsverhältnisse müßte durch systematische Versuche herbeigeführt werden, welche alle in der Praxis möglichen Abänderungen der Reibungsbedingungen berücksichtigen. Die Erforschung gerade der Reibungsverhältnisse aber wäre von größtem Interesse, da in der Reibungszahl der Grundzug des Wesens der Koepeanlagen verkörpert liegt und erst mit der sicheren Festlegung des Wertes von μ die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Ausbeutung der wahren Leistungsfähigkeit der Koepeförderungen gegeben wäre. Für die Lösung dieser beiden Aufgaben dürften die schon mehrfach genannten Versuche des Geh. Bergrats Prof. Dr. Jahnke eine geeignete Grundlage geschaffen haben. Eine Veröffentlichung hierüber wird, wie Geheimrat Jahnke die Güte hatte mir mitzuteilen, demnächst erfolgen.