Titel: Industrie-Laboratorien.
Autor: C. O. Friedrich
Fundstelle: Band 334, Jahrgang 1919, S. 188
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Industrie-Laboratorien. Von Ingenieur C. O. Friedrich, Berlin-Siemensstadt. FRIEDRICH: Industrie-Laboratorien. Das Laboratorium wird künftig in deutschen industriellen Betrieben eine noch größere Bedeutung gewinnen müssen, als es heute vielfach schon hat, Diese Behauptung kann vielleicht Zweifeln begegnen, denn mit dem Worte Laboratorium ist vielfach die Vorstellung verknöpft, als ob es sich dabei um etwas rein Theoretisches, Wissenschaftliches und deshalb Unpraktisches handele. Das kommt daher, daß die Bezeichnung Laboratorium, wie so häufig ein Fremdwort, vieldeutig ist. Was man so ganz allgemein Industrie Laboratorium nennt, hat im einzelnen Falle oft einen besonderen, gut deutschen Namen. Hier heißt es Prüffeld, Prüfraum oder Prüfstand, dort Versuchsraum oder Versuchswerkstatt, anderswo Untersuchungsstelle – kurz, es gibt eine ganze Reihe von verschiedenen deutschen Bezeichnungen dafür, die aus den besonderen Verhältnissen des Betriebes gewählt sind. Gemeinsam ist ihnen allen, daß jede immer auf ein Prüfen, ein Untersuchen und Versuchen, nicht selten auch auf ein Ueberwachen hindeutet. Eine oder mehrere Stellen, die mit derartigen Arbeiten beschäftigt sind, gibt es heute wohl in jedem industriellen Betriebe, und jede Werkleitung wird sich die Frage vorzulegen haben, ob nicht infolge der veränderten Zeitverhältnisse Umstände eingetreten sind, die zu einer anderen Bewertung der Laboratoriumsarbeit nötigen. Wo die Frage gestellt wird, da wird sie selten verneint werden können. Was hat sich nicht alles gegen die Zeit vor dem Kriege verändert. Alle Absatzgebiete sind verloren gegangen, neue müssen erschlossen werden. Die Aufnahmefähigkeit des Marktes für bestimmte Erzeugnisse ist nicht dieselbe geblieben, weil die Kaufkraft der Käufer in den meisten Fällen nachgelassen, in einigen auch zugenommen hat. Die früher benutzten Rohstoffquellen fließen vielfach nicht mehr: es gilt neue zu suchen oder für fehlende oder seltene Rohstoffe Ersatz zu schaffen. Die Transportverhältnisse für Rohstoffe und Erzeugnisse haben sich gründlich gewandelt, was ebenfalls nicht ohne Einfluß auf Rohstoffwahl, Arbeitsverfahren und Absatz bleiben kann. Will man allen diesen Umständen Rechnung tragen, so hat man nicht nur gründliche kaufmännische Erwägungen anzustellen, sondern auch eine Reihe von technischen Fragen zu beantworten, auf die ohne die Mitarbeit eines Laboratoriums keine zuverlässige Antwort zu finden ist. Es wäre irrig, anzunehmen, daß die während des Krieges auf dem Gebiete der Rohstoffbeschaffung und des Rohstoffersatzes geleisteten Arbeiten neue Bemühungen überflüssig machen. Sicherlich ist vieles davon auch für die Jahre nach dem Kriege verwendbar. Aber damals spielten zum Beispiel Arbeitslöhne und Rohstoffpreis nicht die Rolle, die ihnen heute ein Unternehmen zuerkennen muß, das sich auf dem inländischen und auf dem ausländischen Markte behaupten will. Auch die bereits während des Krieges gelösten rein technischen Fragen müssen heute unter ganz anderen Gesichtspunkten und deshalb meist auch in ganz anderer Fassung neu gestellt und von neuem beantwortet werden. Und diese Antwort wird sich auf die Ergebnisse der im Laboratorium ausgeführten Arbeiten stützen müssen. Auch dann, wenn die mannigfachen, durch den Krieg und die Uebergangszeit aufgeworfenen Fragen eine den Zeitverhältnissen entsprechende Antwort gefunden haben, sind die Aufgaben für das Laboratorium noch lange nicht erschöpft. Die Belastung der Industrie durch mittelbare und unmittelbare Steuern, durch höchste Löhne und nicht zum wenigsten durch einen überaus scharfen wirtschaftlichen Wettkampf werden dazu zwingen, durch unausgesetzte Verbesserungen und Vervollkommnungen im kleinen wie im großen Ersparnisse zu machen und die Leistungen zu steigern, also die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. Dazu ist wieder das Laboratorium unentbehrlich. Textabbildung Bd. 334, S. 188 Chemisches Laboratorium für Metallbestimmungen. Textabbildung Bd. 334, S. 188 Versuchs-, Schmelz- und Ofenraum eines Hüttenlaboratoriums. Was hat denn das Laboratorium zu leisten? Das ist in den verschiedenen Industriebetrieben ganz verschieden. So fällt ihm zum Beispiel die Aufgabe zu, die für die Aufrechterhaltung des Betriebes notwendigen Rohstoffe und Erzeugnisse, wie Brennstoffe, Schmiermittel, Wärmeschutzmittel usw., auf ihren Wert für den Betrieb zu untersuchen. Außer der Prüfung von Betriebsstoffen kann dem Industrielaboratorium die Prüfung der für die Fabrikation notwendigen Roh- und halbfertigen Stoffe übertragen sein. Auf Grund seiner Angaben wird die Entscheidung getroffen, ob angebotene oder sonst zur Verfügung stehende Stoffe überhaupt für den Betrieb verwendbar und ob verwendbare Stoffe preiswert sind. Dazu kommt dann selbstverständlich die dauernde Untersuchung und Ueberwachung der im Betriebe hergestellten halbfertigen und Enderzeugnisse. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen können der Betriebsleitung oder dem Laboratorium Veranlassung geben, der Beseitigung regelmäßig wiederkehrender Mängel Aufmerksamkeit zuzuwenden, die Arbeitsverfahren so abzuändern, daß ein besonders gutes oder besonders gleichmäßiges Enderzeugnis daraus hervorgeht, Lohn oder Zeit sparende Vereinfachungen des Herstellungsganges zu ermitteln und zu erproben usw. Wie schon diese kurze und bei weitem nicht erschöpfende Uebersicht über die Arbeiten von Industrielaboratorien zeigt, verspricht das für zweckmäßig eingerichtete Laboratorium aufgewendete Kapital recht erhebliche wirtschaftliche Vorteile, Vorteile, die für das Bestehen des ganzen Unternehmens entscheidend sein können. Zweckmäßige Einrichtung ist allerdings in jedem Falle ganz besonders zu beachten. Nur wenn alle regelmäßig vorkommenden Arbeiten in der kürzesten Zeit und mit der größten Genauigkeit durchgeführt werden können, wenn bei den Laboratoriumsarbeiten unnötige Verzögerungen vermieden und ausreichend zuverlässige Unterlagen geliefert Pferden, ist zu erwarten, daß sich die auf die Einrichtung oder den Ausbau eines Laboratoriums gesetzten Erwartungen erfüllen. Es kommt nicht nur darauf an, daß das Laboratorium mit den am meisten geeigneten Meß- und Beobachtungsinstrumenten ausgerüstet ist, auch die Energieversorgung muß so geregelt sein, daß dadurch der Laboratoriumsbetrieb nach Möglichkeit erleichtert wird. Je nach den Umständen müssen die Arbeitsplätze mit Wasser, Dampf, Gas, Druckluft, Luft von Unterdruck usw. und fast immer mit elektrischer Energie versorgt werden und die Anordnung der verschiedenen Entnahmestellen und die Führung der Leitungen und Rohre bieten Schwierigkeiten, die nicht immer leicht zu überwinden sind. Allgemein gültige Regeln lassen sich eben wegen des Umstandes, daß das Industrielaboratorium in den allerengsten Beziehungen zu dem einzelnen Betrieb selbst steht, nicht geben. Bei der Neueinrichtung oder Erweiterung eines Laboratoriums von den Erfahrungen anderer Gebrauch zu machen, ist kaum möglich, denn in der Regel halten die Industriebetriebe mit der Bekanntgabe von Einzelheiten ihrer Laboratoriumseinrichtungen zurück, weil sich daraus Schlüsse auf Eigentümlichkeiten der Fabrikation ziehen lassen könnten. Man tut deshalb gut, sich bei der Planung und Einrichtung von Industrielaboratorien an eine Firma zu wenden, die durch ihre Lieferungen die Bedürfnisse der verschiedenen Industriebetriebe kennen gelernt hat und die in ihren eigenen Laboratorien Tag für Tag neue Erfahrungen sammeln kann. Man könnte meinen, daß es sich bei der Ausrüstung eines Industrielaboratoriums mit Apparaten und Instrumenten in der Hauptsache selbst um ein verkleinertes Bild des Betriebes handele, weil doch alle die Arbeitsgänge, die der Rohstoff auf seinem Wege bis zum Enderzeugnis durchmacht, auch im Laboratorium ausführbar sein müssen. Das kann der Fall sein. Häufig reicht jedoch das Arbeitsgebiet des Laboratoriums über dasjenige des Unternehmens selbst recht erheblich hinaus, namentlich dann, wenn von den Abnehmern an die gelieferten End- oder Halberzeugnisse besondere Ansprüche gestellt werden. So kommen zum Beispiel Hütten- und Walzwerke, die Eisenbleche für elektrotechnische Zwecke liefern, nicht ohne Einrichtungen zur Untersuchung der magnetischen Eigenschaften von Eisenblechen aus, wenn sie ihre Kunden in zufriedenstellender Weise bedienen wollen. Ebenso brauchen Porzellanfabriken, die für den gleichen Abnehmerkreis arbeiten, Einrichtungen, um die hergestellten Erzeugnisse auf ihre Eignung für elektrotechnische Zwecke eingehend zu prüfen. Eine solche Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Kundschaft bietet den Vorteil, daß Beanstandungen wegen mangelhafter oder ungleichmäßiger Lieferungen vermieden werden; dazu kommt, daß gleichmäßige und zweckentsprechende Erzeugnisse höher bewertet werden. Die Ausgaben für das Industrielaboratorium sind deshalb in jeder Beziehung als werbende anzusehen, die sich durch Ersparnisse im Betrieb und Mehrerlös aus den Erzeugnissen in kurzer Zeit bezahlt machen. Textabbildung Bd. 334, S. 189 Laboratorium für Elektrizitätswerke. Textabbildung Bd. 334, S. 189 Elektro-analytischer Arbeitstisch eines chemischen Laboratoriums. Die Abbildungen neuerer Laboratoriumsanlagen sind vom Wernerwerk der Siemens & Halske A.-G. zur Verfügung gestellt worden.